SEPTEMBER · D ie Künstler*innen werden jeden Tag (Freitag bis Sonntag) von 11:00-22:00 für euch da sein. Um 22:00 schließen wir die Türen und nicht fertiggestellte Tattoos müssen am nächsten Tag weiter gestochen werden Auch erfahrene Piercer*innen werden euch zur Verfügung stehen. Komm vorbei und lass dich überraschen! WIE ICH EINMAL IN DER TRISTEZA AN EINER PODIUMSDISKUSSION TEILNAHM Stanley Beamish (Anarchistische Föderation Berlin) Am 20.9.12 lud die ANA (Autonome Neuköllner Antifa) zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Wege und Ziele-Anarchismus oder Kommunismus?“ in die Tristeza, einer „linken“ Kneipe in Berlin-Neukölln. Mit „Kommunismus“ meinten sie natürlich Marxismus. Ich sollte für die AFB (Anarchistische Föderation Berlin) sprechen. Außer mir waren auf dem Podium jemand vom Forum deutschsprachiger Anarchistinnen (FdA), zu dem die AFB ja auch gehört, Detlev Georgia Schulze von der trotzkistischen (also eigentlich leninistischen) „Sozalistischen Initiative Berlin (SIB)“ sowie eine Vertreterin von „mundus magenta“, einer Fakegruppe. Ihre eigentliche Gruppe sollte aus Angst vor Repression nicht genannt werden, damit sie sich freier äußern kann. Als erstes sollten alle vier Diskutant*innen jeweils ein paar Minuten ihre Positionen vortragen; danach wurden von der ANA-Moderation, später dann vom Publikum Fragen formuliert, auf die wir nacheinander antworteten. Gleich zu Beginn machte ich klar, dass ich nur für mich spreche, mit Verweis auf unser Organisationskonzept (synthetische, also strömungsübergreifende Föderation). Dennoch erzählte mein FdA-Genosse ganz ähnliche Sachen wie ich bzw. wie ergänzten uns. Unter anderem wurde nach unserer Strategie gefragt, nach unserem Verhältnis zur Klassenfrage, nach dem Verhältnis zu Tieren und zur „Natur“. Es würde hier zu weit führen, alle unsere Antworten detailliert anzuführen. Jedenfalls machten wir deutlich, dass wir die Selbstorganisation in allen Lebensbereichen voranbringen wollen, die dann irgendwann die jetzigen Herrschaftsstrukturen ersetzen soll, dass wir den Klassenkampf bejahen und dass wir eine Organisation von entschiedenen Revolutionär_innen befürworten, die aber niemals eine Avantgarde sein darf. Was mundus magenta vortrug, war dafür, dass es marxistisch war ganz okay, klare Ablehnung von Lenin usw., ließ mich aber auch relativ kalt, ich mach mir nunmal nichts aus Religion, auch nicht wenn Marx ihr Stifter ist. Detlev Georgia (SIB) erzählte irgendein Leninzeug, was mir natürlich nicht sehr gefiel, auch wenn einige interessante strategische Überlegungen dabei waren. Die Tristeza war brechend voll (ca. 150 Leute). Nach meiner Erfahrung bringen Podiumsdiskussionen wenig bis keinen Erkenntnisgewinn. Ich nahm also alles eher als Showveranstaltung (daher ist dieser Bericht auch nicht zu ernst gehalten) und schaffte es ganz gut, das Publikum mit bildhafter Sprache, Alltagsbeispielen und einigen manipulativen Einflechtungen auf unsere Seite zu ziehen. Ich bemühte mich, die irrsinnige Verwechslung von Marxismus mit Kommunismus aufzuklären, führte Berkman und Kropotkin als Vertreter des anarchistischen Kommunismus an. Bei „mundus magenta“ kam raus, dass sie fast nichts über Anarchismus wusste; inwieweit mich das Publikum verstand, weiß ich nicht. Da wir Freigetränke hatten und es Cider vom Fass gab, langte ich ordentlich zu; also musste ich irgendwann saudringend und kam gerade noch rechtzeitig, um die Frage nach dem Mensch-Tier- Verhältnis zu beantworten. Ins Schlingern kam ich nur, als ich unseren bzw. meinen Freiheitsbegriff beantworten sollte- peinlich, daran muss ich arbeiten. Zumindest hab ich andeuten können, daß schon Marx selbst unglaublich autoritär war und nicht erst Lenin, Stalin und Mao (Wolfgang Eckharts Bücher zum Konflikt in der 1. Internationale sind da sehr aufschlußreich). Ich konnte mich bis heute nicht überwinden, den Podcast der Veranstaltung anzuhören (www.official.fm/ tracks/UHJ5). Ich fand den Abend sehr anstrengend, auch wenn es für das Publikum sicher unterhaltsam war und der Cider super schmeckte. Bei einer Podiumsdiskussion wird nicht wirklich miteinander diskutiert, sondern um die Gunst des Publikums gestritten. Mit dem Marxismus kann ich nun genausowenig anfangen wie zuvor. Dass Detlev Georgia durch unsere Argumente sonderlich bewegt wurde, glaube ich auch nicht, aber „mundus magenta“ wirkte interessiert. Ich werd ihr mal Berkmans „ABC des Anarchismus“ vorbeibringen. Schließlich sind viele in unserer Bewegung irgendwann mal marxistisch gewesen … 35
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