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Leseprobe - Maseltrangen

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erühmter als ihr Mann. Aus der Koffeinstudie ergaben sich Hinweise darauf, dass -<br />

anders als viele Männer glaubten - der Menstruationszyklus keinen Einfluss auf die<br />

geistige Leistungsfähigkeit von Frauen hatte. Leta Hollingworth benutzte die Methode der<br />

Coca-Cola-Experimente, um diese Tatsache ein für alle Mal zu belegen. Ihre Doktorarbeit<br />

«Funktionale Periodizität: eine experimentelle Studie der mentalen und motorischen<br />

Fähigkeiten von Frauen während der Menstruation» gehört heute zu den Klassikern in<br />

der Psychologie.<br />

Der Höhlenmensch<br />

Der französische Geologe Michel Siffre verbrachte 1962 zwei Monate ohne Uhr in<br />

einer Höhle. Als er ausstieg, glaubte er, es seien nur 25 Tage gewesen.<br />

Michel Siffre führte sein Tagebuch mit<br />

roter Tinte. Er hoffte, so etwas<br />

Abwechslung in seinen trostlosen<br />

Alltag zu bringen. Die Wirkung blieb<br />

aus. «Was mache ich bloss hier?»<br />

schrieb er einmal, oder: «Mein Gott,<br />

warum habe ich bloss solche Ideen?»<br />

Ein Jahr zuvor hatte der 22-jährige<br />

Geologe im Massiv von Marguareïs<br />

an der französisch-italienischen<br />

Grenze eine Höhle mit einem<br />

unterirdischen Gletscher entdeckt und<br />

beschlossen, im Jahr darauf für zwei<br />

oder drei Tage dort zu campieren.<br />

Oder wären zwei Wochen sinnvoller?<br />

Siffre fasste schliesslich den Plan,<br />

mindestens zwei Monate ohne Uhr in<br />

der Höhle zu verbringen und seinen<br />

natürlichen Rhythmus zu beobachten.<br />

Familie und Freunde versuchten ihm<br />

Michel Siffre auf dem Weg zur<br />

Nachuntersuchung. Er erträgt noch kein<br />

Tageslicht.<br />

das Vorhaben auszureden. Die Kammer mit dem Gletscher war nur durch einen engen<br />

Schacht zugänglich. Wer sich in der Höhle ernsthaft verletzte oder krank wurde, konnte<br />

selbst von gut ausgerüsteten Helfern nicht geborgen werden. Doch Siffre hatte sich<br />

längst entschieden.<br />

Am 16. Juli 1962 stieg er in sein Verlies hinab. Eine Tonne Material hatten Kollegen<br />

zuvor zum Campingplatz auf dem unterirdischen Gletscher geschleppt: ein Zelt, einen<br />

Gaskocher, Batterien, einen Plattenspieler, ein Feldbett, einen Schlafsack, Ersatzkleider<br />

in Alufolie gegen die Feuchtigkeit, Bücher und Proviant. Eine Telefonverbindung zum<br />

Höhleneingang wurde installiert, wo während der ganzen Zeit des Experiments zwei<br />

Leute wachten. Immer wenn Siffre aufstand, ass oder schlafen ging, rief er an und<br />

schätzte die aktuelle Zeit. Die wirkliche Zeit des Anrufs wurde erfasst, ohne dass er sie<br />

erfuhr.<br />

Sein Buch «Expériences hors du temps» über den Versuch liest sich wie eine Anleitung<br />

zum Masochismus. In der Höhle herrschten konstant null Grad bei hundert Prozent<br />

Luftfeuchtigkeit. Im Zelt entstand Kondenswasser. Das Feldbett war ständig nass,<br />

ebenso der Schlafsack und die Kleider. Die Schuhe sogen sich mit Eiswasser voll wie ein<br />

Schwamm. Siffre bekam unerträgliche Rückenschmerzen, wurde depressiv, dachte<br />

daran, sein Testament zu schreiben. Ein festes Tagesprogramm gab es nicht. Zu Beginn<br />

unternahm Siffre zwar noch kleine Ausflüge auf dem Gletscher. Doch bald blieb er nur<br />

noch in der unmittelbaren Umgebung des Camps.<br />

Immer wieder wollte er ausrechnen, wie lange er schon in der Höhle war. Aus der<br />

Spielzeit der Platten versuchte er das Zeitgefühl zurückzugewinnen. Ohne Erfolg.<br />

Manchmal schien ihm die Dauer zwischen Anfang und Ende eines Stücks unendlich kurz<br />

zu sein. Siffre zog sogar in Betracht, eine volle Gaskartusche leerbrennen zu lassen. Er<br />

wusste, dass sie 35 Stunden hielt.<br />

Als man Michel Siffre am 14. September am Telefon mitteilte, das Experiment sei zu<br />

Reto U. Schneider - Verrückte Experimente 29/36

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