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Leseprobe - Maseltrangen

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der Spitze der Bombe sehen konnten, hackten sie an unterschiedlichen Stellen mit dem<br />

Schnabel auf einen Schirm. Mit diesen Signalen wurde die Bombe gelenkt. Die<br />

Steuerung funktionierte im Labor, kam aber nie zum Einsatz.<br />

Es war nicht Skinner selbst, der den Begriff »Skinnerbox« prägte, doch der Name wurde<br />

schnell populär. Skinner wurde sogar verdächtigt, seine zweite Tochter Deborah in einer<br />

Skinnerbox aufgezogen zu haben. Später machte das Gerücht die Runde, Deborah sei in<br />

einer psychiatrischen Anstalt gelandet und habe sich umgebracht.<br />

Den Keim für diese moderne Legende legte im Oktober 1945 das Ladies’ Home Journal.<br />

Die Frauenzeitschrift berichtete über die schallgedämpfte, beheizte Kinderkrippe, die<br />

Skinner für Deborah gebaut hatte. Unglücklicherweise lautete der Titel des Beitrags<br />

»Baby in einer Box«, woraus viele Leser schlossen, Deborah stecke in einer Skinnerbox,<br />

wo sie, wie die Ratten und Tauben ihres Vaters, an Experimenten teilnehmen müsse.<br />

Heute taucht Skinners Tochter, die als Künstlerin in London lebt, in unregelmäßigen<br />

Abständen in der Presse auf, um die unausrottbare Legende ihres Selbstmords zu<br />

dementieren.<br />

Skinner war eine kontroverse Figur des amerikanischen Geisteslebens. Besonders große<br />

Bedeutung bekamen seine Erkenntnisse in der Erziehung: Die Parallelen zwischen Lob<br />

und Tadel und seinen Experimenten waren offensichtlich. Für Skinner war die Welt eine<br />

große Skinnerbox. Er war überzeugt, dass sich das gesamte Verhaltensrepertoire der<br />

Menschen daraus erklären lässt. In seinem umstrittenen Buch Jenseits von Freiheit und<br />

Würde machte er 1971 den Vorschlag, die Konditionierungstechniken zum Wohle der<br />

Menschheit einzusetzen, um damit die Menschen zu trainieren, sich auf sozial<br />

erwünschte Weise zu verhalten.<br />

1946 Urlaub im Durchzug<br />

Wer in England kurz nach dem Zweiten Weltkrieg billig Ferien machen wollte, reiste nach<br />

Salisbury. In der Nähe des 150 Kilometer südwestlich von London gelegenen Städtchens<br />

wohnte man damals kostenlos zu zweit in großzügigen Appartements, ausgestattet mit<br />

Büchern, Spielen, Radio und Telefon, vertrieb sich die Zeit mit Tischtennis, Badminton<br />

oder Golf und bekam dafür sogar noch drei Schillinge pro Tag bezahlt.<br />

Die Sache hatte nur einen Haken: In den Gebäuden des Harvard-Hospitals auf dem<br />

windigen Hügel etwas außerhalb war die Abteilung für Erkältungsforschung der britischen<br />

Regierung, die Common Cold Unit, untergebracht, und die Besucher – meist waren es<br />

Studenten – dienten als Versuchskaninchen. »Unbefriedigende« zwar, wie der Leiter der<br />

Common Cold Unit, Christopher Howard Andrewes, im Jahr 1949 in einem Artikel<br />

schrieb, doch »die einzigen Tiere, die uns zur Verfügung stehen«.<br />

Außer auf Menschen ließ sich damals eine Erkältung nur auf Schimpansen übertragen.<br />

Und die waren, so Andrewes, »sehr teuer, kräftig und schwierig im Umgang«. Ganz<br />

anders die Studenten: Die »zehntägigen Gratisferien« im Harvard-Hospital seien beliebt.<br />

Einige der Versuchspersonen kehrten mehrmals dorthin zurück.<br />

Die zwölf Leute, die an einem Samstagmorgen nach einem Bad in heißem Wasser eine<br />

halbe Stunde in einem zugigen Durchgang ausharren mussten, dürften nicht dazugehört<br />

haben. Sie fühlten sich »frostig und elend«, schrieb Andrewes, und ihre Stimmung hat<br />

sich wahrscheinlich auch mit den nassen Socken, die sie für den Rest des Morgens<br />

tragen mussten, nicht aufgeheitert.<br />

Glaubte man der Volksmeinung, dann war diese Behandlung das Rezept für eine<br />

zünftige Erkältung. Und genau diese Volksmeinung wollte Andrewes wissenschaftlich<br />

überprüfen, denn es gab Beobachtungen, die ihr widersprachen. Arktisforscher, die sich<br />

auf lange Expeditionen begaben, erkälteten sich nie. Und in Eskimodörfern wurden die<br />

Leute nicht im Winter krank, wenn es am kältesten war, sondern im Frühling, nachdem<br />

die ersten fremden Schiffe in den Hafen eingefahren waren.<br />

Reto U. Schneider - Verrückte Experimente 8/36

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