Alpingeschichte(n) der anderen Art - Zürcher Hochschule der Künste
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zett 1–11/ kultuanalysen und vermittlung<br />
kunstpflaster,<br />
leerklänge und<br />
endlosfilm<br />
John Cages 4’33” aufführen, Patrick Freys<br />
Bücher sammlung bestaunen, über die Pflasterfunktion<br />
<strong>der</strong> Kunstvermittlung diskutieren:<br />
Dies und vieles mehr konnten Master-Studierende<br />
<strong>der</strong> Studienrichtungen <strong>Art</strong> Education,<br />
Transdiziplinarität und Schulmusik in fünf<br />
interdisziplinären Workshops tun. Jenny Berg*<br />
Über Bücher reden. Vier Tage lang. Kann das gut gehen? Es<br />
kann: Weil die Workshopteilnehmenden angefressen sind vom<br />
Bücherlesen, Bücheranfassen, Bücherkaufenwollen, seit ihrer<br />
Kindheit schon, erzählen sie nacheinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Vorstellungsrunde.<br />
Und weil es dem Workshopleiter Patrick Frey, dem<br />
Verleger, <strong>der</strong> den Kabarettisten für einmal zu Hause gelassen<br />
hat, ganz genauso geht.<br />
... unkonventioneller Musik ...<br />
„Crazy!“ hört man es auch in einem an<strong>der</strong>en Workshop rufen.<br />
„Unreine Musik“ heisst er, und wer sich darunter etwas<br />
Dreckiges vorstellt, liegt nicht ganz falsch: Mit <strong>der</strong> herausgeputzten<br />
klassischen Musik hat die Konzeptmusik, die <strong>der</strong><br />
Komponist Urs Peter Schnei<strong>der</strong> hier mit den Studierenden<br />
erarbeitet, wenig zu tun. Er nennt es auch „Musik <strong>der</strong> Voraussetzungslosigkeit“,<br />
und tatsächlich können die Studierenden<br />
so verschiedener Studienrichtungen wie Schulmusik,<br />
Transdisziplinarität und <strong>Art</strong> Education völlig gleichberechtigt<br />
miteinan<strong>der</strong> musizieren. Als Klangerzeuger ist alles erlaubt,<br />
gebraucht wird aber vor allem <strong>der</strong> Kopf: „Man muss das alles<br />
schon sehr konzentriert durchdenken, ehe man die Kunst in<br />
diesen Konzepten begreifen kann“, berichtet eine Studentin.<br />
Etwa bei La Monte Youngs Composition No. 7: zwei Töne, „to<br />
be held for a long time“. Doch die Energie, mit <strong>der</strong> Schnei<strong>der</strong><br />
von diesen einst bahnbrechenden Ideen berichtet, überträgt<br />
sich auf die Studierenden, stachelt sie an zu diskutieren, auszuprobieren,<br />
die zwei Noten so o<strong>der</strong> ganz an<strong>der</strong>s zu halten.<br />
Und nach dem Konzertabend sagt selbst diejenige Studentin,<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gedankenarbeit zunächst das Sinnliche fehlte: „Da<br />
geschah etwas Tolles — es war poetisch und schön!“<br />
... poetischer Filmsequenzen und vielem mehr<br />
Auch über die an<strong>der</strong>en Workshops gäbe es noch vieles zu<br />
berichten. Von den hitzigen Diskussionen <strong>der</strong> Studierenden<br />
mit <strong>der</strong> in New York tätigen Kunstvermittlerin Beate Schlingelhoff,<br />
ob Kunst Vermittlung brauche o<strong>der</strong> ob Vermittlung<br />
vielmehr Ersatz ist für alles, was in den pädagogischen Einbahnstrassen<br />
zu kurz kommt. Von den vielfältigen Möglichkeiten,<br />
Architektur in Architektur auszustellen, die die ehemalige<br />
Direktorin des Schweizerischen Architekturmuseums<br />
Francesca Ferguson den Studierenden aufzeigte. Von <strong>der</strong> Poesie<br />
eines Staubwedels in den Händen einer alten Dame aus<br />
dem Videomaterial „24 Stunden Berlin“, das Peter Paul Kubitz,<br />
Programmdirektor Fernsehen <strong>der</strong> Deutschen Kinemathek<br />
Berlin, seinen Workshopteilnehmenden zum Experimentieren<br />
mitbrachte.<br />
Was bleibt? Die Erfahrung von vier intensiven Tagen, in denen<br />
Neuland betreten und Grenzbereiche ausgelotet wurden. Und<br />
die Bestätigung <strong>der</strong> Annahme, dass diese thematischen Fäden<br />
weitergesponnen werden können — zum Beispiel im April<br />
diesen Jahres mit <strong>der</strong> Studienreise des Master <strong>Art</strong> Education<br />
nach Berlin und einem Wie<strong>der</strong>sehen mit Peter Paul Kubitz<br />
o<strong>der</strong> im September mit einer möglichen öffentlichen Wie<strong>der</strong>aufführung<br />
konzept-musikalischer Stücke im Rahmen <strong>der</strong><br />
Veranstaltung „Das begehbare Buch“ von Orell Füssli.<br />
* Jenny Berg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Master of <strong>Art</strong>s in <strong>Art</strong> Education,<br />
Vertiefung publizieren & vermitteln ( jenny.berg@zhdk.ch).<br />
Von <strong>der</strong> Anziehungskraft spezieller Bücher ...<br />
Frey hat etliche Bücher mitgebracht, in allerhand Formen<br />
und Farben. Ein Palmenblatt aus Bali ist dabei, handbeschrieben<br />
mit einer alten Sage, hochglänzende Coffee Table Books,<br />
fleddrige Telefonbücher, leere Poesiealben, gewichtige Literaturausgaben,<br />
Teppichmustersammlungen. Fast jedes von<br />
ihnen nimmt er in die Hand, befühlt es, erklärt. Auch „seine“<br />
Bücher, die er als Verleger erst hat entstehen lassen. Und er<br />
bringt Autoren-Gestalter-Teams mit, lässt sie berichten von<br />
ihren Projekten. „Total crazy!“ findet eine Studentin das, all<br />
die Ideen, die hinter diesen Büchern stecken, all die kreativen<br />
Buchmacher, die man sonst wohl kaum kennengelernt hätte.<br />
Interdisziplinäre Workshops mit Master-Studierenden <strong>der</strong> Studienrichtungen<br />
<strong>Art</strong> Education, Transdiziplinarität und Schulmusik: Der Verleger und Kabarettist<br />
Patrick Frey stellt im Workshop „Über Bücher reden“ seinen Büchersammlung<br />
vor (links oben); <strong>der</strong> Komponist Urs Peter Schnei<strong>der</strong> probt mit den<br />
Studierenden im Workshop „Unreine Musik“ den zweiten Satz aus John Cages<br />
4’33’’ (unten). Bil<strong>der</strong>: Jenny Berg.