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Alpingeschichte(n) der anderen Art - Zürcher Hochschule der Künste

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hochschule/ zett 1–11<br />

07<br />

<strong>der</strong> homo<br />

oeconomicus<br />

im garten<br />

<strong>der</strong> künste<br />

Gekürzte Fassung des Referates von Rektor<br />

Thomas D. Meier * am vierten Hochschultag<br />

<strong>der</strong> ZHdK vom 3. März, <strong>der</strong> unter dem Titel<br />

„Vom Nutzen <strong>der</strong> <strong>Künste</strong>“ stand.<br />

Das Dilemma, in dem die Ökonomie gegenüber den <strong>Künste</strong>n<br />

steckt, zeigt das Beispiel eines Gesprächs mit einem Unternehmensführer<br />

und mehrfachen Verwaltungsrat. Auf eine<br />

entsprechende Frage hin negierte er, dass die <strong>Künste</strong> nützlich<br />

seien. Gleichzeitig berichtete er von seinen Besuchen<br />

im Luzerner KKL, an denen er sich durch Claudio Abbados<br />

Mahler-interpretationen die Tränen in die Augen treiben liess.<br />

Darauf angesprochen, präzisierte er, die <strong>Künste</strong> seien zwar<br />

nicht nützlich, aber doch immerhin wertvoll. Trotzdem hat<br />

die Ökonomie zu den <strong>Künste</strong>n mehr zu sagen, als man vielleicht<br />

glauben möchte. Sie beschäftigt sich nicht nur mit den<br />

ökonomischen Aspekten von Kultur, son<strong>der</strong>n auch mit <strong>der</strong><br />

Anwendung ökonomischer Methoden bei <strong>der</strong> Analyse menschlichen<br />

Verhaltens im kulturellen Bereich.<br />

Das erste ökonomische Feld betrifft das, was als Creative<br />

Industries bezeichnet wird. Im Blickpunkt stehen dabei die<br />

Umsätze, Beschäftigungsquoten und Wachstumsraten jener<br />

Branchen, <strong>der</strong>en Existenz kreativen und künstlerischen<br />

Leistungen geschuldet ist. Der Stand <strong>der</strong> Kreativwirtschaft<br />

<strong>der</strong> Schweiz wird von <strong>der</strong> ZHdK regelmässig erhoben und<br />

publiziert. Der dritte Kreativwirtschaftsbericht Zürich datiert<br />

vom Oktober 2010. Er belegt, dass die Leistungen von<br />

Künstlern, Architektinnen, Musikern, Designern, Film-, Fernseh-<br />

und Medienschaffenden, Autorinnen, Schauspielern usw.<br />

eine beachtliche volkswirtschaftliche Relevanz haben. 2008<br />

wurden in <strong>der</strong> Schweiz ein Anteil von 4,2% am Bruttoinlandprodukt<br />

und Wachstumsraten, die über jenen <strong>der</strong> Gesamtwirtschaft<br />

liegen, erreicht. Die Kreativwirtschaft ist damit<br />

viermal erfolgreicher als die Landwirtschaft. Die Zahlen für<br />

Zürich, das eigentliche Zentrum <strong>der</strong> Kreativwirtschaft <strong>der</strong><br />

Schweiz, sind noch deutlich höher. Vor diesem Hintergrund<br />

erscheint die Arbeit einer Institution wie <strong>der</strong> ZHdK, an <strong>der</strong> die<br />

Expertinnen und Experten <strong>der</strong> Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

ausgebildet werden, in einem ökonomischen Sinn als durchaus<br />

nützlich. Und trotzdem ist die verbreitete Wahrnehmung,<br />

wonach insbeson<strong>der</strong>e im Kunstbereich das Geld nicht auf <strong>der</strong><br />

Strasse liegt, nicht falsch. Neben an<strong>der</strong>en Faktoren, die dieses<br />

Phänomen zu erklären vermögen, kennzeichnen zwei Spezifika<br />

die Kulturwirtschaft. Die Wertschöpfungskette dieser<br />

Form des Wirtschaftens ist dort, wo Kunstschaffende nicht<br />

in Anstellungsverhältnissen, an Schulen und <strong>Hochschule</strong>n,<br />

in Orchestern o<strong>der</strong> an Staatstheatern arbeiten, eine beson<strong>der</strong>e.<br />

Obwohl ein Buch ohne die Leistung eines Autors nicht<br />

existieren kann, profitiert nicht in erster Linie <strong>der</strong> Urheber<br />

von dessen Produktion und Verkauf. Er erhält lediglich einen<br />

kleinen Prozentanteil am Umsatz, <strong>der</strong> ihn für seine Arbeit<br />

kaum entschädigt. Ähnliches lässt sich von an<strong>der</strong>en Zweigen<br />

<strong>der</strong> Kulturwirtschaft sagen. Auch das zweite Spezifikum gilt<br />

vornehmlich für freischaffende Künstlerinnen und Künstler.<br />

Es betrifft das Investitionsverhalten <strong>der</strong> Marktteilnehmer.<br />

Nirgendwo sonst spielt <strong>der</strong> „return on investment“ für die Urheber<br />

eine so kleine Rolle wie in <strong>der</strong> Kulturwirtschaft. Deren<br />

Produkte entstehen in <strong>der</strong> Regel nicht auf <strong>der</strong> Grundlage von<br />

Marktanalysen. Ihren Markt müssen sie sich oft erst schaffen.<br />

Das hin<strong>der</strong>t die Produzierenden jedoch nicht daran, ohne<br />

sichere Aussicht auf Rendite und mit entsprechendem Risiko<br />

in diesen Markt zu investieren. Uwe Johnson ist dafür<br />

ein gutes Beispiel. In den vierten Band seines Hauptwerks<br />

„Jahrestage“ investierte er acht Jahre Lebenszeit. Die Zuwendungen<br />

seines Verlegers sicherten ihm während dieser Zeit<br />

eine knappe Existenz. Erst nach seinem Tod sind die „Jahrestage“<br />

dann zum Jahrhun<strong>der</strong>troman und Longseller geworden,<br />

mit dem bis heute gutes Geld verdient wird. Der ökonomische<br />

Nutzen <strong>der</strong> Investition von Johnson fällt damit dem Verlag zu,<br />

<strong>der</strong> Autor selber ist weitgehend leer ausgegangen.<br />

Das erste Spezifikum steht dafür, dass <strong>der</strong> Kulturmarkt nur<br />

bedingt von jenen kontrolliert wird, die ihn mit Ideen und<br />

Produkten beliefern. Das zweite Spezifikum verweist darauf,<br />

dass die Motive <strong>der</strong> Akteure des Kulturmarktes nicht primär<br />

ökonomischer Natur sind. Ihr Verhalten macht ökonomisch<br />

nur begrenzt Sinn. Weil die Gesellschaft die Tätigkeit von<br />

Kunstschaffenden offenbar trotzdem als nützlich erachtet,<br />

schliesst in beiden Fällen die staatliche und private Kulturför<strong>der</strong>ung<br />

die Lücke.<br />

Materielle Aspekte stehen auch im Zentrum <strong>der</strong> Steuerung des<br />

Bildungssystems. Der Nutzen von Bildung wird in erster Linie<br />

im Steuersubstrat und in ihrem Beitrag ans Bruttoinlandprodukt<br />

verortet. Die Bildungsökonomie kennt dafür den schönen<br />

Begriff <strong>der</strong> Bildungsrendite. Damit ist nichts an<strong>der</strong>es gemeint<br />

als <strong>der</strong> ökonomische „return on investment“ von privat o<strong>der</strong><br />

staatlich finanzierten Ausbildungen in Form von Löhnen und<br />

Steueraufkommen. Dass <strong>der</strong> Bildungsbericht Schweiz 2010<br />

bei einem Ökonomen in Auftrag gegeben wurde, scheint vor<br />

diesem Hintergrund folgerichtig. Der Bericht erhebt die Wirksamkeit<br />

von Ausbildungen primär entlang von quantitativen<br />

Kriterien. Hier ist er denn auch überaus nützlich. Gleichzeitig<br />

deckt er in seiner Beschränkung nicht ab, was Bildung qualitativ<br />

und im Hinblick auf menschliche Biografien zu leisten<br />

vermag. Die Debatte um das schweizerische Hochschulför<strong>der</strong>ungs-<br />

und Koordinationsgesetz zeigt ein ähnliches Bild.<br />

Obwohl die Wichtigkeit <strong>der</strong> Qualität von Bildung weitherum<br />

beschworen wird, gibt es Wi<strong>der</strong>stand dagegen, die Qualität<br />

mit auf die Kriterienliste aufzunehmen, die über die Mittel-

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