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SEK-Bulletin 2/2010 - Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons ...

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10 bulletin Nr. 2 / <strong>2010</strong><br />

schwindend klein. Möglicherweise fehle «dem Protestantismus<br />

eine interessante Führungsperson, wie die<br />

Katholiken sie mit dem Papst haben», folgert Koch.<br />

Sie stellt zudem fest, dass der Protestantismus kaum<br />

im Zusammenhang mit «Skandalen, Konflikten oder<br />

extremen Positionen» thematisiert werde. Tatsächlich<br />

ist die Dominanz der katholischen <strong>Kirche</strong> in der Berichterstattung<br />

auch mit Skandalen und Konflikten zu<br />

erklären. Viele Berichte beziehen sich zum Beispiel auf<br />

die Aufdeckung von Fällen pädophiler Priester. Solche<br />

Vorkommnisse rufen auf klassische Weise die Aufmerksamkeit<br />

der Medienschaffenden hervor, die reflexartig<br />

reagieren, wenn Geistliche jene Moral verletzen,<br />

die sie selbst propagieren.<br />

Religion allein hat keinen Nachrichtenwert<br />

Insgesamt stellt die Inhaltsanalyse fest, dass religiöse<br />

Aspekte primär dann von den Medien thematisiert<br />

werden, wenn sie mit politischen Themen gekoppelt<br />

sind. Neben dem Buddhismus gilt dies stark für den Islam,<br />

wobei hier vor allem die vom Auslandjournalismus<br />

thematisierten Konflikte, Krisen und Kriege, bzw.<br />

die darin involvierten religiösen Gruppen, ins Gewicht<br />

fallen. Religion an sich, das heisst religiöse Inhalte, sind<br />

selten Thema der aktuellen Berichterstattung.<br />

Dieser Befund von Carmen Koch wird in der<br />

qualitativen Studie von Wyss/Keel weitgehend bestätigt.<br />

Die befragten Journalisten und Journalistinnen<br />

haben in der Regel nur vage Vorstellungen von dem,<br />

was sie mit dem Begriff «Religion» assoziieren sollen.<br />

Es dominiert ein Verständnis von Religion, das auf die<br />

religiösen Institutionen fokussiert: «Religion ist alles,<br />

was mit <strong>Kirche</strong> zu tun hat, so genannte verfasste Religion»,<br />

sagt etwa ein Redaktor. Wenn aber Religion mit<br />

Transzendenz in einen Zusammenhang<br />

gebracht wird, betonen<br />

die Journalisten sofort, dass solche<br />

Aspekte kaum einen Aktualitätsbezug<br />

hätten und journalistisch<br />

eher nicht kommunizierbar<br />

seien. So geben denn auch in einer<br />

aktuellen, repräsentativen<br />

Journalistenumfrage nur 4 Prozent,<br />

bzw. 11 Prozent der Schweizer<br />

Journalisten an, dass sie sehr<br />

oft, bzw. häufig mit dem Thema Religion konfrontiert<br />

seien. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch<br />

die Religionszugehörigkeit der Medienschaffenden: 32<br />

Prozent von ihnen sind evangelisch, 31 Prozent katholisch.<br />

Die grösste Gruppe bilden mit 34 Prozent die<br />

Konfessionslosen.<br />

Die befragten Journalisten sind der Ansicht, dass<br />

Religion aus sich selbst heraus kaum über genügend<br />

Ein Befragter stellt fest,<br />

dass Religion dann<br />

spannend sei, «wenn die<br />

Religion mit Standards<br />

kollidiert.»<br />

Nachrichtenwert verfügt. «Das Thema ist ein ‹Gähn›»,<br />

sagt etwa ein Redaktor eines kommerziellen Fernsehsenders<br />

oder der Chefredaktor einer Gratiszeitung<br />

meint, dass Religion nicht «sexy» sei. Die Gespräche<br />

verdeutlichen, dass religiöse Themen für Medienschaffende<br />

an Bedeutung gewinnen, wenn sie in Verbindung<br />

gebracht werden können mit politischen,<br />

wirtschaftlichen, rechtlichen, künstlerischen, sportlichen,<br />

erzieherischen oder wissenschaftlichen Themen.<br />

Ein Redaktor bringt dies so auf den Punkt: «Am besten<br />

ist Religion gekoppelt mit Sex, Gewalt, Erziehung,<br />

Schule oder Staat. Rein religiöse Fragen sind weniger<br />

interessant.» Dies drückt genau das aus, was wir in der<br />

Journalismusforschung «Mehrsystemrelevanz» nennen.<br />

Es entspricht der Logik <strong>des</strong> Journalismus, Themen<br />

bevorzugt dann zu bearbeiten, wenn sie in mehr<br />

als einem gesellschaftlichen Bereich als relevant erscheinen<br />

und Resonanz oder Anschlusskommunikation<br />

auslösen.<br />

Eine Geschichte muss es sein<br />

Die Koppelung religiöser Aspekte mit anderen<br />

Themen erfolgt aber nicht additiv. Weil Journalistinnen<br />

und Journalisten ihre Themen in eine Erzählstruktur<br />

giessen, müssen die verschiedenen Aspekte<br />

(etwa Religion und Gewalt) einander konflikthaft oder<br />

zumin<strong>des</strong>t irritierend gegenüber stehen, damit sie für<br />

Medienschaffende interessant sind. Die Geschichte<br />

<strong>des</strong> zum Islam konvertierten Schweizers, der Hauptmann<br />

werden will, ist dafür ein Musterbeispiel.<br />

Die journalistische Inszenierung von Realität ist<br />

geprägt vom Zwang, Komplexität zu reduzieren. Dies<br />

gelingt dem Journalismus am besten, wenn er Ereignisse<br />

und Handlungen im Rahmen von Geschichten<br />

erzählt. Die Narrationsforschung<br />

hat dazu Erkenntnisse vorgelegt,<br />

die auch für die journalistische Berichterstattung<br />

über religiöse Themen<br />

gelten und in den oben genannten<br />

Studien bestätigt wurden.<br />

Gemäss den Aussagen der befragten<br />

Journalisten und Journalistinnen<br />

steigt die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass religiös motivierte Handlungen<br />

zum Medienthema gemacht<br />

werden, wenn sie einem narrativen Muster folgen. Das<br />

heisst, wenn die darzustellende Handlung in einen<br />

zeitlichen Ablauf (mit Anfang und möglichem Ende)<br />

gegossen werden kann, die (archetypischen) Rollenträger<br />

der Geschichte klar identifizierbar sind und die<br />

aktuelle Handlung auf eine generelle Bedeutungsebene<br />

verweist. In der Inhaltsanalyse konnte beispielsweise<br />

festgestellt werden, dass Buddhisten und Juden

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