SEK-Bulletin 2/2010 - Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons ...
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Kommunikation 9<br />
Wenn es um die Präsenz in den Schweizer Medien geht, rennen der<br />
Katholizismus und der Islam dem Protestantismus den Rang ab.<br />
Dies belegen neue Studien zur Religionsberichterstattung. Aus den<br />
Erkenntnissen lassen sich Schlussfolgerungen für die Kommunikationsstrategie<br />
der <strong>Reformierte</strong>n ableiten.<br />
VON VINZENZ WYSS *<br />
Der 26-jährige Schweizer Gibril Muhammad<br />
Zwicker ist vor zwei Jahren zum Islam<br />
konvertiert und will Hauptmann der<br />
Schweizer Armee werden. Mit diesem Anliegen<br />
ist dem gelernten Thurgauer Maschinenbaukonstrukteur<br />
die Aufmerksamkeit der Journalistinnen und<br />
Journalisten sicher. Das Thema hat Nachrichtenwert,<br />
weil mit dem Vorhaben <strong>des</strong> streng Gläubigen Irritationen<br />
ausgelöst werden und Irritationen das Geschäft der<br />
journalistischen Aufmerksamkeitsproduktion sind.<br />
Journalistische Medien thematisieren Ereignisse<br />
und Handlungen vor allem dann, wenn diese erwartete<br />
soziale Ordnungen real oder potenziell stören oder<br />
bedrohen. Eine solche Irritation kann auch im Fall <strong>des</strong><br />
Offizieranwärters konstruiert werden. Etwa, indem<br />
dem Mann mit Vollbart in Interviews ein Gewissenskonflikt<br />
unterstellt wird, wenn er gefragt wird, wie er<br />
sich bei einem Terroranschlag von Islamisten als<br />
Hauptmann verhalten würde. Die Medien inszenieren<br />
den möglichen Konflikt zwischen einer Sicherheit garantierenden<br />
Armee und einem muslimischen Offizier,<br />
der öffentlich bekennt, bedingungslos Allah dienen<br />
zu wollen und noch dazu Mitglied ist beim<br />
umstrittenen Islamischen Zentralrat Schweiz.<br />
Typisch an dieser Geschichte ist auch, wie sie Religion<br />
als Thema anklingen lässt. So erfahren wir etwa,<br />
worin für Gibril Muhammad Zwicker der Sinn <strong>des</strong> Lebens<br />
besteht oder dass er die fünf täglichen Pflichtgebete<br />
nicht in einem einzigen zusammenzufassen<br />
möchte, wie dies ein Armeemerkblatt für den Umgang<br />
mit nichtchristlichen Rekruten vorsieht. Religiosität,<br />
bzw. religiöse Praktiken bilden auch hier nicht das<br />
Hauptthema, im Mittelpunkt steht vielmehr der Konflikt<br />
zwischen (bedrohter) Sicherheit und (bedrohendem)<br />
Fundamentalismus.<br />
Religion als Thema schafft es kaum aus sich heraus<br />
in die Medien. Zu diesem Schluss kommen zwei<br />
neue Schweizer Studien zur Religionsberichterstattung<br />
und zu journalistischen Inszenierungsstrategien.<br />
Sie wurden an der Zürcher Hochschule für Angewandte<br />
Wissenschaften realisiert und vom Schweizerischen<br />
Nationalfonds finanziert. Die Medienwissenschafterin<br />
Carmen Koch hat über ein Jahr hinweg<br />
Artikel und Beiträge zu religiösen Themen aus Schweizer<br />
Tageszeitungen und Nachrichtensendungen inhaltsanalytisch<br />
untersucht. Ergänzend dazu habe ich<br />
mit dem Dozenten Guido Keel 35 Schweizer Journalisten<br />
und Journalistinnen derselben Medien zu ihrem<br />
Umgang mit Religionsberichterstattung interviewt.<br />
Katholizismus und Islam dominieren<br />
Die Studien zeigen auf, dass die mediale Berichterstattung<br />
über Religionsgemeinschaften und religiöse<br />
Themen vom Katholizismus und vom Islam dominiert<br />
wird. Der Anteil der Beiträge, die sich mit dem<br />
Protestantismus beschäftigen, ist im Verhältnis ver-