TOD UND LEBEN
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TOD UND LEBEN
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Wir können hier eine wichtige weltanschauliche Beobachtung machen:<br />
Es ist nicht von ungefähr, daß folgende beiden Erscheinungen<br />
immer.zusammen auftauchen und eine innere sachliche Verbundenheit<br />
offenbaren müssen:<br />
Einmal taucht die Anschauung von der überindividuellen Sinngröße,<br />
in der meine personhafte Einmaligkeit aufgehoben wird und die<br />
mich unsterblich macht, stets in. Verbindung mit dem<br />
zyklischen Zeitbegriff auf. Wenn wir als Beispiel die<br />
uns nächstliegende biologische Weltanschauung anführen dürfen, wird<br />
dieser Tatbestand besonders klar: Auf „mich persönlich", insofern ich<br />
nur Exemplar meines Volkes oder meiner Rasse bin, kommt gar nichts<br />
an, deshalb spielt auch mein Tod keine Rolle, da ich ja in jenen Sinngrößen<br />
aufgehoben werde und darin „fortlebe". Damit hängt es zusammen,<br />
daß mein wesentlicher Ich-Teil, nämlich „ich, sofern ich jene<br />
Sinngrößen repräsentiere", an der zyklischen Zeit, teilnimmt: Volk<br />
und Rasse suchen sich „neue" Verwirklichungen, zeugen sich in<br />
„neuen" Exemplaren fort. Und da sie ja nur in solchen Verwirklichungen<br />
überhaupt „da" sind und Gestalt gewinnen, lebt mein<br />
wesentliches, überindividuelles Ich in jenen kommenden Exemplaren<br />
fort und-fängt in ihnen „von vorne" an, so gewiß eben auch Volk und<br />
Rasse in ihnen „von vorne" anfangen. Der mythisch biologische Begriff<br />
der Ewigkeit, wie er ja auch popularisiert wird, ist eine<br />
Ewigkeit solcher ständigen Selbsterneuerung, solchen „Von vorne<br />
anfangens", und damit ganz und gar Repräsentant der zyklischen Zeit.<br />
Also: Personlosigkeit und zyklischer Zeitbegriff — damit verbunden<br />
dann Todlosigkeit — hängen wesentlich zusammen.<br />
Auf der andern Seite ist es ebenfalls nicht von ungefähr, daß im<br />
biblischen Denken die unvertretbare, im Anruf zustande kommende<br />
Personhaftigkeit des Menschen mit der nicht umkehrbaren, streckenhaften<br />
Zeitlinie — und also mit dem Ernst nehmen des Todes —<br />
zusammenhängt. Dieser Zusammenhang könnte noch viel ausgiebiger<br />
nachgewiesen werden, als es unser umgrenzter Problembereich gestattet.<br />
Denn diese gerichtete Zeitlinie gilt nicht nur für das mikrokosmische<br />
Einzelleben, sondern zugleich für den Makrokosmos des<br />
Gesamt-Weltschicksals, das von Jüngsten Tage und also wiederum<br />
vom Ende, von seinem Eschaton her bestimmt ist. Diese makrokosmische<br />
Zeitlinie ist ebenfalls vom Anruf des Wortes bestimmt: Denn<br />
sie ist die Frist, in der Gottes Botschaft ausgerichtet wird, ist die<br />
„angenehme Zeit" und die Zeit der „Geduld". Das Wissen um Welt-