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TOD UND LEBEN

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strebende Bemüh'n", das aber doch die Seinen aus dem Dienste entläßt,<br />

wenn die Stunde gekommen ist? Hat Faust einen Ort, an den er<br />

danach ginge und der ihm ferneres Leben gäbe? „Nach drüben ist die<br />

Aussicht uns verrannt..."<br />

,;Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.<br />

Die Uhr steht still — ...<br />

Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht.<br />

. Der Zeiger fällt 1 )."<br />

Welchen Sinn hat es, daß mitten in der Zirkelbewegung plötzlich die<br />

lineare Zeitstrecke auftaucht, kenntlich an ihrem Ende? Sollte damit<br />

das Wandern und Suchen nicht gerichtet sein, wenn jener Endpunkt<br />

nicht einkalkuliert war, sei es als Störung, sei es als Fremdkörper, sei<br />

es als Telos, wenn er — ob er nun dieses ist oder jenes — nicht zur Diskussion<br />

gestanden hat ? Hat Faust nicht die Bitte des Psalmisten unter<br />

den Tisch fallen lassen: Gott möge ihn bedenken lehren, daß seih Leben<br />

ein Ziel habe ? Ist Faust nicht ohne dies Wissen der bloße Wanderer,<br />

gleichsam der Wanderer an sich, der kein Ziel hat und auch gar nicht<br />

ankommen will — wie einer, der Gott sucht und — ohne ihn finden<br />

zu wollen — im A k t des Suchens Genüge hat? Weniger ein Wanderer<br />

also denn ein Abenteurer?<br />

Es ist nun tatsächlich so, daß Faust von diesen Gedanken befallen<br />

wird und daß das Menetekel der auf den Tod hin entworfenen Zeitstrecke<br />

an der Grenzmauer des Lebens sichtbar wird. Aber dies Menetekel<br />

hat nicht den Glanz der Wahrheit, der ihn blendete und überwältigen<br />

müßte, sondern es hat den fahlen Schein des Gespenstischen<br />

und den Klang eines unwirklichen Schrecktraum-Geflüsters. Denn alle<br />

jene Argumente tauchen auf im Munde der vier gespenstischen alten<br />

Weiber „Mangel", „Sorge", „Schuld" und „Not", jener Traumgespinste,<br />

in die ihn die dunklen Mächte verwickeln 2 ). Oder sie tauchen<br />

auf im Munde des Mephistopheles, der zwar im Unterschied zu jenen<br />

eine Eealität ist, aber dessen Herrschaft bei Fausts Ende gebrochen<br />

wird. „DerTodalsEnde" — dasist dieThese von Gespenstern<br />

oder die Parole des Teufels; das ist<br />

alles.<br />

So klingt die Erinnerung an das Ende, die Erinnerung an die nun<br />

brutal „ankommende" Zeitstrecke, mitten in der Kreisbewegung dieses<br />

sich rundenden Lebens auf:<br />

*) A. a. 0. V, 5 (V. 11 594).<br />

2 ) A. a. 0. V, 4 (V. 11 412 ff.).

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