TOD UND LEBEN
TOD UND LEBEN
TOD UND LEBEN
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
180<br />
Ebenso wird die Personhaftigkeit unter dem Evangelium deutlich*<br />
Dadurch gewinnen wir einen neuen wichtigen Gesichtspunkt:<br />
Zunächst gilt das von dem Evangelium der imago Dei: Denn die<br />
Gottebenbildlichkeit bedeutet doch, daß der Mensch durch sein Angerufensein,<br />
durch seine „Ansprechbarkeit" und seine Verantwortung<br />
über die andern Geschöpfe hinausgehoben und in ein besonderes<br />
Gegenüber mit Gott gerufen ist. Imago Dei bedeutet nichts anderes,<br />
als in die Geschichte mit Gott berufen sein. Sie ist auch gemeint, wenn<br />
in der Bergpredigt davon die Rede ist, daß wir unendlich „viel mehr<br />
sind" denn die Lilien und die Sperlinge 1 ). Dieses „Mehr-sein" darf<br />
nicht quantitativ verstanden werden im Sinne von „Höher-gezüchtet-,.<br />
Höher-organisiert-sein". Sondern diesem „Mehr" liegt ein qualitatives<br />
„Anders-sein" zugrunde. Es besteht darin, daß wir im Unterschied<br />
zu den Lilien und den Vögeln „Vater" zu Gott sagen dürfen 2 ) und<br />
daß wir die sind, die nach dem Reiche Gottes trachten sollen 3 ), die<br />
also in die Person-Gemeinschaft mit Gott berufen sind.<br />
Der letzte theozentrische Sinn dieses Person-Charakters wird freilich<br />
erst im Kreuze Jesu Christi sichtbar. Paulus spricht Rom 14 15 und<br />
1 Kor 811 davon, daß man die Leute, die aus an sich irrigen Gründen<br />
an irgend etwas Anstoß nehmen (z. B. an Speisen, Essen von Götzenopferfleisch<br />
usw.) nicht ärgern solle. Man könnte ja wirklich versucht<br />
sein, über solche kleinen Leute mit engem Horizont hinwegzugehen.<br />
Was spielen sie schon für eine Rolle — außer derjenigen vielleicht, daß<br />
sie immer wieder eine Hemmung für die Gemeinschaft sind. Sie sind<br />
keine einmaligen Führer und keine unersetzlichen, „unvertretbaren"<br />
Gestalten, sondern sie sind die Repräsentanten einer gewissen anonymen<br />
Menge, eben der „kleinen Leute". Es ist nicht von ungefähr, daß keiner<br />
von ihren Namen uns überliefert ist. Und doch soll man sie nicht ärgern<br />
— denn „Christus ist für sie gestorben", „sie sind teuer erkauft". So ist<br />
also jeder einzelne von denen, die — sozial gesehen oder nach dem<br />
Kulturniveau bewertet — „Niemande" sind, ja die sogar durch jeden<br />
ersetzbar wären und möglicherweise eine Hypothek auf die Gemeinschaft<br />
bilden —, ist jeder einzelne von diesen „unendlich wert" und<br />
darf nicht angetastet werden. Aber ihren Wert und ihre Würde haben<br />
diese Niemande nicht aus sich selbst und auch nicht so, daß sie eine<br />
bestimmte immanente Qualität eingegossen bekommen hätten, sondern<br />
diesen Wert und diese Würde haben sie außerhalb ihrer selbst<br />
*) Mt 626. *) Mt 632.<br />
3 ) Mt 633.