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TOD UND LEBEN

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1. Sie bildet einen Ich-Bestand, auf den Goethe wiederum auf Grund<br />

jener Ich-Teilung stößt, die wir allen Unsterblichkeitslehren zugrunde<br />

liegen sahen : Die Teilung in einen wesentlichen entelechiehaften Person-<br />

Kern, der unsterblich ist, und in die unwesentlichen Eandgebiete, die<br />

vergehen. Gerade angesichts von Wielands Tod wird das deutlich, wenn<br />

Goethe in aller Ausdrücklichkeit fragt: „Wieviel aber oder wie wenig<br />

von dieser Persönlichkeit übrigens verdient, daß es fortdauere, ist eine<br />

Frage und ein Punkt, die wir Gott überlassen müssen" 1 ). Es geht innerhalb<br />

der Persönlichkeit um Wertstufen von verschiedenem Bang.<br />

2. Der unsterbliche Ich-Teil, die Monade oder Entelechie, ist in ihrer<br />

teleologischen Struktur selber ein mikrokosmisches Abbild des Gesamtlebens,<br />

erinnert also an die von uns herausgearbeitete Gleichnisgestalt<br />

des faustischen Lebens gegenüber den kämpferischen Grundgesetzen des<br />

überpersönlichen Allebens. Die Entelechie ist gleichsam der kosmische<br />

Ichteil, dessen Unsterblichkeit identisch ist mit der Unsterblichkeit des<br />

überdauernden und sich ewig erneuernden Kosmos. In diesem Sinne<br />

sagt Goethe im gleichen Gespräch: „Das Werden der Schöpfung ist<br />

ihnen '(= den Monaden) anvertraut. Gerufen oder ungerufen, sie kommen<br />

von selbst auf allen Wegen, von allen Bergen, aus allen Meeren,<br />

von allen Sternen; wer mag sie aufhalten?" Und im Sinne dieser ewigen<br />

Teilhabe am Kosmos, dieser ewigen Identität mit sich selbst, ist wohl<br />

auch der Gedanke der ewigen Wiederkehr zu verstehen, mit dem Goethe<br />

dieses Gespräch beschließt 2 ).<br />

Diese Wiederkehr taucht bereits früher in einer Notiz der Italienischen<br />

Eeise auf 3 ) und steht Avohl auch im Hintergrund des zu Eckermann<br />

4 ) geäußerten Wortes: „Jede Entelechie ist ein Stück Ewigkeit,<br />

und die paar Jahre, die sie mit dem irdischen Körper verbunden ist,<br />

machen sie nicht alt." Was stirbt, ist also nur das individuelle Gefäß<br />

jenes kosmischen Gehaltes „Entelechie", das in seiner ewigen, Avenn<br />

auch in ewigem Gestaltswandel begriffenen Identität erhalten bleibt.<br />

3. Damit ist bereits gesagt, daß es hier nicht um ein persönliches<br />

Weiterleben geht, also nicht um Erhal-<br />

*) Goethes Unterhaltung mit Falle am Begräbnistage Wielands am 25. Januar<br />

1813.<br />

2 ) A.a.O.: „Gerufen oder ungerufen, sie (= die Monaden) kommen von<br />

selbst auf allen Wegen, von allen Bergen, aus allen Meeren, von allen Sternen,<br />

wer mag sie aufhalten ? Ich bin gewiß, wie Sie mich hier sehen, schon tausendmal<br />

dagewesen und hoffe, wohl noch tausendmal wiederzukommen."<br />

3 ) Venedig, den 12. Oktober 1786.<br />

4 ) 11. März 1828.. -

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