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TOD UND LEBEN

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denz aufgerissen würde, die es im Goetheschen Sinne gar nicht gibt,<br />

sondern dann heißt dies, daß eine symbolische Geste vollzogen wird,<br />

durch welche die Geltung dieses faustischen Lebens, sein „Aufgehobensein"<br />

bestätigt wird. Ein eindrücklicher Hinweis auf diese immanente<br />

Abrundung des Faustdramas ist die Tatsache, daß Goethe an Stelle<br />

von „Unsterblichkeit" zunächst von der „Entelechie" Fausts gesprochen<br />

hatte, die von den Engem entführt wird 1 ). Diese „En-telosécheia"<br />

2 ) ist aber nichts anderes als die immanente Teleologie des Lebens<br />

selber, das die Unsterblichkeit des aus seiner Immanenz lebenden<br />

Organismus besitzt. Die Entelechie Fausts ist dabei nur das mikrokosmische<br />

Gleichnis des makrokosmischen Lebens schlechthin: Gleichnis<br />

nicht im Sinne bloß „geltender", zeitloser Parallelität, sondern im Sinne<br />

der magisch realen Teilhabe, wie sie die orphischen Urworte schildern,<br />

wenn sie die in sich gerundete Teleologie des Einzellebens, das sich nicht<br />

„entfliehen" kann, in Beziehung bringen zur makrokosmischen Gesetzmäßigkeit<br />

der Sonnen- und Planetenbahn. Und auch der Chor der<br />

Büßerinnen (Magna peccatrix, Mulier samaritana, Maria Aegyptiaca) 3 )<br />

erbittet für Faust keine Gnade, die vollmächtige Vergebung durch eine<br />

jenseitige Instanz wäre, sondern eine Gnade, die das faustische Leben<br />

in seiner Geltung bestätigt, gerade auch, sofern dieses Leben schuldig<br />

werden mußte, sofern es durch den Bund mit Mephistopheles den „Gutund-böse"-Dualismus<br />

und damit die eigentlich schöpferische Dynamis<br />

des Lebens durchkämpfte und durchlitt. Diese Bestätigung, dieses<br />

gleichsam analytische Urteil Gottes stellt den inneren Sinn der erbetenen<br />

Verzeihung dar, und nicht etwa die vergebende Aufnahme Fausts<br />

in eine jenseitige Sphäre, die dem Dualismus entnommen wäre und ein<br />

gegensatzloses, eschatologisches „Gut" enthielte. Wenn die „Engel,<br />

schwebend in der höheren Atmosphäre" von „Faustens Unsterblichem"<br />

bekennen: „Gerettet ist das edle Glied der Geisterwelt vom Bösen" 4 ), so<br />

kann das in diesem Zusammenhang nur heißen, daß jenes Böse den<br />

Faust nicht zu halten vermöchte, so gewiß Mephistopheles in seinem<br />

53<br />

x ) Max Heynacher, Goethes Philosophie aus seinen Werken, Leipzig 1905,<br />

S. 79. Vgl. auch: Th. Vogel, Goethes Selbstzeugnisse über seine Stellung zur<br />

Religion, Leipzig 3 1903, S. 134f. und Karl Justus Obenauer, Goethe i. seinem<br />

Verhältn. z. Rel., Jena 1921, S. 13 und bes. S. 106 f.<br />

2 ) En-tel-écheia = das, was Grund, Ziel und Sinn in sich selber trägt. Vgl.<br />

Przywara, Rel.-Philos. kathol. Theol., München und Berlin 1927, S. 22 ff.<br />

3 ) Faust, Schluß des V. Akts.<br />

4 ) A. a. O. V, 5.

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