pdf - GdF
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der flugleiter 2013/03 Airports Airports der flugleiter 2013/03<br />
Airport im arktischen Nirgendwo<br />
Drei-Letter-Code YSY:<br />
Am Flughafen von Sachs Harbour<br />
Es wäre übertrieben, von einem Terminal zu sprechen. Eher<br />
ist es ein Häusschen: eines mit nur einem einzigen Check-in-<br />
Schalter, mit einer betagten Waage fürs Gepäck, mit altertümlichem<br />
Faxgerät auf dem Schreibtisch eine halbe Körperdrehung<br />
rechts davon, mit kleinem Computer, um Wetter -<br />
berichte im Internet aufrufen und Mails abfragen zu können.<br />
Und noch ganz ohne Etikettendrucker fürs Gepäck.<br />
Im Liniendienst gibt es nur eine einzige Verbindung von hier<br />
– zweimal pro Woche mit einer Embraer Bandeirante nach<br />
Inuvik im Mündungsdelta des Mackenzie River. Wer weiter<br />
will, muss dort umsteigen und neu einchecken. Im kurzen<br />
Sommer, wenn regelmäßig auch ein paar Touristen kommen,<br />
werden die Kapazitäten um fünfzig Prozent erweitert. Die<br />
Bandeirante von Monopolist Aklak Air fliegt dann dreimal die<br />
Woche: nicht viel los am Airport von Sachs Harbour, wenig<br />
Andrang auf dem kleinen Flughafen der 119-Einwohner-Siedlung<br />
auf Banks Island oberhalb des Amundsen Golfs im<br />
nördlichen Eismeer.<br />
Das hat drei Gründe. Die Tickets – abgesehen vom staatlich<br />
subventionierten Kontingent für die Einheimischen – sind<br />
mit mehr als anderthalbtausend Euro als „Ab-Preis“ für den<br />
Return-Flugschein auf der 100-Minuten-Strecke extrem teuer.<br />
Oft sind die ohnehin kleinen Maschinen nicht ausgelastet,<br />
und angeschnallt auf den Sitzen fliegen ein paar Kisten<br />
Tomaten oder Salat für den kleinen Dorfsupermarkt von<br />
Sachs Harbour mit. Zum zweiten gibt es noch nicht allzu viele,<br />
die nach Sachs wollen, wo statt eines Hotels nur ein einfaches<br />
Gästehaus mit Mehrbettzimmern und Duschen am<br />
Gang auf Gäste wartet. Und zum Dritten ist der Flughafen mit<br />
seiner Piste vor ein paar Jahrzehnten an geradezu idiotisch<br />
verfehlter Stelle errichtet worden – ausgerechnet auf einem<br />
Plateau oberhalb des Ortes: auf dem Stück Land, über dem<br />
gerade während des touristisch interessanten Sommers oft<br />
verlässlich und über Tage unbeweglich eine Nebelbank<br />
hängt, während unten im Ort längst wieder freie Sicht<br />
herrscht. So etwas ist nicht gut für Flugpläne – nichts, was<br />
Airlines lieben. Aklak fliegt trotzdem. Weil sich als Monopolist<br />
an den teuren Tickets gut verdienen lässt. Und weil irgendwer<br />
es ja tun muss.<br />
Dabei hat Sachs Harbour – ebenso wie vergleichbar abgelegene<br />
und ähnlich winzige Orte in der kanadischen Arktis –<br />
durchaus Potenzial, denn Banks Island liegt direkt an der<br />
Nordwestpassage, der kürzesten Schiffsverbinbdung zwischen<br />
Europa und Japan: so sie denn eisfrei ist. Und das war<br />
sie in den vergangenen Jahren während des Sommers wiederholt.<br />
Es wird der Tag kommen, an dem Tanker und Containerfrachter<br />
den Weg oben um Nordamerika herum nehmen<br />
von Hamburg oder Rotterdam nach Yokohama werden – und<br />
womöglich in Sachs Harbour Station machen. Wenn es so<br />
weit ist, wird der kleine Ort einen Boom erleben. Und einen<br />
Hafen brauchen. Und im selben Moment wird aus dem Winz-<br />
Flughafen ein relevanter Landeplatz werden. Aus den paar<br />
Sitzen vorm einzigen Counter müsste ein richtiger Wartesaal<br />
werden. Und womöglich würde man sich sogar Gedanken<br />
über den Standort des Flughafens machen.<br />
„Es gibt Piloten“, erzählt Roger Kuptana, der hier oben lebt<br />
und das Gästehaus betreibt, „die lassen Tundra-Bereifung<br />
aufziehen und starten ihre Twinotter im Neunzig-Grad-Winkel<br />
zur Piste. Sie rumpeln einfach über die Moose davon und<br />
heben irgendwo kurz vorm nächsten See ab, sobald sie genug<br />
Geschwindigkeit dafür erreicht haben.“ Eine Legende?<br />
„No“, sagt Roger ungerührt. „It happens from time to time –<br />
passiert immer wieder, wenn der Wind aus der Richtung einfach<br />
günstiger ist.“<br />
Wer hierher kommt? Mit dem Drei-Letter-Code YSY auf dem<br />
Gepäckaufkleber? Jetzt, wo der Schiffsweg noch keine Rolle<br />
spielt? Es sind Bodenschatz-Exploratoren, die nach Öl- und<br />
Metallvorkommen in der abgelegenen Region suchen. Es<br />
sind kanadische Militärs auf Inspektionsreise, dazu die Ranger<br />
des Nationalparks ganz oben im Norden von Banks<br />
Island, wo keine Straße hinführt. Es ist der anglikanische<br />
Pastor, der alle vier Wochen angeflogen kommt, um den<br />
Gottes dienst zu halten. Und es sind während des Sommers<br />
jene paar Urlauber, die mit dem Fotoapparat in der Hand auf<br />
Moschusochsen-Safari gehen wollen. Gerade sie werden immer<br />
mehr.<br />
Auf dem Rückweg wundern sich die Fremden, wenn sie nach<br />
Check-In am alten Schalter-Tresen und ein bisschen Warterei<br />
durch die Holztür direkt ins Freie und weiter zur wartenden<br />
Maschine gewunken werden: ganz ohne Sicherheitskontrolle<br />
– ohne dass irgendetwas durchleuchtet würde. „Well“,<br />
AIRPORTS # #<br />
sagt der Pilot dann regelmäßig durch, „as you all have seen,<br />
there’s as always no security north of Yellowknife.” Nicht mal<br />
in Inuvik, wo immerhin Jets vom Typ Boeing-737 im Liniendienst<br />
heruntergehen, gibt es Sicherheitskontrollen. Erst<br />
wer irgendwo dort oben im Norden eingestiegen ist und im<br />
Transit via Yellowknife weiter nach Süden will, muss dort einmal<br />
aussteigen, durch die Torsonde laufen und sein Gepäck<br />
durchleuchten lassen. „There are no terrorist here up north“,<br />
sagt der Pilot diesmal durch. „And as well as you all know:<br />
no targets at all.” In Kürze soll übrigens das Liniennetz aus<br />
Sachs Harbour ausgebaut werden. Eine neue Verbindung auf<br />
die Nachbarinsel Victoria Island ist im Gespräch – nach Ulukhaktok,<br />
Drei-Letter-Code YHI. Früher hieß der Ort Holman.<br />
Text und Fotos: Helge Sobik<br />
Vom Autor dieses Beitrags erscheint Ende Juli ein Reportagen-Band<br />
mit Geschichten aus der kanadischen Arktis im Picus<br />
Verlag Wien (www.picus.at), im Buchhandel für 14,90 €.<br />
# # AIRPORTS<br />
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