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der flugleiter 2013/03 Ehemalige Ehemalige der flugleiter 2013/03<br />
Hallo Gestern!<br />
Das Internet, es hat doch sein Gutes!<br />
Brachte es mir doch Anfang Februar ein überraschendes Ergebnis auf der Suche nach dem<br />
einen oder anderen „ATC – Oldtimer“ aus der Hannover FIR aus den Anfangsjahren der Flugsicherung<br />
nach dem Krieg.<br />
Der Hamburger Flugleiter Hubert Witschurke,<br />
einer der Ersten nach dem Krieg, wird 98.<br />
Ein einziger Eintrag im Hamburger Telefon-Verzeichnis erschien<br />
unter dem Namen Witschurke, einem meiner damaligen<br />
Hamburger Kollegen aus dem Jahr 1958. Auf meinen<br />
sofortigen Telefonanruf meldet sich tatsächlich Hubert Witschurke,<br />
98 Jahre alt, mit kräftiger Stimme und in bester<br />
geistiger Frische. Hubert Witschurke’s berufliche Laufbahn<br />
in der Flugsicherung begann im Oktober 1947 mit der Einstellung<br />
als Flugleitungs-Assistent (ATC) durch die britische<br />
Besatzungsmacht am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel. Damals<br />
fand die Einstellung Deutscher in die FS-Dienste der<br />
Alliierten noch unter den Militär-Regierungen der Siegermächte,<br />
vertreten durch den Alliierten Kontrollrat (Allied<br />
Control Council Germany) statt. Anstellungsverhältnisse<br />
aber wurden daraufhin mit den zivilen Luftfahrt-Behörden<br />
Englands (Colonial Service) oder den USA geschlossen. Die<br />
ATC-Lizenzen erteilte das Alliierte Zivil-Luftamt (CAB) in<br />
Wiesbaden.<br />
Das Gespräch schweifte schnell von meinen Anfangsjahren<br />
bei der damaligen BFS in die ersten Jahre nach 1945 ab und<br />
ich lauschte staunend, was damals „wie“ und „wo“ in der<br />
„Besatzungs-Fliegerei“ so alles ablief. So sind wir schnell<br />
bei seinen Erinnerungen über die Berliner Luftbrücke in den<br />
Jahren 1948/49 an der er auf dem Ham-<br />
burger Kontrollturm und in der Anflug-<br />
kontrolle aktiv<br />
beteiligt war.<br />
Über all die Jahre nach 1947 verbrachte<br />
er lediglich die Zeit von 1953 bis 1955<br />
bei ACC Bad<br />
Eilsen, dem Vorläufer von<br />
Hannover<br />
ACC, nachdem er auf den<br />
RAF Lehrgängen<br />
in Hamburg 1951/52<br />
alle seine<br />
ATC-Lizenzen erworben hat-<br />
te. Sehr<br />
zu meinem Erstaunen muss-<br />
te ich hören,<br />
dass es damals bei Bad<br />
Eilsen<br />
ATCC im Dienst noch nicht er-<br />
laubt<br />
war Deutsch zu sprechen.<br />
1955<br />
wurde das ATCC B.E. nach<br />
Hannover<br />
verlegt und er ging wie-<br />
der<br />
zurück nach Hamburg, wo er<br />
1975<br />
nach 38 Jahren ATC in den<br />
Ruhestand<br />
trat.<br />
Auf meine Frage, was er denn vor<br />
1947<br />
gemacht habe, berichtete<br />
er<br />
mir über seine Ausbildung als<br />
technischer<br />
Offizier in FS-Tech-<br />
nik<br />
an der Fachschule der Luft-<br />
waffe<br />
in Jüterbog und seine<br />
Flucht aus dem dortigen von<br />
den Russen 1945 eingeschlossenen<br />
Kessel mit drei<br />
Kameraden nach Westen.<br />
Man lebte im Zelt in Wäldern,<br />
immer „per pedes“<br />
westwärts unterwegs zu<br />
den westlichen<br />
Alliierten. Die schickten ihn<br />
dann in britische Gefangenschaft<br />
ins Lager Norderstedt. Mit<br />
✈ Hubert Witschurke 1947 auf Hamburg TW<br />
einem Arbeitstrupp gelangte er schliesslich so zum Flughafen<br />
Fuhlsbüttel, wo er sich dann im Oktober 1947 als Flugleitungs-Assistent<br />
bewerben konnte und angenommen wurde.<br />
Wie so oft unvermeidlich schweift das Gespräch zu einzelnen<br />
von uns erlebten „incidents“ ab. Ich berichtete von meinem<br />
ersten „incident“ mit einer Viking Valetta aus Mallorca, die<br />
nachts über die Landebahn hinausrollte, da sie keinerlei<br />
Bremswirkung mehr hatte. Der Pilot schimpfte zurecht,<br />
da keine Feuerwehr zur Stelle war.<br />
Deren Ausrede war<br />
für mich als Neuling<br />
in der Fliegerei ein<br />
echtes Novum. „Wir<br />
hatten geschlafen<br />
und waren noch nicht<br />
angezogen; da konnten<br />
wir nicht kommen.“<br />
war die Ausrede.<br />
Nicht zum Alltäglichen gehörte auch ein PANAM Flug nach<br />
Berlin, der der Hamburger Innenstadt ein neues meteorologisches<br />
Phänomen in Form eines Kofferregens bescherte, da<br />
die Ladeluke der DC-4 nicht verriegelt war und der „left turn<br />
after take-off“ über der Innenstadt den „Sesam“ öffnete.<br />
Und so erinnerte mich Herr Witschurke auch an die Hamburger<br />
Flugkatastrophe von 1962, wo es ihm mit seinem Kollegen<br />
gelang, einen Hubschrauber ohne Bodensicht in schwerem<br />
Wetter über ein Haus im Vorort Cranz zu dirigieren, um<br />
eine schwer Erkrankte aufzunehmen. Das gelang trotz Treibstoffmangel<br />
in letzter Minute und ging danach mit Anerkennung<br />
durch die Hamburger Presse.<br />
Wir sind leider über 1000 km voneinander entfernt und da<br />
Herr Hubert Witschurke sehr sehbehindert ist, bleibt uns vor<br />
erst nur unser sehr angeregter telefonischer Kontakt.<br />
Und so schliesse ich zusammen mit vielen anderen ATC – Veteranen<br />
mit „herzlichem Glückwunsch zum hohen Geburtstag“<br />
und wünsche Dir, Hubert Witschurke, weiterhin „alles<br />
Gute“.<br />
Autor: Frank W. Fischer<br />
Bildnachweis:<br />
1 H. Witschurke<br />
2 Weiss, Hamburger Abendblatt<br />
3 Bildzeitung<br />
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