GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
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Lernfelder in der<br />
Berufsschule (S. 4 - 9)<br />
3-4/02<br />
-Zeitung<br />
111. Jahrgang<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
Foto: Lucas Schmitt<br />
Schwerpunkt:<br />
Bildung international ( S. 10 - 18)
Editorial / Inhalt / Impressum<br />
Foto:<br />
Lucas<br />
Schmitt<br />
Das Wüste lebt<br />
Wenn die <strong>GEW</strong> in der bildungspolitischen<br />
Landschaft<br />
Einfluss haben will, muss sie in<br />
den Medien präsent sein. Darauf<br />
wurde an dieser Stelle schon<br />
mehrmals hingewiesen. Nur<br />
wer laut schreit, wird gehört.<br />
So läuft das Geschäft, leider.<br />
Deshalb freuen sich jene, denen<br />
unsere Gewerkschaft am Herzen<br />
liegt, sicherlich immer,<br />
wenn die <strong>GEW</strong> in den Medien<br />
auftaucht. Wenn sogar auf<br />
Seite 1 des überregionalen Zeitungsteils,<br />
dann ist die Freude<br />
umso größer.<br />
So geschehen anlässlich der Halbjahreszeugnisse, als die Forderung der<br />
Bundes-<strong>GEW</strong>, das so genannte Sitzenbleiben abzuschaffen, in aller<br />
Munde war. Zwar gab es im vergangenen Sommer diese Forderung<br />
schon einmal; damals war das allerdings ein Thema, das niemand aus<br />
dem Sommerloch riss. Ein halbes Jahr später dann - wohl als Folge des<br />
gestiegenen Interesses am Bildungswesen nach PISA - genau die umgekehrte<br />
Reaktion der Öffentlichkeit. Eigentlich gut so. Das Problem dabei<br />
nur: Das Medienecho traf die Basis ziemlich unvorbereitet. Wer kann<br />
sich erinnern, dass dieses Thema mal in der <strong>GEW</strong>, z.B. in dieser Zeitung<br />
oder in unserem Bundesorgan, intensiv diskutiert worden wäre?<br />
So musste man sich als Funktionär rasch kundig machen, um den oft<br />
sehr oberflächlichen Kommentaren nach dem euphemistischen Muster<br />
„Eine Ehrenrunde hat noch keinem geschadet“ fundierte Argumente<br />
entgegenzusetzen. Dass es diese zuhauf gibt, zeigten die Äußerungen<br />
von Wissenschaftlern, Eltern- und Schülervertretungen sowie sogar von<br />
Konkurrenzverbänden und Kultusbürokratien, die die <strong>GEW</strong> allesamt<br />
unterstützten. Dies ist sicherlich eine positive Folge von PISA: Alles<br />
bisher so Selbstverständliche muss auf den Prüfstand. Hier unter der<br />
Fragestellung: Ist die Klassenwiederholung, die es in den erfolgreichen<br />
PISA-Staaten nicht gibt, ein effektives Instrument der Förderung von<br />
Lernschwächen? Wohl nur in seltenen Fällen, bringt sie doch - abgesehenen<br />
von der Stigmatisierung der „Hockenbleiber“ - in der Regel kaum<br />
Lernzuwachs in den schwachen Fächern und fördert bei den Betroffenen<br />
schwerlich die Motivation in den Fächern, in denen das Klassenziel<br />
erreicht worden war.<br />
Wieder typisch <strong>GEW</strong>? Will die Versager durchschleppen und das Leistungsdenken<br />
unterminieren! Schauen wir als Antwort auf diese beliebte<br />
Stereotype auf die duale Berufsausbildung, denn von der „Wirtschaft<br />
lernen“ heißt bekanntlich „das Siegen lernen“. In der Berufsschule nämlich<br />
gibt es kein „Sitzenbleiben“, auch wenn das Klassenziel nicht erreicht<br />
wurde. Was es allerdings gibt, ist eine Fülle von Angeboten zu<br />
„ausbildungsbegleitenden Hilfen“, durch die spezifische Schwächen<br />
kompensiert werden sollen. Angebracht wäre also nicht die ersatzlose<br />
Streichung des „Durchfallens“, sondern die Umschichtung der Ressourcen<br />
hin zur gezielten Förderung dort, wo die Defizite liegen.<br />
Resümee: eine sinnvolle, hoffentlich erfolgreiche Aktion, die noch besser<br />
hätte verlaufen können, wenn die <strong>GEW</strong>-Basis früher einbezogen gewesen<br />
wäre.<br />
Zurück zur Präsenz der <strong>GEW</strong> in der Öffentlichkeit. Da kann es einem<br />
Funktionär beispielsweise nach der Einladung zu einer Podiumsdiskussion<br />
passieren, sich plötzlich und unerwartet auf vermintem Gelände<br />
und von allen Seiten unter Beschuss zu befinden. Sorry, die ungewohnte<br />
militärische Metaphorik stimmt in diesem Fall wirklich. Bin<br />
ich denn mit der Zeitmaschine zurück in die 70er-Jahre kapituliert<br />
worden? Schulkampf wie in Hessen zur Zeit der Rahmenrichtlinien.<br />
Erzreaktionäre Elternvertreter, die gegen die angebliche Kuschelpädagogik<br />
wettern und - dies als Eltern! - die verbindliche Schullaufbahnentscheidung<br />
zurück wollen. Lehrkräfte, für die die Gesamtschule Teufelszeug<br />
ist. Und dies alles - man lese und staune - bei einer Diskussion<br />
über die Konsequenzen aus PISA. Dies in einer Stadt, deren drei IGSen<br />
im Umfeld gerade wieder bei 900 Anmeldungen 502 Ablehnungen<br />
verschicken mussten. Dies angesichts der PISA-Ergebnisse mit ihrem<br />
vernichtenden Urteil für den selektiven Charakter des gegliederten Schulwesens.<br />
Nicht die, das Wüste lebt!<br />
Waren das vielleicht jene Experten, über die der berühmte Philosoph<br />
Didi Hallervorden sagte, sie zeichneten sich dadurch aus, 99 Liebesstellungen,<br />
aber kein einziges Mädchen zu kennen. Setzen, eins, Didi,<br />
können wir im Rahmen unserer beliebten Ordensverleihung für sprachliche<br />
Leistungen diesmal nur sagen. Aber da ein Lehrer nur dann zufrieden<br />
ist, wenn er mindestens einen Tadel ausgesprochen hat, geht es<br />
nicht ohne die sprachliche Fehlleistung.<br />
Peinlich, peinlich, der geht schon wieder an unseren Verein: Gerügt<br />
werden müssen jene Verfasser von <strong>GEW</strong>-Presseerklärungen - <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
ist da eine rühmliche Ausnahme -, die es sich angewöhnt<br />
haben, ihre jeweiligen Vorsitzenden als „<strong>GEW</strong>-Chefs“ zu titulieren.<br />
Das sind auf Zeit gewählte Vorsitzende, aber bitteschön nicht unsere<br />
Chefs! Davon haben wir an unseren Arbeitsstellen schon genug. Meint<br />
der - haha - „Chef der <strong>GEW</strong>-Zeitung“.<br />
Günter Helfrich<br />
Aus dem Inhalt <strong>GEW</strong>-<strong>ZEITUNG</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Nr. 3-4 / 2002:<br />
Editorial: „Das Wüste lebt“ Seite 2<br />
Kommentar - Fritz Schösser, DGB-Vors., Bayern:<br />
Kanzlerkandidat Stoiber: Bayern vor - noch ein Tor? Seite 3<br />
Berufliche Bildung Seiten 4 - 9<br />
Schwerpunkt: Bildung International Seiten 10 - 18<br />
Schulen Seiten 19 - 23<br />
Hochschulen Seiten 24 - 26<br />
Rechtsschutz Seite 27<br />
Alter + Ruhestand Seite 28<br />
Tipps + Termine Seiten 29 - 34<br />
Kreis + Region Seite 35<br />
Schulgeist Seite 36<br />
Impressum <strong>GEW</strong>-<strong>ZEITUNG</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>, Neubrunnenstr. 8, 55116<br />
Mainz, Tel.: (0 61 31) 28988-0, Fax: (06131) 28988-80, E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>.de<br />
Redaktion: Günter Helfrich (verantw.) und Karin Helfrich, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen,<br />
Tel./ Fax: (0621) 564995, e-mail: <strong>GEW</strong>ZTGRL1@aol.com; Ursel Karch ( Anzeigen), Arnimstr.<br />
14, 67063 Ludwigshafen, Tel.: (0621) 69 73 97, Fax.: (0621) 6 33 99 90, e-mail:<br />
UKarch5580@aol.com; Antje Fries, Rheindürkheimer Str. 3, 67574 Osthofen, Tel./Fax: (0 62 42)<br />
91 57 13, e-mail: antje.fries@gmx.de<br />
Verlag, Satz und Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433 Neustadt a.d.W.,<br />
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Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen<br />
nicht in jedem Falle der Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes oder der Redaktion. Nur maschinengeschriebene<br />
Manuskripte können angenommen werden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine<br />
Gewähr übernommen. Manuskripte und sonstige Zuschriften für die Redaktion der <strong>GEW</strong>-Zeitung<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> werden nach 67023 Ludwigshafen, Postfach 22 02 23, erbeten.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglieder jährlich DM 35,-- incl. Porto<br />
+ MWSt. (Bestellungen nur beim Herausgeber.) Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres.<br />
Im anderen Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />
Anzeigenpreisliste Nr. 12 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluss: jeweils der 5. des Vormonats.<br />
2 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Kommentar<br />
Kanzlerkandidat Stoiber: Bayern vor - noch ein Tor?<br />
Der bayerische<br />
DGB-Vorsitzende<br />
Fritz Schösser:<br />
„Bayern hat<br />
es trotz einer guten<br />
volkswirtschaftlichen<br />
Gesamtbilanz<br />
nicht<br />
geschafft, gleiche<br />
Arbeits- und<br />
Lebensbedingungen<br />
in allen<br />
Landesteilen sicherzustellen.“<br />
Kaum hatte die<br />
Union Edmund<br />
Stoiber als Kanzlerkandidaten<br />
nominiert,<br />
meldeten<br />
die ersten Zeitungen,<br />
der DGB flirte<br />
mit der CSU.<br />
Was die Gewerkschaften<br />
von einem<br />
Kanzler Stoiber zu<br />
erwarten hätten,<br />
analysiert der bayerische<br />
DGB-Vorsitzende<br />
Fritz<br />
Schösser.<br />
„1994 - die Landtagswahlen in Bayern<br />
waren gerade gelaufen, die absolute<br />
Mehrheit der CSU in Bayern war<br />
wieder gesichert, die Amigo-Krise überwunden<br />
- da fragte mich ein Journalist:<br />
„Wie erklären Sie sich, dass es der<br />
SPD wieder nicht gelang, die absolute<br />
Mehrheit der CSU zu brechen?“ Meine<br />
Antwort: „Die CSU hatte das Glück,<br />
dass Stoiber und Wiesheu wie zwei<br />
Lichtgestalten aus dem schwarzen Amigo-Sumpf<br />
hervortraten und in der Lage<br />
waren, das Ruder noch einmal herumzureißen.“<br />
Der Großteil dieser Aussage<br />
wurde in der Presseberichterstattung<br />
bald unterschlagen - übrig blieb das<br />
Wort „Lichtgestalt“. Was ist nun dran<br />
an der Gestalt Edmund Stoiber?<br />
Die K-Frage der Union ist entschieden.<br />
Stoiber und Bayern stehen im Fokus der<br />
Medien: Wie wird Bayern regiert? Was<br />
ist das besondere Geheimnis? Was tut<br />
Stoiber, was andere nicht tun? Die Arbeitslosigkeit<br />
ist gering, die Wirtschaftsentwicklung<br />
gut, und der Beschäftigungspakt<br />
funktioniert. Ja, und die<br />
grandiose Idee, das schöne Alpenambiente<br />
nach Bayern zu holen, haben die<br />
anderen Bundesländer auch nicht gehabt.<br />
Trotz aller Superlative, in Bayern wird<br />
auch nur mit Wasser gekocht! Das Gefälle<br />
zwischen Nord- und Südbayern<br />
ist groß. Die Strukturveränderungen in<br />
der Glas- und Porzellanindustrie, der<br />
Textil- und Lederindustrie sind noch<br />
lange nicht überwunden. Der Strukturwandel<br />
in Nürnberg, in Schwein-<br />
furt und in der mittleren Oberpfalz<br />
(Maxhütte) schwelt vor sich hin. Bayern<br />
hat es trotz einer guten volkswirtschaftlichen<br />
Gesamtbilanz nicht geschafft,<br />
gleiche Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
in allen Landesteilen sicherzustellen.<br />
Die Wirtschaftslokomotive<br />
steht in München, die Waggons in den<br />
Regionen; ein Teil dieser Waggons ist<br />
nicht einmal an die Lokomotive angekoppelt.<br />
Stoiber macht Politik in einer<br />
relativ heilen Welt. Die günstige Nachkriegsentwicklung<br />
in Bayern, die im<br />
Vergleich zu anderen Bundesländern<br />
überschaubaren Strukturprobleme und<br />
der warme Regen aus Privatisierungserlösen<br />
von 5 Mrd. Euro seit 1996 haben<br />
ihm nahezu paradiesische Verhältnisse<br />
beschert und ihm das Image des<br />
„Machers“ eingebracht. In der Krise<br />
und unter dem Druck schwieriger Verhältnisse<br />
musste sich Stoiber noch nie<br />
beweisen. Stoiber spielte bisher nur in<br />
der Regionalliga, in der Champions<br />
League wird auch für ihn das Klima<br />
rauer.<br />
Entscheidend für die Kraft der CSU ist<br />
die tiefe und traditionelle Verankerung<br />
in der bayerischen Gesellschaft. Die<br />
CSU ist in Verbindung mit dem<br />
„Christlichen“ ein System, das die Menschen<br />
von der Wiege bis zur Bahre begleitet.<br />
Natürlich birgt ein solches System<br />
auch Gefahren in sich. Dazu zählen<br />
Postenschacher und Spezlwirtschaft.<br />
Unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten<br />
Max Streibl hätte dies fast zum<br />
Supergau geführt. Saludos, Amigos!<br />
Seinem Nachfolger Edmund Stoiber<br />
gelang es 1993 in wenigen Wochen, sein<br />
Image zu ändern - vom Mitmacher<br />
zum Saubermacher! Dazu gehört auch,<br />
dass die Staatsregierung ihr Verhältnis<br />
zu den Gewerkschaften geändert hat.<br />
Bis Mitte der 90er Jahre hatte die CSUgeführte<br />
Staatsregierung mit dem DGB<br />
wenig am Hut. Im Gegenteil: Unter<br />
Franz Josef Strauß wurden die christlichen<br />
Gewerkschaften hofiert und strategisch<br />
gegen den DGB ins Feld geführt.<br />
Arbeiterkammern sollten die Gewerkschaftsmacht<br />
brechen, und mit einer<br />
Diffamierungskampagne sollte der<br />
bayerische DGB ins Abseits gedrängt<br />
werden. Das alles wurde in der CSU-<br />
Parteizentrale ausgekocht. Der dortige<br />
Chefkoch hieß Edmund Stoiber. Das<br />
haben wir nicht vergessen - und trotzdem:<br />
Es ist zu plump, Stoiber einfach<br />
in die Ecke der „sozialen Kälte“ oder<br />
des „Rechtspopulisten“ zu stellen.<br />
Stoiber ist ein konservativer und wirtschaftsliberaler<br />
Ideologe. Bei den Themen<br />
Betriebsverfassungsgesetz, Rentenreform,<br />
Arbeitsmarktpolitik, Migrationspolitik<br />
trennen uns Welten. Aber da<br />
gibt es auch den Pragmatiker Stoiber.<br />
Der weiß, dass es ganz ohne Arbeitsmarkt-<br />
und Sozialpolitik nicht geht,<br />
der nicht über Industriepolitik redet -<br />
sie aber macht -, der ein heißer Verfechter<br />
der Deregulierung ist, aber mit<br />
den Gewerkschaften im Beschäftigungspakt<br />
schon 1996 eine Vereinbarung zur<br />
Tariftreue bei öffentlichen Bauvergaben<br />
getroffen hat.<br />
Mein Fazit: Überschätzen sollte man<br />
Stoiber nicht, unterschätzen jedoch<br />
auch nicht.“<br />
<strong>GEW</strong>-<br />
Frühjahrs-<br />
Preisrätsel<br />
Roland Koch über die CDU-<br />
Spitze nach der Entscheidung<br />
über die K-Frage am 11. Jan.<br />
2002:<br />
„Wir sind ja nicht alle Eunuchen<br />
und nur einer denkt!“<br />
Preisfrage:<br />
Womit denkt Roland Koch?<br />
Preise:<br />
1. Eierschneider ”Double<br />
Cut“, rostfrei, spülmaschinenfest<br />
2. Vibrator ”Roland II“<br />
3. CDU-Denkspiele-Koffer<br />
(garantiert latexfrei)<br />
Antwortkarten bitte an den<br />
CDU-Bundesvorstand oder jedes<br />
Parteibüro von CDU/<br />
CSU.<br />
tje.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
3
Berufliche Bildung<br />
Lernfeldkonzeption - alter Wein in neuen Schläuchen?<br />
Anderes Verständnis der Arbeit von Lehrkräften erforderlich<br />
- Von Dr. Hans-Jürgen Berg -<br />
Nur wenige Veränderungen im Bereich der curricularen Gestaltung der<br />
Berufsschule haben so eine heftige Diskussion innerhalb der Lehrerschaft<br />
nach sich gezogen wie die Lernfeldkonzeption. Ablehnung und<br />
Akzeptanz widerfahren dem Konzept. Man könnte sagen, die Trennlinie<br />
verläuft zwischen den „Jungen“ und den „Alten“, zwischen den<br />
„Erneuerern“ und den „Bewahrern“.<br />
Dr. Hans-Jürgen<br />
Berg leitet die Abteilung<br />
Berufsbildende<br />
Schulen im<br />
Bildungsministerium.<br />
Wie kommt<br />
es zu dieser<br />
Polarisierung?<br />
Der Reformansatz<br />
„Lernfeldkonzept“<br />
hat<br />
über die Neuordnung<br />
unterschiedlicher<br />
Ausbildungsberufe<br />
Einzug in<br />
die Bildungslandschaft<br />
der<br />
berufsbildenden<br />
Schulen genommen. Das Konzept<br />
intendiert, dass zusammenhängende,<br />
an Arbeitsprozessen orientierte Lernsequenzen<br />
die didaktische Landschaft<br />
der beruflichen Bildung prägen.<br />
Das Lernfeldkonzept wirkt sich<br />
verändernd auf unterschiedlichen<br />
Ebenen der dualen Berufsausbildung<br />
aus.<br />
Auf der Makroebene stehen die Gestaltung<br />
der Ordnungsmittel, die<br />
Formulierung von Qualitätsstandards<br />
und die Evaluierung der Rahmenlehrpläne<br />
im Vordergrund. Auf<br />
der Mesoebene rückt die schulorganisatorische<br />
Umsetzung in das Zentrum<br />
der Betrachtung. Arbeitsbereiche<br />
sind u. a. die teamorientierte,<br />
schulinterne Entwicklung von Lehrplänen,<br />
die Planung der Lern- und<br />
Unterrichtsorganisation, die Arbeit<br />
in Lehrkräfteteams, die Lehrkräfteeinsatzplanung,<br />
Regelungen zur Leistungsfeststellung<br />
sowie die Gestaltung<br />
der Zeugnisse. Auf der Mikroebene<br />
stellt sich die Frage nach dem<br />
adäquaten didaktisch-methodischen<br />
Konzept. (vgl. Sloane)<br />
Ist mit der Lernfeldkonzeption<br />
eine Kompetenzerweiterung<br />
in der beruflichen<br />
Ausbildung verbunden?<br />
Orientiert man berufliches Lernen<br />
an der Praxis, so kommt dem betrieblichen<br />
Leistungsprozess eine zentrale<br />
Bedeutung zu. Während im traditionellen<br />
Curriculum Inhalte und<br />
Ziele vorgegeben sind, die Fachinhalte<br />
verbindlich festliegen, fordert das<br />
Lernfeldkonzept zur Gestaltung heraus.<br />
Die Unterrichtsorganisation<br />
und die didaktische Ausgestaltung<br />
des Lehr-/Lernprozesses liegen in der<br />
pädagogischen Verantwortung der<br />
Lehrenden.<br />
Damit kommt den Lehrerinnen und<br />
Lehrern eine zentrale Rolle im lernfeldorientierten<br />
Unterricht zu. Sie<br />
müssen die vorgegebenen Lernfelder<br />
in Lernsituationen umsetzen. Das<br />
erfordert fundierte Kenntnisse der<br />
Berufspraxis. Der betriebliche Leis–<br />
tungsprozess muss der Lehrkraft gegenwärtig<br />
sein, um aus ihm schulische<br />
Lernsituationen abzuleiten, die<br />
über den Bezug zum Einzelbetrieb<br />
hinausgehen und verallgemeinernd<br />
bearbeitet werden können.<br />
Damit die Lehrkräfte diesen Weg<br />
gehen, bedarf es der Motivation,<br />
Anreize müssen gegeben sein, Schule<br />
muß sich zur offenen Organisation<br />
entwickeln, eine neue Leitidee ist<br />
angesagt! Die Einsicht, dass der Weg<br />
das Ziel ist, sollte das pädagogische<br />
Handeln bestimmen.<br />
Hierbei hat die Unterrichtsorganisation<br />
eine wesentliche Gestaltungsaufgabe!<br />
Die Organisation des Unterrichts,<br />
die Einsatzplanung der Lehrkräfte,<br />
die Umsetzung von Teamstrukturen<br />
sind entscheidende Bestimmungsgrößen,<br />
die über den Erfolg der Lernfeldkonzeption<br />
befinden. Geht man<br />
diesen Weg, so stößt man schnell auf<br />
das Problem, dass Schule einer neuen<br />
Organisationskultur bedarf. Autonomie<br />
im Bereich der Lernfeldarbeit<br />
ist nicht über eine bis ins Detail<br />
geregelte Administration zu erreichen.<br />
Lernfeldkonzepte bedürfen der<br />
Selbstverantwortung der unterrichtlich<br />
Handelnden. Freiräume müssen<br />
geschaffen werden, ebenso wie es<br />
notwendig ist, diese Freiräume verantwortet<br />
zu gestalten. Das zieht eine<br />
neue Form von Führung, Beratung,<br />
Unterstützung und Prozessbegleitung<br />
nach sich. Zu den notwendigen<br />
Reformschritten sind nicht nur<br />
die Lehrkräfte aufgerufen, auch der<br />
Schulleitung im engeren und im<br />
weiteren Sinn fällt eine wesentliche<br />
Aufgabe zu. Ihre Planung kann Prozesse<br />
stützen oder behindern, kann<br />
motivieren oder lähmen, kann bestärken<br />
oder bremsen.<br />
Die selbstverantwortete Autonomie<br />
der Schule und der in ihr Agierenden<br />
ist ein Entwicklungsziel unter<br />
anderen. Das zieht auch ein geändertes<br />
Verständnis der Schulaufsicht<br />
nach sich. Nicht Aufsicht, sondern<br />
Dienstleistung zur Prozessunterstützung<br />
steht im Vordergrund. Beratung<br />
und Motivation, neue Wege zu<br />
gehen, Freiräume aufzuzeigen, zu<br />
motivieren diese verantwortet zu gestalten,<br />
ist eine wesentliche Aufgabe.<br />
Dass sich dieser Prozess an dem Ziel<br />
orientiert, den Jugendlichen abhängig<br />
von der je spezifischen Lernbedingung<br />
ein Höchstmaß an Qualifikation<br />
zuteil werden zu lassen, ist ein<br />
Element der Qualitätsentwicklung<br />
der berufsbildenden Schulen.<br />
4 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Wie sieht in diesem Zusammenhang<br />
die Qualifikation<br />
der Lehrkräfte aus?<br />
Betrachtet man die Lernfeldkonzeption<br />
vor dem Hintergrund der Einschätzung<br />
durch die Lehrkräfte, so<br />
stößt man auf eine heterogene Ablehnungsfront.<br />
Die Argumente reichen<br />
von mangelnder Transparenz<br />
für die Schülerinnen und Schüler,<br />
über die Komplexität, der die Jugendlichen<br />
gegenüber stehen, bis hin<br />
zu der Überforderung, allgemeingültige<br />
Inhalte zu identifizieren, die die<br />
angestrebten Kompetenzen einlösen,<br />
usw …<br />
Auch wird die rechtliche Problematik<br />
zur Verhinderung eines durchgängig<br />
lernfeldorientierten Unterrichts<br />
argumentativ herangezogen.<br />
Die Bewertung ist nicht nachvollziehbar,<br />
Noten sind nicht mehr aussagefähig,<br />
Lernfelder heben den notwendigen<br />
Fachbezug auf, Zeugnisse<br />
sind nicht mehr aussagefähig, wird<br />
argumentiert. Fragen über Fragen,<br />
hinter denen auf Seiten der Lehrkräfte<br />
das Akzeptanzproblem durchscheint.<br />
Berufliche Bildung<br />
Worin ist diese Abwehr<br />
begründet?<br />
Für die Lehrkräfte stellt sich eine<br />
veränderte Situation dar. Die ehemals<br />
weitgehende Möglichkeit,<br />
Lehrplaninhalte eins zu eins umzusetzen,<br />
ist nicht mehr gegeben. Curriculare<br />
Entwicklungen müssen auf<br />
der Ebene der Schule stattfinden.<br />
Damit geht Sicherheit verloren. War<br />
es ehedem möglich, sich an einem<br />
vorgegebenen Curriculum zu orientieren,<br />
so fehlt diese Orientierung im<br />
Lernfeldkonzept. Die neue Anforderung<br />
besteht darin, lernfeldorientierte<br />
Lehrpläne inhaltlich - unter Bezug<br />
auf die Lerngruppe - gestaltend<br />
umzusetzen.<br />
Diese neue Problemstellung, vor der<br />
die Kolleginnen und Kollegen stehen,<br />
wirft unterschiedliche Fragen<br />
auf. Es ist zu klären, was an Inhalten<br />
gelehrt werden soll. Diese Festlegung<br />
sollte, da das Lernfeldkonzept durch<br />
seine Komplexität in der Regel die<br />
Kompetenzen der einzelnen Lehrkraft<br />
überschreitet, im Team erfolgen.<br />
Die naheliegende Teamkonzeption<br />
führt zu bisher nicht üblichen<br />
Kommunikations-, Abstimmungsund<br />
damit auch Kooperationsformen<br />
in den Kollegien. Das Einzelkämpferdasein<br />
weicht zu Gunsten<br />
der Teamorientierung. Die Erarbeitung<br />
von komplexen Lernsituationen<br />
fordert heraus, ist aber auch eine<br />
Quelle für Arbeitszufriedenheit, da<br />
Unterricht von mehreren gestaltet<br />
und letztlich getragen wird. Hierfür<br />
sind in der Stundenplanung Räume<br />
zu schaffen. Dem Team wächst eine<br />
neue Verantwortung zu. Die Schulleitungen<br />
geben einen Teil ihrer Planungskompetenz<br />
an die Teams ab,<br />
eine Herausforderung, der man sich<br />
stellen muss.<br />
Da diese Prozesse bisher nicht bestimmend<br />
im Schulalltag waren, bedarf<br />
es der begleitenden Unterstützung.<br />
Der Erfahrungsaustausch der<br />
Institutionen muss aufgebaut und<br />
sichergestellt werden, damit die didaktisch-methodische<br />
Unterrichtsentwicklung<br />
unterstützt und begleitet<br />
wird.<br />
In diesem Prozess ist es wichtig, neue<br />
Perspektiven aufzeigen, die den Arbeitsalltag<br />
fruchtbar verändern können.<br />
Die bisher durch die Schulleitung<br />
determinierte Stundeneinteilung<br />
wird ergänzt durch eine vom<br />
Team verantwortlich geplante Unterrichtsgestaltung.<br />
Teams können ei-<br />
Nicht mehr der<br />
Fachsystematiker,<br />
sondern<br />
mehr der Generalist<br />
ist gefragt.<br />
Foto: Seifert<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
5
Berufliche Bildung<br />
genverantwortlich Stunden einzelner<br />
Kollegen bündeln, komplexere Arbeitsvorhaben,<br />
die das Lehrerwochenstundenmaß<br />
überschreiten, eigenverantwortlich<br />
strukturieren,<br />
Vertretungen selbst organisieren, gegebenenfalls<br />
sinnvolle Doppelbesetzungen<br />
einplanen und gestaltend die<br />
Organisation verändern.<br />
Resümee<br />
Das Lernfeldkonzept führt zu Veränderungen<br />
im Bereich der beruflichen<br />
Bildung und damit der berufsbildenden<br />
Schulen.<br />
Das Konzept wirkt sich auf die<br />
* Organisation der Schule,<br />
* Lehrerausbildung und Lehrerweiterbildung,<br />
* Curriculumgestaltung,<br />
* Arbeitsorganisation,<br />
* Benotung,<br />
* Zeugnisse,<br />
* Prüfungen<br />
an berufsbildenden Schulen aus.<br />
Neben diesen organisatorischen und<br />
administrativen Veränderungen, die<br />
letztlich auch die Frage nach der<br />
Qualität des Lernortes Berufsschule<br />
aufwerfen, rücken die Inhaltsebene,<br />
bezogen auf die curricularen Vorgaben,<br />
sowie der Lernprozess in den<br />
Mittelpunkt der Betrachtung.<br />
Im Rahmen des Lernfeldkonzeptes<br />
gilt es Abschied zu nehmen von der<br />
„Einheitlichkeit“ der Lerninhalte<br />
und der schulischen Organisation.<br />
Nicht mehr der Fachsystematiker,<br />
sondern mehr der Generalist ist gefragt.<br />
Das Lernfeldkonzept stellt kein<br />
Elitekonzept für Leistungsfähige dar,<br />
sondern es gilt, das Konzept in die<br />
Alltagskultur des beruflichen Lehrens<br />
und Lernens einzuführen.<br />
Dass hierbei Widerstände entstehen,<br />
Ängste und Blockaden den Entwicklungsprozess<br />
bestimmen, ist nicht<br />
von der Hand zu weisen. Dennoch<br />
wird man feststellen, dass eine im<br />
Team stattfindende Diskussion über<br />
auszuweisende und zu vermittelnde<br />
Lerninhalte, die Unterrichtsvorbereitung,<br />
die Organisation von Unterricht,<br />
neue und weitreichendere Perspektiven<br />
ermöglicht, als dies in der<br />
Vergangenheit der Fall war.<br />
Das Lernfeldkonzept eröffnet Freiräume<br />
sowohl in der fachwissenschaftlichen<br />
Bearbeitung als auch im<br />
Bereich der curricularen, didaktischen<br />
und methodischen Unterrichtsgestaltung.<br />
Ein weiterer positiver<br />
Aspekt ist darin zu sehen, dass<br />
eine gemeinsame Absprache über<br />
den Lernprozess eine entlastende<br />
Funktion haben kann, die das weit<br />
verbreitete Gefühl der Lehrkräfte,<br />
„nie fertig zu sein“, in Grenzen halten<br />
kann.<br />
Ausblick<br />
Unter dem Blickwinkel der Qualitätsentwicklung<br />
bleibt ein Problem<br />
zu lösen: Es geht um die Funktionsbeschreibung<br />
der Tätigkeit „Lehrkraft“.<br />
Was ist hierunter zu verstehen?<br />
Legt man die konzeptionellen<br />
Grundlagen, die dem Lernfeldkonzept<br />
zu eigen sind, als Maßstab an,<br />
so werden andere und neue Qualifikationen<br />
von den Lehrkräften gefordert.<br />
Die gemeinsame Strukturierung<br />
der curricularen Grundlagen,<br />
die Festlegung von Lernfeldinhalten,<br />
die geänderte Unterrichtsorganisation,<br />
die Arbeit im Team, die wechselseitige<br />
Abstimmung, die Evaluation<br />
des Erreichten sind andere Aufgaben<br />
als diejenigen, die in der Vergangenheit<br />
das Bild der Lehrkräfte<br />
prägten.<br />
Die Lernfeldkonzeption erfordert ein<br />
anderes Verständnis von Lehrerarbeit.<br />
Teile der unterrichtlichen Vorbereitung<br />
finden in der Schule statt,<br />
da gemeinsame Absprachen über den<br />
Lehr-/Lernprozess hier am besten<br />
möglich sind. Soweit nicht gegeben,<br />
ist es notwendig, hierzu die entsprechende<br />
Infrastruktur zu schaffen.<br />
Von der altgewohnten Regelung mit<br />
Wochenstunden gilt es Abschied zu<br />
nehmen. Das Lernfeldkonzept legt<br />
es nahe, dass die Planung, Durchführung<br />
und Kontrolle des Unterrichts<br />
im Lehrkräfteteam stattfinden. In<br />
diesem Prozess der umfassenden unterrichtlichen<br />
Organisation bedarf es<br />
eines Tätigkeitsprofils „Lehrkraft“,<br />
da weitergehende Aufgaben als das<br />
ausschließliche Unterrichten den<br />
Arbeitsalltag prägen.<br />
Um den geänderten Rahmenbedingungen<br />
konstruktiv zu begegnen,<br />
bedarf es unter anderem einer veränderten<br />
Arbeitszeitregelung. Statt<br />
Wochenstunden sollte ein Arbeitszeitkonto<br />
geführt werden. Auf dieses<br />
Konto werden die neuen und<br />
umfassenden Tätigkeiten im Rahmen<br />
des Lernfeldkonzeptes „gebucht“.<br />
Den Arbeitszeitrahmen bildet<br />
ein Jahresstundenkontingent.<br />
Diesem steht ein neu zu definierendes<br />
Tätigkeitsprofil „Lehrkraft“ gegenüber.<br />
Das Profil weist den jeweiligen<br />
Aufgabenbereichen die diesen<br />
Tätigkeiten korrespondierenden<br />
Zeitanteile zu. Diese werden in einem<br />
Arbeitszeitkonto erfasst.<br />
Mit der Entwicklung eines Tätigkeitsprofils,<br />
dem geänderten Arbeitszeitverständnis,<br />
dem Jahresstundenkonto<br />
sind exemplarisch Entwicklungen<br />
angedeutet, denen man sich<br />
offen und konstruktiv stellen sollte,<br />
um auf dem Weg zu einer neuen<br />
Schulkultur und einem geänderten<br />
Verständnis von „Arbeitszeit der<br />
Lehrkräfte“ voran zu kommen.<br />
Literatur:<br />
Sloane, Peter F. E.: Lernfelder und Unterrichtsgestaltung;<br />
Die berufsbildende<br />
Schule; 52 (2000)<br />
6 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Beginn einer „neuen“ Lernkultur?<br />
Lernfeldorientierung in der Berufsschule<br />
Verunsicherung und Abwehr überwogen zunächst in Gewerkschaftskreisen,<br />
als Anfang der 80er Jahre die Industriesoziologen Horst Kern<br />
und Michael Schumann vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI)<br />
der Universität Göttingen mit ihrer Studie „Das Ende der Arbeitsteilung?“<br />
einen Umbruch der Produktions- und Arbeitskonzepte in den<br />
Kernindustrien (Auto, Werkzeug, Chemie) prognostizierten, der aus Arbeitnehmersicht<br />
nicht nur als Bedrohung sondern auch als Chance<br />
einzuschätzen sei.<br />
Annelie Strack ist<br />
seit vielen Jahren<br />
für den Vorstandsbereich<br />
Berufliche<br />
Bildung / Weiterbildung<br />
der <strong>GEW</strong><br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
verantwortlich<br />
und auch Vorsitzende<br />
der Bundesfachgruppe<br />
Kaufmännische<br />
Schulen.<br />
Eine neue, ganzheitliche<br />
Arbeitsgestaltung,<br />
ermöglicht durch<br />
neue technisch-organisatorische<br />
Möglichkeiten,<br />
setze sich zunehmend<br />
gegen „fordistische“<br />
und „tayloristische“<br />
Produktionsformen<br />
durch.<br />
Nach der „Kern-<br />
Schumann-These“<br />
würden die anstehenden<br />
Rationalisierungsprozesse<br />
zwar einerseits<br />
zu erheblicher<br />
Arbeitsplatzvernichtung führen, andererseits<br />
aber auch zur verstärkten<br />
Nutzung der Qualifikationen und<br />
fachlichen Souveränität der ArbeitnehmerInnen.<br />
Für die Qualifizierung<br />
der ArbeitnehmerInnen empfahlen<br />
Kern und Schumann: „Ausrichtung<br />
der Bildungsprozesse an einem<br />
umfassenden Qualifikationsbegriff<br />
(keine Beschränkung auf prozessspezifische<br />
Fähigkeiten; Orientierung<br />
an souveräner Berufsarbeit;<br />
vielfältige, berufliche wie private<br />
Anwendbarkeit der Kenntnisse und<br />
Fähigkeiten)“.<br />
Lange bevor im pädagogischen Bereich<br />
die Diskussion um „Neue Lernkulturen“<br />
begann, setzten die Sozialpartner<br />
erstmals bei der Neuordnung<br />
der Metall- und Elektroberufe<br />
sowie der Büroberufe die Empfehlungen<br />
der Industriesoziologen um.<br />
Alle seit 1986 erlassenen neuen Ausbildungsordnungen<br />
orientieren sich<br />
an deren „umfassendem Qualifikationsbegriff“:<br />
Am Ende ihrer Ausbildung<br />
sollen die zukünftigen Beschäf-<br />
tigten über eine umfassende Handlungskompetenz<br />
(Fach-, Methoden-,<br />
Selbst- und Sozialkompetenz) verfügen,<br />
die sie in die Lage versetzt, ihre<br />
angereicherten beruflichen Tätigkeiten<br />
in Teams selbstständig zu planen,<br />
durchzuführen und zu bewerten und<br />
so gestaltend in die betrieblichen<br />
Prozesse einzugreifen.<br />
Neues Leitbild auch der Rahmenlehrpläne<br />
für die Berufsschule wurde<br />
„Handlungsorientiertes Lernen“.<br />
Verstärkt wurde die Tendenz durch<br />
neuere Ergebnisse der biologischen<br />
und psychologischen Forschung, die<br />
persönlichkeits- und situationsorientierte<br />
Lernkonzepte gegenüber der<br />
reinen Wissensvermittlung hervorhoben.<br />
Ein Blick in die schulische Praxis Anfang<br />
der 90er Jahre zeigte jedoch,<br />
dass der Paradigmenwechsel - wenn<br />
überhaupt - nur auf dem Papier vollzogen<br />
worden war: Im real existierenden<br />
Unterricht standen traditionelle<br />
Fächer und Lehrplanstrukturen<br />
mit kleinschrittigen Zielen und Inhalten<br />
sowie Vorgaben zur Notengebung<br />
der Realisierung des neuen<br />
Leitbildes entgegen. Die <strong>GEW</strong> griff<br />
die Kritik der KollegInnen auf und<br />
forderte eine neue Lehrplankonzeption,<br />
die der Neuorientierung berufsschulischen<br />
Lernens nicht länger im<br />
Wege stehen würde.<br />
Nach langen, kontroversen Diskussionen<br />
legte die Kultusministerkonferenz<br />
Ende der 90er Jahre „Handreichungen<br />
für die Erarbeitung von<br />
Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen<br />
Unterricht in der Berufsschule<br />
und ihre Abstimmung mit<br />
Ausbildungsordnungen des Bundes<br />
Berufliche Bildung<br />
für anerkannte Ausbildungsberufe“<br />
vor, mit denen die Hürden bei der<br />
Realisierung handlungsorientierten<br />
Unterrichts aus dem Weg geräumt<br />
werden sollten:<br />
Die neuen Lehrpläne sind nicht<br />
mehr nach Fächern, sondern nach<br />
Lernfeldern strukturiert, die sich an<br />
Tätigkeitsfeldern des Berufs orientieren<br />
und den spezifischen Bildungsauftrag<br />
der Berufsschule einschließen.<br />
Mit der Lernfeldkonzeption<br />
wird der Übergang von der Erzeugungsdidaktik<br />
zur Ermöglichungsdidaktik<br />
vollzogen. Im Rahmen<br />
weit gefasster Vorgaben ist es<br />
Aufgabe der LehrerInnenteams an<br />
den einzelnen Berufsschulen, die<br />
Lernfelder durch komplexe Lernsituationen<br />
zu konkretisieren, die auf<br />
die individuelle Lebenssituation der<br />
Auszubildenden in Betrieb und Gesellschaft<br />
abheben. Wissenschaftsorientierung<br />
und Fachsystematik werden<br />
nicht überflüssig, sondern in<br />
einen Anwendungszusammenhang<br />
gebracht. Neu ist allerdings, dass mit<br />
der Lernfeldkonzeption verbindliche<br />
Standards für die Organisation des<br />
Unterrichts vorgegeben werden:<br />
Ausgangspunkt des schulischen Lernens<br />
ist nicht mehr das wissenschaftliche<br />
Modell, sondern die Handlungssituation,<br />
für deren Bewältigung<br />
fachliche, methodische, individuelle<br />
und soziale Kompetenzen<br />
erworben werden müssen. Mit dieser<br />
Umkehrung der Vorgehensweise<br />
ist die Hoffnung verbunden, dass so<br />
ein Grundproblem schulischen Lernens,<br />
nämlich die Anwendung theoretischer<br />
Erkenntnisse für die Bewältigung<br />
der Praxis, besser gelöst werden<br />
kann.<br />
Auch wenn nicht alle seit der KMK-<br />
Einigung erlassenen Rahmenlehrpläne<br />
für die Berufsschule den in den<br />
Handreichungen formulierten Qualitätsansprüchen<br />
entsprechen, sieht<br />
die <strong>GEW</strong> in der KMK-Lernfeldkonzeption<br />
die richtige Weichenstellung<br />
zur Entwicklung einer neuen Lernkultur<br />
für die berufsbildenden Schulen.<br />
Ein Blick in die Realität der rheinland-pfälzischen<br />
Berufsschulen zeigt<br />
allerdings, dass auf der Umsetzungsebene<br />
der Länder und der einzelnen<br />
Schulen erhebliche Probleme beste-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
7
Berufliche Bildung<br />
hen, die das<br />
ganze Reformprojekt<br />
zum Scheitern<br />
bringen<br />
könnten:<br />
* Die Begründungszusammenhänge<br />
und<br />
Intentionen<br />
der lernfeldorientierten<br />
Lehrpläne<br />
sind den<br />
Kollegien nicht ausreichend bewusst.<br />
Da eindeutige Signale aus dem Ministerium<br />
fehlen, werden die neuen<br />
Lehrpläne nicht als verbindlich wahr<br />
genommen, zumal sogar Vertreter<br />
der Schulaufsicht und der Studienseminare<br />
die Lernfeldkonzeption als<br />
„vorübergehenden Spuk“ darstellen.<br />
Die betroffenen Lehrkräfte kommen<br />
in den Bildungsgangkonferenzen nur<br />
zu dem Zweck zusammen, die in den<br />
fächerübergreifend angelegten Lernfeldern<br />
vorgegebenen Inhalte wieder<br />
auf die traditionellen Fächer zu verteilen.<br />
* Die Entwicklung komplexer Lehr-<br />
Lern-Arrangements an den Schulen<br />
stellt die KollegInnen vor völlig neue<br />
Anforderungen: Es geht nicht mehr<br />
um die Umsetzung kleinschrittiger<br />
Lernziele und Inhalte, sondern um<br />
die didaktische Ausgestaltung von<br />
Freiräumen. Erforderlich sind dazu<br />
fachliche (Betriebspraktika, neue<br />
Die <strong>GEW</strong> hat unter dem Titel :<br />
„Das Lernfeldkonzept an der<br />
Berufsschule - Pädagogische Revolution<br />
oder bildungspolitische<br />
und didaktische Reformoption?“<br />
eine Broschüre herausgegeben, die<br />
bei der <strong>GEW</strong>-Landesgeschäftsstelle<br />
angefordert werden kann.<br />
Entwicklungen der Fachwissenschaften)<br />
und methodisch-didaktische<br />
Fortbildung (Entwicklung von<br />
Lernsituationen in LehrerInnen-<br />
Teams) sowie die landesweite und<br />
länderübergreifende Vernetzung von<br />
Bildungsgangteams zum Austausch<br />
von Erfahrungen und Konzepten.<br />
Wer in den IFB-Katalogen der letzten<br />
Jahre nach entsprechenden Fortbildungsangeboten<br />
für die LehrerInnen<br />
berufsbildender Schulen sucht,<br />
kann nur fest-stellen, dass die Kollegien<br />
mit dieser wichtigen Reformaufgabe<br />
allein gelassen werden. In<br />
einem Klima der Verunsicherung<br />
können aber keine didaktischen Innovationen<br />
entstehen.<br />
* Durch die curriculare Arbeit an der<br />
Schule erreicht die Arbeitsbelastung<br />
der BBS-LehrerInnen sowohl eine<br />
neue Qualität als auch eine neue<br />
Quantität. Die Erarbeitung der<br />
Lernsituationen erfordert einerseits<br />
schulintern Teamsitzungen, andererseits<br />
eine verstärkte Lernortkooperation<br />
mit den Ausbildungsbetrieben.<br />
Dazu müssen sowohl organisatorische<br />
Hindernisse aus dem Weg<br />
geräumt (Teamstundenpläne statt<br />
Einzelstundenpläne) als auch Stundenentlastungen<br />
für LehrerInnen<br />
und Teilungsstunden für Lerngruppen<br />
gewährt werden.<br />
* Die in den lernfeldorientierten<br />
Lehrplänen angelegten curricularen<br />
Freiräume können nur genutzt werden,<br />
wenn auch die LehrerInnenteams<br />
Freiräume bei der Organisation<br />
des Unterrichts erhalten. Das bedeutet<br />
Abbau von Hierarchien, Delegation<br />
von Entscheidungskompetenz<br />
und Verantwortung an die LehrerInnen<br />
- das heißt „Qualitätsmanagement“,<br />
verstanden als Demokratisierung<br />
der Schule.<br />
Die neuen fachlichen und curricularen<br />
Anforderungen der Lernfeldkonzeption<br />
erfordern dringend eine inhaltliche<br />
Neuorientierung der BBS-<br />
LehrerInnenausbildung. Bundesweit<br />
wird zwar über - sicher auch sinnvolle<br />
- neue Strukturmodelle der LehrerInnenausbildung<br />
diskutiert. Die Diskussion<br />
über eine neue inhaltliche<br />
Ausgestaltung der LehrerInnenbildung<br />
an Hochschulen und Studienseminaren<br />
mit dem Ziel, junge KollegInnen<br />
zu befähigen, didaktische<br />
Freiräume für die Entwicklung neuer<br />
Lernkulturen zu nutzen, hat nicht<br />
einmal richtig begonnen. Welch dringender<br />
Handlungsbedarf hier besteht,<br />
haben nicht zuletzt auch die Ergebnisse<br />
der PISA-Studie gezeigt.<br />
Annelie Strack,<br />
Vorstandsbereich Berufliche Bildung<br />
und Weiterbildung<br />
<strong>GEW</strong>-Fortbildungsveranstaltungen<br />
Für KollegInnen im Bereich Berufliche Bildung und Erwachsenen-/Weiterbildung<br />
bietet die <strong>GEW</strong> folgende Fortbildungsveranstaltungen an:<br />
Präsentation<br />
mit PowerPoint<br />
Samstag, 20.04.2002<br />
Berufsbildende Schule Neustadt<br />
Referent: Rolf Heydenreich<br />
HöchstteilnehmerInnenzahl: 15<br />
Anmeldeschluss: 13.04.2002<br />
Internet für<br />
Einsteigerinnen<br />
Samstag, 27.04.2002 und Samstag,<br />
29.06.2002:<br />
Berufsbildende Schule Wirtschaft II<br />
Ludwigshafen<br />
Referentin: Sabine Weyland<br />
HöchstteilnehmerInnenzahl: 12<br />
Anmeldeschluss:<br />
13.04. bzw. 14.06.2002<br />
Anmeldung an:<br />
Annelie Strack, <strong>Pfalz</strong>grafenstraße 26,<br />
67061 Ludwigshafen, Tel. 0621-<br />
568227, Fax: 0621-5889122,<br />
Email: annelie.strack@t-online.de<br />
jetzt<br />
weltweit:<br />
www.gew-rheinland-pfalz.de<br />
8 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Berufliche Bildung<br />
Das Gleichnis zum Thema Lernfelder:<br />
Wenn Träume wahr werden?<br />
Es war einmal ein Bauunternehmer, der<br />
hatte einen Traum, ja, eigentlich schon mehr<br />
als einen Traum, er hatte eine Vision. Es<br />
war für ihn zu einem Lebensziel geworden,<br />
das optimale Hochhaus zu bauen. Damit<br />
meinte er natürlich nicht solch einen fürchterlichen<br />
rechteckigen Betonkasten, der nur<br />
dazu taugt, die Landschaft zu verunstalten.<br />
Vielmehr wollte er ein Haus bauen, in<br />
dem alle zusammen arbeiten und leben können<br />
sollten, wo nahezu alle Bedürfnisse<br />
unter einem Dach erfüllt werden konnten<br />
und wo man sich einfach gerne aufhielt.<br />
Und wie es der Zufall so wollte, fiel ihm<br />
eines Tages der Bauplan für dieses Großbauwerk<br />
in die Hände, und was er da sah,<br />
begeisterte ihn. Ja, das sollte sein Hochhaus<br />
werden!<br />
Also scharte er seine Handwerker um sich,<br />
alles erfahrene Fachleute und jeder für sich<br />
ein Spezialist im Bauen von Einfamilienhäusern.<br />
Denen präsentierte er voller Stolz<br />
und Enthusiasmus seinen Bauplan für DAS<br />
Haus. Und voller Begeisterung beauftragte<br />
er seine Handwerker damit, termingerecht<br />
innerhalb eines halben Jahres neben ihrer<br />
bisherigen Arbeit das Gebäude zu errichten,<br />
da auch schon die ersten Mieter zu diesem<br />
Termin vor der Türe stehen würden.<br />
Jetzt war das Murren bei den Handwerkern<br />
natürlich laut, da sie auf solch eine<br />
Aufgabe überhaupt nicht vorbereitet waren.<br />
Doch der Bauunternehmer, der schließlich<br />
seine Vision verwirklicht sehen wollte, wies<br />
seine Handwerker darauf hin, dass sie nun<br />
einmal bei ihm angestellt seien und somit<br />
seinen Weisungen zu folgen hätten, und er<br />
beschwichtigte sie damit, dass sie doch bisher<br />
immer gute Arbeit geleistet hätten. Das<br />
stimmte auch, und schließlich waren auch<br />
alle mit hervorragendem Handwerkszeug<br />
ausgestattet. Teilweise stellte ihnen der Bauunternehmer<br />
für diese Aufgabe sogar nagelneues<br />
Werkzeug zur Verfügung, das allerdings<br />
so neu und aufwändig war, dass<br />
noch kaum jemand den Umgang damit<br />
beherrschte. Letztlich konnte unser Bauunternehmer<br />
doch auch viele seiner Handwerker<br />
für sein Bauwerk begeistern; vielleicht<br />
sollte es ja tatsächlich gelingen, seine Vision<br />
Realität werden zu lassen.<br />
Doch da gab es noch ein kleines Problem:<br />
Da heutzutage fast alle Bauunternehmer<br />
entweder pleite und vor der Staatsanwaltschaft<br />
auf der Flucht oder sehr angesehen,<br />
aber nicht minder hoch verschuldet sind,<br />
ging es unserem Bauunternehmer auch nicht<br />
viel besser. Also musste an verschiedenen<br />
Stellen ein wenig gespart werden. So hatten<br />
seine Handwerker leider für den Bau des<br />
Hochhauses sowohl auf einen Ingenieur als<br />
auch auf eine Bauleitung zu verzichten;<br />
dafür hatte er ihnen ja schließlich den Bauplan<br />
kopiert. Und alle anfallenden Planungsabsprachen,<br />
die so auf einer Großbaustelle<br />
anfallen, sollten sie gefälligst miteinander<br />
in ihrer Freizeit durchführen. Aber<br />
dafür versprach er ihnen vielleicht mal irgendwann<br />
eine kleine Anerkennung. Ja, da<br />
waren seine Handwerker natürlich nicht<br />
mehr sehr begeistert, aber es half ja nichts,<br />
der Bau musste jetzt hochgezogen werden,<br />
schließlich warteten die zukünftigen Mieter<br />
schon. Also machte man sich an’s Werk<br />
... Ach so, Sie wollen wissen, was aus der<br />
Vision des Bauherren wurde? Nun, sicher<br />
ist, dass die Mieter zum Sommer irgendwo<br />
einzogen, aber wenn sie Einzelheiten erfahren<br />
wollen, dann fragen Sie doch gelegentlich<br />
bei einem Kultusministerium Ihres Vertrauens<br />
unter dem Stichwort „Einführung<br />
von Lernfeldern in der Berufsschule“ nach.<br />
Martin Hofmann<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
9
Schwerpunkt<br />
„Demokratie ist die Gegenwelt zur Uniform“<br />
Das Summerhill der Türkei: Besuch der Aziz-Nesin Stiftung<br />
- Text und Fotos: Lucas Schmitt -<br />
„Eine Woche Bildungsurlaub in Istanbul? Du hast es gut! Mal was anderes<br />
als das IFB in Speyer! Wird bestimmt interessant....“. Einige meiner<br />
Kolleginnen und Kollegen wären sicher gerne mitgeflogen.<br />
•Titelbild<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung:<br />
Betreuerin der Nezin-Stiftung<br />
mit<br />
einem der jüngsten<br />
Kinder. Die Kinder<br />
sind begeistert<br />
von der Simultan-<br />
Übersetzung über<br />
Kopfhörer.<br />
• Bilder unten:<br />
Hauptgebäude der<br />
Stiftung. Aziz Nesin<br />
war der Meinung,<br />
dass es den<br />
Kindern seiner<br />
Stiftung gut gehen<br />
solle - der Swimmingpool<br />
soll dazu<br />
beitragen! -<br />
• Gesprächsrunde<br />
mit Kindern in<br />
„Opa Aziz“ Garten.<br />
Nach 7 Tagen am Bosporus, vielen<br />
Gesprächen mit Gewerkschaftern,<br />
Journalisten, Menschenrechtsvertretern,<br />
Mitarbeitern politischer Stiftungen<br />
und NGOs, Wissenschaftlern<br />
und Lehrkräften fällt es mir<br />
schwer, die Eindrücke in meinem<br />
Kopf zu ordnen. So schlimm hatte<br />
ich mir die politische Situation der<br />
Türkei wirklich nicht vorgestellt, ein<br />
Land, das sich „auf dem Weg in die<br />
EU“ befindet... Jetzt fallen mir die<br />
schwer bewaffneten Militärpolizisten<br />
auf, die an jeder Ecke der Stadt stehen,<br />
ich bemerke die kurz geschorenen<br />
Jungs, die (in Zivil) die Fußgängerzone<br />
überwachen und knallhart<br />
zupacken, sobald sich dort Menschen<br />
zu Gruppen zusammenfinden.<br />
Wenn man erst einmal heraus hat,<br />
woran man sie erkennt, merkt man,<br />
dass sie überall sind …<br />
Unsere Gesprächspartner wirkten oft<br />
deprimiert: „Die Türkei ist eine als<br />
Demokratie verpackte Militärdiktatur,<br />
regiert vom allmächtigen Nationalen<br />
Sicherheitsrat. Die Islamisten<br />
werden immer stärker. Die EU hat<br />
kein Interesse an uns. Es geht weder<br />
vor noch zurück - und wer es wagt,<br />
etwas dagegen zu sagen, wird mit<br />
Prozessen überzogen … oft droht gar<br />
Schlimmeres!“. Wir treffen den Vorsitzenden<br />
der „Türkisch-Is“ Gewerkschaft;<br />
ihm wird der Prozess gemacht,<br />
weil er zur Demonstration<br />
am 1. Mai aufgerufen hat. Die Vorsitzende<br />
des türkischen Menschenrechtsvereins<br />
berichtet, dass 13 ihrer<br />
Vorgänger und Kollegen ermordet<br />
wurden und sie ebenfalls schon<br />
angegriffen wurde. Sie lässt sich nicht<br />
einschüchtern und arbeitet trotz der<br />
ständigen Bedrohung weiter. Während<br />
unseres Aufenthaltes wird in<br />
Istanbul - unter mysteriösen Umständen<br />
- ein jüdischer Geschäftsmann<br />
ermordet. Spekulationen werden<br />
geäußert: Die Mafia? Die Islamisten?<br />
Stecken politische Interessen<br />
dahinter? Zwei Tage nach unserer<br />
Abreise explodiert am Taxim-Platz<br />
(nicht weit vom Hotel, in dem wir<br />
wohnten) eine Bombe. Die Türkei<br />
im Jahr 2001.<br />
Hoffnungsschimmer<br />
Die Fahrt führt hinaus aus der Stadt<br />
Istanbul, Richtung Edirne und Bulgarien.<br />
Rechts und links der Route<br />
nichts als Industrie, Dreck, Wohnblocks,<br />
das Messegelände, Einkaufszentren<br />
und uniforme Neubausiedlungen.<br />
Istanbul baut; nicht schön,<br />
aber zweckmäßig. Die Metropole<br />
wuchert, frisst sich langsam und unaufhaltsam<br />
immer weiter in die karge<br />
Landschaft.<br />
Bei Catalca biegt unser Bus von der<br />
Europastraße 5 ab. Die Bebauung<br />
wird lichter, die Gegend wirkt ländlich.<br />
Nach wenigen Kilometern haben<br />
wir unser Ziel erreicht: Cocuk<br />
Cenneti (Kinderparadies) steht am<br />
Tor lesen. Dahinter Zweckbauten,<br />
Wirtschaftsgebäude und ein Gelände,<br />
das eher einer Baustelle als unserer<br />
Vorstellung von einem „Kinderparadies“<br />
entspricht. Das sollte nun<br />
die Nesin-Stiftung sein, von der wir<br />
in den vergangenen Tagen bereits so<br />
viel gehört haben...<br />
Freundliche Mitarbeiter, Kinder und<br />
Jugendliche der Stiftung begrüßen<br />
uns und führen durch Haus und<br />
Garten. Die beiden Hauptgebäude<br />
der Nesin-Stiftung beherbergen die<br />
Kinderzimmer, Speise- und Aufenthaltsräume,<br />
eine Bibliothek, das Archiv<br />
und den erst kürzlich fertiggestellten<br />
Theatersaal. Hier sollen in<br />
Zukunft Theaterstücke aufgeführt<br />
werden, Lesungen, Konzerte oder<br />
Zirkusspiele stattfinden. Ein junger<br />
Bewohner erzählt voller Stolz, dass<br />
es nun endlich gelungen sei, den<br />
Raum trocken zu legen; bald werde<br />
der Saal offiziell eröffnet. Weiter geht<br />
es durch Aufenthaltsräume und den<br />
Speisesaal der Kinder. Von der Terrasse<br />
des Gebäudes eröffnet sich ein<br />
weiter Blick über den Garten, die<br />
Nebengebäude, Werkstätten, Ställe<br />
und umliegende Hügel. Ein lauer<br />
Wind weht, es ist still und wir genießen<br />
den Blick in die Natur. Im<br />
Haus begegnet uns der Gründer der<br />
Stiftung - Aziz Nesin - in jeder Ecke<br />
des Gebäudes. Fast überall hängen<br />
Plakate, Gemälde, Fotos, Zeichnungen<br />
des Schriftstellers, in einem improvisierten<br />
Museum werden seine<br />
Bücher und Andenken aufbewahrt.<br />
„Hier hat sich einer ein Denkmal<br />
errichtet!“ - die Ansammlung von<br />
„Nesin-Reliquien“ wirkt auf den ersten<br />
Blick befremdlich. Warum dieser<br />
Personenkult um einen, der als<br />
„Atheist und Kommunist“ bezeichnet<br />
wurde? Auch andere Fragen werden<br />
gestellt: Warum nimmt die Stiftung<br />
nicht noch mehr Kinder auf?<br />
Das Elend der Straßenkinder Istanbuls<br />
ist groß, hier wäre noch Platz<br />
und der Swimmingpool im Garten<br />
wäre doch nun wirklich nicht nötig<br />
gewesen … Die Suche nach Ungereimtheiten<br />
beginnt.<br />
10 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Bildung International<br />
Aziz Nesin: Dichter,<br />
Demokrat und Satiriker<br />
Aziz Nesin (1915 in Istanbul geboren)<br />
war als Schriftsteller (Geschichten,<br />
Romane, Hörspiele, Reiseerzählungen,<br />
Gedichte) und Satiriker<br />
wohl der produktivste und populärste<br />
Autor der Türkei. Bisher sind 138<br />
Bücher von ihm veröffentlicht worden,<br />
seine Werke wurden in mehr als<br />
30 Sprachen übersetzt. 20 Bücher<br />
erschienen auch in Deutsch. Er erhielt<br />
zahlreiche Auszeichnungen (u.a.<br />
1994 die Carl-von Ossietzky Medaille).<br />
Berühmt wurde er vor allem<br />
durch seine bissigen politischen Satiren.<br />
In seinem Heimatland machte<br />
er sich damit nicht nur Freunde.<br />
Mit zwei Attentaten und über 200<br />
Prozessen wurde versucht, ihn zum<br />
Schweigen zu bringen. Als 1993 in<br />
der Kleinstadt Sivas während eines<br />
Kulturkongresses Fundamentalisten<br />
das Tagungshotel anzündeten und 37<br />
Künstler umkamen, konnte er dem<br />
Attentat knapp entkommen. Im<br />
August 1994 hatte ihm der oberste<br />
Staatsanwalt der Türkei die Todesstrafe<br />
angedroht. Heute genießt sein<br />
Werk internationales Ansehen. Seit<br />
November 2000 ist die deutsch-türkische<br />
Europaschule in Berlin nach<br />
Aziz Nesin benannt. Nesin starb vor<br />
7 Jahren und wurde im Garten seiner<br />
Stiftung begraben.<br />
1972 erfüllte sich Nesin einen lang<br />
gehegten Traum und legte den<br />
Grundstein seines „Kinderparadieses“.<br />
Das Gelände gleicht inzwischen<br />
einem kleinen Dorf mit einem großen<br />
Garten. Fast zehn Jahre hatte der<br />
Aufbau gedauert, bis Anfang der<br />
80er Jahre die ersten Kinder aufgenommen<br />
wurden. Bis zu seinem Tod<br />
lebte Aziz Nesin „als Oberhaupt einer<br />
großen Familie“ mit den Kindern<br />
in der von ihm gegründeten Stiftung.<br />
Heute leben 36 Kinder hier. Manche<br />
sind Waisen oder Halbwaisen,<br />
andere stammen aus Familien, die<br />
nicht in der Lage sind, für ihre Kinder<br />
zu sorgen. Die Kinder kommen<br />
aus allen Provinzen der Türkei und<br />
haben sehr unterschiedliche Lebenswege<br />
hinter sich. In der Nesin Stiftung<br />
finden die Kinder ein neues<br />
Zuhause, besuchen die staatliche<br />
Schule des Nachbarortes und können<br />
in der Einrichtung bleiben, bis<br />
sie ihre Ausbildung beendet haben.<br />
Aziz Nesin ist sicher kein großer pädagogischer<br />
Neuerer - dennoch muss<br />
die Philosophie seiner Stiftung - im<br />
Vergleich zur familiären und staatlichen<br />
Erziehung der Türkei - als revolutionär<br />
bezeichnet werden:<br />
„Unsere Erziehungsprinzipien weichen<br />
erheblich von den sonst üblichen<br />
ab. Bei uns gibt es keine Prügelstrafe,<br />
kein Anschreien, überhaupt<br />
keine Strafen. Nicht immer können<br />
wir nach unseren Prinzipien leben,<br />
aber - und das ist das Interessanteste<br />
- wir haben kein Programm. Das Programm<br />
muss jeder für sich machen,<br />
anstatt es vorgesetzt zu bekommen.<br />
Ein Programm, das ein Mensch für<br />
sich macht, ist stimmiger und anspruchsvoller<br />
als das, was andere ihm<br />
vorsetzen.<br />
Wann es ins Bett geht, bestimmt jedes<br />
Kind selbst - die ganz Kleinen<br />
ausgenommen. Nach dem Grundschulalter<br />
entscheidet jedes Kind<br />
auch selbst, welches Buch es lesen<br />
will, ebenfalls, wie lange und wo dies<br />
geschehen soll. Wir beraten die Kinder<br />
nur, wenn wir gefragt werden.<br />
Bei uns dürfen die Kinder ruhig vorlaut<br />
sein - das ist das Recht, das ihnen<br />
kein anderes pädagogisches Programm<br />
einräumt. Die Kinder haben<br />
das Recht, vorlaut zu sein, und dieses<br />
Recht sollten sie öfter in Anspruch<br />
nehmen. Kinder, die heute<br />
frech sein dürfen, werden mit Sicherheit<br />
als Erwachsene keinen Nachholbedarf<br />
haben. Solche Kinder werden<br />
mit Sicherheit als Erwachsene ihren<br />
Mund auftun; daran arbeiten wir! In<br />
der Türkei ist die Verwirklichung<br />
solcher Prinzipien kaum möglich.<br />
Dennoch, das ist es, woran wir arbeiten.<br />
Ich kann nicht behaupten,<br />
dass wir unser Ziel erreicht hätten,<br />
Zu den Bildern rechts:<br />
• Azis Nesins umfangreiche Sammlung<br />
von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern.<br />
Leider fehlen der Stiftung bis<br />
heute die Mittel diese Sammlung zu<br />
archivieren.<br />
• Emine (19) eine Bewohnerin der Stiftung,<br />
beantwortet selbstbewusst die Fragen<br />
der Besucher.<br />
• Gesprächsrunde mit Kindern in „Opa<br />
Aziz“ Garten.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
11
Schwerpunkt<br />
aber jeden Tag kommen wir einen<br />
kleinen Schritt voran.“ (Aziz Nesin<br />
kurz vor seinem Tod in einem Interview<br />
im Deutschlandradio).<br />
Wir treffen uns mit einer Mitarbeiterin<br />
und Bewohnern der Stiftung<br />
im Garten und stellen Fragen. Arbeitet<br />
die Stiftung mit ausgebildeten<br />
Fachkräften? Nein, die Stiftung muss<br />
weitgehend auf ausgebildetes Fachpersonal<br />
verzichten - die Pädagogen<br />
türkischer Universitäten könnten der<br />
Stiftung sowieso nicht weiterhelfen.<br />
Im Bedarfsfall wende man sich an<br />
Psychologen und andere externe<br />
Fachkräfte. Außerdem habe man<br />
nicht das Geld, solche Leute zu bezahlen.<br />
Wie funktioniert die Selbstverwaltung<br />
und welche Rolle spielt Ali Nezin,<br />
der Sohn Aziz Nesins und jetzige<br />
Leiter der Stiftung? Alles wird mit<br />
den Kindern der Stiftung diskutiert<br />
und abgestimmt - wenn die Kleinen<br />
bereits im Bett liegen und schlafen,<br />
treffen sich die älteren Kinder, um<br />
mit Ali wichtige Entscheidungen zu<br />
diskutieren. Demokratie ist anstrengend<br />
und braucht Zeit … gerade in<br />
einem vom Militär dominierten<br />
Land wie der Türkei!<br />
Vieles - gerade das nicht vorhandene<br />
und doch bestehende pädagogische<br />
Programm - erinnert stark an<br />
die inzwischen zur pädagogischen<br />
Legende gewordene Schule A.S.<br />
Neills in Summerhill / England. Hier<br />
wie dort bestimmt der Glaube an das<br />
Gute im Menschen die Pädagogik.<br />
Aus diesem pädagogischen Positivismus<br />
resultiert die Selbstverantwortung<br />
der Kinder und die Selbstverwaltung<br />
der Einrichtung. In beiden<br />
Fällen gründete und leitete eine charismatische<br />
Vaterfigur die Schule,<br />
und in beiden lebt die Schule im<br />
Geiste ihrer Gründer weiter. In beiden<br />
Einrichtungen werden die<br />
Gründer in ähnlicher Weise von den<br />
Schülerinnen und Schülern verehrt:<br />
In Summerhill tragen die Schülerinnen<br />
A.S. Neil T-Shirts, in Catalca<br />
gründete man gar ein Museum zu<br />
Ehren Nesins. In beiden Schulen<br />
übernahmen Kindern der Gründer<br />
(in Summerhill Neills Tochter Zoe,<br />
in der Türkei Aziz Nesins Sohn Ali)<br />
die Leitung der Einrichtungen,<br />
nachdem ihre Väter starben. Beide<br />
Einrichtungen leben auch heute<br />
noch vom Idealismus und dem Engagement<br />
einzelner. Vieles mag pädagogisch<br />
naiv erscheinen, in den Beschreibungen<br />
der Mitarbeiter und<br />
Kinder finden sich haufenweise Widersprüche<br />
und pädagogische Ungereimtheiten.<br />
Das Verrückte: es funktioniert<br />
- trotzdem! Vielleicht ist es<br />
gerade die pädagogische Naivität und<br />
der damit verbundene Enthusiasmus,<br />
der fasziniert und von einer<br />
besseren Welt und glücklichen Kindern<br />
träumen lässt. Wir jedenfalls<br />
trafen in der Stiftung aufgeweckte,<br />
fröhliche Kinder, junge Erwachsene,<br />
die Theaterstücke schreiben, Bilder<br />
malen, kreativ sind, sensibel reagieren,<br />
freundlich und geduldig unsere<br />
Fragen beantworteten, nachdenklich<br />
waren und aus ganzem Herzen lachten!<br />
Offensichtlich ist, dass in beiden Einrichtungen<br />
(Summerhill und der<br />
Nesin-Stiftung) der Geist und die<br />
Ausstrahlung der Gründerväter das<br />
Gerüst der pädagogischen Arbeit bildet.<br />
Bezeichnend dafür ist, dass sich<br />
Aziz Nesin im Garten seiner Stiftung<br />
begraben ließ und nicht auf einem<br />
Friedhof. In der Stiftung lebt sein<br />
Geist weiter. Die Stiftung braucht<br />
auch heute noch Aziz Nesin, die Kinder<br />
brauchen „Opa Aziz“. Er ist immer<br />
noch allgegenwärtig, auch wenn<br />
er bereits tot ist!<br />
Informationen zur Nesin Stiftung<br />
Anschrift der Nesin Stiftung:<br />
Nesin Vakfi / Ali Nesin<br />
PK 5, Catalca / Istanbul - Türkei<br />
Die Nesin Stiftung wird unterstützt<br />
und gefördert durch den Verein:<br />
FöNeS<br />
Prof. Dr. Klaus Liebe-Harkort<br />
Lühninghausestr 38<br />
D 28865 Lilienthal<br />
Fax: 04792/4495<br />
eMail: KLL-H@t-online.de<br />
homepage: www.foenes.unibremen.de<br />
Der Verein bietet vielfältige Informationen<br />
zu Stiftung und zur Arbeit<br />
Aziz Nesins an.<br />
Aziz Nesin hat seine pädagogischen<br />
Prinzipien in seinem Werk „Korkudan<br />
Korkmak“ (Die Angst vor der Angst)<br />
verfasst. Hier einige Auszüge aus der<br />
40seitigen Abhandlung:<br />
* Ich will, dass meine Kinder in der<br />
Stiftung entsprechend ihren Fähigkeiten<br />
zu konstruktiven und schöpferischen<br />
Menschen erzogen werden.<br />
* Ich will, dass meine Kinder in der<br />
Stiftung mit einem kritischen Blick auf<br />
die Welt, die Menschen und die Ereignisse<br />
schauen.<br />
* Ich will, dass meine Kinder in der<br />
Stiftung ohne Strafen aufwachsen. Es<br />
gibt in der Nesin-Stiftung keine Verbote.<br />
Von allen Ländern der Welt gibt<br />
es in der Türkei die meisten Verbote,<br />
und sie ist gleichzeitig das Land, in dem<br />
Verbote am häufigsten missachtet werden.<br />
Je mehr Verbote es gibt, um so öfter<br />
werden sie übertreten. Ich wünsche,<br />
dass in der Nesin-Stiftung weder Verbote<br />
aufgestellt noch angewendet werden,<br />
solange ich lebe und nach meinem<br />
Tod.<br />
* Die Kinder müssen das Recht haben,<br />
verwöhnt zu werden. Die kleinen Kinder<br />
sollen ausreichend in der Nesin-Stiftung<br />
verwöhnt werden. Die Kinder<br />
aber, die nach diesem Alter in die Stiftung<br />
kommen, sollen in einer Form,<br />
die den Mangel in der Verwöhnungszeit<br />
zudeckt, Liebe, Zärtlichkeit und<br />
Vertrauen erfahren.<br />
* Die Kinder der Stiftung sollen lernen,<br />
was es heißt, in der Schuld der<br />
Gesellschaft zu stehen.<br />
* Ich möchte, dass meine Kinder in der<br />
Stiftung Liebe zu sich selbst empfinden<br />
können, dass sie in dieser Liebe und in<br />
Selbstachtung heranwachsen.<br />
* Ich möchte, dass meine Kinder in der<br />
Stiftung von der neurotischen Angst<br />
befreit werden und ein Leben weit entfernt<br />
davon führen.<br />
* Ich wünsche mir, dass meine Kinder<br />
der Stiftung, wenn sie einmal im Leben<br />
stehen, eine Arbeit verrichten werden,<br />
die sie lieben.<br />
* Ich bemühe mich darum, dass meine<br />
Kinder der Stiftung im Denken und<br />
Verhalten eigenständig werden.<br />
* Ich will, dass meine Kinder in der<br />
Stiftung eine reiche Phantasie entwikkeln<br />
und große Visionen haben.<br />
* Es gibt eine sehr schlichte Wahrheit,<br />
die ich meine Kinder lehren will: Das<br />
Leben ist ein Kampf. Arme haben nur<br />
eine Verteidigungswaffe und nur ein<br />
Mittel zum Erfolg: arbeiten. Uns rettet<br />
allein das Arbeiten.<br />
(aus: InFöNes, FöNeS-Mitteilungen,<br />
Nr. 1, 6/1998, S. 11, Bremen)<br />
12 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Bildung International<br />
„Woher kommt euer Wasser?“<br />
Dr. Udo J. Gedig berichtet über Projekte mit indonesischen Grundschulen<br />
Der Unterricht<br />
an indonesischen<br />
Grundschulen ist<br />
lehrerzentriert<br />
und methodenarm.<br />
Foto: Gedig<br />
Nach zahlreichen Aufenthalten in<br />
Indonesien durch Partnerschaftskontakte<br />
zwischen der Evangelischen<br />
Kirche in Hessen und Nassau<br />
und der Ev. Kirche in Nord-<br />
Sulawesi führt unser <strong>GEW</strong>-Kollege<br />
Udo Gedig von der Grundschule<br />
Bingen-Kempten (Drei-Königs-<br />
Schule) gemeinsame Projekte mit<br />
indonesischen Grundschulen in<br />
abgelegenen Gegenden dieses Landes<br />
durch.<br />
Einen Eindruck von Schulen in Indonesien<br />
zu vermitteln, scheint müßig,<br />
denn dieser Inselstaat erstreckt<br />
sich über eine Fläche, die größer als<br />
Europa ist, mit sehr unterschiedlichen<br />
Kulturen, Ethnien und einer<br />
Vielzahl von Regionalsprachen.<br />
Zwar habe ich auch Schulen in Java<br />
und Bali besucht, doch den unmittelbarsten<br />
Eindruck bekam ich<br />
durch die Partnerschaft mit der<br />
Grundschule in Baturirir auf der Insel<br />
Lembeh gegenüber der Hafenstadt<br />
Bitung und der Grundschule<br />
in Lirung im Archipel Talaud an der<br />
philippinischen Grenze. Politisch<br />
gehören diese Orte zur Provinz<br />
Nord-Sulawesi. Im Gegensatz zu<br />
Gesamtindonesien, dem größten islamischen<br />
Staat der Erde, leben hier<br />
mehrheitlich Christen. In den peripheren<br />
Bereichen Nord-Sulawesis<br />
leben vornehmlich Ethnien aus Polynesien,<br />
während im Stammland<br />
Völker der Minahasa dominieren.<br />
Die Schulen hier wurden stark von<br />
der holländischen Kolonialmacht<br />
beeinflusst und stehen heute noch<br />
weitgehend unter der Trägerschaft<br />
christlicher Kirchen. Allerdings gibt<br />
es in Nord-Sulawesi auch eine bedeutende<br />
Minderheit von Muslimen,<br />
sei es aus Süd-Sulawesi über<br />
die Handelsbeziehungen zugezogen<br />
oder durch das Transmigrasi-Programm<br />
aus dem überbevölkerten<br />
Java hierher umgesiedelt. Zwar ist<br />
Nord-Sulawesi bisher von religiös<br />
motivierten Ausschreitungen weitgehend<br />
verschont geblieben, doch die<br />
blutigen Konflikte aus den benachbarten<br />
Molukken strahlen auch hierher.<br />
Christliche Flüchtlinge wurden<br />
im Norden aufgenommen, muslimische<br />
im islamisch dominierten Süden<br />
dieser Insel.<br />
Bis zur Unabhängigkeit Indonesiens<br />
gab es kein allgemeines Erziehungssystem.<br />
Die Kolonialmacht bildete<br />
nur Fachkräfte für die Verwaltung<br />
aus. Der Zentralstaat Indonesien<br />
führte 1945 nach der Unabhängigkeit<br />
die allgemeine Schulpflicht ein<br />
und baute ein Netz von Grundschulen<br />
bis in die entlegensten Dörfer.<br />
Alle Kinder erlernen in der 6-jährigen<br />
Grundschule Bahasa Indonesia,<br />
die allgemeine Hochsprache, so dass<br />
sich alle Menschen in diesem ausgedehnten<br />
Inselreich mit den vielen<br />
unterschiedlichen Regionalsprachen<br />
verständigen können. Aber auch in<br />
die Alltagssprache der einzelnen Regionen<br />
ist heute die Bahasa Indonesia<br />
eingedrungen. Das indonesische<br />
Schulsystem ist zentralisiert. Es gibt<br />
ein landesweites Curriculum und,<br />
soweit vorhanden, einheitliche<br />
Schulbücher. Dies hat zur Folge,<br />
dass kulturelle Unterschiede kaum<br />
berücksichtigt werden können. Besonders<br />
die ländlichen Grundschulen<br />
in peripheren Gebieten sind unzulänglich<br />
ausgestattet, und die<br />
Lehrkräfte werden schlecht bezahlt.<br />
Nach der Ablösung Suhartos besteht<br />
die Tendenz, den einzelnen Provinzen<br />
mehr Einfluss einzuräumen, so<br />
dass regionale Besonderheiten auch<br />
im Unterricht berücksichtigt werden<br />
können. Das Schulwesen in Nord-<br />
Sulawesi, wie im Gesamtstaat, ist<br />
kollektivistisch orientiert, die Gruppe<br />
ist dominierend, das Individuum<br />
ordnet sich unter. Schulen sind wie<br />
die Gesamtgesellschaft hierarchisch<br />
aufgebaut. Eigeninitiative ist in der<br />
Schule wenig gefragt. Das Bildungssystem<br />
zeichnet sich durch das Erziehungsziel<br />
‚Toleranz‘ aus, notwendige<br />
Voraussetzung für die Einheit<br />
dieses Staates. Die ‚Pancasila‘, die<br />
fünf Grundprinzipien der Republik<br />
Indonesien, bildet ein eigenes Schulfach.<br />
Diese Prinzipien sind: der<br />
Glaube an den Einen Gott, das Postulat<br />
zur Bildung des gerechten und<br />
zivilisierten Menschen, die Einheit<br />
Indonesiens, Demokratie und soziale<br />
Gerechtigkeit.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
13
Schwerpunkt<br />
Erste Begegnungen indonesischer<br />
Schulen<br />
Der aktuelle Unterricht ist lehrerzentriert<br />
und methodenarm. Meist wird<br />
auswendig gelernt. Unterrichtsmaterial<br />
gibt es kaum. In unseren Partnerschulen<br />
haben die Kinder wenigstens<br />
Stifte, Papier und ältere Schulbücher.<br />
In der ersten Unterrichtsstunde, die<br />
ich vor sieben Jahren miterlebte, ging<br />
es um die christlichen 10 Gebote. Die<br />
Gebote wurden in Schlüsselwörtern<br />
zusammengefasst, nur eins, wohl besonders<br />
wichtig, stand ausführlich an<br />
der Tafel: ‚Du sollst nicht die Ehe brechen!‘<br />
- und es folgte für die SchülerInnen<br />
folgende Belehrung: ‚Du sollst<br />
keinen Sex vor der Ehe haben!‘ - Jahre<br />
später erfuhr ich von der Situation<br />
nichtehelicher Kinder, unverheirateter<br />
Mütter und illegaler Abtreibungen<br />
- eine unbeantwortete Herausforderung<br />
dieser Gesellschaft! - An der<br />
Tafel in der Grundschule in Baturirir<br />
waren noch am Beginn der großen<br />
Ferien die Sätze zu lesen: ‚Du sollst<br />
nicht stehlen!‘ und ‚Du sollst höflich<br />
sein!‘ Auf Nachfrage erklärte mir der<br />
Schulleiter, dass er den Kindern wichtige<br />
Regeln in die Ferien mitgebe. Vor<br />
sieben Jahren meinte eine Kollegin<br />
anlässlich eines Gesprächs in Bitung:<br />
„Wir brauchen Unterrichtsmaterial,<br />
dann können wir auch besseren Unterricht<br />
geben!“ Damals antwortete<br />
ich flapsig: „Sie haben doch alles für<br />
den Unterricht: prächtige Pflanzen<br />
und Steine vor der Tür und vor allen<br />
Dingen - Kinder!“ Die Kollegin darauf:<br />
„Mit Steinen kann ich keinen<br />
Unterricht halten!“ Daraus entstanden<br />
meine Lehrerseminare mit alltäglichen<br />
Gegenständen wie Steinen,<br />
Früchten und Pflanzen. Ziel war es,<br />
mit den KollegInnen ins Gespräch zu<br />
kommen und Unterrichtsmethoden<br />
zu ‚Lernen mit allen Sinnen‘ gemeinsam<br />
auszuprobieren. Mit der ungewohnten<br />
Sitzordnung im Kreis und<br />
dem ‚Erzählstein‘ folgten dann Versuche<br />
in einer Oberschule in Manado.<br />
Die Seminare wurden zwar in<br />
Englisch gehalten - alle Lehrkräfte<br />
beherrschen offiziell eine Fremdsprache,<br />
meist Englisch - , trotzdem musste<br />
übersetzt werden. Mit diesen ersten<br />
Versuchen erreichte ich allerdings<br />
nur eine städtische Mittelschicht, außerdem<br />
erlebte ich nur die ‚Vorderbühne‘<br />
von Unterricht und die ‚Vorderseite‘<br />
im täglichen Leben - ich<br />
wohnte damals im Gästehaus der Ev.<br />
Kirche.<br />
Yayasan Oikumene (Ökumenischer<br />
Verein)<br />
Aus meinen Erfahrungen heraus -<br />
mangelhafte Ausstattung der Schulen,<br />
fehlendes Schulgeld, besonders aber<br />
kaum Perspektiven auf Ausbildungsund<br />
Arbeitsplätze für Jugendliche -<br />
gründete ich dann vor 4 Jahren zusammen<br />
mit einem indonesischen<br />
Freund in Tomohon, Nord-Sulawesi,<br />
die Yayasan Oikumene SULUT -<br />
Agama-Agama - Budaya - Ekonomi<br />
(Eingetragener ökumenischer Verein<br />
Nord-Sulawesi - für verschiedene Religionen,<br />
Kultur und Ökologie) und<br />
für unsere gemeinsamen Projekte die<br />
Koperasi Serba Usaha Mangunai (Kooperative<br />
für verschiedene Unterstützungsprojekte).<br />
Damit entstanden<br />
eine Reifenreparaturwerkstatt, eine<br />
Transportkooperative mit Minibus<br />
und Kleintransporter und ein kleiner<br />
Krämerladen, in denen auch Jugendliche<br />
- Mädchen und Jungen, Christen<br />
und Muslime - ausgebildet werden.<br />
Um in indonesischen Familien<br />
auf dem Dorf zu leben und ohne Dolmetscher<br />
in die Schulen gehen zu<br />
können, aber auch um selber zu unterrichten,<br />
lernte ich Bahasa Indonesia.<br />
In entlegenen Dörfern kam ich<br />
durch meinen Freund mit ‚besonderen‘<br />
Menschen in Kontakt, mit den<br />
Tonaas. Diese Menschen verstehen<br />
sich auf traditionelle Heilmethoden,<br />
verfügen über traditionelles Wissen<br />
und können in ihrem Selbstverständnis<br />
mit den Ahnen in Kontakt treten.<br />
Meist sind es sehr arme Menschen,<br />
die anderen unentgeltlich helfen.<br />
Ihre Kinder gehen nicht regelmäßig<br />
in die Schule, weil das Schulgeld<br />
fehlt (ein paar Euro im Monat)<br />
und die Kinder auf dem Feld oder<br />
beim Fischfang helfen müssen. Aus<br />
diesen Begegnungen heraus entstand<br />
unser Fonds zur Unterstützung von<br />
Schulkindern.<br />
„Unser Wasser kommt aus dem<br />
Hahn - und woher kommt euer<br />
Wasser?“<br />
Vor zwei Jahren wurde mein alter<br />
Kontakt zur Grundschule in Baturirir<br />
auf der Insel Lembeh wiederbelebt.<br />
Ich brachte bei einem Besuch die Vorstellungsbriefe<br />
einer 3. Klasse der<br />
Grundschule in Bingen-Kempten mit<br />
und deren Frage: „Unser Wasser<br />
kommt aus dem Hahn - und woher<br />
kommt euer Wasser?“ Mit der Pfarrerin<br />
und dem Lehrerkollegium des<br />
Dorfes bereiteten wir den Austausch<br />
sorgfältig vor. Bilder, Briefe und kleine<br />
Geschenke wurden mit Luftpost<br />
geschickt, doch die meisten Informationen<br />
wurden mit E-Mails über die<br />
Yayasan Oikumene ausgetauscht. Die<br />
Kinder beider Schulen beschrieben,<br />
wie sie täglich mit Wasser umgehen.<br />
Unsere Kinder waren überrascht, wie<br />
das Wasser erst aus dem Brunnen geschöpft<br />
werden muss, um es anschließend<br />
abzukochen. Die Kinder in Baturirir<br />
können unsere Wasserversorgung<br />
nicht verstehen, denn ein Junge<br />
schrieb: „Ihr in Kempten müsst ja<br />
froh sein, dass ihr so viele Wasserstellen<br />
entlang der Straße habt.“ Für die<br />
indonesischen Kinder war es nicht<br />
nachzuvollziehen, als unsere Kinder<br />
schrieben und mit Bildern zeigten,<br />
wie Trinkwasser im Garten und zum<br />
Spülen der Toilette benutzt wird.<br />
Auch über den Schulalltag wurde berichtet<br />
und über das Leben in der Familie,<br />
auf dem Feld und beim Fischfang.<br />
Das Material vom gegenseitigen<br />
Lernen wurde in einem Bericht für<br />
den Wettbewerb ‚Wasser kennt keine<br />
Grenzen‘ zusammengestellt. Das<br />
Preisgeld des Wettbewerbs floss in<br />
unseren Schulfonds. Seither tragen<br />
wir das Schulgeld für arme Familien<br />
in diesem Dorf und unterstützen die<br />
Schule mit Unterrichtsmaterial. Ein<br />
Fest mit den Kindern des Dorfes und<br />
ein gemeinsames Mahl mit Fisch und<br />
Sago umrahmte die Übergabe des Berichts,<br />
der Übersetzung ins Indonesische<br />
und die aus dem Projekt entstandenen<br />
Unterrichtsmaterialien<br />
zum Thema „Trinkwasser“. Und der<br />
Austausch von Briefen geht weiter!<br />
Neben den Informationen über eine<br />
andere Kultur am Beispiel „Trinkwasser“,<br />
gab es aber auch grundlegende<br />
Lernerfahrungen in neuen Sprachbildern<br />
und im Verständnis von Kindheit:<br />
Die Kinder in beiden Schulen schrieben<br />
ihre Briefe in der jeweiligen Muttersprache.<br />
Am Ende wurden Schlüsselwörter<br />
zum Verständnis des Textes<br />
aufgelistet, gefolgt von der Übersetzung<br />
in Englisch. Daraus ergaben sich<br />
notwendige Erklärungen, Sprachbilder<br />
den jeweils anderen zu erläutern:<br />
Unsere Kinder schrieben über ihre<br />
Hör- und Seherfahrungen mit der<br />
‚Quelle‘ und fertigten Zeichnungen<br />
und Fotos. Die Kinder aus Baturirir<br />
schrieben über die Wörter „air bersih“<br />
- sauberes Wasser, aus dem abgekocht<br />
Trinkwasser wird - „air minum“<br />
-. „Quelle“ heißt „mata air“<br />
(„Auge Wasser“, das Auge des Wassers),<br />
die Tränen hingegen air mata<br />
14 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
(das Wasser des Auges). Aber auch das<br />
bekannte Wort ‚Orang-Utan‘ stieß<br />
bei den Binger Schülern auf großes<br />
Interesse: orang - Mensch; utan oder<br />
hutan - Wald, also der Mensch des<br />
Waldes. Welch ein anderes Sprachkonzept<br />
als in unserer Sprache, wo<br />
der Orang-Utan ein Tier ist.<br />
Das Dorf Baturirir besitzt keine Poststelle<br />
und bekommt auch keine Briefe.<br />
Es gibt keine Postverbindung, und<br />
wer sollte auch schon schreiben? Und<br />
nun bekamen gerade Kinder bunte<br />
Luftpostumschläge aus Deutschland<br />
mit bunten Briefmarken darauf.<br />
Selbst mit einer indonesischen Übersetzung<br />
versehen waren es Briefe, die<br />
manche Eltern nicht lesen konnten,<br />
denn sie waren, wenn überhaupt, nur<br />
kurz in die Schule gegangen. Kinder<br />
sind in diesen abgelegenen Gegenden<br />
dann erst vollwertige Mitglieder der<br />
Familie, sobald sie zum Lebensunterhalt<br />
beitragen können. Und gerade<br />
diese kleinen Kinder bekamen Briefe<br />
und Fotos und konnten sie ihren<br />
Eltern vorlesen!<br />
Wie geht dieser Austausch weiter?<br />
Das Wasserprojekt war auf zwei Jahre<br />
angelegt, zumal unsere Schüler<br />
schon nach der 4. Klasse die Grundschule<br />
verlassen. Mit meiner neuen<br />
Klasse wird der Kontakt fortgesetzt.<br />
Um aber die Trinkwasserversorgung<br />
zu verbessern, planen wir nun mit<br />
Hilfe des Dekanats Ingelheim, einen<br />
tiefen Brunnen im Dorf zu bauen.<br />
Kinder brauchen dann nicht mehr<br />
Wasser aus entlegenen Quellen im<br />
Wald zu holen, und mit unserer finanziellen<br />
Unterstützung werden sie<br />
regelmäßiger die Schule besuchen<br />
können.<br />
„Bäume des Lebens: Die Kokospalme<br />
im Archipel Talaud und<br />
der Auwald in Bingen“<br />
Bingen hätten. Für diesen peripheren<br />
Teil Indonesiens ist die Kokospalme<br />
von zentraler Bedeutung. Die Palme<br />
liefert alles zum Leben: Öl zum Braten<br />
und als Leuchtmittel für Lampen,<br />
Kopra für den Handel, das Holz der<br />
Palme zum Bau der Häuser, Kokosschalen<br />
als Gefäße und als Brennmaterial<br />
zum Kochen, Kokosbast für<br />
Seile und Kokosblätter zum Decken<br />
der Dächer. Aus dieser Schule nahm<br />
ich neben Fotos auch Kinderzeichnungen<br />
von Palmen mit. Unsere Antwort<br />
aus Kempten zu unserem ‚Baum<br />
des Lebens‘ war der Hinweis auf die<br />
Bedeutung des Auwaldes. Dieser Auwald,<br />
wie eben die Kokospalme, ist<br />
so alltäglich, so selbstverständlich,<br />
und doch wichtiger Teil im Ökosystem<br />
und bedeutend für die Flusslandschaft<br />
am Rhein.<br />
In unserem neuen Unterrichtsprojekt<br />
werden also die Kinder beider Schulen<br />
ihre ‚Bäume des Lebens‘ dokumentieren<br />
und ihr Wissen darüber<br />
sich gegenseitig mitteilen. Dabei werden<br />
die Erfahrungen wieder in die alltäglichen<br />
Lebensbezüge in Familie,<br />
Schule und Freizeit eingebettet sein.<br />
Erhebliche Schwierigkeiten bereitet<br />
die Kommunikationsverbindung.<br />
Von Lirung lassen sich nur Telefongespräche<br />
aus einem öffentlichen Laden<br />
in die Provinzhauptstadt Manado<br />
führen, Briefe werden Marktleuten<br />
mitgegeben, doch die Schiffsreise<br />
zur Hauptinsel Sulawesi dauert<br />
zwei Tage. Auch in Talaud unterstützen<br />
wir Kinder mit Schulgeld. Diese<br />
Kinder stammen meist aus Tonaas-<br />
Familien und werden vom jeweiligen<br />
Dorf ausgewählt.<br />
Ausblick<br />
Unser Ziel ist es, mit der Vernetzung<br />
unserer Unterstützungsprojekte und<br />
mit dem Informationsaustausch zwischen<br />
Grundschulen zum besseren<br />
Verständnis von Menschen aus unterschiedlichen<br />
Kulturen beizutragen.<br />
Angesichts von Fremdenfeindlichkeit<br />
in unserem Land und der ‚Festung<br />
Europa‘ und den religiös motivierten<br />
blutigen Auseinandersetzungen in Indonesien<br />
ein notwendiger Beitrag<br />
zum multikulturellen Verstehen!<br />
Langfristig geht es uns in Nord-Sulawesi<br />
darum, ökologische Fragen -<br />
etwa traditionelles Wissen der Tonaas<br />
und Gewinnung regenerativer Energie<br />
aus Palmöl - , ökonomische -<br />
wie Schaffung von Ausbildungs- und<br />
Arbeitsplätzen - mit Ansätzen im Bildungssystem<br />
- traditionelle Inhalte<br />
vor Ort - zu verbinden. Auch die Interessenvertretungen<br />
von Kollegen<br />
beider Länder sind zu erörtern. So<br />
wird uns die gemeinsame Arbeit sicherlich<br />
nicht ausgehen!<br />
(Anfragen für eine mögliche Zusammenarbeit<br />
an: Dr. Udo J. Gedig,<br />
Magdeburger Str. 70, D-55218 Ingelheim,<br />
Tel. & Fax: 06132-8607, E-<br />
Mail: udojgedig@web.de)<br />
Bildung International<br />
Unser Wasserprojekt mit Baturirir<br />
sprach sich in Nord-Sulawesi herum.<br />
Viele Bewohner der Insel Lembeh<br />
stammen ursprünglich aus dem Archipel<br />
Sangihe-Talaud, und so bekam<br />
unsere Yayasan Oikumene eine Anfrage<br />
aus Talaud nach Unterstützung<br />
bei der Bekämpfung der Sexawa, einer<br />
Heuschreckenart, die Palmen<br />
kahl frisst. (Seit einem Jahr unterstützen<br />
wir die Anlage eines Versuchsfeldes,<br />
auf dem mit traditionellen Methoden<br />
die Sexawa bekämpft wird.)<br />
So kam ich von Besuchen aus der<br />
Grundschule des Hauptortes Lirung<br />
in Talaud mit der Frage zurück, welchen<br />
‚Baum des Lebens‘ wir denn in<br />
Kaum Unterrichtsmaterialien vorhanden. Foto: Gedig<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
15
Schwerpunkt<br />
Wie Kinder ihren Lernweg finden<br />
Eindrücke aus dem schwedischen Kindergarten<br />
- Von Bernhard Eibeck -<br />
Alles da, was das<br />
Kinderherz begehrt.<br />
Foto: Seifert<br />
„Gestern Vormittag haben sie ein<br />
Krankenhaus gebaut. Die Katze von<br />
einem Kind hatte sich am Fuß verletzt<br />
und brauchte Hilfe. Am Nachmittag<br />
wollten sie Feuerwehr spielen<br />
und haben das Haus angezündet.“<br />
Jan Andersens Antwort auf die<br />
Frage aus der <strong>GEW</strong>-Gruppe, was die<br />
Kinder den ganzen Tag über so machen,<br />
war ganz einfach.<br />
Acht Journalisten, Erziehungswissenschaftler<br />
und <strong>GEW</strong>-Hauptvorständler<br />
besuchten im Rahmen einer<br />
fünftägigen Expedition ins<br />
PISA-Wunderland Schweden die<br />
Stockholmer Kindertagesstätte -<br />
oder wie es dort offiziell heißt die<br />
„Pre-School“ - Ekbacken.<br />
Den Kopf voll mit schweren Fragen<br />
nach Konzepten frühkindlicher Pädagogik<br />
und des Lernens stießen sie<br />
immer wieder auf das gleiche Phänomen:<br />
Die Schweden verstanden sie<br />
gar nicht. So auch Jan Andersen, der<br />
Erzieher. Kinder lernen im Leben.<br />
Und da es ihr Leben ist, lernen sie<br />
so, wie es in ihr Leben passt.<br />
Für ihn besteht die Umsetzung des<br />
Pre-School Curriculums, das es in<br />
Schweden als verbindliche Vorgabe<br />
für alle Kindereinrichtungen seit<br />
1998 gibt, nicht aus didaktisch ausgearbeiteten<br />
Lernzielen, die es in einer<br />
bestimmten Zeit zu erreichen<br />
gilt, sondern daraus, Kindern Entwicklungsräume<br />
zu eröffnen, in denen<br />
sie ihre eigenen Lernwege gehen.<br />
Wenn es im Curriculum heißt, dass<br />
Kinder die Fähigkeit entwickeln sollen,<br />
„Mathematik in sinnvollen Zusammenhängen<br />
mit Situationen zu<br />
entdecken und zu benutzen“, dann<br />
bleibt offen, ob und wann sie in welchem<br />
Zahlenraum subtrahieren oder<br />
multiplizieren gelernt haben müssen.<br />
Manche Kinder rechnen schon mit<br />
vier Jahren bis 30, andere können<br />
Zahlenreihen auf Englisch.<br />
Curriculare Konstruktionen<br />
Prof. Dr. Gunnila Dahlberg vom<br />
Stockholmer Lehrerbildungsinstitut,<br />
an dem auch das Personal der Kindertagesstätten,<br />
die „Pre-School<br />
Teacher“, ausgebildet wird, erklärt<br />
den Hintergrund dieser besonderen<br />
Lernphilosophie. Kinder lernen<br />
nicht, weil Erwachsene sie etwas lehren.<br />
Die Lernleistung des Kindes<br />
besteht vielmehr darin, aus der Vielzahl<br />
der Eindrücke, die aus der Umwelt<br />
auf sie einströmen, das herauszufiltern,<br />
was sie für die Konstruktion<br />
ihrer persönlichen Wirklichkeit<br />
brauchen. Lernen ist Konstruktion,<br />
Bildung ist immer Selbstbildung.<br />
Das wusste schon Jean Piaget, dessen<br />
Forschungen aus den 50er Jahren<br />
in letzter Zeit um neue Ergebnisse<br />
aus der Hirnforschung, der<br />
Lern- und der Entwicklungspsychologie<br />
erweitert wurden. Schon ein<br />
Säugling lernt auf diese Weise, dass<br />
er beständig neue Eindrücke macht,<br />
sie mit Bekanntem abgleicht und<br />
seine Welt entdeckend konstruiert.<br />
Den Rahmen dieser Lernwelt bilden<br />
soziale Beziehungen, zunächst zu den<br />
Eltern, später auch zu anderen Kindern.<br />
Im schwedischen Bildungswesen<br />
wird das Verständnis von der kindlichen<br />
Lern-Welt-Konstruktion konsequent<br />
umgesetzt. Zuallererst darin,<br />
dass man Kindern Spielräume<br />
gibt. In Ekbacken hat jede der fünf<br />
Gruppen, bestehend aus 10 bis 16<br />
Kindern, deren drei: einen Raum<br />
fürs grobe Handwerken, einen Raum<br />
fürs feine Malen und Geschichten<br />
lesen und einen Raum fürs Ausruhen,<br />
Kuscheln und Schlafen. Und für<br />
alle noch einen Tobe- und einen Essensraum.<br />
Es ist alles da, was das Kinderherz<br />
begehrt und was Geist und<br />
Sinn brauchen. Aquarium, Terrarium,<br />
Computer, Lego, Bücher, Stifte<br />
und Papier. Nur eines fehlt: Ordnung.<br />
Weil es keinen Stundenplan<br />
gibt mit genauer Zeiteinteilung für<br />
Malen und Basteln, Geschichten lesen<br />
und Burgen bauen, ist immer<br />
alles gleichzeitig in Bewegung. Und<br />
die 16 Erzieherinnen und Erzieher,<br />
die für die insgesamt 69 Kinder da<br />
sind, auch. Das ist das spezielle und<br />
besondere Ordnungssystem, kleine<br />
Gruppen von Kindern und verlässliche<br />
Beziehungen zu den Erwachsenen.<br />
Eine Erzieherin oder ein Erzieher<br />
ist für vier Kinder da. Diese stabile<br />
Beziehung gewährleistet, dass die<br />
Welt der Kinder nicht aus den Fugen<br />
gerät und man Wagnisse eingehen<br />
kann, weil man weiß, dass der<br />
Absturz nicht weh tut. Laufen lernen<br />
geschieht in der Zeit zwischen<br />
dem Aufstehen und dem Hinfallen.<br />
Aber nur dann, wenn jemand da ist,<br />
der einem beim Wiederaufstehen<br />
hilft und einen ermutigt, weiter zu<br />
laufen. So bilden die sozialen Beziehungen<br />
die Ordnung zwischen den<br />
Menschen, die wichtiger ist als die<br />
Ordnung zu den Sachen.<br />
Mut zum Risiko<br />
Das besondere an Ekbacken ist das<br />
große, leicht abschüssige Außengelände.<br />
Der kundige Blick des deutschen<br />
Besuchers sucht eines vergebens:<br />
die Rutschbahn, das Klettergerüst,<br />
die Schaukel. Statt dessen<br />
große Bäume, selbst gezimmerte<br />
Hütten, Steinhaufen zum Klettern<br />
16 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
und eine Unmenge an Brettern und<br />
dem Sperrmüll entzogene Gerätschaften.<br />
Und Werkzeug, aber echtes:<br />
Sägen, Hämmer, Nägel, Messer.<br />
„Ist das alles nicht viel zu gefährlich?“<br />
Bilder von Kindern, die beim Klettern<br />
vom Baum fallen, sich beim<br />
Schnitzen in die Hand schneiden<br />
oder beim Zündeln gleich das ganzen<br />
Haus in Schutt und Asche legen,<br />
drängen sich auf. „Kinder“, so<br />
Jan Andersens Erfahrung, „machen<br />
nichts, was sie sich nicht zutrauen,<br />
wovor sie Angst haben. Sie steigen<br />
nicht auf Bäume, die zu hoch für sie<br />
sind.“ Man darf ihnen aber auch keine<br />
zu großen Aufgaben stellen, ohne<br />
sie darauf vorzubereiten oder ihnen<br />
zu helfen. Bevor ein Kind ein scharfes<br />
Schnitzmesser in die Hand bekommt,<br />
muss es erst lernen, wie man<br />
es handhabt: Immer vom Körper<br />
weg schneiden. Das Vertrauen in die<br />
Kinder ist groß, auch das Vertrauen<br />
in die Beobachtungsgabe und erzieherischen<br />
Fähigkeiten der Erzieherinnen.<br />
Bei den <strong>GEW</strong>-Besuchern<br />
bleibt ein Restrisiko. Muss unbedingt<br />
im Flur eine Kerze brennen?<br />
Nervensache.<br />
System für Eltern<br />
Für schwedische Eltern sind Kindertagesstätten<br />
unverzichtbar. Die Lebenshaltungskosten<br />
sind so hoch,<br />
dass keine Familie von einem Gehalt<br />
leben kann. Da ist es gut, dass es<br />
schon für einjährige Kinder das<br />
Recht auf einen Platz im „daghem“<br />
gibt, selbstverständlich ganztags - in<br />
Ekbacken geht das Angebot von 7.00<br />
Uhr bis 17.30 Uhr. Von allen 1- bis<br />
6jährigen Kindern besuchen 76 Prozent<br />
eine öffentliche oder private<br />
Einrichtung, die im Durchschnitt<br />
eine Öffnungszeit von 31 Stunden<br />
pro Woche hat. Für das erste Kind<br />
bezahlen die Eltern monatlich 3 Prozent<br />
ihres Einkommens, höchstens<br />
1.140 SEK, das sind rund 100 Euro,<br />
für das zweite Kind 2 Prozent, höchstens<br />
55 Euro, für das dritte 1 Prozent,<br />
höchstens 35 Euro. Alle weiteren<br />
Kinder einer Familie können die<br />
Einrichtung gebührenfrei besuchen.<br />
Ab dem Jahr 2003 soll der Besuch<br />
für die vier- und fünfjährigen Kinder<br />
gebührenfrei sein.<br />
Die Eltern sind durch das System der<br />
frühkindlichen Pädagogik keineswegs<br />
aus ihrer Erziehungsverantwortung<br />
entlassen. Eltern werden in persönlichen<br />
Entwicklungsgesprächen<br />
über „Wohlbefinden, Entwicklung<br />
und Lernprozess“ der Kinder informiert,<br />
alle Planungen und Aktivitäten<br />
mit den Eltern abgestimmt. Es<br />
gilt auch in Schweden, dass die Eltern<br />
für die Erziehung und Entwicklung<br />
ihrer Kinder verantwortlich<br />
sind und die Kindertagesstätten „das<br />
Zuhause ergänzen“.<br />
Von der Fürsorge<br />
zur Bildung<br />
Mit dem Erlass des Vorschulcurriculums<br />
im Jahr 1998 ist aus dem „daghem“<br />
die „Pre-School“ geworden, die<br />
Kindererziehung ist aus der Sozialfürsorge<br />
ins Bildungswesen überführt<br />
worden. Den Begriff „Pre<br />
School“ hat man, so erklärt Ann-<br />
Cristine Larssen, die Leiterin der Bildungsabteilung<br />
der schwedischen<br />
Bildungsgewerkschaft Lärarförbundet<br />
nicht aus inhaltlicher Überzeugung,<br />
sondern aus taktischen Gründen<br />
gewählt. Man wollte aus der begrifflichen<br />
Nähe zur Schule Profit<br />
schlagen. Nur so sei es gelungen, die<br />
Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen<br />
zu etablieren. Das wirkt<br />
sich vor allem für das Personal positiv<br />
aus. Die gemeinsame Grundausbildung<br />
aller Pädagoginnen und<br />
Pädagogen, gleich ob sie später in der<br />
„Pre-School“, der „Compulsory<br />
School“ (Grundschule und Sek I)<br />
oder der „Secondary School“ (Sek II)<br />
arbeiten, von drei Semestern mit<br />
anschließenden weitern vier Semestern<br />
Spezialausbildung zahlt sich<br />
aus. Sie verdienen in etwa genauso<br />
viel wie die Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Das ist auch eigentlich klar, denn<br />
sie sind ja welche, Pre-School-<br />
Teacher eben.<br />
Ihr Ziel ist, dass die Kinder, wenn<br />
sie mit sechs Jahren in die Schule,<br />
die „Pre-School-Class“ und dann ein<br />
Jahr später in die „Compulsory<br />
School“ kommen, weiter lernen wollen,<br />
mit, wie es Jan Andersen sagt,<br />
„Neugier und Zuversicht“.<br />
Bildung International<br />
Auszug aus dem<br />
schwedischen Curriculum<br />
für die Vorschule<br />
„2.2. Entwicklung und Lernprozess<br />
Die Vorschule soll durch eine pädagogische<br />
Leitlinie charakterisiert werden, in welcher<br />
Fürsorge, Bildung und Lernprozesse eine Gesamtheit<br />
bilden. Pädagogische Aktivitäten<br />
sollen dahingehend ausgeführt werden, dass<br />
sie den Lernprozess und die Entwicklung des<br />
Kindes anregen und herausfordern. Das Lernumfeld<br />
soll offen sein und bereichert werden<br />
durch Inhalte und Attraktivität. Aktivitäten<br />
sollen das Spiel, die Kreativität und den<br />
Spaß am Lernen bestärken. Das Interesse des<br />
Kindes am Lernen von neuen Erfahrungen,<br />
Wissen und Fertigkeiten soll in den Blickpunkt<br />
rücken und bestärkt werden.<br />
Ziele<br />
Die Vorschule soll versuchen, sicherzustellen,<br />
dass Kinder<br />
* ihre Identität und Selbstsicherheit entwikkeln,<br />
* gleichzeitig Neugierde, Freude und die<br />
Lern- und Spielfähigkeit entwickeln,<br />
* ihre Fähigkeit entwickeln zum Zuhören,<br />
Erzählen, Nachdenken und ihre eigenen Meinungen<br />
ausdrücken lernen,<br />
* ihre Fähigkeit entdecken, individuell und<br />
in der Gruppe zu bestehen, mit Konflikten<br />
umzugehen, Rechte und Pflichten zu verstehen<br />
und Verantwortung zu übernehmen für<br />
allgemeine Regeln,<br />
* ihre motorischen Fertigkeiten entwickeln,<br />
die Koordinationsfähigkeit, das Körperbewußtsein<br />
sowie das Verständnis für die Wichtigkeit<br />
ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens<br />
zu erhalten,<br />
* eine reiche und vielfältige gesprochene Sprache<br />
und die Fähigkeit entwickeln, mit anderen<br />
zu kommunizieren und ihre Gedanken<br />
auszudrücken,<br />
* ihr Interesse an der geschriebenen Sprache<br />
entwickeln, Symbole und deren kommunikative<br />
Funktionen verstehen,<br />
* Kreativität entwickeln, die Fähigkeit ihre<br />
Gedanken und Erfahrungen in vielen verschiedenen<br />
Ausdrucksmöglichkeiten verständlich<br />
zu machen<br />
* die Fähigkeit entwickeln, Mathematik in<br />
sinnvollem Zusammenhang mit Situationen<br />
entdecken und benutzen,<br />
* die grundlegenden Eigenschaften des Nummern-<br />
und Meßsystems schätzen lernen, sowie<br />
die Fähigkeit erlernen, sich in der Zeit<br />
und Raum zu orientieren,<br />
* Verständnis für ihre Einbeziehung in die<br />
natürlichen Abläufe und in einfache wissenschaftliche<br />
Phänomene, wie die Kenntnis von<br />
Pflanzen und Tieren entwickeln können.“<br />
Das vollständige Curriculum ist in deutscher<br />
Übersetzung zu beziehen bei:<br />
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,<br />
Hauptvorstand, Reifenberger Str. 21,<br />
60489 Frankfurt am Main, Tel.: 069/<br />
78973-329, Fax: -103, Email:<br />
loensh@gew.de<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
17
Bildung International<br />
Unbehagen über wiederkäuendes Lernen<br />
SchülerInnen in Thailand wollen keine „geklonten Lehrkräfte“ sein<br />
An PISA nahm Thailand<br />
zwar nicht teil, aber<br />
bei der internationalen<br />
Mathematikstudie<br />
TIMSS lag es drei Plätze<br />
vor Deutschland. Die<br />
starke Diskussion um<br />
neuen Unterricht in<br />
Thailand zeigt, wie auch<br />
dort langsam umgedacht<br />
wird.<br />
Pause auf einem thailändischen Campus<br />
in Bangkok. Ein impulsives Gespräch<br />
unter Freunden und die wilde<br />
Idee: Wie wäre es, wenn Lehrkräfte<br />
ihre SchülerInnen selbstständig<br />
denken ließen? Alles lacht, aber der<br />
Humor hat seine grimmige Ironie.<br />
Immer mehr SchülerInnen und Studierende<br />
rebellieren gegen die geistige<br />
Unfreiheit, ein „geklonter Lehrer“<br />
sein zu müssen. Spricht man mit<br />
Thai-Schülerinnen und Schülern, so<br />
klagen alle über das stundenlange<br />
Wettrennen zwischen dem aus einem<br />
Buch an die Tafel schreibenden Lehrer<br />
und dem abschreibenden Schüler.<br />
Busaba hat zwei Töchter, eine studiert<br />
Medizin an einer staatlichen<br />
Universität, die andere lernt in einer<br />
12. High-School-Klasse. „Wir müssen<br />
das ganze thailändische Schulsystem<br />
neu beleben“, fordert sie, „wir<br />
müssen umkehren vom reinen Gedächtnislernen<br />
zu einem schülerzentrierten<br />
Lernen“. Verärgert prangert<br />
sie das „gehirnlose Training“ in der<br />
Schule und Hochschule an. Thai-<br />
Lehrer unterrichten, ohne die Schüler<br />
denken zu lehren, und die Schüler<br />
wiederholen nur, was die Lehrer<br />
sagen“. Auf dieser Grundlage laufen<br />
alle Testvorbereitungen in Schule und<br />
Hochschule in Thailand. Die Tests,<br />
sagt Busaba, verlangten nur Erinnerung.<br />
Ein Mensch mit dem Gehirn<br />
eines Esels, aber mit Informationen<br />
vollgestopft, die er sich in der Nacht<br />
zuvor eingetrichtert habe, könne über<br />
einen Genius triumphieren, der<br />
schlecht geschlafen habe.<br />
Das Unbehagen über ein solches Lernen<br />
wächst in der thailändischen Ge-<br />
sellschaft. Die „Bangkok Post“<br />
spricht von „Erasing Errors“ und<br />
meint damit das bisherige wiederkäuende<br />
Lernen. („Thai people are<br />
mostly products of the „rote-memory<br />
teaching-learning process“). Die<br />
meisten Thais, meint das Blatt, lernten<br />
nicht, wie man lernt. Deshalb<br />
fehlten ihnen die logische und wissenschaftliche<br />
Denkfähigkeit, wichtige<br />
Voraussetzungen, um in einer<br />
künftigen Wissensgesellschaft und in<br />
der Globalisierung bestehen zu können.<br />
„Das Fehlen einer qualitätsorientierten<br />
Erziehung macht die Thailänder<br />
verletzlich für ökonomische<br />
und soziale Probleme“. Dieser Ansicht<br />
ist auch die Regierung, genauer<br />
das „Office of the National Education<br />
Commission“ (ONEC) und<br />
sucht seit 1999 nach Reformwegen.<br />
Im Zentrum ihrer Bemühungen<br />
steht die Unterrichtsentwicklung,<br />
vom „rote-memory teachinglearning<br />
process“ zum „learner-centred<br />
teaching-learning process“.<br />
Viele Lehrkräfte in Thailand fühlen<br />
sich freilich allein gelassen. So titelte<br />
die „Sunday Nation“ zum „Tag<br />
des Lehrers“. „Teachers feel alone in<br />
education-reform fight“. Pussanee,<br />
ein Lehrer aus Bangkok, hält es für<br />
notwendig, den bisherigen Frontalunterricht<br />
zu verlassen, um seinen<br />
Schülern mehr Lernfreiheit einzuräumen,<br />
aber er sagt auch, „I want<br />
to change my teaching methods, I<br />
don’t know how?“ Tausende seiner<br />
Kolleginnen und Kollegen würden<br />
ähnlich denken, aber wenn schon<br />
das Geld in den Schule fehle, um<br />
naturwissenschaftliche Experimente<br />
durchführen zu können, dann noch<br />
viel mehr für eine Nachqualifizierung<br />
der thailändischen LehrerInnen.<br />
Viele KollegInnen, weiß Chusri,<br />
ein 48jähriger Chemielehrer zu<br />
berichten, bastelten ihr eigenes Unterrichtsmaterial<br />
mit Fotos und<br />
Dias. Dies, fügt er hinzu, mag nicht<br />
auf der didaktischen Höhe der Zeit<br />
sein, sei aber immer noch besser als<br />
gar nichts.<br />
Paul Schwarz<br />
Bücherspalte<br />
<strong>GEW</strong>-Handbuch für Lehrerinnen<br />
und Lehrer<br />
4. Auflage 1998 Loseblattausgabe<br />
- Gesamtwerk mit Spezialordner<br />
3. überarbeitete Fassung<br />
Stand Juni 2001<br />
Das rund 1.400 Seiten starke<br />
Werk enthält alle wichtigen Gesetze<br />
und Verwaltungsvorschriften<br />
für den Schulbereich in<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>.<br />
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Beamtenversorgungsrecht<br />
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die Berechnung des Ruhegehalts<br />
dargestellt. Grundlage ist das ab<br />
1. Januar 1992 geltende Beamtenversorgungsrecht<br />
i.d.F. der<br />
Änderungsgesetze 1997, 1998<br />
und 2000.<br />
6. Aufl. 2001, 230 Seiten<br />
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Textfassung mit Erläuterungen<br />
343 Seiten, 7.Aufl.2000/2001<br />
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Bundeserziehungsgeldgesetz<br />
Mit den Bestimmungen über Erziehungsgeld<br />
und Elternzeit sowie<br />
Erläuterungen<br />
10. Aufl.2001, 50 Seiten<br />
€ 1,65 zzgl. Porto<br />
Methoden des lebendigen<br />
Lernens<br />
Die von Prof. Dr. Arnold und<br />
Dipl.Päd. Ingeborg Schüßler als<br />
Heft Nr. 1 der Reihe „Pädagogische<br />
Materialien der Universität<br />
Kaiserslautern“ herausgegebene<br />
Broschüre beinhaltet alle im Verlauf<br />
eines handlungsorientierten<br />
Methodenseminars erprobten<br />
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<strong>GEW</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
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18 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Schulen<br />
„Sparversion ohne pädagogisches Reformkonzept“<br />
Die Grünen kritisieren Umsetzung der Ganztagsschulpläne der Landesregierung<br />
Die im Landtagswahlkampf 2000/<br />
2001 bundesweit als bildungspolitische<br />
Innovation angekündigte Einführung<br />
von mehr Ganztagsschulen<br />
in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> entwickelt sich<br />
für Bündnis 90 / Die Grünen im<br />
Landtag zu einem Paradigmen-<br />
Wechsel auf Sparflamme.<br />
„Der Lack ist schneller ab als wir erwartet<br />
hatten. Wie schon bei der<br />
Vollen Halbtagsschule bleibt auch bei<br />
der Ganztagsschule die pädagogische<br />
Innovation und Versorgung mit<br />
Lehrkräften hinter den vollmundigen<br />
Ankündigungen der Landesregierung<br />
zurück. Das Ganztagsschul-Angebot<br />
wird weder flächen- noch bedarfsdekkend.<br />
Mutige Schritte nach dem Vorbild<br />
von Nordrhein-Westfalen hin zu<br />
mehr Freiheit für die Schulen werden<br />
nicht gegangen“, erklärt Nils<br />
Wiechmann, bildungspolitischer<br />
Sprecher von Bündnis 90 / Die Grünen<br />
im Landtag.<br />
Bei der Lehrkräftezuweisung falle die<br />
Landesregierung bei den neuen<br />
Ganztagsangeboten hinter die Standards<br />
der bereits bestehenden sieben<br />
„verpflichtenden Ganztagsschulen“<br />
in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> zurück.<br />
Die neuen Ganztags-Grundschulen<br />
werden um bis zu 10 Lehrerwochenstunden<br />
schlechter gestellt als die<br />
bereits bestehenden beiden verpflichtenden<br />
Ganztags-Grundschulen. Für<br />
die Mindest-SchülerInnenzahl von<br />
36 für die neuen Ganztagsangebote<br />
an Grundschulen sieht die Landesregierung<br />
zusätzlich nur 26 Lehrerwochenstunden<br />
vor. An den bereits<br />
bestehenden zwei verpflichtenden<br />
Ganztags-Grundschulen und drei<br />
Ganztags-Hauptschulen erhalten<br />
derzeit für die gleich Schülerzahl 32<br />
bis 36 Lehrerwochenstunden zusätzlich.<br />
„Schon aus diesen Zahlen wird deutlich,<br />
dass die Standards für die zusätzlichen<br />
Ganztagsschul-Angebote<br />
abgesenkt werden. Für die SchülerInnen<br />
werden zwar zusätzliche Betreuungsmittel<br />
zur Verfügung gestellt, die<br />
aber um ein Drittel geringer ausfal-<br />
len als die bisher als pädagogisch<br />
notwendig erachteten und finanzierten<br />
Mittel“, so Nils Wiechmann.<br />
Weder flächen- noch bedarfsdeckend<br />
Welche Eltern in naher Zukunft mit<br />
einem Ganztagsschul-Angebot rechnen<br />
können, entscheidet bei den<br />
Ausbauplänen der Landesregierung<br />
das Glück des richtigen Wohnortes.<br />
Drei Grundschulen pro Landkreis<br />
oder kreisfreier Stadt bzw. nur 17%<br />
der Grundschulen in <strong>Rheinland</strong>-<br />
<strong>Pfalz</strong> können weder als flächendekkendes<br />
noch als bedarfsdeckendes<br />
Angebot bezeichnet werden. Einer<br />
geschätzten Nachfrage nach Ganztagsbetreuung<br />
für 30 bis 40 Prozent<br />
der SchülerInnen in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
steht ein Angebot von fünf bis zehn<br />
Prozent gegenüber.<br />
Ehrenamt überfordert<br />
Große Hoffnungen setzt die Landesregierung<br />
auf die Anwerbung von<br />
Honorar-Kräften aus (Sport-)Vereinen,<br />
Verbänden, Musikschulen und<br />
der Wirtschaft, und zwar mit doppelter<br />
Zielsetzung: Diese außerschulischen<br />
ExpertInnen sollen erheblich<br />
billiger sein als beamtete Lehrkräfte<br />
und gleichzeitig fehlende pädagogische<br />
und fachliche Qualifikationen<br />
mitbringen. Auf der Anhörung von<br />
Bündnis 90 / Die Grünen im Landtag<br />
machten zahlreiche Verbände<br />
deutliche Fragezeichen hinter den<br />
zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />
für eine große Zahl von regelmäßigen<br />
zusätzlichen Betreuungsangeboten.<br />
Landessportbund, Landesjugendring,<br />
der Landesverband der Musikschulen,<br />
der Landesmusikrat und die<br />
Evangelische Jugend wiesen für ihre<br />
Übungsleiter, Jugendgruppenleiter<br />
und Musikpädagogen großen Nachholbedarf<br />
hin, wenn neue, zusätzliche<br />
Aufgaben an den Ganztagsschulen<br />
übernommen werden sollen.<br />
Notwendig sei die Anwerbung und<br />
pädagogisch-didaktische Qualifizierung<br />
einer großen Zahl von zusätzlichen<br />
ehrenamtlichen Kräften. Erschwerend<br />
kommt hinzu, dass bereits<br />
viele in den Verbänden und Vereinen<br />
tätige im Hauptberuf bereits<br />
Lehrkräfte seien.<br />
Pädagogische Klammer<br />
fehlt<br />
Ministerpräsident Beck legt vor allem<br />
in den öffentlichen Darstellung<br />
großen Wert auf die besseren Förderung<br />
insbesondere von lernschwächeren<br />
Schülerinnen und Schüler.<br />
Durch die Ausgliederung dieser Förderangebote<br />
in den Nachmittag entsteht<br />
der unerwünschte Nebeneffekt,<br />
dass der zusätzliche Nachmittagsunterricht<br />
als Strafe, als Nachsitzen begriffen<br />
wird. Hochbegabte lassen sich<br />
durch Zusatzangebote am Nachmittag<br />
schon gar nicht besser integrieren.<br />
Nach Ansicht der Grünen ist<br />
Becks Konzept allein nicht ausreichend<br />
und in sich kontraproduktiv.<br />
Fördermaßnahmen müssen integrale<br />
Bestandteile des Regelunterrichts<br />
bleiben und werden.<br />
„Die Eckpunkte von Ministerpräsident<br />
Beck und Ministerin Ahnen für<br />
ein Ganztagskonzept bieten keinen<br />
Ausblick auf die dringend notwendige<br />
pädagogische Reform der Schulausbildung.<br />
Den einzelnen pädagogischen<br />
Elementen und Begründungen<br />
für das Ganztags-Angebot fehlt<br />
die pädagogische Klammer. Floskeln<br />
kombiniert mit einer Minimalausstattung<br />
reichen nicht für einen neuen<br />
Schultyp am Anfang eines neuen<br />
Jahrtausends. Das rheinland-pfälzische<br />
Ganztagsschul-Angebot wirkt<br />
wie die Fortsetzung des tradierten,<br />
mit vielschichtigen Problemen belasteten<br />
Unterrichts am Vormittag -<br />
mit angekoppelter Zusatzbetreuung<br />
am Nachmittag“, so Nils Wiechmann.<br />
pm-bg<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
19
Schulen<br />
Erfahrungen mit Prämien<br />
Peinliches Schweigen<br />
Wer bei uns vom Schulleiter ausgeguckt<br />
wurde, erfuhr ich durch Zufall, weil der<br />
betroffene Kollege es mir erzählte, gewissermaßen<br />
unter dem Schock der Peinlichkeit -<br />
später hat er es sicher bereut. Aus vorausgegangenen<br />
Gesprächen - vor der Nominie-<br />
Gehirn an der Garderobe abgeben<br />
Die Verteilung der so genannten Leistungsprämien<br />
beschäftigt nicht nur die Kollegien<br />
und die <strong>GEW</strong>. Nein, auch in Schulleiterdienstbesprechungen<br />
sind sie ein Thema.<br />
Allerdings in sehr beschränktem Rahmen.<br />
Die Vorgabe, dass die in den Kollegien zu<br />
erarbeitenden Vergabekriterien auch rückwirkend<br />
für die zwei vergangenen Schul-<br />
rung! - war klar, dass alle, auch die Schulleitung,<br />
die Prämierung für ziemlich dämlich<br />
halten. Der betroffene Kollege plant<br />
auch demnach, das Geld zu spenden, entweder<br />
der Lehrerkasse oder dem Förderverein.<br />
Ich habe mich dann auf den einschlägigen<br />
websites (Ministerium, <strong>GEW</strong>, VBE) schlau<br />
gemacht und festgestellt, dass die große Peinlichkeit<br />
doch wohl zu vermeiden gewesen<br />
jahre anzuwenden seien, stieß bei solch einer<br />
Veranstaltung auf Widerspruch. Außerdem<br />
„wagten“ es SchulleiterInnen, den Sinn<br />
von Leistungsprämien in Form von Geld<br />
als Mittel zur Motivations- und Qualitätssteigerung<br />
anzuzweifeln.<br />
Das war schon zu viel der Diskussion. Ein<br />
Schulaufsichtsbeamter wies denn auch<br />
prompt die „aufmüpfigen“ SchulleiterInnen<br />
Prämien belasten Beziehungsgefüge<br />
An meiner Schule, der Sonderschule am<br />
Beilstein in Kaiserslautern, wird die leistungsbezogene<br />
Honorierung abgelehnt,<br />
weil sie den Schulfrieden nachhaltig negativ<br />
beeinflusst. Prämien sind kein geeignetes<br />
Mittel, Zufriedenheit, Motivation<br />
und Qualität in der Schule zu steigern.<br />
Deshalb wurden die Prämien, die<br />
in modifizierten Formen in anderen Bundesländern<br />
entwickelt wurden, wieder<br />
abgeschafft. In der „freien Marktwirtschaft“<br />
werden Prämien, Zulagen und<br />
Gewinnbeteiligungen streng geheim zugewiesen,<br />
um Nichtprämienbezieher<br />
nicht zu demotivieren. Enttäuschungen<br />
sind bei der transparenten leistungsbezogenen<br />
Honorierung abzusehen.<br />
Wer will leugnen, dass nicht der überwiegende<br />
Teil aller LehrerInnen zufrieden<br />
stellende bis gute Leistungen Tag für<br />
Tag abliefert? Gutes Leistungsverhalten<br />
entwickelt sich aus dem persönlichen Engagement<br />
und ist vorwiegend intrinsisch<br />
motiviert. Eine Extraprämie für das gute<br />
Leistungsverhalten hat keine Auswirkungen.<br />
Eher Lob, Ermutigung, Aufmerksamkeit<br />
und konstruktive Kritik durch<br />
die Schulleitung sind motivationsfördernd.<br />
Genau das Gegenteil wird durch<br />
die leistungsbezogene Honorierung erreicht.<br />
Das Verhältnis Lehrerschaft und<br />
Schulleitung wird durch eine subjektive,<br />
materialistische Komponente belastet.<br />
wäre, weil die Vergabe an ein Team und<br />
die Möglichkeit der Anrechnungsstunde<br />
nach der Modifizierung durchaus drin<br />
wäre. Unser Personalrat hüllt sich jetzt aber<br />
auch in peinliches Schweigen, und ich habe<br />
sehr den Mut verloren, meinen Protest kund<br />
zu tun oder auch nur anderen Kollegen etwas<br />
darüber zu erzählen (die meisten haben<br />
vergessen, dass da was ist...). Kurz und<br />
schlecht: In unserer Schule ist die Sache so<br />
gelaufen, wie sie ursprünglich geplant war,<br />
Protest und Modifizierung umsonst.<br />
Barbara Fertsch-Röwer-Portsch<br />
konsequent in ihre Schranken: „Darf ich<br />
Sie daran erinnern, dass Sie Beamte sind.<br />
Diese Vorschrift kommt aus dem Ministerium,<br />
und deshalb haben Sie als Beamte<br />
das kommentarlos umzusetzen!“<br />
Glückwunsch! Unsere Ministerin kann stolz<br />
auf solche SchulaufsichtsbeamtInnen sein.<br />
Es geht doch nichts über BeamtInnen, die<br />
ihr demokratisches Denken beim Betreten<br />
von Dienstgebäuden an der Garderobe abgeben.<br />
n.g.<br />
Das Beziehungsgefüge wird durch die<br />
Geld- oder Zeitprämie neu definiert.<br />
Zudem kommt der Personalvertretung<br />
(ÖPR) bei der Honorierung kein Mitbestimmungsrecht<br />
zu. Eine „Erörterung“<br />
mit dem QPR kann einen evtl. Missbrauch<br />
seitens der Dienststelle prinzipiell<br />
nicht verhindern. Eine leistungsbezogene<br />
Honorierung für wenige Lehrerinnen<br />
und Lehrer schafft keine neuen Anreize,<br />
sondern erzeugt Verlierer. Es entsteht<br />
eine neue Gruppe der Nichtprämienbezieher.<br />
Prämienbezieher müssen mit Stigmatisierungen<br />
rechnen, wenn sie zur „Lehrerin<br />
oder zum Lehrer des Jahres 2001“<br />
gekürt werden. Durch die Transparentmachung<br />
der Leistungsprämienbezieher<br />
werden auch Eltern letztendlich erfahren,<br />
welche Lehrerin und welcher Lehrer zu<br />
den Gewinnern zählen werden. Von<br />
Nichtprämienbeziehern und Verlierern<br />
wollen manche Eltern ihre Kinder vielleicht<br />
nicht mehr unterrichten lassen. Ein<br />
negatives Ranking ist vorprogrammiert.<br />
Im Sonderschulbereich ist die Kritik an<br />
der leistungsbezogenen Honorierung besonders<br />
massiv. Viele Lehrerinnen und<br />
Lehrer stehen der Ellenbogengesellschaft,<br />
die mit verantwortlich ist für die sozikulturelle<br />
Benachteiligung mancher Kinder,<br />
kritisch gegenüber. Die Wahrnehmung<br />
und Betonung der intraindividuellen<br />
Leistungen bei Schülerinnen und<br />
Schülern, aber auch bei Lehrerinnen und<br />
Lehrern sind Teil des Menschenbildes der<br />
Sonderpädagogik. Unterschiedliches Leistungsverhalten<br />
wird nicht überbewertet.<br />
Stets steht der Mensch im Mittelpunkt der<br />
Betrachtungsweise.<br />
Der pädagogische Lernort Schule verträgt<br />
keine Ellenbogenmentalität.<br />
In der Sonderschule arbeitet eine Gruppe<br />
von Lehrerinnen und Lehrern im Sinne<br />
der Dienstordnung. die sog. Pädagogischen<br />
Fachkräfte. Die Nichteinbeziehung<br />
dieser Gruppe ist in den Sonderschulen<br />
nicht vermittelbar, führt zu massiven<br />
Unstimmigkeiten und vergiftet die<br />
Schulatmosphäre.<br />
Eine demokratische Form, Zeitprämien<br />
zu verteilen und ohne Eintragung in die<br />
Personalakte von Lehrerinnen und Lehrer<br />
vorzunehmen, wäre die Erhöhung der<br />
sog. Drittelpauschale um den erwirtschafteten<br />
Anteil der BeamtInnen. Die Verfügungsstunden<br />
werden im Rahmen der<br />
Gesamtkonferenz jedes Jahr neu an engagierte<br />
Lehrerinnen und Lehrer verteilt.<br />
Udo Kaiser<br />
20 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Schulen<br />
Chancen für bessere Arbeitsbedingungen in den Schulen<br />
SchülerInnenprognose für die allgemeinbildenden Schulen bis 2012/13<br />
Das Statistische Landesamt erarbeitet<br />
in Abständen regionale Schülerprognosen<br />
und gibt damit den bildungspolitisch<br />
Interessierten wichtiges<br />
Zahlenmaterial an die Hand.<br />
Auf einige wesentliche Ergebnisse<br />
gilt es aufmerksam zu machen, um<br />
aus ihnen die angemessenen Folgerungen<br />
zu ziehen.<br />
Tabelle 1: Entwicklung der Anzahl der Erstklässler:<br />
2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 20012/13<br />
43.709 43.807 44.695 43.698 41.653 40.595 39.606 38.631 37.747 36.946 36.267 35.717<br />
100,0% 100,2% 102,3% 100,0% 95,3% 92,9% 90,6% 88,4% 86,4% 84,5% 83,0% 81,7%<br />
Nach einem leichten Anstieg nimmt die Anzahl der Erstklässler bis 2012/13 um 18,3% ab.<br />
Tabelle 2: Entwicklung der Anzahl der GrundschülerInnen:<br />
2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13<br />
178.974 175.976 174.448 172.949 170.786 167.646 162.800 157.859 153.962 150.367 147.089 144.226<br />
100,0% 98,3% 97,5% 96,6% 95,4% 93,7% 91,0% 88,2% 86,0% 84,0% 82,2% 80,6%<br />
Die Anzahl der GrundschülerInnen<br />
verringert sich im obigen Zeitraum<br />
um 19,4%. Dies muss als Chance<br />
verstanden werden, die Bedingungen,<br />
unter denen die SchülerInnen<br />
lernen und die Lehrkräfte arbeiten,<br />
deutlich zu verbessern. Das heißt<br />
dafür zu sorgen, dass die tatsächlichen<br />
Klassengrößen sich um die<br />
zwanzig SchülerInnen bewegen und<br />
die Lehrerstunden, die je Kind zur<br />
Verfügung stehen, deutlich angehoben<br />
werden. Dies ist als eine Maßnahme<br />
geboten, wenn die Ergebnisse<br />
von PISA ernst genommen werden.<br />
Tabelle 3: Entwicklung der Übergänge in die Klassenstufe 5:<br />
2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12<br />
43.903 43.335 42.303 40.974 40.956 41.743 40.903 39.077 38.027 37.108 36.194<br />
100,0% 98,7% 96,4% 93,3% 93,3% 95,1% 93,2% 89,0% 86,6% 84,5% 82,4%<br />
Bei der Zahl der ÜbergängerInnen<br />
in die Sekundarstufe I ist ein Rückgang<br />
von 17,6% prognostiziert.<br />
Dieser Rückgang muss genutzt werden,<br />
um mehr SchülerInnen sowohl<br />
im ländlichen als auch im städtischen<br />
Bereich einen Zugang in die Integrierte<br />
Gesamtschule zu verschaffen.<br />
Durch das wohnortnahe Zusammenführen<br />
bisher getrennter Bildungsgänge<br />
in der Sekundarstufe I<br />
kann der strukturellen Benachteiligung<br />
der SchülerInnen entgegen getreten<br />
werden.<br />
Das Förder- und Forderpotenzial<br />
muss verstärkt werden, um allen -<br />
auch den Benachteiligten - die Chance<br />
zu geben, mit den gesellschaftlichen<br />
und beruflichen Anforderungen<br />
gut fertig zu werden.<br />
PISA fordert uns dazu auf, genau in<br />
diese Richtung mutige Schritte zu<br />
gehen.<br />
Dieter Ross<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
21
Schulen<br />
„MARKUS“: War da was?<br />
Keine Auswirkungen auf den Unterricht<br />
TIMSS, MARKUS, PISA und wie sie alle heißen: Über den Sinn von Vergleichsuntersuchungen<br />
lässt sich trefflich streiten. Nur, unstrittig müsste<br />
sein, dass die Tests nur dann Sinn machen, wenn aus ihren Ergebnissen<br />
Konsequenzen gezogen werden. Ob das tatsächlich geschieht, untersucht<br />
unser Mitarbeiter Paul Schwarz am Beispiel der rheinlandpfälzischen<br />
Mathematikuntersuchung „MARKUS“.<br />
„Jeder macht seinen Unterricht wie<br />
bisher auch“, erzählt eine Mathematiklehrerin<br />
aus einem pfälzischen<br />
Gymnasium. Spricht man mit SchulleiterInnen<br />
und Lehrkräften im Land,<br />
so hat die Mathematikuntersuchung<br />
MARKUS in den Schulen so gut wie<br />
keine Spuren hinterlassen. Zur Erinnerung:<br />
An MARKUS nahmen letztes<br />
Jahr in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> knapp 38<br />
000 Schülerinnen und Schüler aller<br />
achten Klassen (außer Sonderschulen)<br />
teil. Hört man sich in den Schulen<br />
um, was der Test für den alltäglichen<br />
Mathematikunterricht gebracht<br />
hat, regen sich viele auf („Geldverschwendung“),<br />
winken enttäuscht ab<br />
(„Glühwürmcheneffekt“), lachen<br />
(„war da was?“) oder antworten stereotyp<br />
„nichts“. Für die meisten Lehrkräfte<br />
sind die Ergebnisse wenig erhellend<br />
und hilfreich gewesen, z.B.<br />
dass die Unterrichtsmethoden bei den<br />
meisten Lehrkräften kaum variieren<br />
oder dass besonders leistungsstarke<br />
Klassen günstige häusliche Lernbedingungen<br />
vorfinden. „Es wurde be-<br />
stätigt, was wir eh schon wussten“,<br />
fasst der Leiter einer Realschule zusammen,<br />
was viele in den Kollegien<br />
denken. „Wir brauchen endlich konkrete<br />
Hilfe von außen, keine solchen<br />
Tests und bitte keine unterrichtsfernen<br />
Verordnungen über Schulprogramme<br />
und Schulprofile“, empört<br />
sich eine Mathematiklehrerin aus<br />
dem Norden des Landes. PISA habe<br />
ja wieder deutlich gezeigt, „was uns<br />
Lehrkräften abgehobene Konzepte<br />
von Qualitätsmanagement gebracht<br />
haben - nichts“. Nur wenige aus den<br />
Schulen berichten von einem „konstruktiven<br />
Umgang“ mit den Ergebnissen,<br />
ohne freilich daraus unterrichtliche<br />
Konsequenzen ableiten zu<br />
können. „Diskutiert wurde MAR-<br />
KUS an unserem Gymnasium nicht“,<br />
kommentiert ein Schulleiter aus Ludwigshafen<br />
diesen flächendeckenden<br />
und aufwendigen Test. Noch schärfer<br />
urteilt <strong>GEW</strong>-Vorsitzender Tilman<br />
Boehlkau: „Diese Tests nützen nur<br />
Politikern, die die Bevölkerung beruhigen<br />
wollen.“<br />
Wie letztendlich die MARKUS-<br />
Rückmeldungen in den Schulen angekommen<br />
sind, ob (und wenn ja,<br />
warum) sie in den Schulen verstanden<br />
und akzeptiert wurden, was dort<br />
versickerte und verpuffte, ist laut<br />
Prof. Andreas Helmke von der Universität<br />
Koblenz-Landau Gegenstand<br />
von MARKUS III. Helmke und sein<br />
Kollege Prof. Reinhold Jäger haben<br />
den landesweiten Mathematiktest<br />
entwickelt, betreut und ausgewertet.<br />
TIMSS, die internationale Mathematikstudie,<br />
erinnert sich Jäger, habe<br />
auf Grund des schlechten Abschneidens<br />
der deutschen Mädchen und<br />
Jungen sehr beängstigend auf die<br />
Lehrerinnen und Lehrer gewirkt.<br />
MARKUS gebe nun eine gewisse<br />
Entwarnung und ermutige die Lehrerschaft,<br />
zumindest was <strong>Rheinland</strong>-<br />
<strong>Pfalz</strong> betreffe. Denn bezogen auf den<br />
TIMSS-Teil von MARKUS schnitten<br />
die <strong>Rheinland</strong>-Pfälzer besser ab<br />
als die deutschen Schülerinnen und<br />
Schüler. Eine weitere Erkenntnis aus<br />
dem jetzt fertiggestellten Endbericht<br />
zu MARKUS II. Es ist nicht so wichtig,<br />
wie viel, wie lange und was unterrichtet<br />
wird, sondern wie man<br />
lernt. Jägers Folgerung: „Wir brauchen<br />
eine neue Lernkultur und neue<br />
Lernstrategien, um ein eigenverantwortliches<br />
und nachhaltiges Lernen<br />
der Schülerinnen und Schüler zu befördern.“<br />
Der „methodische Part der<br />
Kompetenzen“ werde nach Auffassung<br />
von Jäger in unseren Schulen<br />
nicht systematisch geschult, auch die<br />
Lehrkräfteausbildung an den Hochschulen<br />
versage in diesem<br />
Punkt. Im Zentrum der pädagogischen<br />
Schulentwicklung<br />
betonen Jäger und Helmke<br />
übereinstimmend, müsse der<br />
Unterricht stehen. Ob dieses<br />
Ziel freilich mit Tests zu erreichen<br />
ist, daran zweifeln Fachleute.<br />
„Wir haben kein Erkenntnisproblem,<br />
wir haben ein Kompetenzproblem“,<br />
meint Dr.<br />
Heinz Klippert. „Diese Tests<br />
tragen nicht dazu bei, eine<br />
Kompetenzentwicklung bei<br />
den Lehrerinnen und Lehrern<br />
zu erreichen.“ Im Gegenteil,<br />
pädagogische Experten wie Altmeister<br />
Wolfgang Klafki oder<br />
Rolf Arnold, Professor an der<br />
22 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Universität Kaiserslautern, halten die<br />
Tests für kontraproduktiv, „weil sie<br />
uns in die alte Paukschule zurückwerfen“<br />
und „das Sachwissen zu stark<br />
gewichtet wird“. Arnold : „Die<br />
’Krankheit‘ in unseren Schulen ist der<br />
Wissenserwerbsunterricht“. „Entwikkeln<br />
statt vermessen“ fordert deshalb<br />
auch Botho Priebe vom IFB Speyer.<br />
„Bloße Defizitanalysen werden Schulen<br />
eher entmutigen, statt sie zu motivieren.<br />
Wer Leistung will, muss Lernen<br />
fördern.“ Statt teurer Tests, so die<br />
einhellige Meinung der Fachleute,<br />
müssten Lehrerinnen und Lehrer zuerst<br />
für einen nachhaltigeren Unterricht<br />
nachqualifiziert werden,<br />
Schulen<br />
bräuchten sie Training, praktische Innovationsberatung<br />
und breiten Unterstützungsservice.<br />
Durch die Tests,<br />
meint Klippert, fühlten sich die Lehrkräfte<br />
ohnmächtig und verkannt,<br />
ständig bekämen sie eins draufgedrückt<br />
und ihre Minderwertigkeit vor<br />
Augen geführt. So auch jetzt wieder<br />
nach den für Deutschland wenig<br />
schmeichelhaften Ergebnissen von<br />
PISA. „Lehrer“, hält Klippert diesen<br />
Tests entgegen, „machen keinen<br />
schlechten Unterricht, weil sie bösartig<br />
sind. Sie tun nur das, was sie an<br />
der Hochschule gelernt haben: dozentenhaft<br />
zu lehren und Wissen zu vermitteln,<br />
statt zu moderieren und eigenverantwortliche<br />
Lernprozesse ihrer<br />
Schüler anzuregen“. Gefördert<br />
werden sollten, so Klippert in Übereinstimmung<br />
mit der „Wissens- und<br />
Bildungsdelphi“, einer vom Bundesministerium<br />
für Wissenschaft und<br />
Forschung 1997 initiierten Umfrage<br />
bei Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft,<br />
insbesondere projektbezogenes<br />
Lernen, selbstgesteuerte Lernformen<br />
und psychosoziale Kompetenzen<br />
wie Kommunikations- und<br />
Teamfähigkeit - und Teamkompetenzen“<br />
trainiert und „kooperative und<br />
schüleraktivierende Lernarrangements“<br />
realisiert.<br />
Besserer Unterricht, neue Lernkultur<br />
Wörther Regionalschule beispielhaft für das Fernsehen<br />
„Man lernt besser und schneller“,<br />
meint Noosreddi aus der 10 a, und<br />
Kathrin ergänzt, „man kann selbstständiger<br />
arbeiten, als wenn ein<br />
Lehrer uns von vorne ständig zutextet“.<br />
Im Sozialkundeunterricht von<br />
Marc Golon sind die Schülerköpfe<br />
nicht wie in einer geschlossenen<br />
Formation auf den Lehrer vorne<br />
ausgerichtet, keiner hängt an dessen<br />
Lippen. Die Zehntklässler sitzen<br />
zu fünft an Tischen, brüten über<br />
Texten und lassen sich auch von<br />
neugierigen Presseleuten nicht ablenken.<br />
Thema: Die Institutionen der EU.<br />
In jeder Fünfergruppe befasst sich<br />
ein Schüler mit einer Textvorlage,<br />
z.B. über das Europäische Parlament,<br />
den Ministerrat oder die Europäische<br />
Kommission, nicht gerade Texte, die<br />
einem vom Hocker reißen. Lehrer<br />
Marco Golon verlässt zeitweise den<br />
Raum, ohne dass das Chaos ausbricht.<br />
Konzentriert und leise wird<br />
weitergearbeitet. Mit einem Marker<br />
unterstreicht jeder die Informationen,<br />
die für ihn wichtig sind, und<br />
schreibt sich das eine oder andere<br />
Stichwort an den Textrand. Nach 15<br />
Minuten löst sich die Gruppe auf,<br />
und eine neue bildet sich: die Expertenrunde,<br />
also diejenigen, die den<br />
gleichen Text behandelt haben, beispielsweise<br />
den über das Parlament<br />
in Straßburg. Diese Fachleute besei-<br />
tigen im gemeinsamen Gespräch<br />
letzte Unsicherheiten im Textverständnis,<br />
besprechen, wie sie den<br />
Inhalt den anderen in der Klasse mit<br />
Hilfe kleiner Lernplakate vermitteln<br />
können und arbeiten im Team an der<br />
Präsentation des Textthemas.<br />
Lehrer Golon ist zwar anwesend,<br />
agiert aber nur, wenn die Schüler<br />
nicht mehr weiterkommen und<br />
zwangsläufig den Lehrer fragen müssen.<br />
Bis es soweit ist, helfen Tischnachbarn<br />
weiter oder Nachschlagebücher<br />
in der Mitte des Raums.<br />
In der Regionalschule Wörth lernen<br />
die Mädchen und Jungen anders als<br />
an den meisten Schulen. Und was<br />
bringt so etwas? „Ich lerne eigenverantwortlich,<br />
traue mir mehr zu und<br />
gehe auch leichter auf andere Leute<br />
zu als früher“, sagt Bianca. „Das, was<br />
eben heute auch im Betrieb gefragt<br />
ist, Teamfähigkeit und so“, fasst Nicole<br />
zusammen. „Wir erreichen mit<br />
den neuen Methoden unsere Schüler<br />
besser als früher“, bilanziert<br />
Schulleiter Joachim Paul, und Lehrer<br />
Golon interpretiert seine neue<br />
Lehrerrolle so: „Mich entlastet es,<br />
wenn ich den Unterrichtsprozess<br />
moderiere, wenn ich beratend tätig<br />
bin und nicht immer den großen<br />
Zampano spielen muss“.<br />
Die Wörther Regionalschule gehört<br />
zu den 44 Modellschulen in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>,<br />
die wie zahlreiche andere<br />
Schulen in Deutschland nach dem<br />
Konzept des Lehrerbildners Dr.<br />
Heinz Klippert aus Landau lernen.<br />
Gelernt haben an diesem Vormittag<br />
auch andere Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Sie saßen im Unterricht und hospitierten,<br />
auch das ein Novum in den<br />
meisten deutschen Schulen. Vermittelt<br />
wurde ihnen die neue Lernkultur<br />
durch das persönliche Erleben in<br />
der Klasse und auch durch ein von<br />
Klippert ausgebildetes Trainertandem,<br />
das ebenfalls im Unterricht<br />
dabei war. Trainer, Lehrkräfte und<br />
Fachlehrer Golon zogen sich dann<br />
zur Besprechung der Stunde zurück.<br />
Gemeinsam werden sie in der nächsten<br />
Woche neue Lernspiralen für ein<br />
Methodentraining in der fünften<br />
Klasse erarbeiten. Und weil diese<br />
neue Lernkultur noch nicht überall<br />
Unterrichtsstandard ist, aber nach<br />
PISA Not tut, transportiert das Fernsehen<br />
gern solche guten Beispiele.<br />
Redakteurin Ute Spangenberger:<br />
„Wir wollen zeigen, wie sich Unterricht<br />
und Lehrkräfteausbildung verändern<br />
müssen, damit wir bei der<br />
nächsten internationalen Studie besser<br />
dastehen“. Sie drehte mit ihrem<br />
Kamerateam für das ARD-Mittagsmagazin.<br />
Auch Dr. Heinz Klippert war persönlich<br />
anwesend. Sein Kommentar:<br />
„Mich freut es außerordentlich, dass<br />
diese Schule ihre Unterrichtsentwicklung<br />
so systematisch betreibt -<br />
und wie man sieht - mit großem Erfolg.“<br />
Zur Nachahmung empfohlen.<br />
Paul Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
23
Hochschulen<br />
Wie man eine Bierflasche öffnet und Schulreife diagnostiziert<br />
Ausbildung von Lehrkräften unter schwierigen Bedingungen<br />
Das Melktiermodell mit großen Eutern erinnert in der Aula der Universität<br />
Landau an die Milkakuh und die Limbodarbietung von fünf<br />
Studentinnen an die Animation in einem karibischen Ferienclub. Beibringbazar<br />
nennt sich das bunte Treiben. 700 Erstsemester im Fachbereich<br />
Didaktik lernen handlungsorientiert: eine Kuh zu melken, sich<br />
tanzend unter eine tief gelegte Latte zu schlängeln, einen Fahrradschlauch<br />
zu flicken, sich ein paar Brocken schwedisch anzueignen und<br />
- für das nächtliche Studentenleben -, wie man eine Bierflasche öffnet:<br />
klassisch mit dem Feuerzeug, an der Tischkante oder mit Hilfe eines<br />
Textmarkers.<br />
Mittendrin Prof. Dr. Jürgen Wiechmann,<br />
der die Vorlesung „Einführung<br />
in die Unterrichtspraxis und Schulpädagogik“<br />
an diesem Tag etwas anders<br />
gestaltet als sonst. Die Studierenden<br />
sollen persönlich erleben, wie man anderen<br />
etwas beibringt und ob es erfolgreich<br />
war. Was sie unterrichten, konnte<br />
sich jeder selbst aussuchen. Wiechmann<br />
nennt so etwas „situatives Lernen<br />
mit Metakognition“.<br />
„Es kommt darauf an, methodisch<br />
vielfältig zu unterrichten“<br />
Dem seltenen Beibringbasar folgt einige<br />
Tage später die klassische Vorlesung<br />
im universitären Ambiente. Die<br />
700 Erstsemester und künftigen Lehrerinnen<br />
und Lehrer sitzen eng gedrängt<br />
im Hörsaal I. Wer zu spät<br />
kommt, muss auf Treppe und Boden<br />
mitschreiben oder im Hörsaal II fernsehen.<br />
Teleteaching. Über eine überdimensional<br />
große Leinwand laufen<br />
Power-Point-Folien, ab und zu ist auch<br />
Prof. Wiechmann zu sehen, dozierend,<br />
langsam sprechend, damit jeder die<br />
sicht- und hörbaren Sätze mitschreiben<br />
kann. Es geht um die Nachbereitung<br />
eines Unterrichts am Beispiel des<br />
Beibringbazars, um Zielanalyse („Ziele<br />
allein reichen nicht, z.B. mit Reisstäbchen<br />
essen oder Knusperhäuschen<br />
backen können“), um Lernprozesse<br />
(„Lernsituationen sind grundsätzlich<br />
singuläre Erlebnisse“), eben um Unterricht<br />
(„jede Unterrichtssituation ist<br />
eine bestimmte Situation“). Das Wort<br />
„Methode“ kommt nicht vor, wohl<br />
aber „Vermittlungsaspekte“ und die<br />
„Interaktion“ zwischen LehrerInnen<br />
und SchülerInnen. „Unterricht“,<br />
schreiben alle mit, „ist eine Veranstaltung<br />
zum Lernen. Deshalb misst sie<br />
sich am Lernerfolg.“<br />
Nach 45 Minuten gibt es eine fünfminütige<br />
Murmelpause, für viele Studierende<br />
eine Zigarettenpause. Wiechmann<br />
fordert anschließend seine Zuhörer<br />
und Zuschauer auf zurück zu<br />
fragen. Niemand meldet sich. „Vielleicht<br />
habe ich zu lange auf Sie eingeredet“,<br />
entschuldigt er sich. „Sie merken,<br />
es ist ganz schön anstrengend,<br />
wenn man bei der unterrichtlichen<br />
Nachbereitung alle Kriterien berücksichtigt“.<br />
Jürgen und Barbara haben zwar zugehört,<br />
aber nicht mitgeschrieben, „weil<br />
es später sowieso im Internet steht“.<br />
Nein, PISA hätte sie überhaupt nicht<br />
überrascht, „wenn man sieht, wie in<br />
Schulen und Hochschulen Wissen gefressen<br />
und in Prüfungen ausgespuckt<br />
wird“. Allgemeiner Studierendentenor:<br />
Was du hier hörst, brauchst du<br />
höchstens für deine schriftliche Unterrichtslehrprobe.<br />
Wer hat denn später<br />
Zeit, seinen Unterricht so gründlich<br />
nachzubereiten? Sybille: „In der<br />
Hauptschule mit Kindern aus 34 Nationen<br />
musst du überleben lernen,<br />
musst du lernen, mit sozial auffälligen<br />
Kindern umzugehen und mit den Eltern<br />
zurechtzukommen. All das lernst<br />
du hier in der Lehrerausbildung nicht<br />
Kommentar<br />
Sowohl als auch!<br />
Wenn die beschriebenen<br />
Rahmenbedingungen,<br />
unter<br />
denen in Landau<br />
künftige Lehrkräfte<br />
ihre didaktische<br />
Ausbildung erhalten,<br />
stimmen, kann man nur schwarz<br />
sehen für die schulische Zukunft. Wenig<br />
optimistisch stimmen allerdings<br />
auch die Aussagen der Studierenden -<br />
sollten diese tatsächlich repräsentativ<br />
sein: Diese Theoriefeindlichkeit, verbunden<br />
mit dem Wunsch nach einem<br />
griffigen Rezeptkatalog für jegliche<br />
schulische Lebenslage, ist bei allem Verständnis<br />
für die Aversion gegen abgehobene<br />
akademische Theorie äußerst<br />
gefährlich, öffnet sie doch jenen Tür<br />
und Tor, die die Ausbildung von Lehrkräften<br />
gerne unterhalb universitären<br />
Niveaus angesiedelt hätten. Dann wären<br />
wir früher oder später wieder bei<br />
Schmalspurausbildungen in verschulten<br />
pädagogischen Akademien, und der<br />
jahrzehntelange Kampf um die Aufwertung<br />
der Lehrerausbildung wäre<br />
umsonst gewesen.<br />
Theoretische Fundierung und praktische<br />
Ausbildung in der Lehrerausbildung<br />
dürfen nicht zum Gegensatz<br />
hochstilisiert werden, sondern gehören<br />
eng zusammen. „Gute Lehrkräfte“<br />
müssen nicht nur in der Lage sein,<br />
methodenvariabel zu agieren, sondern<br />
ihr eigenes Handeln auch kritisch zu<br />
reflektieren und ihre individuellen<br />
Wege zu finden. Da ist Prof. Wiechmann<br />
voll und ganz zuzustimmen.<br />
Auch die derzeitige Übertreibung des<br />
Methodischen in der Schulpraxis birgt<br />
Gefahren: Wenn „das Klippern“ zur<br />
neuen Variante fremdgesteuerten Lernens<br />
wird, bei dem die Lehrkraft im<br />
5-Minuten-Rhythmus neue Aufgaben<br />
verteilt, dann ist das sicherlich nicht<br />
im Sinne des Erfinders. Da muss der<br />
Guru höllisch aufpassen, dass seine Jünger<br />
nicht kontraproduktiv wirken.<br />
Günter Helfrich<br />
24 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Hochschulen<br />
Auf Treppen und<br />
Boden: Studierende<br />
bei einer<br />
Didaktik-Vorlesung<br />
in Landau<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
oder nur am Rande bei einem Lehrbeauftragten.“<br />
Eine fertige Lehrerin: „Als Mentorin<br />
erlebe ich seit Jahren den Praxisschock<br />
der Lehramtsanwärter, die immer wieder<br />
feststellen, dass ihre Lehrerausbildung<br />
mit den täglichen Anforderun<br />
gen im Schulalltag wenig zu tun hat.“<br />
Prof. Wiechmann, Leiter des „Instituts<br />
für Allgemeine Didaktik“, verteidigt<br />
die Theorie. „Schließlich geht es darum,<br />
Grundlagenwissen bereitzustellen.“<br />
Der „Schul-Schlendrian“ stelle<br />
sich dann ein, „wenn ich das, was ich<br />
tue, nicht wissenschaftlich reflektiere,<br />
aber auch, wenn ich das, was ich wissenschaftlich<br />
reflektiere, nicht praktisch<br />
umsetze“. Es komme darauf an,<br />
methodisch vielfältig zu unterrichten.<br />
Wo aber sollen die künftigen Lehrerinnen<br />
und Lehrer alltagstaugliche<br />
Routinen lernen, wenn nicht in einer<br />
Lehrerausbildungsstätte? Mit Trainingscamps<br />
hält Wiechmann eine wissenschaftliche<br />
Hochschule für überfordert.<br />
Er verweist auf die<br />
Praktika, seinen Beibringbazar<br />
und kritisiert<br />
dann doch noch die universitären<br />
Verhältnisse in<br />
Landau: „Wir sind seit<br />
Jahren total überlastet,<br />
zu wenig Räume, zu wenig<br />
Personal, und müssten<br />
einen NC verfügen,<br />
um halbwegs vernünftig<br />
arbeiten zu können.“<br />
Zwei Professoren, vier<br />
Mitarbeiter, zwei davon<br />
mit einer halben Stelle,<br />
betreuen zur Zeit didaktisch<br />
3 800 Studierende, also alle an<br />
der Universität, die ein Lehramt anstreben.<br />
Im Team eigenverantwortlich<br />
arbeiten<br />
Im „Institut für Grundschulpädagogik<br />
(1 400 Studenten) an der Landauer<br />
Universität geht man neue Wege. Für<br />
dessen geschäftsführenden Leiter, Prof.<br />
Dr. Hanns Petillon, muss die Lehrkräfteausbildung<br />
„nachhaltig“ sein wie<br />
auch das Lernen in der Schule, „d.h.<br />
langfristige Speicherung und langfristige<br />
Abrufbarkeit von Wissen“, vor<br />
allem aber: „die gelernten Methoden<br />
müssen praxisrelevant sein. Die Studierenden<br />
müssen das Gefühl haben, das<br />
ist für meine künftige Unterrichtsarbeit<br />
bedeutsam.“ Nachhaltigkeit mit<br />
Vorlesungen, Buch und Tafel zu erreichen,<br />
hält Petillon für kaum machbar,<br />
damit könne man nur einen „theoretischen<br />
Bezugsrahmen“ schaffen. Er<br />
Neuer Erfolg für jugendschutz.net<br />
Im Kampf gegen rechtsextremistische<br />
Propaganda im Internet kann die länderübergreifende<br />
Mainzer Stelle<br />
jugendschutz.net, die vom rheinlandpfälzischen<br />
Jugendministerium federführend<br />
für alle Länder betreut wird,<br />
einen neuen Erfolg vermelden. Erstmals<br />
ist es den Internet-Fahndern gelungen,<br />
einen Provider im Ausland, der Internet-Angebote<br />
kommerziell vertreibt,<br />
zur Herausnahme einer Website mit<br />
rechtsextremistischem Inhalt zu bewegen.<br />
Jugend-Staatssekretär Dr. Joachim Hofmann-Göttig<br />
betonte: „Damit hat die<br />
Arbeit von jugendschutz.net eine neue<br />
Stufe erreicht. Bereits in der Vergangenheit<br />
konnten mehrere Provider, die die<br />
Verbreitung im Internet kostenlos anbieten,<br />
davon überzeugt werden, rechtsextremistische<br />
Inhalte von ihrer Plattform<br />
zu verbannen. Nun ist es erstmals<br />
gelungen, einen Provider zu diesem<br />
Schritt zu veranlassen, obwohl dies eigentlich<br />
dessen ureigensten wirtschaftlichen<br />
Interessen zuwiderläuft.“<br />
Die intensive Weiterarbeit von jugendschutz.net<br />
bei der Fahndung nach<br />
jugendgefährdenden, pornografischen<br />
und extremistischen Inhalten im Internet<br />
sei unerlässlich, sagte Hofmann-<br />
Göttig weiter. Nachdem die Mainzer<br />
plädiert für wesentlich mehr Praxistraining.<br />
Seine Studenten gehen deshalb sehr<br />
früh in die Kindergärten, veranstalten<br />
Elternabende, hospitieren und setzen<br />
Förderprogramme in den Grundschulen<br />
um. In einem seiner Seminare mit<br />
60 - 80 TeilnehmerInnen geht es um<br />
Schulreife und den Übergang vom<br />
Kindergarten in die Grundschule. Beraten<br />
von Petillon, hatten sich im Vorfeld<br />
des Seminars studentische Kleingruppen<br />
sowohl mit alten Tests befasst,<br />
die auf Selektion ausgerichtet sind, als<br />
auch mit Verfahren moderner Förderdiagnostik.<br />
Recherchen in Bibliotheken<br />
verbanden sich mit praktischen Erfahrungen<br />
im Kindergarten und in der<br />
Grundschule. Cecile und Wibke stellen<br />
das „Kieler Einschulungsverfahren“<br />
vor. In einer Stationenarbeit versetzen<br />
sich acht Studentengruppen in die Rolle<br />
der Fünf- und Sechsjährigen, erfassen<br />
Mengen, bestimmen einzelne<br />
Wörter und überprüfen so unterschiedliche<br />
kindliche Kompetenzen.<br />
Anschließend tragen zwei Sprecher die<br />
Erfahrungen und die Kritik am Verfahren<br />
aus ihrer jeweiligen Gruppe vor.<br />
Für Christoph ist das, was hier stattfindet,<br />
nicht unbedingt typisch für die<br />
Lehrkräfteausbildung an der Landauer<br />
Uni. „Bei uns wird das Wissen<br />
durchgeknetet und verarbeitet.“ Anke<br />
erinnern die meisten Lehrveranstaltungen<br />
an den Frontalunterricht ihrer früheren<br />
Schule. Ihr Fazit, nachdem sie<br />
Petillon kennen gelernt hat: „Bei ihm<br />
arbeiten wir im Team eigenverantwortlich<br />
und methodisch sehr variabel, genau<br />
das will ich später meinen Schülern<br />
beibringen.“<br />
Paul Schwarz<br />
Jugendministerin Doris Ahnen bei ihren<br />
Kolleginnen und Kollegen in den<br />
anderen Bundesländern erreicht habe,<br />
dass die Förderung für die in Mainz<br />
ansässige Stelle mit mehr als 200 000<br />
Euro pro Jahr fortgesetzt werde, liege<br />
nun erfreulicherweise auch vom Bund<br />
eine Finanzierungszusage vor. Damit<br />
kündige die Bundesregierung an, dass<br />
sie im laufenden Jahr 160000 Euro für<br />
die Arbeit von jugendschutz.net bereitstelle.<br />
Weitere Informationen zur Arbeit<br />
von jugendschutz.net finden sich im<br />
Internet unter der Adresse:<br />
www.jugendschutz.net .<br />
pm<br />
25
Hochschulen<br />
Doofe Studis oder schlechte Profs?<br />
PISA-Kontroverse zwischen Landau und Koblenz<br />
Eng mit der Arbeit<br />
an der Universität<br />
Landau<br />
verbunden ist Dr.<br />
Paul Schwarz.<br />
Der Vizepräsident<br />
der Universität Koblenz-Landau<br />
und<br />
Leiter der Abteilung<br />
Landau, Prof.<br />
Dr. Roman Heiligenthal,<br />
schlägt<br />
Alarm. Die PISA-<br />
Studie habe ihn<br />
nicht überrascht.<br />
Schon in seiner Antrittsvorlesung<br />
habe er auf die<br />
mangelnde Studierfähigkeit<br />
(z.B.<br />
Lesefähigkeit) hingewiesen, auf immer<br />
mehr Studierende, die in der<br />
Schule schlecht ausgebildet wurden.<br />
Die Universität Landau ist mit ihren<br />
knapp 5 000 Studierenden neben<br />
Koblenz das pädagogische<br />
Kompetenzzentrum in <strong>Rheinland</strong>-<br />
<strong>Pfalz</strong>, denn mehr als 80 Prozent<br />
streben hier ein Lehramt in der<br />
Grund-, Haupt-, Real- oder Sonderschule<br />
an.<br />
„Wenn ich vom klaren Bild einer Universität<br />
ausgehe“, hebt Heiligenthal<br />
hervor, „muss ich von Studierenden erwarten,<br />
dass sie aufgrund ihres Abiturs<br />
ausgerüstet sind, sich selbstständig einen<br />
Wissensstoff anzueignen.“ Weil<br />
dem aber nicht so sei, ähnele die Universität<br />
immer mehr einem Schulbetrieb,<br />
der häppchenweise Wissen und<br />
Fertigkeiten eintrichtere. Seine Befürchtung:<br />
„Wenn wir die Vermittlungsmethoden<br />
radikal ändern würden,<br />
würde unsere Studentenzahl rapide<br />
sinken, weil bei einem mittlerweile<br />
nicht geringen Prozentsatz von Studierenden<br />
sowohl der Wille zur Leistung<br />
als auch die Fähigkeit, eigenverantwortlich<br />
zu arbeiten, schwach ausgeprägt<br />
sind.“ Also die Leistungsanforderungen<br />
ständig senken? Heiligenthal:<br />
„Ja, wir sind wegen der Qualität der<br />
Studierenden dazu gezwungen.“ Jüngstes<br />
Beispiel: In einem Germanistik-Seminar,<br />
so die Professorin, hätten drei<br />
Teilnehmer von 60 die Pflichtlektüre<br />
gekauft, aber keine dieselbe gelesen.<br />
In einem Offenen Brief widerspricht<br />
Prof. Dr. Rudi Krawitz aus dem „Institut<br />
für Integrative Bildung“ an der<br />
Universität Koblenz dem Vizepräsidenten<br />
vehement. Es sei wenig hilfreich,<br />
so Krawitz, die PISA-Diskussion<br />
mit einer „öffentlichen Publikumsbeschimpfung“<br />
einzuleiten. Wenn<br />
die Universität tatsächlich „immer<br />
mehr einem Schulbetrieb“ ähnele,<br />
„müssen wir Lehrende einmal kritisch<br />
prüfen, inwieweit wir selbst<br />
an dieser Verschulung durch<br />
manchmal viel zu enge Studienverlaufspläne<br />
beteiligt sind.“ Wie<br />
komme es denn, fragt Krawitz,<br />
dass „gestandene“ Lehrerinnen<br />
und Lehrer in den Schulen ihren<br />
jungen Referendarinnen und Referendaren<br />
manchmal raten, das<br />
an der Universität Gelernte in der<br />
Praxis der Schule eher zu vergessen?<br />
„Gehört denn das elende und<br />
völlig kontraproduktiv akademische<br />
Seminarritual der ewigen<br />
Wiederkehr des Referatevorlesens<br />
wirklich der Vergangenheit an?<br />
Werden nicht nach wie vor kreative<br />
Geister gezwungen, aus umfangreichen<br />
Büchern die fürs Lesen<br />
so notwendige Redundanz herauszunehmen<br />
und zu einem ungenießbaren<br />
Maggiwürfel namens Referat zu<br />
konzentrieren?“, kontert Krawitz.<br />
Für die Lehrerausbildung forderte der<br />
Landauer Abteilungspräsident ein<br />
„grundlegendes Umdenken“ und einen<br />
„gesamtgesellschaftlichen Konsens“,<br />
„welches Menschenbild wir überhaupt<br />
haben“. Mit „Mythen“ müsse endlich<br />
aufgeräumt werden, z.B. damit, eine<br />
Schule müsse nur Spaß machen. „Eine<br />
Pädagogik und Didaktik, die nur auf<br />
Lustgewinn ausgerichtet ist, hat ein falsches<br />
Menschenbild.“ Der Koblenzer<br />
Professor Krawitz sieht dagegen in solchen<br />
Äußerungen die Rückkehr zur<br />
„Schwarzen Pädagogik“. „Ich meine,<br />
dass Lernen nicht schmerzhaft sein<br />
muss, sondern Spaß machen darf, und<br />
dass Pädagogik und Didaktik sehr wohl<br />
neben dem Realitätsbezug auch Lustgewinn<br />
ermöglichen sollten.“<br />
Unterdessen nehmen die vier Dekane<br />
der Landauer Universität in einer gemeinsamen<br />
Erklärung ihren Abteilungspräsidenten<br />
gegen die öffentlich<br />
Kritik von Rudi Krawitz in Schutz.<br />
Die Universität in Landau habe die<br />
Herausforderung, die Lehrerausbildung<br />
zu verbessern, schon angenommen. Die<br />
Bildungsdefizite in Deutschland seien<br />
jedoch ein gesamtgesellschaftliches Problem.<br />
Die Situation im deutschen Bildungswesen<br />
muss nach Ansicht der<br />
Dekane in allen Bereichen durchleuchtet<br />
werden. Lust zum Lernen entstehe<br />
nur in einem leistungsfreundlichen Klima.<br />
„An dieser Stelle hat eine Spaßdiskussion<br />
keinen Raum, zumal Spaß<br />
nicht zwangsläufig Motivation erzeugen<br />
muss.“ Wegen unterschiedlicher<br />
Lernbereitschaft, Leistungsfähigkeit<br />
und Sprachfähigkeit der Schülerinnen<br />
bis hin zu ständig neuen Lernbereichen<br />
bei im Wesentlichen gleich bleibender<br />
Lernzeit sei die Schule heute überfordert.<br />
Bei der Bewältigung dieser gestiegenen<br />
Anforderungen „werden die<br />
Lehrkräfte aber weitgehend allein gelassen“.<br />
Gegenwärtig wird in Landau die<br />
Gründung eines Lehrerbildungszentrums<br />
beraten, das die Lehrerbildung<br />
fachübergreifend koordinieren und die<br />
Forschung im Bildungsbereich intensivieren<br />
soll.<br />
Paul Schwarz<br />
26 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Neues zur Altersteilzeit<br />
für Teilzeitbeschäftigte<br />
Altersteilzeit wird nach § 80 b Abs. 1<br />
Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG)<br />
gewährt. Im Unterschied zu Vollzeitbeschäftigten<br />
müssen Beamtinnen<br />
und Beamte<br />
in den letzten<br />
fünf Jahren vor<br />
Beginn der Altersteilzeit<br />
mindestens<br />
drei Jahre<br />
teilzeitbeschäftigt<br />
gewesen sein.<br />
Nach den rechtlichen<br />
Vorgaben<br />
durch die Bundesregelung<br />
ist für<br />
Teilzeitbeschäftigte<br />
nur das Blockmodell<br />
(1. Hälfte<br />
Arbeitsphase bei max. 83 % netto, 2.<br />
Hälfte Freistellungsphase bei gleichen<br />
Bezügen) möglich. Der Umfang der<br />
Unterrichtsverpflichtung bei der Altersteilzeit<br />
ist nicht frei wählbar wie bei<br />
der üblichen Teilzeitbeschäftigung.<br />
„Die Altersteilzeit muss die Hälfte der<br />
bisherigen Arbeitszeit, höchstens die<br />
Hälfte der in den letzten zwei Jahren<br />
vor Beginn der Altersteilzeit durchschnittlich<br />
zu leistenden Arbeitszeit<br />
umfassen“. (Zitat aus Erlass).<br />
Für die praktische Umsetzung gilt folgendes:<br />
Für diejenigen, bei denen der Umfang<br />
der Teilzeitbeschäftigung in den letzten<br />
zwei Jahren vor der Altersteilzeit<br />
unverändert war, bleibt es bei dieser<br />
Unterrichtsverpflichtung in der Altersteilzeit.<br />
War der Umfang der Teilzeitbeschäftigung<br />
in den letzten zwei Jahren vor<br />
Beginn der Altersteilzeit unterschiedlich,<br />
wird die Arbeitszeit vor Beginn<br />
der Altersteilzeit zu Grunde gelegt,<br />
höchstens jedoch der Durchschnitt der<br />
letzten beiden Jahre.<br />
Rechtsschutz<br />
Beispiel: Vorletztes Jahr 20 U-Std.,<br />
letztes Jahr 16 U-Std., ergibt eine Altersteilzeit<br />
von 16 U-Std., vorletztes<br />
Jahr 16 U-Std., letztes Jahr 20 U- Std.,<br />
ergibt eine Altersteilzeit von 18 U-Std.<br />
Auch Lehrkräfte, die unmittelbar nach<br />
Beendigung des Sabbatjahrmodells mit<br />
Altersteilzeit beginnen, gelten als Teilzeitbeschäftigte.<br />
Der Umfang ihrer<br />
Unterrichtsverpflichtung in der ersten<br />
Hälfte der Altersteilzeit entspricht dem<br />
jeweils gewählten Modell der Sabbatjahrregelung.<br />
Eine Erhöhung der Stundenzahl<br />
ist nicht möglich (Sabbatjahrregelung<br />
z. B. 3/4, 4/5, 5/6...). Lehrkräfte,<br />
die sich derzeit in der Ansparphase<br />
des Sabbatjahres bzw. im Sabbatjahr<br />
befinden, können auch Altersteilzeit<br />
beantragen. Über die Einzelheiten<br />
erkundigen Sie sich bitte bei der<br />
<strong>GEW</strong>-Rechtsstelle.<br />
Die entsprechende Verwaltungsvorschrift<br />
vom 15. Juni 2001 „Bewilligung<br />
von Altersteilzeit für teilzeitbeschäftigte<br />
Beamtinnen und Beamte; Vorgriffsregelung<br />
gemäß § 80 b Abs. 2 LBG bis<br />
zur Änderung des Landesbeamtengesetzes“<br />
ist im gemeinsamen Amtsblatt des<br />
Ministeriums für Bildung, Frauen und<br />
Jugend (MBFJ) und für Wissenschaft,<br />
Weiterbildung, Forschung und Kultur<br />
(MWWFK), Nr. 4/2001, Seite 151/<br />
152, veröffentlicht.<br />
Für angestellte LehrerInnen und Pädagogische<br />
Fachkräfte gilt diese Regelung<br />
kraft Tarifvertrag.<br />
Weitere Information: „10 Fragen und<br />
Antworten zur Altersteilzeit“, veröffentlicht<br />
in der <strong>GEW</strong>-Zeitung 1-2/2001,<br />
S. 26/27 sowie im Internet:<br />
www.<strong>GEW</strong>-<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>.de/wissen/gew-infos/Altersteilzeit.htm.<br />
Erhältlich auch als Kopie in der <strong>GEW</strong>-<br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Es wird empfohlen, vor Antragstellung<br />
mit der <strong>GEW</strong>-Rechtsstelle Kontakt aufzunehmen!<br />
Wer in den beiden letzten<br />
Schuljahren vor der Altersteilzeit teilzeitbeschäftigt<br />
war, gilt als<br />
Teilzeitbeschäftigte(r) - auch wenn davor<br />
immer Vollzeitbeschäftigung vorlag.<br />
<strong>GEW</strong>-Info<br />
Fragwürdige „Medizinische Verbindungsstelle“<br />
Zum 1. März 2001 wurde auf der<br />
Grundlage eines Ministerratsbeschlusses<br />
vom 7. November 2000 die „Medizinische<br />
Verbindungsstelle“ eingerichtet.<br />
Sie ist beim Ministerium für Arbeit,<br />
Soziales und Gesundheit angesiedelt<br />
und für die BeamtInnen des Landes<br />
zuständig. Sie wird bei allen nach §§<br />
56 ff. Landesbeamtengesetz (LBG) beantragten<br />
amtsärztlichen Beurteilungen<br />
der Dienstfähigkeit eingeschaltet,<br />
insbesondere bei eventuell vorzeitiger<br />
Versetzung in den Ruhestand.<br />
U. a. „soll sie die Untersuchungsaufträge<br />
der Dienststellen auf Vollständigkeit<br />
und Verständlichkeit sowie die<br />
Plausibilität der medizinischen Gut-<br />
achten der AmtsärztInnen prüfen. Sie<br />
erstellt keine Obergutachten, sie ist<br />
auch nicht befugt, den AmtsärztInnen<br />
der Gesundheitsämter fachliche Weisungen<br />
zu erteilen“.<br />
Die <strong>GEW</strong> kritisiert, dass die Beschäftigten<br />
über die Einrichtung und die<br />
Aufgaben dieser Medizinischen Verbindungsstelle<br />
nicht informiert wurden.<br />
Die „Medizinische Verbindungsstelle“<br />
darf nur eingeschaltet werden, wenn<br />
die oder der Beschäftigte die erforderliche<br />
Einverständniserklärung unterschreibt.<br />
Mit der Unterschrift ist die Ermächtigung<br />
verbunden,<br />
- dass das Gesundheitsamt bei den im<br />
Anamnesebogen abgefragten Personen<br />
die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit<br />
notwendigen Auskünfte einholen<br />
und entsprechende Unterlagen anfordern<br />
und auswerten darf,<br />
- dass diese Akten der „Medizinischen<br />
Verbindungsstelle“ vorübergehend zur<br />
Einsicht vorgelegt werden und<br />
- die Beteiligten von ihrer Schweigepflicht<br />
entbunden werden.<br />
Die <strong>GEW</strong> rät allen Betroffenen, diese<br />
Einverständniserklärung nicht zu unterschreiben.<br />
Bisher hat die Einschaltung<br />
der „Medizinischen Verbindungsstelle“<br />
vor allem zur zeitlichen Verzögerung<br />
des Verfahrens geführt.<br />
esm<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
27
Alter + Ruhestand<br />
Die <strong>GEW</strong> gratuliert<br />
im April 2002<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Frau Hedi Geilen<br />
15.04.1932<br />
Im Gänsstück 28 · 56242 Selters<br />
Herrn Wolfgang Keimburg<br />
16.04.1932<br />
Schulstr. 24 · 55595 Weinsheim<br />
zum 75. Geburtstag<br />
Frau Ingrid Unger<br />
05.04.1927<br />
Leibnitzstr. 31 · 67292 Kirchheimbolanden<br />
Herrn Hans Erich Merker<br />
09.04.1927<br />
Am Griesböhl 24 · 66994 Dahn<br />
Herrn Hans Hans Schmitt<br />
14.04.1927<br />
im Mai 2002<br />
Rödelsbach 43 · 66909 Krottelbach<br />
Frau Rosemarie Bantz<br />
zum 70. Geburtstag<br />
16.04.1927<br />
Mühlstr. 13 · 76831 Billigheim-Ingenheim<br />
Frau Maria Walther<br />
16.04.1927<br />
Albrecht-Dürer-Str. 11 · 67304 Eisenberg<br />
Herrn Otfried Müller<br />
17.04.1927<br />
Kirchstr. 19 · 76872 Freckenfeld<br />
Herrn Jakob Bläsius<br />
19.04.1927<br />
Reitweg 7 · 55743 Idar-Oberstein<br />
zum 75. Geburtstag<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Frau Ingeborg Hoffmann<br />
13.04.1922<br />
Maximilianstr. 4 · 76829 Landau<br />
Herrn Erich Volandt<br />
23.04.1922<br />
Wißmannstr. 89 · 67065 Ludwigshafen<br />
Frau Selma Panitz<br />
30.04.1922<br />
Klosterstr. 29 · 66953 Pirmasens<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Herrn Walter Sauer<br />
10.04.1917<br />
Hauptstr. 1 · 67281 Bissersheim<br />
Frau Maria Luise Touby<br />
28.04.1917<br />
Am Koppelberg 18 · 57520 Niederdreisbach<br />
zum 86. Geburtstag<br />
Frau Anna Müller<br />
05.04.1916<br />
Robert-Koch-Str. 22 · 67304 Eisenberg<br />
zum 87. Geburtstag<br />
Herrn Friedrich Hoffmann<br />
03.04.1915<br />
Fruchtmarktstr. 26 · 66482 Zweibrücken<br />
Herrn Karl Stiehl<br />
05.04.1915<br />
Gartenstr. 28 · 56581 Melsbach<br />
Frau Annemarie Lang-Venema<br />
14.05.1932<br />
Im Herrngarten 7 · 56368 Katzenelnbogen<br />
Herrn Kurt Vetter<br />
23.05.1932<br />
Römerring 17 · 55599 Siefersheim<br />
Frau Elfriede Kiefer<br />
29.05.1932<br />
Hanns-Fay-Str. 3 · 67227 Frankenthal<br />
Frau Dorothea Breitenbach<br />
05.05.1927<br />
Hauptstr. 10 · 76831 Billigheim-Ingenheim<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Herrn Dr. Karl-Heinz Bartels<br />
02.05.1922<br />
Hohenzollernstr. 85b · 56068 Koblenz<br />
Herrn Karl Duenkel<br />
21.05.1922<br />
Husterhöhstr. 9 · 66952 Pirmasens<br />
Herrn Kurt Rademacher<br />
25.05.1922<br />
Carl-Orff-Str. 7 · 67551 Worms<br />
Herrn Ernst Ranzenberger<br />
26.05.1922<br />
Rathenaustr. 1 · 55131 Mainz<br />
Herrn Hans Pfaffenberger<br />
27.05.1922<br />
Hofberg 3 · 54296 Trier<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Frau Inge Dreyer<br />
07.05.1917<br />
Wiedstr. 6 · 57627 Hachenburg<br />
zum 88. Geburtstag<br />
Herrn Franz Fremgen<br />
28.05.1914<br />
Weinstr. 33 · 76887 Bad Bergzabern<br />
zum 89. Geburtstag<br />
Herrn Erich Müller<br />
12.05.1913<br />
Königstor 26 · 34117 Kassel<br />
zum 92. Geburtstag<br />
Herrn Georg Blees<br />
04.05.1910<br />
Hochstr. 2 · 57629 Streithausen<br />
Der Landesvorstand<br />
28 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Tipps + Termine<br />
Kompakte Konferenz<br />
Phase:<br />
Vorbereitung<br />
Kontakt<br />
Kontrakt<br />
Arbeitsphase<br />
Vereinbarung<br />
Abschluss<br />
Nachbesprechung<br />
Ziel:<br />
geplantes Ergebnis<br />
erreichen<br />
Arbeitsfähigkeit<br />
Arbeitsweise<br />
Produktivität<br />
Ergebnisfindung<br />
Präsentation<br />
Ergebnistransfer<br />
Abschied<br />
Reflexion der<br />
Leitung<br />
Phase:<br />
Planung der Tagesordnung, vorbereitende<br />
Diskussion mit Vorbereitungsgruppe, vorbereitendes<br />
Material erstellen, Konferenzstrategie,<br />
Zeitplanung<br />
Offener Anfang, Kollegialität<br />
Erläuterung der Tagesordnung, Einvernehmen<br />
über Vorgehensweise herstellen<br />
Gruppenarbeit mit Dokumentationspflicht<br />
Gruppensprecher, Klärung offener Fragen<br />
Gruppenergebnisse zusammenfassen,<br />
Konferenzbeschluss<br />
Deutliches Ende, Dank für engagierte<br />
Mitarbeit<br />
Wertung des Ergebnisses. konstruktive<br />
Kritik an der Konferenzleitung durch die Vorbereitungsgruppe,<br />
resultierende Pespektiven<br />
Zeit:<br />
120 Min.<br />
15 Min.<br />
20 Min.<br />
45 Min.<br />
20 Min<br />
15 Min.<br />
5 Min.<br />
30 Min.<br />
Ein von Mehmet Kilic organisiertes<br />
Seminar zum Thema „Leitung von<br />
Konferenzen“ vom 8.-9.11.01 in<br />
Bad Münster am Stein -Ebernburg<br />
fand bei den TeilnehmerInnen großen<br />
Anklang.<br />
„Schulentwicklung heißt Konferenzentwicklung“,<br />
von diesem Leitsatz<br />
aus entwickelte der Referent Uwe<br />
Becker eindrucksvoll und kompetent<br />
einen neuen Ansatz zur Organisation<br />
und Durchführung von Konferenzen<br />
in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.<br />
Im Prinzip gelten<br />
für Planung und Durchführung<br />
einer Konferenz die gleichen Ansätze<br />
wie für gut geplanten und modernen<br />
Unterricht. Dabei ist die Zufriedenheit<br />
der TeilnehmerInnen obers–<br />
tes Prinzip. Nur wenn es gelingt, die<br />
Arbeitsfreude der KollegInnen zu<br />
wecken und nachhaltige Ergebnisse<br />
zu erzielen, wird sich diese Zufriedenheit<br />
bei möglichst allen PädagogInnen<br />
neu einstellen.<br />
Wichtige Rahmenbedingungen, die<br />
von der Konferenzleitung vorher erbracht<br />
werden müssen, sind eine präzise<br />
Vorbereitung und eine exakte<br />
Zeitplanung. Eine gut geplante Konferenz<br />
sollte nie länger als zwei Stunden<br />
dauern. Das bedeutet auch für<br />
die Planung, dass das Konferenzthema<br />
auch mit einem Konferenzbeschluss<br />
beendet sein kann. Notwendige<br />
Diskussionen und meinungsbildende<br />
Erörterungen können in einer<br />
vorbereitenden Dienstbesprechung<br />
initiiert werden. Auch nicht zum<br />
Konferenzthema passende Mitteilungen<br />
und Anfragen sollten auf diese<br />
kurze regelmäßig stattfindende<br />
Dienstbesprechung verwiesen werden.<br />
Die Planung einer solchen Konferenz<br />
könnte dann so aussehen (siehe<br />
Tabelle 1). Zum Gelingen einer<br />
solchen Kompaktkonferenz trägt sowohl<br />
die Bereitschaft der Leitung,<br />
Kompetenzen zu teilen, als auch Kritikfähigkeit<br />
des gesamten Teams wesentlich<br />
bei. Hilfreich wäre auch ein<br />
Kompetenztraining (Arbeit in der<br />
Konferenz) des gesamten Kollegiums.<br />
Alle TeilnehmerInnen der <strong>GEW</strong>-<br />
Fortbildung waren bereit, sich in diese<br />
neue Methodenwelt der Erwachsenenbildung<br />
zu wagen und das eigene<br />
Verhalten kritisch zu hinterfragen.<br />
Peter Dill<br />
Politikunterricht im Informationszeitalter<br />
Medien nehmen in der<br />
beruflichen und privaten<br />
Lebenswelt eine<br />
immer zentralere Stellung<br />
ein. Die zunehmende<br />
Verbreitung<br />
neuer Informationsund<br />
Kommunikationsmedien<br />
erfordert Antworten<br />
von der Schule.<br />
Während sich die<br />
allgemeinen Erziehungswissenschaften<br />
und die Politikwissenschaft<br />
bereits mit Medienfragen auseinandersetzen,<br />
hat sich die Politikdidaktik<br />
bisher eher am Rande mit<br />
den neuen Medien beschäftigt.<br />
Diese Lücke schließt der gerade im<br />
Wochenschau Verlag erschienene<br />
Band „Politikunterricht im Informationszeitalter“.<br />
Darin widmen sich<br />
die Autorinnen und Autoren traditionellen<br />
und neuen Medien gleichermaßen.<br />
Ihnen gelingt dabei der<br />
schwierige Brückenschlag zwischen<br />
der theoretischen Politikdidaktik<br />
und dem praktischen Unterricht in<br />
den Schulen.<br />
Dem Band liegt die CD-ROM<br />
„Wegweiser durch das Internet für<br />
den Politikunterricht“ bei. Diese<br />
stellt dem Nutzer für die politische<br />
Bildung relevante Internet-Ressourcen<br />
über die bloße Angabe von Links<br />
hinaus vor und macht sie teilweise<br />
sogar offline zugänglich.<br />
Der Sammelband und die beigefügte<br />
CD-ROM zeigt viele neue Möglichkeiten<br />
für den Einsatz von neuen<br />
Medien auf, bietet aber auch Anregungen<br />
für den Einsatz der traditionellen<br />
Medien.<br />
Georg Weißeno (Hrsg.): Politikunterricht<br />
im Informationszeitalter,<br />
Medien und neue Lernumgebungen<br />
Wochenschau Verlag, Adolf-Damaschke-Str.<br />
103, 65824 Schwalbach/Ts.<br />
ISBN 3-87920-635-X, 328<br />
Seiten, € 19,50<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
29
Tipps + Termine<br />
Heinrich-Wolgast-Preis an Viriginia Euwer Wolff<br />
Alle drei Jahre lobt die Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft einen<br />
Preis aus für Jugendliteratur, die sich<br />
mit der Arbeitswelt auseinandersetzt.<br />
In diesem Jahr wird den Preis Viriginia<br />
Euwer Wolff für ihr Buch „Wenn<br />
dir das Leben eine Zitrone gibt, mach<br />
Limonade draus“ erhalten.<br />
Die Autorin lässt das vierzehnjähriges<br />
Mädchen La Vaughn einen Job<br />
als Babysitterin suchen, damit sie das<br />
College besuchen kann. Bildung ist<br />
für sie einzig möglicher Ausweg aus<br />
dem Ghetto. Ihre Arbeitgeberin ist<br />
eine junge 17-jährige, allein erziehende<br />
Mutter, die jemanden<br />
braucht, der auf ihre beiden kleinen<br />
Kinder aufpasst, während sie in der<br />
Fabrik arbeitet. Trotz aller Widrigkeiten<br />
hält La Vaughn durch und<br />
schafft es sogar, die junge Mutter zu<br />
einem erneuten Schulbesuch und der<br />
Inanspruchnahme von Sozialhilfe<br />
und Kinderbetreuung zu überzeugen.<br />
Mit diesem Buch stellt die Autorin<br />
eine berufstätige, allein erziehende<br />
Mutter und ihre Schwierigkeiten in<br />
Alltag und Beruf dar, aber auch ein<br />
junges Mädchen, das für seine Bildung<br />
und den Ausstieg aus dem<br />
Ghetto „nebenbei“ in die Arbeitswelt<br />
einsteigt.<br />
Die Jury befand: „Die gelungene literarische<br />
Vermittlung einer alle Jugendlichen<br />
betreffenden Thematik<br />
war für die Entscheidung ... ausschlaggebend“.<br />
Der Preis wird am 8. Mai 2002 in<br />
Hannover durch die Vorsitzende der<br />
<strong>GEW</strong>, Eva-Maria Stange, an die Autorin<br />
übergeben. ajum<br />
Mundartwettbewerb für SchülerInnen<br />
Im Oktober 2002 findet zum 50.<br />
Mal der Pfälzische Mundartdichterwettstreit<br />
in Bockenheim an der<br />
Weinstraße statt. Aus diesem Anlass<br />
schreiben die Gemeinde Bockenheim<br />
und der Förderkreis Mundarttage<br />
Bockenheim einen Sonderpreis<br />
für Schülererinnen und Schüler aus.<br />
Die Veranstalter des Mundartdichterwettstreits<br />
wollen mit diesem Preis<br />
dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche<br />
sich mit der pfälzischen<br />
Mundart näher befassen und auf ihre<br />
eigene Weise über diese Sprache<br />
nachdenken, mit ihr spielen oder sie<br />
dokumentieren.<br />
Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert<br />
und kann auf mehrere Preisträger<br />
aufgeteilt werden.<br />
Teilnahmeberechtigt sind Klassen<br />
und Arbeitsgemeinschaften aller<br />
Dinosaurier-Ausstellung in Kaiserslautern<br />
Nach dem Erfolg der vergangenen<br />
Jahre öffnet die Gartenschau Kaiserslautern<br />
erneut ihre Pforten. Highlight<br />
dieser 3. Saison wird die größte<br />
wissenschaftliche Dinosaurier-<br />
Ausstellung Europas sein. Auf dem<br />
Gelände werden 64 originalgetreu<br />
nachgebaute Dinosauriermodelle in<br />
ihrer Entwicklung vom Devon bis<br />
zur Kreidezeit zu sehen sein. Begleitende<br />
Informationstafeln vermitteln<br />
außerdem Wissenswertes über die<br />
Schularten und Altersstufen in der<br />
<strong>Pfalz</strong> und Kurpfalz. Inhalt, Form und<br />
Präsentation sind freigestellt. Eingereicht<br />
werden können Mundarttexte<br />
(z. B. Beiträge aus Schülerzeitungen),<br />
szenische Darstellungen (dokumentiert<br />
auf Video), empirische<br />
Untersuchungen (Interviews, Gespräche,<br />
Tonbandaufnahmen) oder<br />
literarisch-musikalische Darbietungen.<br />
Die Dokumentation der in der<br />
Klasse/AG erarbeiteten Beiträge<br />
kann in Textform, auf Video, Tonband,<br />
via Internet oder durch Fotomaterial<br />
erfolgen.<br />
Eine unabhängige Fachjury, bestehend<br />
aus Autoren, Lehrern, Journalisten,<br />
Sprach- und Literaturwissenschaftlern,<br />
entscheidet über die Preisvergabe.<br />
Bei der Beurteilung der eingesandten<br />
Beiträge werden - neben<br />
der Qualität und Originalität - die<br />
unterschiedlichen Altersstufen und<br />
Schularten berücksichtigt.<br />
Die Arbeiten müssen spätestens mit<br />
Beginn der Sommerferien in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
am Mittwoch, den 3. Juli<br />
2002, in Bockenheim eingereicht<br />
werden.<br />
Die öffentliche Bekanntgabe der<br />
Preisträger und die Verleihung der<br />
Preise findet im Rahmen des 50.<br />
Pfälzischen Mundartdichterwettstreits<br />
am Samstag, den 19. Oktober<br />
2002, in Bockenheim statt.<br />
Für weitere Informationen wenden<br />
Sie sich bitte an eine der folgenden<br />
Adressen:<br />
• Gemeinde Bockenheim an der<br />
Weinstraße, Christa Wöhrle, Tel.<br />
06359/4215, e-mail: info@weingutwoehrle.de<br />
• Jurysprecher Karl-Friedrich Geißler,<br />
Tel. 06323/989075, e-mail:<br />
geissler-edenkoben@t-online.de<br />
pm<br />
Flora und Fauna der Urwelt. Bei einer<br />
Zeitreise durch den Erlebnis-<br />
Tunnel zeigen sich eindrucksvolle<br />
Bilder aus unserer Erdgeschichte.<br />
Ergänzt wird diese Ausstellung mit<br />
einem umfangreichen Programm<br />
für Schulen und Kindergärten. Für<br />
Kinder und Jugendliche wird diese<br />
Ausstellung auch zum Lernort, denn<br />
vielfach haben sie die Möglichkeit,<br />
sich ihrem Alter entsprechend geistig<br />
und spielerisch mit dem Thema<br />
Evolution zu beschäftigen.<br />
Im Rahmen des „Grünen Klassenzimmers“<br />
können Schulklassen Unterrichtseinheiten<br />
mit fachkundigen<br />
ReferentInnen aus den Bereichen<br />
Natur und Technik buchen oder an<br />
verschiedenen Aktionen rund um<br />
das Thema Dinosaurier teilnehmen.<br />
Mit begleitenden Lehrmaterialien<br />
kann das Gelernte dann nachbereitet<br />
und vertieft werden.<br />
pm<br />
30 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Tipps + Termine<br />
Weiterbildungsstudium Europäische Migration<br />
Zielsetzung<br />
Mit dem Weiterbildungsstudium „Europäische<br />
Migration“ wollen die beteiligten<br />
Organisationen,<br />
zu denen auch die <strong>GEW</strong><br />
gehört, einen Ort schaffen,<br />
an dem Menschen<br />
ihre Erfahrungen und<br />
ihr Wissen aus Arbeit,<br />
Beruf, freiwilligem sozialem<br />
Engagement, Selbstorganisation,<br />
Politik und dem persönlichen Leben<br />
einbringen und für das gemeinsame<br />
Lernen nutzen können. Ziel ist es, aktiv<br />
die Verständigung in unserer Gesellschaft<br />
über das soziale und interkulturelle<br />
Zusammenleben in der Rhein-<br />
Main-Region voranzubringen sowie<br />
Bildungschancen und Teilhabe für alle<br />
Menschen zu fördern und Menschen zu<br />
befähigen interkulturelle Prozesse zu<br />
steuern.<br />
Adressaten<br />
Mitglieder von Ausländerbeiräten,<br />
Mitglieder von Kultur-, Migrantenund<br />
Elternvereinen sowie Initiativgruppen,<br />
Eltern, Fachkräfte der sozialen<br />
Dienste (z. B. der Jugendhilfe, der Gemeinwesenarbeit,<br />
der Wohnungslosenhilfe),<br />
LehrerInnen, ErzieherInnen,<br />
MitarbeiterInnen in der Jugend- und<br />
Erwachsenenbildung, MigrationssozialarbeiterInnen,<br />
MitarbeiterInnen aus<br />
Verwaltungen, MitarbeiterInnen in der<br />
betrieblichen Aus- und Fortbildung,<br />
MedienarbeiterInnen, Multiplikatoren<br />
aus Politik, Wirtschaft, Kirchen und<br />
Gewerkschaften, StudentInnen, WissenschaftlerInnen,<br />
Kommunal- und LandespolitikerInnen<br />
Themenbereiche<br />
T 1: Soziale Dimension und interkulturelle<br />
Aspekte der Migrationsprozesse<br />
auf europäischer, nationaler, regionaler<br />
und kommunaler Ebene<br />
T 2: Konzequenzen und Reaktionen in<br />
Politik-, Rechts-, Wirtschafts-, Sozial-<br />
, Kultur- und Bildungssystem<br />
T 3: Konzepte und Modelle in Sozialpolitik,<br />
Bildungssystem und Sozialarbeit<br />
T 4: Länder- und regionenspezifische<br />
und -vergleichende Studien auf europäischer<br />
Ebene<br />
T 5: Forschungsmethoden des internationalen<br />
und interkulturellen Vergleichs;<br />
didaktische Konzepte und Methoden<br />
interkultureller Kommunikation<br />
Methodik und Didaktik<br />
Alle Veranstaltungen greifen neben inhaltlichen<br />
Aspekten Interkulturalität<br />
als Arbeits- und Lernprinzip auf.<br />
Durch Wissenserwerb in Verbindung<br />
mit einem erfahrungs- und handlungsorientierten<br />
Vorgehen soll die eigene<br />
interkulturelle Kompetenz wahrgenommen<br />
und reflektiert, praktisch eingeübt<br />
und die konzeptionelle Auseinandersetzung<br />
mit den Themenbereichen<br />
der Migration gefördert werden.<br />
Im Rahmen konkreter Arbeitskontexte<br />
werden die gesellschaftlichen und politisch-wirtschaftlichen<br />
Zusammenhänge<br />
sowie die fachliche, soziale und persönliche<br />
Dimension einbezogen.<br />
Abschlussmöglichkeiten<br />
* Zertifikat<br />
Für die Absolvierung aller fünf Themenbereiche<br />
mit einer Gesamtdauer<br />
von mind. 80 UStd. und für die Erstellung<br />
einer Projektarbeit, die Anfertigung<br />
einer Hausarbeit oder die Teilnahme<br />
an einem Kolloquium wird ein<br />
Zeugnis über die erbrachten Studienleistungen<br />
und das Abschlusszertifikat<br />
„Wissenschaftliches Weiterbildungsstudium<br />
EUROMIR“ erteilt.<br />
Folgende Veranstaltungen finden<br />
2002/2003 noch statt:<br />
Zuwanderung und Nützlichkeit (T1)<br />
„Eine Hand wäscht die andere?“, 18. /<br />
19. April 2002 (siehe Kasten)<br />
Exkursion nach Pécs (Ungarn) (T4)<br />
Mai 2002<br />
Die Medien der Migranten in Deutschland<br />
(T2), 26./27. September 2002<br />
Viele Kinder, viele Sprachen II ( T3),<br />
17. /18. Oktober 2002<br />
Interkulturelle Kommunikation (T5),<br />
„Minderheiten, Mehrheiten und Demokratie“,<br />
03./04. April 2003<br />
EinwanderInnen in der Zivilgesellschaft<br />
- ihre politischen, wirtschaftlichen,<br />
kulturellen und sozialen Beiträge<br />
(T2), 03./04. April 2003<br />
Eingewanderte Minderheiten - Praxis<br />
und Modelle im internationalen Vergleich<br />
(T4), 25./26. September 2003<br />
Viele Kinder, viele Sprachen III ( T3)<br />
13./14. November 2003<br />
Nähere Informationen und Anmeldung:<br />
Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz, Zentrum für wissenschaftliche<br />
Weiterbildung , 55099<br />
Mainz, Tel.: 06131/ 3922901 bzw.<br />
3924118, Fax: 06131/ 3924714<br />
e-mail: zww@ verwaltung.unimainz.de,<br />
http:// www.zww.unimainz.de<br />
bzw. http://www.unimainz.de/FB/Paedagogik/euromir<br />
„Eine Hand<br />
wäscht die<br />
andere?“<br />
Migration wird derzeit in Politik<br />
und Gesellschaft in erster Linie unter<br />
dem Aspekt der Nützlichkeit diskutiert.<br />
Die Tagung fragt nach den<br />
Kriterien, die dem Begriff der Nützlichkeit<br />
zugrunde liegen und nach<br />
den Tabus, die dieser Begriff nach<br />
sich zieht. Dabei ist der politische,<br />
ökonomische, kulturelle und soziale<br />
Nutzen für die Akteure der Aufnahmegesellschaft,<br />
der Herkunftsstaaten<br />
und der Migranten differenziert zu<br />
beleuchten. Kann für alle Beteiligten<br />
von einer Win-Win-Situation gesprochen<br />
werden oder sind Gewinner<br />
und Verlierer auszumachen? Auf<br />
den Antworten dieser Fragen aufbauend,<br />
werden am Ende der Tagung<br />
Folgerungen für die Praxis der Sozialarbeit<br />
und nicht zuletzt für die Migrationstheorie<br />
und Migrationspolitik<br />
entwickelt.<br />
Seminarnr.: 11050104: Zuwanderung<br />
und Nützlichkeit (T1)<br />
„Eine Hand wäscht die andere?“,<br />
18. /19. April 2002 , Ort: Diözesancaritasverband,<br />
Mainz<br />
Anmeldeschluss: 18. März 2002<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
31
Tipps + Termine<br />
Materialien gegen Rechtsextremismus<br />
Die Erziehung zu Toleranz gilt als<br />
wichtiges Element zur Bekämpfung<br />
von Rassismus und zur Entwicklung<br />
einer demokratischen Gesellschaft.<br />
Der neue Reader von IDA mit dem<br />
Titel „Achtung! Toleranz“ nähert<br />
sich diesem Thema aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln:<br />
Der erste Teil gibt einen Überblick<br />
über die Begriffsgeschichte der Toleranz,<br />
dokumentiert zeitgemäße<br />
und anwendungsbezogene Definitionen<br />
und problematisiert den Begriff<br />
durch historische und aktuelle<br />
Texte. Eine Sammlung von Zitaten<br />
verdeutlicht die Vielschichtigkeit<br />
der Toleranz. Im Teil „Erziehung zur<br />
Toleranz“ werden aktuelle Projekte<br />
zum Thema vorgestellt. Die Dokumentation<br />
praktischer Übungen<br />
und Spiele gibt Anregungen für die<br />
Jugend- und Bildungsarbeit. Der<br />
Serviceteil der Broschüre führt Einrichtungen<br />
auf, die sich mit dem<br />
Thema „Toleranz“ befassen. Er enthält<br />
darüber hinaus eine kommentierte<br />
Liste von Literaturtipps.<br />
Die Broschüre umfasst 64 Seiten und<br />
kostet 5 EURO .<br />
„... der Adolf war nicht<br />
schlimm ...“ Rechtsextremismus<br />
- Kontinuitäten<br />
und Brüche<br />
Für den deutschen Rechtsextremismus<br />
ist die nationalsozialistische Vergangenheit<br />
ein wichtiger Bezugspunkt,<br />
der auch gegenwärtige rechtsextreme<br />
Positionen und Aktionen<br />
bestimmt. Der Reader „... der Adolf<br />
war nicht schlimm ...“ behandelt dieses<br />
Thema unter drei Gesichtspunkten.<br />
Teil I (Geschichtsbewusstsein<br />
in der „Mitte der Gesellschaft“) zeigt<br />
rechtsextreme Aspekte in Diskussionen<br />
von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.<br />
In Teil II (Nationalsozialismus<br />
als Bezugspunkt rechtsextremer<br />
Organisationen) werden rechtsextreme<br />
Organisationen und deren<br />
unterschiedliche Bezüge zum Nationalsozialismus<br />
dargestellt. Der dritte<br />
Teil (Rechtsextreme Lebenswelten)<br />
gibt Beispiele des Umgangs mit Geschichte<br />
durch Jugendliche mit<br />
rechtsextremer Orientierung. Im<br />
Vordergrund dieser Texte stehen dabei<br />
emotionale und subjektive<br />
Aspekte der porträtierten Jugendlichen.<br />
Im Anhang des Readers findet<br />
sich eine Liste mit kommentierter<br />
Literatur sowie eine Zusammenstellung<br />
von Websites gegen Rechtsextremismus.<br />
Die Broschüre umfasst 52 Seiten<br />
und kostet ebenfalls 5,- EURO.<br />
Bezug: IDA, Friedrichstr. 61 a,<br />
40217 Düsseldorf, Tel: 02 11 / 15<br />
92 55-5, Fax: 02 11 / 15 92 55-69,<br />
info@IDAeV.de<br />
Verzeichnis der 600 Jugendherbergen<br />
Ein kostenloses Verzeichnis hat jetzt<br />
erstmals das Deutsche Jugendherbergswerk<br />
(DJH) herausgegeben.<br />
Knapp 600 Häuser werden in dem<br />
Handbuch „Jugendherbergen<br />
2002“ beschrieben.<br />
Von Skikursen bis zu Kanufahrten,<br />
von Reitsport bis zu Selbstverteidigungskursen,<br />
von Bungeejumping<br />
bis zu Wellness, von Kulturwork-<br />
Taschenbuch-Tipps 2002<br />
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />
Jugendliteratur und Medien<br />
haben im Jahr 2001 rund 11000<br />
Kinder- und Jugendbücher rezensiert<br />
und den Verlagen, Autoren und<br />
der interessierten Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht.<br />
Klassenfahrten nach Berlin<br />
(incl. Transfer, Unterkunft,<br />
Programmgestaltung nach Absprache).<br />
Broschüre anfordern bei:<br />
Biss, Freiligrathstr. 3, 10967 Berlin,<br />
Tel. (030) 6 93 65 30<br />
Zugleich wird zum vierten Mal ein<br />
Verzeichnis mit zu empfehlenden Taschenbüchern<br />
erscheinen, in dem auf<br />
rund 300 Bücher aufmerksam gemacht<br />
wird. Das Verzeichnis hilft bei<br />
der Suche nach (guter und preiswerter)<br />
Klassenlektüre.<br />
Empfehlenswert ist auch eine weitere<br />
Broschüre: Das Bändchen „Schreiben-Lesen-Schreiben“<br />
beschäftigt<br />
sich mit kreativem Schreiben als<br />
Möglichkeit der Steigerung des verstehenden<br />
Lesens.<br />
Weitere Infos: www.gew.de/ajum<br />
shops bis zu Zirkuszelten - das neue<br />
Handbuch bietet Schulklassen, LehrerInnen,<br />
Familien, Gruppen und<br />
Einzelgästen erste Anregungen für<br />
Ausflüge an.<br />
Das Verzeichnis enthält Bilder von<br />
allen Häusern, ferner Angaben zu<br />
Zimmern, Ausstattung, Preisen, Öffnungszeiten,<br />
Adressen, Telefon, etc.<br />
Auf der 28 Seiten zählenden, integrierten<br />
Deutschlandkarte sind die<br />
Standorte der Jugendherbergen dargestellt.<br />
Versandkostenfreie Bestellung: DJH-<br />
Service GmbH, 32754 Detmold, Telefon<br />
0 52 31 / 74 01 - 0, Fax: 74 01-<br />
49, E-Mail: service@djh.de;<br />
www.djh.de<br />
Anders reisen<br />
Auf einem Öko-Bauernhof in Polen<br />
Gemüse ernten, mit dem Rad<br />
von Wien nach Budapest strampeln<br />
oder einfach am spanischen<br />
Strand in der Sonne braten. Mit<br />
26 Reisezielen macht der neue<br />
Katalog von „anders reisen“ Lust<br />
auf Urlaub. Die Angebote der<br />
DGB-Jugend NRW richten sich<br />
an junge Leute zwischen 11 und<br />
20 Jahren.<br />
andersreisen@dgb.de,<br />
www.dgb-andersreisen.de,<br />
Tel: 0251/136 72 75<br />
32 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Tipps + Termine<br />
Verfolgung von GewerkschafterInnen<br />
Die Zahl der ermordeten GewerkschafterInnen<br />
hat im Jahr 2000 gegenüber<br />
1999 um 50 Prozent zugenommen.<br />
Nach Angaben des Internationalen<br />
Bundes freier Gewerkschaften<br />
(IBFG) wurden im letzten<br />
Jahr 210 GewerkschafterInnen ermordet,<br />
8.245 inhaftiert und 2.931<br />
KNETE - KOHLE - KIES aktualisiert<br />
Das in der <strong>GEW</strong>-Zeitung bereits im<br />
letzten Jahr vorgestellte Programm<br />
„Knete“ rechnet die Bezüge beamteter<br />
Lehrkräfte in allen nur denkbaren<br />
Konstellationen wie Vollzeit,<br />
Teilzeit, Sabbatjahr, Altersteilzeit<br />
usw. brutto wie netto aus.<br />
misshandelt oder gefoltert. Kolumbien<br />
ist für sie das gefährlichste Land.<br />
153 Menschen wurden dort wegen<br />
ihres Engagements für Arbeitnehmerrechte<br />
ermordet. Seit 1988 gibt<br />
der IBFG alljährlich einen Bericht<br />
zur Verfolgung von GewerkschafterInnen<br />
heraus. 141 Länder werden<br />
Das Schwesterprogramm „Kohle“<br />
berechnet ebenso die Vergütung angestellter<br />
Lehrer in allen Varianten.<br />
„Kies“ ermittelt die Steuer- und Sozialversicherungsabzüge<br />
z. B. bei<br />
LAA, Pensionären etc.<br />
Neue Versionen der Programme mit<br />
im Bericht von 2001, der die Verfolgung<br />
im Jahre 2000 dokumentiert,<br />
aufgeführt. Die Unterdrükkung<br />
der Gewerkschaftsrechte nehme<br />
zu, so der IBFG, nicht nur in<br />
Entwicklungsländern, auch in Industriestaaten.<br />
www.ictu.org<br />
Individuelle Förderung durch Differenzierung<br />
Konfliktstoff Kopftuch<br />
Der neu im Cornelsen-Verlag Scriptor<br />
erschienene Ratgeber Differenzieren<br />
im Unterricht stellt praxiserprobte<br />
Instrumente der Differenzierung<br />
vor und benennt Einsatzmöglichkeiten<br />
für nahezu alle Jahrgangsstufen<br />
und Fächer der Sekundarstufe I und<br />
II.<br />
Das Buch geht von dem Ansatz aus,<br />
dass sich Individualität und Gemeinsamkeit<br />
sinnvoll ergänzen. Im Rahmen<br />
der Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />
werden Möglichkeiten dargestellt,<br />
wie Differenzierung bei individuellem<br />
Leistungsvermögen und<br />
Lernverhalten ansetzt. Sie kann auf<br />
der inhaltlichen, didaktischen, methodischen,<br />
sozialen und organisatorischen<br />
Ebene erfolgen. Die Palette<br />
der Angebote reicht von Themenbörse,<br />
Lerntagebuch über Lesezirkel<br />
und Lerntheken bis zu Zukunftswerkstätten<br />
und Computerlernprogrammen.<br />
Ein Quadratmeter Stoff mit gesellschaftspolitischer<br />
Brisanz: Das Kopftuch.<br />
– Ist es ein Glaubenssysmbol, reine<br />
Provokation oder Zeichen der Unterdrückung<br />
der Frau im Islam? Wenn<br />
es mit dem islamischen Glauben gleichgesetzt<br />
wird, wird das Kopftuch zur<br />
Projektionsfläche für Fragen der Integration,<br />
Toleranz und (religiösen) Freiheit.<br />
Mit der Arbeitsmappe „Konfliktstoff<br />
Kopftuch“ können sich Jugendliche<br />
und Erwachsene ein eigenes Urteil<br />
zum Thema bilden. Zeitungsartikel,<br />
Leserbriefe, Interviews mit Musliminnen<br />
und Muslimen, Koran-Suren und<br />
zahlreiche historische Quellen machen<br />
Ansichten und Grundüberzeugungen<br />
deutlich. Der Blick hinter die Fassade<br />
Ein konkretes Planungsbeispiel rundet<br />
das Buch ab. Die Autoren, Liane<br />
Paradies und Hand Jürgen Linser,<br />
kommen zu dem Schluss: Viele Wege<br />
führen nach Rom und damit zum<br />
individuell bestmöglichen Schulabschluss.<br />
pm<br />
Liane Paradies / Hans-Jürgen Linser<br />
„Differenzieren im Unterricht“, 248<br />
Seiten, mit einer Didaktischen Landkarte,<br />
kartoniert, 17,38 EURO,<br />
ISBN 3-589-21353-1<br />
aus Stoff ermöglicht einen Standpunktwechsel<br />
und regt zu einer intensiven<br />
Auseinandersetzung an: mit dem Islam,<br />
mit Religiosität an sich, dem Geschlechterverhältnis<br />
und nicht zuletzt<br />
unserem Umgang mit fremden Kulturen.<br />
Jochen Bauer: „Konfliktstoff Kopftuch<br />
“– Eine thematische Einführung<br />
in den Islam, ab 14 J., 138 S., A4,<br />
Pb, Verlag an der Ruhr, Bestell-Nr.<br />
2614, Preis: DM 36,40<br />
dem Stand Januar 2002 liegen vor.<br />
Informationen und (bei Interesse)<br />
Bestellung per eMail im Internet<br />
unter http://Helmut.Robertz.bei.tonline.de<br />
Preis: 15 EURO. <strong>GEW</strong>-Untergliederungen,<br />
die 10 oder mehr CDs benötigen,<br />
erhalten 20% Rabatt.<br />
pm<br />
DGB-Jugend bei „attac“<br />
Die Gewerkschaften sollten ihre Unabhängigkeit<br />
gegenüber den Parteien<br />
klarstellen und sich wieder stärker<br />
an außerparlamentarischen Be-<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
wegungen beteiligen. Dies haben die<br />
Delegierten der DGB-Jugendkonferenz<br />
gefordert. Die DGB-Jugend<br />
müsse sich „stärker aktiv in die Debatte<br />
um die Globalisierung einbringen“,<br />
so Claudia Meyer, DGB-Jugendsekretärin.<br />
Als ein erster Schritt<br />
wurde auf der Konferenz beschlossen,<br />
dem globalisierungskritischen Netzwerk<br />
attac beizutreten.<br />
eb<br />
33
Tipps + Termine / <strong>GEW</strong>-Intern<br />
Der Weg zum<br />
deutschen Pass<br />
Die deutsche Staatsangehörigkeit<br />
bringt MigrantInnen viele Vorteile.<br />
Den komplizierten Weg zum deutschen<br />
Pass hat das DGB-Bildungswerk<br />
verständlich erklärt. Die kostenlose<br />
Broschüre „Wahljahr 2002:<br />
einbürgern - wählen - mitentscheiden!“<br />
zeigt, was man über Sprachkenntnisse,<br />
Aufenthaltsdauer oder<br />
Gebühren wissen muss.<br />
Der Setzkasten, www.migrationonline.de,<br />
Tel . 0211-4080088, Fax:<br />
0211-4080080,<br />
Ausgerechnet der Protagonist konnte<br />
bei der offiziellen Eröffnung des<br />
<strong>GEW</strong>-Regionalbüros Süd am 14.<br />
Februar in Kaiserslautern nicht dabei<br />
sein: Für den erkrankten Peter<br />
Blase-Geiger musste seine Frau Heidi<br />
Geiger einspringen, die die von<br />
zahlreichen Gästen aus den <strong>GEW</strong>-<br />
Gliederungen und VertreterInnen<br />
der <strong>GEW</strong>-Partnerversicherung SIG-<br />
NAL-IDUNA besuchte Veranstaltung<br />
perfekt organisierte. In der<br />
schön renovierten, gemeinsam von<br />
der Landes-<strong>GEW</strong>, der <strong>GEW</strong>-Kaiserlautern<br />
und der SIGNAL-IDUNA<br />
genutzten Altbauwohnung in der<br />
Logenstraße unmittelbar am Hauptbahnhof<br />
der FCK-Stadt wies der<br />
<strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Tilman<br />
Boehlkau auf die steigenden Mitgliederzahlen<br />
hin, die er u.a. in der<br />
hauptamtlichen Präsenz der <strong>GEW</strong> in<br />
den beiden Regionalbüros Nord und<br />
Datenbank zum<br />
Berufsstart<br />
Infos zu 200 Projekten rund um die<br />
berufliche Förderung von Jugendlichen<br />
hat das deutsche Jugendinstitut<br />
(DJI) in einer Datenbank gespeichert.<br />
Zugang zur Sammlung mit<br />
dem Titel „Praxismodelle - Jugend in<br />
Arbeit“ (PRAXIMO) gibt’s über das<br />
Internet oder für 1,53 EURO für<br />
Porto per CD-ROM.<br />
Deutsches Jugendinstitut e.V., Regionale<br />
Arbeitsstelle Leipzig, Teubnerstr.<br />
11, 04317 Leipzig, Tel.: 0341/<br />
5665416, Fax: 0341/5665447,<br />
www.dji.de (Link PRAXIMO)<br />
Regionalbüro Süd offiziell eröffnet<br />
Internet lockt ins<br />
Museum<br />
Sammlungen und Exponate machen<br />
das Museum zu einem außerschulischen<br />
Lern- und Lehrort, wo Theorien<br />
der Lehrbücher praktisch und<br />
anschaulich ergänzt werden. Unter<br />
www.cornelsen-teachweb.de hält das<br />
Internetportal für LehrerInnen mit<br />
Lernort Museum ein besonderes<br />
Online-Angebot bereit. „Lernort<br />
Museum“ bietet PädagogInnen zu<br />
vielen deutschen Museen kostenloses<br />
Arbeitsmaterial und Hintergrundinformationen<br />
zur Vorbereitung<br />
eines Museumsbesuchs.<br />
pm<br />
Süd begründet<br />
sieht. Werner<br />
Schneider, der<br />
Vorsitzende des<br />
mitgliederstarken<br />
<strong>GEW</strong>-Bezirksverbandes<br />
Rheinhessen-<br />
<strong>Pfalz</strong>, bekannte,<br />
der Tendenz zu<br />
mehr Hauptamtlichkeit<br />
in<br />
der <strong>GEW</strong> kritisch<br />
gegenübergestanden<br />
zu haben, zeigte sich<br />
aber nun überzeugt von der bisherigen<br />
Arbeit von Peter Blase-Geiger.<br />
Um dessen Wirken insbesondere an<br />
den Unis und in den Studienseminaren<br />
zu unterstützen, kündigte er<br />
an, „unserem Mann im Regionalbüro<br />
Süd“ seine umfangreiche Sammlung<br />
von Lehrproben zu überlassen.<br />
Hans-Adolf Schäfer, Vorsitzender des<br />
Lauterer <strong>GEW</strong>-Nachbarkreisverbandes<br />
Donnersberg, in dem Peter Blase-Geiger<br />
einst seine <strong>GEW</strong>-Grundausbildung<br />
erhalten hatte, appellierte<br />
an die <strong>GEW</strong>, noch mehr auf ihre<br />
in solidarischer Arbeit begründete<br />
Stärke zu setzen. Friedel Derscheidt<br />
vom Vorsitzendenteam der <strong>GEW</strong>-<br />
Kaiserlautern freute sich abschließend<br />
über das neue Domizil ihres<br />
Kreisverbandes und bedankte sich<br />
bei dem ebenfalls anwesenden Kaiserlauterer<br />
Schuldezernenten Dr.<br />
Arne Oeckinghaus, der die gute Zusammenarbeit<br />
mit der <strong>GEW</strong> herausstellte,<br />
für die räumlich Unterstützung<br />
in der Vergangenheit.<br />
G. Helfrich<br />
Fotos: B. Clessienne<br />
34 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002
Kreis + Region<br />
<strong>GEW</strong> Zweibrücken<br />
Für Treue zur <strong>GEW</strong> geehrt<br />
Jubilarehrungen standen im Mittelpunkt der Weihnachtsfeier der<br />
<strong>GEW</strong>-Zweibrücken im Hotel „Rosengarten“. Der Kreisvorsitzende<br />
Klaus Veith begrüßte kurz die zahlreich erschienenen Gäste und<br />
ließ aus Gewerkschaftersicht die prägenden Ereignisse des zurückliegenden<br />
Jahres Revue passieren. Anschließend übernahm Kollegin<br />
Hanne Kaufmann den Part der Moderatorin und führte durch<br />
das Programm. Für den angemessenen weihnachtlichen Rahmen<br />
sorgten die Darbietungen der Musik-AG der Hauptschule Mitte<br />
Zweibrücken unter der Leitung der Kolleginnnen Fischer, Deßloch<br />
und Hübschen, die mittlerweile ihren festen Platz beim traditionellen<br />
Jahresausklang des Kreisverbandes haben. Für die klassischen<br />
Töne wurde die Musik-AG von der musikalischen Familie<br />
Benien unterstützt.<br />
KV-Vorsitzender Klaus Veith und der Ehrenvorsitzende des Kreisverbandes,<br />
Werner Schneider, konnten eine stattliche Anzahl von<br />
Mitgliedern für ihre langjährige Zugehörigkeit zum Kreisverband<br />
auszeichnen.<br />
60 Jahre: Gustav Arzt<br />
50 Jahre: Peter Haun, Helmut Ruf, Gertrud Schläfer, Ruth Buchert<br />
40 Jahre: Ute Grub, Frauke Hahne, Hans-Erich Henkes, Susanne<br />
Kraunus, Werner Schneider, Reinhild Schwarz, Anna Sittel, Dietlind<br />
Wittlich, Gertrud Wolf<br />
30 Jahre: August-Ludwig Deppe, Ute Fischer, Inge Grub, Manfred<br />
Haller, Henni Henneicke, Gerhard Jung, Dieter Klauß, Peter<br />
Lohr, Irmgard Müller, Volkmar Pritz, Regina Reif, Gerda Rücker,<br />
Gerhard Sandmeyer, Willi Schmidt, Sieglinde Sigwarth, Karl-Heinz<br />
Werle<br />
25 Jahre: Jürgen Balzer, Christa Balzer, Sonja Bleiholder, Ursula<br />
Ebersohl, Karin Eschenfelder-Hurle, Christian Georgi, Christa<br />
Goebes, Elke Höfling, Hannerose Hübner, Peter Huwer, Elke<br />
Studienreisen / Klassenfahrten<br />
8-Tage-Busreise z.B. nach<br />
WIEN ÜF 192,-- €<br />
BUDAPEST ÜF 192,-- €<br />
LONDON ÜF 254,-- €<br />
PRAG ÜF 199,-- €<br />
PARIS ÜF 224,-- €<br />
ROM ÜF 238,-- €<br />
10-Tage-Busreise z.B. nach<br />
SÜDENGLAND Ü 213,-- €<br />
TOSKANA Ü 202,-- €<br />
SÜDFRANKREICH Ü 230,-- €<br />
(Unterbringung in<br />
Selbstversorgerunterkünften)<br />
Jaenicke, Hans Jung, Ursula Kempf, Rudolf Knoll, Christa Kremp,<br />
Christel Marschall, Annelie Müller, Frauke Nehrling, Elke Oster,<br />
Gerda Reinfrank, Rosmarie Renno, Willy Robel, Ursula Rupp,<br />
Hans Schmidt, Annegret Schöndorf, Willi Schwab, Otto Schwarz,<br />
Anita Schwarz, Egbert Stocker, Berthold Trier, Klaus Veith, Waltraud<br />
Volz, Wolfgang Weber, Werner Welker, Horst Wolf, Jürgen<br />
Wolf, Petra Zentz-Kliebenstein.<br />
ar<br />
<strong>GEW</strong> Bezirk Trier<br />
Studienreise nach Hamburg<br />
Der <strong>GEW</strong>-Bezirk Trier, Fachgruppe Sonderpädagogische Berufe,<br />
lädt vom 10.04. bis zum 13.04.2002 zu einer Studienreise mit der<br />
Thematik „Gemeinsamer Unterricht / Beratung für Kinder in Problemsituationen“<br />
nach Hamburg ein.<br />
Inhalte:<br />
Gemeinsamer Unterricht - Hospitationen in Grundschulen, Schulen<br />
der Sek I und BBS,<br />
Besuch des Beratungszentrums für Integration,<br />
Besuch von integrativen und alternativen Arbeitsprojekten und<br />
Künstlerwerkstätten,<br />
Besuch einer REBUS - Beratungsstelle, Fachgespräch mit MitarbeiterInnen<br />
der Beratungsstelle und der wissenschaftlichen Begleitung<br />
Reise: Gemeinsame Anreise mit der Bahn ab Koblenz am10.04.<br />
nachmittags, Rückreise am Samstagnachmittag,<br />
Übernachtung im Stadthaus -Hotel (integrativ geführtes Hotelprojekt)<br />
TeilnehmerInnen: KollegInnen, die integrativ arbeiten, KollegInnen<br />
aus Schulen mit dem Förderschwerpunkt „Soziale und Emotionale<br />
Entwicklung“<br />
Kosten: Fahrt und ÜF für <strong>GEW</strong>-Mitglieder 130 €, für Nichtmitglieder<br />
230 € (Teilnehmerkreis begrenzt auf 18 Personen).<br />
Kontakt für Interessierte: Connie Burkert-Schmitz (Tel.: 0651/<br />
9933523); Elke Illigen (Tel.: 06571/ 20890); Monika Weise (Tel.:<br />
0651/ 65600)<br />
Alle Ausflugsfahrten inklusive.<br />
Flug- und Bahnanreise sowie andere Ziele (z.B. Ferienparks<br />
in den Niederlanden oder Belgien) auf Anfrage möglich!<br />
REISEBÜRO KRAUSE GMBH · MÜNSTERSTR. 55a · 44534 LÜNEN<br />
TELEFON (0 23 06) 7 57 55-0 · FAX (0 23 06) 7 57 55-49<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
35
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
Beilage zur E&W<br />
<strong>GEW</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />
Telefon: 06131-28988-0 • FAX 06131-28988- 80<br />
E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />
Schulgeist<br />
Als Oma noch Lehrerin war...<br />
Sätze, die mit „früher“ oder „zu meiner<br />
Zeit“ beginnen, veranlassen erst einmal<br />
alle BiVis (bis vierzig) die Ohren<br />
auf Durchzug zu stellen. Wenn das<br />
nicht gelingt, dann werden geistig die<br />
Ärmel hochgekrempelt und Kampfpositionen<br />
eingenommen: „Wäre doch<br />
gelacht, wenn wir diesen alten Müll<br />
nicht endlich für immer entsorgen<br />
könnten und diese alten Kamele, die<br />
immer wieder das Gras über längst vergangenen<br />
Dingen abfressen, zum<br />
Schweigen bringen könnten!“<br />
Nichts da, ich liebe meine Situation als<br />
altes wiederkäuendes Kamel. Es ist einfach<br />
erstaunlich, wie jede Generation<br />
glaubt, alles, was sie erlebt und denkt,<br />
sei ganz neu, bloß weil es für sie neu<br />
ist. Deshalb weide ich gerne Gras über<br />
alten Sachen ab, um zu beweisen: Fast<br />
alles war schon einmal da oder hat sich<br />
nur minimal geändert oder trägt nur<br />
ein neues Outfit.<br />
Das Beispiel, das ich erzählen will, liegt<br />
so reichlich zwanzig Jahre zurück und<br />
geschah in einer rheinland-pfälzischen<br />
Großstadt-Grundschule. Es ging um die<br />
Noten für das Halbjahreszeugnis, die<br />
im vierten Schuljahr ja eine besondere<br />
Bedeutung haben wegen der davon<br />
abhängigen Schullaufbahnempfehlung.<br />
Damals war das Urteil einer Lehrkraft<br />
noch verbindlich, und wenn sich die<br />
Eltern nicht daran hielten, hatte das<br />
eine Aufnahmeprüfung für das Kind an<br />
der Schulart zur Folge, die man für es<br />
wünschte.<br />
Eine als „links“ verschriene Kollegin<br />
führte eine vierte Klasse und entdeckte<br />
in der Notenliste bei einer Schülerin,<br />
die ein sonst durchweg gutes Zeugnis<br />
bekommen sollte, im Fach Mathematik<br />
ein „Ausreichend“. Dieses Fach<br />
wurde vom Schulleiter unterrichtet, der<br />
dieses Fach auf der Jahrgangsstufe für<br />
sich reservierte, da man nach seiner<br />
Meinung dafür keinerlei Vorbereitung<br />
benötigte, weil sich Mathe ja eh nie<br />
ändert.<br />
Die Kollegin hatte bis Ende des dritten<br />
Schuljahres ihre Klasse auch in Mathematik<br />
unterrichtet, und die betreffende<br />
Schülerin hatte - wie in den übrigen<br />
Fächern - gute Leistungen erbracht.<br />
Die Schülerin, Manuela, war nicht<br />
unbedingt ein „pflegeleichtes“ Kind.<br />
Tochter eines GI, der wegen krimineller<br />
Delikte schon seit einigen Jahren<br />
untergetaucht war, und einer sehr jungen<br />
deutschen Mutter, die ständig auf<br />
der Suche nach einem neuen Partner<br />
war. Manuela war sich deshalb meist<br />
selbst überlassen, und ihr Äußeres entsprach<br />
nicht den bei LehrerInnen gängigen<br />
Normen eines gepflegten Kindes.<br />
Die Haare hatten schon lange keinen<br />
Frisör mehr gesehen, die Fingernägel<br />
waren zu lang und meist etwas schmutzig,<br />
die Kleidung wurde wohl auch nur<br />
wöchentlich gewechselt. Da sie schnell<br />
im Denken war, fiel ihr auch immer<br />
ein kesser Spruch zu den Äußerungen<br />
von MitschülerInnen und Lehrkräften<br />
ein, den sie ohne große Hemmungen<br />
laut von sich gab. Aber frech oder gar<br />
aufsässig war sie nicht, sie konnte sich<br />
nur verbal gut ihrer Haut wehren -<br />
auch den Lehrkräften gegenüber.<br />
Die Klassenlehrerin hatte im Vorjahr<br />
oft über dieses Mädchen im Lehrerzimmer<br />
gesprochen und staunend über ihre<br />
schulischen Leistungen berichtet - trotz<br />
der ungünstigen familiären Situation.<br />
Ihre Enttäuschung über die Mathematikleistung<br />
war deshalb sehr groß, da<br />
sie gehofft hatte, Manuela eine Schullaufbahnempfehlung<br />
für das Gymnasium<br />
schreiben zu können. Außerdem<br />
hatte sie leise Zweifel daran, dass die<br />
Note „ausreichend“ tatsächlich zutreffend<br />
war.<br />
Sie entschloss sich deshalb, mit dem<br />
Schulleiter diesen Einzelfall zu besprechen<br />
und dabei auf die Vorschrift hinzuweisen,<br />
dass innerhalb eines halben<br />
Jahres eine Note nicht um zwei Stufen<br />
sinken dürfe, es sei denn, es lägen außergewöhnliche<br />
Gründe dafür vor, die<br />
dann aber auch aktenkundig gemacht<br />
werden müssten.<br />
Das beabsichtigte pädagogische Gespräch<br />
in der großen Pause war dann<br />
keines. Es war ein verbaler, sehr lautstarker<br />
Schlagabtausch, den das Kollegium<br />
fast vollständig durch die Wand<br />
des Lehrerzimmers mithören konnte.<br />
„Rein pädagogische Gründe“ veranlassten<br />
den Schulleiter zu der Note „ausreichend“.<br />
Er habe gesehen, dass die<br />
bereits in die Notenliste eingetragenen<br />
Noten eine Schullaufbahnempfehlung<br />
für das Gymnasium zur Folge haben<br />
könnte, und das habe er „mit Rücksicht<br />
auf die Schülerin doch verhindern<br />
müssen“. „Sehen Sie sich die doch einmal<br />
an, da gehört sie einfach nicht hin.<br />
Sie tun ihr nichts Gutes, wenn Sie sie<br />
aus ihrer sozialen Schicht herausholen.<br />
Sie wird nur unglücklich werden“.<br />
Diese Aussage ließ bei der Kollegin<br />
wohl alle Sicherungen durchbrennen,<br />
denn jetzt hörten wir unfreiwillig mit,<br />
wie sie etwas von „Sie haben Ihren<br />
Beruf verfehlt, Rechtsbeugung und Sozialfaschist“<br />
brüllte. Außerdem drohte<br />
sie an, die Bezirksregierung mit diesem<br />
Fall zu befassen und ein Dienstordnungsverfahren<br />
gegen ihn zu beantragen.<br />
Sie setzte sich auch ohne die angedrohten<br />
Maßnahmen durch, denn die Note<br />
„ausreichend“ konnte nicht mit Noten<br />
der schriftlichen Arbeiten belegt werden,<br />
und mutig war dieser Schulleiter<br />
immer nur gegenüber Schwächeren. Er<br />
änderte seine Note in „befriedigend“<br />
ab, und die Kollegin formulierte ihre<br />
Schullaufbahnempfehlung für das<br />
Gymnasium.<br />
Der Werdegang von Manuela gab der<br />
Kollegin im Nachhinein Recht. Zwar<br />
nicht ganz gradlinig aber nur mit einem<br />
kurzzeitigem Umweg machte<br />
Manuela das Abitur und ist heute<br />
Grund- und Hauptschullehrerin in<br />
Baden-Württemberg.<br />
Ist diese alte „Kamelle“ nicht brandaktuell?<br />
Steht nicht in der Pisa-Studie,<br />
dass das deutsche Schulsystem die<br />
„Schwachen“ noch immer benachteiligt?<br />
Und nicht nur das System! KollegInnen,<br />
die sich so für ihre SchülerInnen<br />
einsetzen, sind selten, denn wer lebt<br />
schon gern in Dauerfehde mit seinem<br />
Vorgesetzten?<br />
Ursel Karch<br />
36 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002