GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Berufliche Bildung<br />
Lernfeldkonzeption - alter Wein in neuen Schläuchen?<br />
Anderes Verständnis der Arbeit von Lehrkräften erforderlich<br />
- Von Dr. Hans-Jürgen Berg -<br />
Nur wenige Veränderungen im Bereich der curricularen Gestaltung der<br />
Berufsschule haben so eine heftige Diskussion innerhalb der Lehrerschaft<br />
nach sich gezogen wie die Lernfeldkonzeption. Ablehnung und<br />
Akzeptanz widerfahren dem Konzept. Man könnte sagen, die Trennlinie<br />
verläuft zwischen den „Jungen“ und den „Alten“, zwischen den<br />
„Erneuerern“ und den „Bewahrern“.<br />
Dr. Hans-Jürgen<br />
Berg leitet die Abteilung<br />
Berufsbildende<br />
Schulen im<br />
Bildungsministerium.<br />
Wie kommt<br />
es zu dieser<br />
Polarisierung?<br />
Der Reformansatz<br />
„Lernfeldkonzept“<br />
hat<br />
über die Neuordnung<br />
unterschiedlicher<br />
Ausbildungsberufe<br />
Einzug in<br />
die Bildungslandschaft<br />
der<br />
berufsbildenden<br />
Schulen genommen. Das Konzept<br />
intendiert, dass zusammenhängende,<br />
an Arbeitsprozessen orientierte Lernsequenzen<br />
die didaktische Landschaft<br />
der beruflichen Bildung prägen.<br />
Das Lernfeldkonzept wirkt sich<br />
verändernd auf unterschiedlichen<br />
Ebenen der dualen Berufsausbildung<br />
aus.<br />
Auf der Makroebene stehen die Gestaltung<br />
der Ordnungsmittel, die<br />
Formulierung von Qualitätsstandards<br />
und die Evaluierung der Rahmenlehrpläne<br />
im Vordergrund. Auf<br />
der Mesoebene rückt die schulorganisatorische<br />
Umsetzung in das Zentrum<br />
der Betrachtung. Arbeitsbereiche<br />
sind u. a. die teamorientierte,<br />
schulinterne Entwicklung von Lehrplänen,<br />
die Planung der Lern- und<br />
Unterrichtsorganisation, die Arbeit<br />
in Lehrkräfteteams, die Lehrkräfteeinsatzplanung,<br />
Regelungen zur Leistungsfeststellung<br />
sowie die Gestaltung<br />
der Zeugnisse. Auf der Mikroebene<br />
stellt sich die Frage nach dem<br />
adäquaten didaktisch-methodischen<br />
Konzept. (vgl. Sloane)<br />
Ist mit der Lernfeldkonzeption<br />
eine Kompetenzerweiterung<br />
in der beruflichen<br />
Ausbildung verbunden?<br />
Orientiert man berufliches Lernen<br />
an der Praxis, so kommt dem betrieblichen<br />
Leistungsprozess eine zentrale<br />
Bedeutung zu. Während im traditionellen<br />
Curriculum Inhalte und<br />
Ziele vorgegeben sind, die Fachinhalte<br />
verbindlich festliegen, fordert das<br />
Lernfeldkonzept zur Gestaltung heraus.<br />
Die Unterrichtsorganisation<br />
und die didaktische Ausgestaltung<br />
des Lehr-/Lernprozesses liegen in der<br />
pädagogischen Verantwortung der<br />
Lehrenden.<br />
Damit kommt den Lehrerinnen und<br />
Lehrern eine zentrale Rolle im lernfeldorientierten<br />
Unterricht zu. Sie<br />
müssen die vorgegebenen Lernfelder<br />
in Lernsituationen umsetzen. Das<br />
erfordert fundierte Kenntnisse der<br />
Berufspraxis. Der betriebliche Leis–<br />
tungsprozess muss der Lehrkraft gegenwärtig<br />
sein, um aus ihm schulische<br />
Lernsituationen abzuleiten, die<br />
über den Bezug zum Einzelbetrieb<br />
hinausgehen und verallgemeinernd<br />
bearbeitet werden können.<br />
Damit die Lehrkräfte diesen Weg<br />
gehen, bedarf es der Motivation,<br />
Anreize müssen gegeben sein, Schule<br />
muß sich zur offenen Organisation<br />
entwickeln, eine neue Leitidee ist<br />
angesagt! Die Einsicht, dass der Weg<br />
das Ziel ist, sollte das pädagogische<br />
Handeln bestimmen.<br />
Hierbei hat die Unterrichtsorganisation<br />
eine wesentliche Gestaltungsaufgabe!<br />
Die Organisation des Unterrichts,<br />
die Einsatzplanung der Lehrkräfte,<br />
die Umsetzung von Teamstrukturen<br />
sind entscheidende Bestimmungsgrößen,<br />
die über den Erfolg der Lernfeldkonzeption<br />
befinden. Geht man<br />
diesen Weg, so stößt man schnell auf<br />
das Problem, dass Schule einer neuen<br />
Organisationskultur bedarf. Autonomie<br />
im Bereich der Lernfeldarbeit<br />
ist nicht über eine bis ins Detail<br />
geregelte Administration zu erreichen.<br />
Lernfeldkonzepte bedürfen der<br />
Selbstverantwortung der unterrichtlich<br />
Handelnden. Freiräume müssen<br />
geschaffen werden, ebenso wie es<br />
notwendig ist, diese Freiräume verantwortet<br />
zu gestalten. Das zieht eine<br />
neue Form von Führung, Beratung,<br />
Unterstützung und Prozessbegleitung<br />
nach sich. Zu den notwendigen<br />
Reformschritten sind nicht nur<br />
die Lehrkräfte aufgerufen, auch der<br />
Schulleitung im engeren und im<br />
weiteren Sinn fällt eine wesentliche<br />
Aufgabe zu. Ihre Planung kann Prozesse<br />
stützen oder behindern, kann<br />
motivieren oder lähmen, kann bestärken<br />
oder bremsen.<br />
Die selbstverantwortete Autonomie<br />
der Schule und der in ihr Agierenden<br />
ist ein Entwicklungsziel unter<br />
anderen. Das zieht auch ein geändertes<br />
Verständnis der Schulaufsicht<br />
nach sich. Nicht Aufsicht, sondern<br />
Dienstleistung zur Prozessunterstützung<br />
steht im Vordergrund. Beratung<br />
und Motivation, neue Wege zu<br />
gehen, Freiräume aufzuzeigen, zu<br />
motivieren diese verantwortet zu gestalten,<br />
ist eine wesentliche Aufgabe.<br />
Dass sich dieser Prozess an dem Ziel<br />
orientiert, den Jugendlichen abhängig<br />
von der je spezifischen Lernbedingung<br />
ein Höchstmaß an Qualifikation<br />
zuteil werden zu lassen, ist ein<br />
Element der Qualitätsentwicklung<br />
der berufsbildenden Schulen.<br />
4 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002