10.11.2013 Aufrufe

GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz

GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz

GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bildung International<br />

„Woher kommt euer Wasser?“<br />

Dr. Udo J. Gedig berichtet über Projekte mit indonesischen Grundschulen<br />

Der Unterricht<br />

an indonesischen<br />

Grundschulen ist<br />

lehrerzentriert<br />

und methodenarm.<br />

Foto: Gedig<br />

Nach zahlreichen Aufenthalten in<br />

Indonesien durch Partnerschaftskontakte<br />

zwischen der Evangelischen<br />

Kirche in Hessen und Nassau<br />

und der Ev. Kirche in Nord-<br />

Sulawesi führt unser <strong>GEW</strong>-Kollege<br />

Udo Gedig von der Grundschule<br />

Bingen-Kempten (Drei-Königs-<br />

Schule) gemeinsame Projekte mit<br />

indonesischen Grundschulen in<br />

abgelegenen Gegenden dieses Landes<br />

durch.<br />

Einen Eindruck von Schulen in Indonesien<br />

zu vermitteln, scheint müßig,<br />

denn dieser Inselstaat erstreckt<br />

sich über eine Fläche, die größer als<br />

Europa ist, mit sehr unterschiedlichen<br />

Kulturen, Ethnien und einer<br />

Vielzahl von Regionalsprachen.<br />

Zwar habe ich auch Schulen in Java<br />

und Bali besucht, doch den unmittelbarsten<br />

Eindruck bekam ich<br />

durch die Partnerschaft mit der<br />

Grundschule in Baturirir auf der Insel<br />

Lembeh gegenüber der Hafenstadt<br />

Bitung und der Grundschule<br />

in Lirung im Archipel Talaud an der<br />

philippinischen Grenze. Politisch<br />

gehören diese Orte zur Provinz<br />

Nord-Sulawesi. Im Gegensatz zu<br />

Gesamtindonesien, dem größten islamischen<br />

Staat der Erde, leben hier<br />

mehrheitlich Christen. In den peripheren<br />

Bereichen Nord-Sulawesis<br />

leben vornehmlich Ethnien aus Polynesien,<br />

während im Stammland<br />

Völker der Minahasa dominieren.<br />

Die Schulen hier wurden stark von<br />

der holländischen Kolonialmacht<br />

beeinflusst und stehen heute noch<br />

weitgehend unter der Trägerschaft<br />

christlicher Kirchen. Allerdings gibt<br />

es in Nord-Sulawesi auch eine bedeutende<br />

Minderheit von Muslimen,<br />

sei es aus Süd-Sulawesi über<br />

die Handelsbeziehungen zugezogen<br />

oder durch das Transmigrasi-Programm<br />

aus dem überbevölkerten<br />

Java hierher umgesiedelt. Zwar ist<br />

Nord-Sulawesi bisher von religiös<br />

motivierten Ausschreitungen weitgehend<br />

verschont geblieben, doch die<br />

blutigen Konflikte aus den benachbarten<br />

Molukken strahlen auch hierher.<br />

Christliche Flüchtlinge wurden<br />

im Norden aufgenommen, muslimische<br />

im islamisch dominierten Süden<br />

dieser Insel.<br />

Bis zur Unabhängigkeit Indonesiens<br />

gab es kein allgemeines Erziehungssystem.<br />

Die Kolonialmacht bildete<br />

nur Fachkräfte für die Verwaltung<br />

aus. Der Zentralstaat Indonesien<br />

führte 1945 nach der Unabhängigkeit<br />

die allgemeine Schulpflicht ein<br />

und baute ein Netz von Grundschulen<br />

bis in die entlegensten Dörfer.<br />

Alle Kinder erlernen in der 6-jährigen<br />

Grundschule Bahasa Indonesia,<br />

die allgemeine Hochsprache, so dass<br />

sich alle Menschen in diesem ausgedehnten<br />

Inselreich mit den vielen<br />

unterschiedlichen Regionalsprachen<br />

verständigen können. Aber auch in<br />

die Alltagssprache der einzelnen Regionen<br />

ist heute die Bahasa Indonesia<br />

eingedrungen. Das indonesische<br />

Schulsystem ist zentralisiert. Es gibt<br />

ein landesweites Curriculum und,<br />

soweit vorhanden, einheitliche<br />

Schulbücher. Dies hat zur Folge,<br />

dass kulturelle Unterschiede kaum<br />

berücksichtigt werden können. Besonders<br />

die ländlichen Grundschulen<br />

in peripheren Gebieten sind unzulänglich<br />

ausgestattet, und die<br />

Lehrkräfte werden schlecht bezahlt.<br />

Nach der Ablösung Suhartos besteht<br />

die Tendenz, den einzelnen Provinzen<br />

mehr Einfluss einzuräumen, so<br />

dass regionale Besonderheiten auch<br />

im Unterricht berücksichtigt werden<br />

können. Das Schulwesen in Nord-<br />

Sulawesi, wie im Gesamtstaat, ist<br />

kollektivistisch orientiert, die Gruppe<br />

ist dominierend, das Individuum<br />

ordnet sich unter. Schulen sind wie<br />

die Gesamtgesellschaft hierarchisch<br />

aufgebaut. Eigeninitiative ist in der<br />

Schule wenig gefragt. Das Bildungssystem<br />

zeichnet sich durch das Erziehungsziel<br />

‚Toleranz‘ aus, notwendige<br />

Voraussetzung für die Einheit<br />

dieses Staates. Die ‚Pancasila‘, die<br />

fünf Grundprinzipien der Republik<br />

Indonesien, bildet ein eigenes Schulfach.<br />

Diese Prinzipien sind: der<br />

Glaube an den Einen Gott, das Postulat<br />

zur Bildung des gerechten und<br />

zivilisierten Menschen, die Einheit<br />

Indonesiens, Demokratie und soziale<br />

Gerechtigkeit.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!