GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
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Berufliche Bildung<br />
Das Gleichnis zum Thema Lernfelder:<br />
Wenn Träume wahr werden?<br />
Es war einmal ein Bauunternehmer, der<br />
hatte einen Traum, ja, eigentlich schon mehr<br />
als einen Traum, er hatte eine Vision. Es<br />
war für ihn zu einem Lebensziel geworden,<br />
das optimale Hochhaus zu bauen. Damit<br />
meinte er natürlich nicht solch einen fürchterlichen<br />
rechteckigen Betonkasten, der nur<br />
dazu taugt, die Landschaft zu verunstalten.<br />
Vielmehr wollte er ein Haus bauen, in<br />
dem alle zusammen arbeiten und leben können<br />
sollten, wo nahezu alle Bedürfnisse<br />
unter einem Dach erfüllt werden konnten<br />
und wo man sich einfach gerne aufhielt.<br />
Und wie es der Zufall so wollte, fiel ihm<br />
eines Tages der Bauplan für dieses Großbauwerk<br />
in die Hände, und was er da sah,<br />
begeisterte ihn. Ja, das sollte sein Hochhaus<br />
werden!<br />
Also scharte er seine Handwerker um sich,<br />
alles erfahrene Fachleute und jeder für sich<br />
ein Spezialist im Bauen von Einfamilienhäusern.<br />
Denen präsentierte er voller Stolz<br />
und Enthusiasmus seinen Bauplan für DAS<br />
Haus. Und voller Begeisterung beauftragte<br />
er seine Handwerker damit, termingerecht<br />
innerhalb eines halben Jahres neben ihrer<br />
bisherigen Arbeit das Gebäude zu errichten,<br />
da auch schon die ersten Mieter zu diesem<br />
Termin vor der Türe stehen würden.<br />
Jetzt war das Murren bei den Handwerkern<br />
natürlich laut, da sie auf solch eine<br />
Aufgabe überhaupt nicht vorbereitet waren.<br />
Doch der Bauunternehmer, der schließlich<br />
seine Vision verwirklicht sehen wollte, wies<br />
seine Handwerker darauf hin, dass sie nun<br />
einmal bei ihm angestellt seien und somit<br />
seinen Weisungen zu folgen hätten, und er<br />
beschwichtigte sie damit, dass sie doch bisher<br />
immer gute Arbeit geleistet hätten. Das<br />
stimmte auch, und schließlich waren auch<br />
alle mit hervorragendem Handwerkszeug<br />
ausgestattet. Teilweise stellte ihnen der Bauunternehmer<br />
für diese Aufgabe sogar nagelneues<br />
Werkzeug zur Verfügung, das allerdings<br />
so neu und aufwändig war, dass<br />
noch kaum jemand den Umgang damit<br />
beherrschte. Letztlich konnte unser Bauunternehmer<br />
doch auch viele seiner Handwerker<br />
für sein Bauwerk begeistern; vielleicht<br />
sollte es ja tatsächlich gelingen, seine Vision<br />
Realität werden zu lassen.<br />
Doch da gab es noch ein kleines Problem:<br />
Da heutzutage fast alle Bauunternehmer<br />
entweder pleite und vor der Staatsanwaltschaft<br />
auf der Flucht oder sehr angesehen,<br />
aber nicht minder hoch verschuldet sind,<br />
ging es unserem Bauunternehmer auch nicht<br />
viel besser. Also musste an verschiedenen<br />
Stellen ein wenig gespart werden. So hatten<br />
seine Handwerker leider für den Bau des<br />
Hochhauses sowohl auf einen Ingenieur als<br />
auch auf eine Bauleitung zu verzichten;<br />
dafür hatte er ihnen ja schließlich den Bauplan<br />
kopiert. Und alle anfallenden Planungsabsprachen,<br />
die so auf einer Großbaustelle<br />
anfallen, sollten sie gefälligst miteinander<br />
in ihrer Freizeit durchführen. Aber<br />
dafür versprach er ihnen vielleicht mal irgendwann<br />
eine kleine Anerkennung. Ja, da<br />
waren seine Handwerker natürlich nicht<br />
mehr sehr begeistert, aber es half ja nichts,<br />
der Bau musste jetzt hochgezogen werden,<br />
schließlich warteten die zukünftigen Mieter<br />
schon. Also machte man sich an’s Werk<br />
... Ach so, Sie wollen wissen, was aus der<br />
Vision des Bauherren wurde? Nun, sicher<br />
ist, dass die Mieter zum Sommer irgendwo<br />
einzogen, aber wenn sie Einzelheiten erfahren<br />
wollen, dann fragen Sie doch gelegentlich<br />
bei einem Kultusministerium Ihres Vertrauens<br />
unter dem Stichwort „Einführung<br />
von Lernfeldern in der Berufsschule“ nach.<br />
Martin Hofmann<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
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