GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
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Universität Kaiserslautern, halten die<br />
Tests für kontraproduktiv, „weil sie<br />
uns in die alte Paukschule zurückwerfen“<br />
und „das Sachwissen zu stark<br />
gewichtet wird“. Arnold : „Die<br />
’Krankheit‘ in unseren Schulen ist der<br />
Wissenserwerbsunterricht“. „Entwikkeln<br />
statt vermessen“ fordert deshalb<br />
auch Botho Priebe vom IFB Speyer.<br />
„Bloße Defizitanalysen werden Schulen<br />
eher entmutigen, statt sie zu motivieren.<br />
Wer Leistung will, muss Lernen<br />
fördern.“ Statt teurer Tests, so die<br />
einhellige Meinung der Fachleute,<br />
müssten Lehrerinnen und Lehrer zuerst<br />
für einen nachhaltigeren Unterricht<br />
nachqualifiziert werden,<br />
Schulen<br />
bräuchten sie Training, praktische Innovationsberatung<br />
und breiten Unterstützungsservice.<br />
Durch die Tests,<br />
meint Klippert, fühlten sich die Lehrkräfte<br />
ohnmächtig und verkannt,<br />
ständig bekämen sie eins draufgedrückt<br />
und ihre Minderwertigkeit vor<br />
Augen geführt. So auch jetzt wieder<br />
nach den für Deutschland wenig<br />
schmeichelhaften Ergebnissen von<br />
PISA. „Lehrer“, hält Klippert diesen<br />
Tests entgegen, „machen keinen<br />
schlechten Unterricht, weil sie bösartig<br />
sind. Sie tun nur das, was sie an<br />
der Hochschule gelernt haben: dozentenhaft<br />
zu lehren und Wissen zu vermitteln,<br />
statt zu moderieren und eigenverantwortliche<br />
Lernprozesse ihrer<br />
Schüler anzuregen“. Gefördert<br />
werden sollten, so Klippert in Übereinstimmung<br />
mit der „Wissens- und<br />
Bildungsdelphi“, einer vom Bundesministerium<br />
für Wissenschaft und<br />
Forschung 1997 initiierten Umfrage<br />
bei Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft,<br />
insbesondere projektbezogenes<br />
Lernen, selbstgesteuerte Lernformen<br />
und psychosoziale Kompetenzen<br />
wie Kommunikations- und<br />
Teamfähigkeit - und Teamkompetenzen“<br />
trainiert und „kooperative und<br />
schüleraktivierende Lernarrangements“<br />
realisiert.<br />
Besserer Unterricht, neue Lernkultur<br />
Wörther Regionalschule beispielhaft für das Fernsehen<br />
„Man lernt besser und schneller“,<br />
meint Noosreddi aus der 10 a, und<br />
Kathrin ergänzt, „man kann selbstständiger<br />
arbeiten, als wenn ein<br />
Lehrer uns von vorne ständig zutextet“.<br />
Im Sozialkundeunterricht von<br />
Marc Golon sind die Schülerköpfe<br />
nicht wie in einer geschlossenen<br />
Formation auf den Lehrer vorne<br />
ausgerichtet, keiner hängt an dessen<br />
Lippen. Die Zehntklässler sitzen<br />
zu fünft an Tischen, brüten über<br />
Texten und lassen sich auch von<br />
neugierigen Presseleuten nicht ablenken.<br />
Thema: Die Institutionen der EU.<br />
In jeder Fünfergruppe befasst sich<br />
ein Schüler mit einer Textvorlage,<br />
z.B. über das Europäische Parlament,<br />
den Ministerrat oder die Europäische<br />
Kommission, nicht gerade Texte, die<br />
einem vom Hocker reißen. Lehrer<br />
Marco Golon verlässt zeitweise den<br />
Raum, ohne dass das Chaos ausbricht.<br />
Konzentriert und leise wird<br />
weitergearbeitet. Mit einem Marker<br />
unterstreicht jeder die Informationen,<br />
die für ihn wichtig sind, und<br />
schreibt sich das eine oder andere<br />
Stichwort an den Textrand. Nach 15<br />
Minuten löst sich die Gruppe auf,<br />
und eine neue bildet sich: die Expertenrunde,<br />
also diejenigen, die den<br />
gleichen Text behandelt haben, beispielsweise<br />
den über das Parlament<br />
in Straßburg. Diese Fachleute besei-<br />
tigen im gemeinsamen Gespräch<br />
letzte Unsicherheiten im Textverständnis,<br />
besprechen, wie sie den<br />
Inhalt den anderen in der Klasse mit<br />
Hilfe kleiner Lernplakate vermitteln<br />
können und arbeiten im Team an der<br />
Präsentation des Textthemas.<br />
Lehrer Golon ist zwar anwesend,<br />
agiert aber nur, wenn die Schüler<br />
nicht mehr weiterkommen und<br />
zwangsläufig den Lehrer fragen müssen.<br />
Bis es soweit ist, helfen Tischnachbarn<br />
weiter oder Nachschlagebücher<br />
in der Mitte des Raums.<br />
In der Regionalschule Wörth lernen<br />
die Mädchen und Jungen anders als<br />
an den meisten Schulen. Und was<br />
bringt so etwas? „Ich lerne eigenverantwortlich,<br />
traue mir mehr zu und<br />
gehe auch leichter auf andere Leute<br />
zu als früher“, sagt Bianca. „Das, was<br />
eben heute auch im Betrieb gefragt<br />
ist, Teamfähigkeit und so“, fasst Nicole<br />
zusammen. „Wir erreichen mit<br />
den neuen Methoden unsere Schüler<br />
besser als früher“, bilanziert<br />
Schulleiter Joachim Paul, und Lehrer<br />
Golon interpretiert seine neue<br />
Lehrerrolle so: „Mich entlastet es,<br />
wenn ich den Unterrichtsprozess<br />
moderiere, wenn ich beratend tätig<br />
bin und nicht immer den großen<br />
Zampano spielen muss“.<br />
Die Wörther Regionalschule gehört<br />
zu den 44 Modellschulen in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>,<br />
die wie zahlreiche andere<br />
Schulen in Deutschland nach dem<br />
Konzept des Lehrerbildners Dr.<br />
Heinz Klippert aus Landau lernen.<br />
Gelernt haben an diesem Vormittag<br />
auch andere Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Sie saßen im Unterricht und hospitierten,<br />
auch das ein Novum in den<br />
meisten deutschen Schulen. Vermittelt<br />
wurde ihnen die neue Lernkultur<br />
durch das persönliche Erleben in<br />
der Klasse und auch durch ein von<br />
Klippert ausgebildetes Trainertandem,<br />
das ebenfalls im Unterricht<br />
dabei war. Trainer, Lehrkräfte und<br />
Fachlehrer Golon zogen sich dann<br />
zur Besprechung der Stunde zurück.<br />
Gemeinsam werden sie in der nächsten<br />
Woche neue Lernspiralen für ein<br />
Methodentraining in der fünften<br />
Klasse erarbeiten. Und weil diese<br />
neue Lernkultur noch nicht überall<br />
Unterrichtsstandard ist, aber nach<br />
PISA Not tut, transportiert das Fernsehen<br />
gern solche guten Beispiele.<br />
Redakteurin Ute Spangenberger:<br />
„Wir wollen zeigen, wie sich Unterricht<br />
und Lehrkräfteausbildung verändern<br />
müssen, damit wir bei der<br />
nächsten internationalen Studie besser<br />
dastehen“. Sie drehte mit ihrem<br />
Kamerateam für das ARD-Mittagsmagazin.<br />
Auch Dr. Heinz Klippert war persönlich<br />
anwesend. Sein Kommentar:<br />
„Mich freut es außerordentlich, dass<br />
diese Schule ihre Unterrichtsentwicklung<br />
so systematisch betreibt -<br />
und wie man sieht - mit großem Erfolg.“<br />
Zur Nachahmung empfohlen.<br />
Paul Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002<br />
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