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GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz

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Schulen<br />

Erfahrungen mit Prämien<br />

Peinliches Schweigen<br />

Wer bei uns vom Schulleiter ausgeguckt<br />

wurde, erfuhr ich durch Zufall, weil der<br />

betroffene Kollege es mir erzählte, gewissermaßen<br />

unter dem Schock der Peinlichkeit -<br />

später hat er es sicher bereut. Aus vorausgegangenen<br />

Gesprächen - vor der Nominie-<br />

Gehirn an der Garderobe abgeben<br />

Die Verteilung der so genannten Leistungsprämien<br />

beschäftigt nicht nur die Kollegien<br />

und die <strong>GEW</strong>. Nein, auch in Schulleiterdienstbesprechungen<br />

sind sie ein Thema.<br />

Allerdings in sehr beschränktem Rahmen.<br />

Die Vorgabe, dass die in den Kollegien zu<br />

erarbeitenden Vergabekriterien auch rückwirkend<br />

für die zwei vergangenen Schul-<br />

rung! - war klar, dass alle, auch die Schulleitung,<br />

die Prämierung für ziemlich dämlich<br />

halten. Der betroffene Kollege plant<br />

auch demnach, das Geld zu spenden, entweder<br />

der Lehrerkasse oder dem Förderverein.<br />

Ich habe mich dann auf den einschlägigen<br />

websites (Ministerium, <strong>GEW</strong>, VBE) schlau<br />

gemacht und festgestellt, dass die große Peinlichkeit<br />

doch wohl zu vermeiden gewesen<br />

jahre anzuwenden seien, stieß bei solch einer<br />

Veranstaltung auf Widerspruch. Außerdem<br />

„wagten“ es SchulleiterInnen, den Sinn<br />

von Leistungsprämien in Form von Geld<br />

als Mittel zur Motivations- und Qualitätssteigerung<br />

anzuzweifeln.<br />

Das war schon zu viel der Diskussion. Ein<br />

Schulaufsichtsbeamter wies denn auch<br />

prompt die „aufmüpfigen“ SchulleiterInnen<br />

Prämien belasten Beziehungsgefüge<br />

An meiner Schule, der Sonderschule am<br />

Beilstein in Kaiserslautern, wird die leistungsbezogene<br />

Honorierung abgelehnt,<br />

weil sie den Schulfrieden nachhaltig negativ<br />

beeinflusst. Prämien sind kein geeignetes<br />

Mittel, Zufriedenheit, Motivation<br />

und Qualität in der Schule zu steigern.<br />

Deshalb wurden die Prämien, die<br />

in modifizierten Formen in anderen Bundesländern<br />

entwickelt wurden, wieder<br />

abgeschafft. In der „freien Marktwirtschaft“<br />

werden Prämien, Zulagen und<br />

Gewinnbeteiligungen streng geheim zugewiesen,<br />

um Nichtprämienbezieher<br />

nicht zu demotivieren. Enttäuschungen<br />

sind bei der transparenten leistungsbezogenen<br />

Honorierung abzusehen.<br />

Wer will leugnen, dass nicht der überwiegende<br />

Teil aller LehrerInnen zufrieden<br />

stellende bis gute Leistungen Tag für<br />

Tag abliefert? Gutes Leistungsverhalten<br />

entwickelt sich aus dem persönlichen Engagement<br />

und ist vorwiegend intrinsisch<br />

motiviert. Eine Extraprämie für das gute<br />

Leistungsverhalten hat keine Auswirkungen.<br />

Eher Lob, Ermutigung, Aufmerksamkeit<br />

und konstruktive Kritik durch<br />

die Schulleitung sind motivationsfördernd.<br />

Genau das Gegenteil wird durch<br />

die leistungsbezogene Honorierung erreicht.<br />

Das Verhältnis Lehrerschaft und<br />

Schulleitung wird durch eine subjektive,<br />

materialistische Komponente belastet.<br />

wäre, weil die Vergabe an ein Team und<br />

die Möglichkeit der Anrechnungsstunde<br />

nach der Modifizierung durchaus drin<br />

wäre. Unser Personalrat hüllt sich jetzt aber<br />

auch in peinliches Schweigen, und ich habe<br />

sehr den Mut verloren, meinen Protest kund<br />

zu tun oder auch nur anderen Kollegen etwas<br />

darüber zu erzählen (die meisten haben<br />

vergessen, dass da was ist...). Kurz und<br />

schlecht: In unserer Schule ist die Sache so<br />

gelaufen, wie sie ursprünglich geplant war,<br />

Protest und Modifizierung umsonst.<br />

Barbara Fertsch-Röwer-Portsch<br />

konsequent in ihre Schranken: „Darf ich<br />

Sie daran erinnern, dass Sie Beamte sind.<br />

Diese Vorschrift kommt aus dem Ministerium,<br />

und deshalb haben Sie als Beamte<br />

das kommentarlos umzusetzen!“<br />

Glückwunsch! Unsere Ministerin kann stolz<br />

auf solche SchulaufsichtsbeamtInnen sein.<br />

Es geht doch nichts über BeamtInnen, die<br />

ihr demokratisches Denken beim Betreten<br />

von Dienstgebäuden an der Garderobe abgeben.<br />

n.g.<br />

Das Beziehungsgefüge wird durch die<br />

Geld- oder Zeitprämie neu definiert.<br />

Zudem kommt der Personalvertretung<br />

(ÖPR) bei der Honorierung kein Mitbestimmungsrecht<br />

zu. Eine „Erörterung“<br />

mit dem QPR kann einen evtl. Missbrauch<br />

seitens der Dienststelle prinzipiell<br />

nicht verhindern. Eine leistungsbezogene<br />

Honorierung für wenige Lehrerinnen<br />

und Lehrer schafft keine neuen Anreize,<br />

sondern erzeugt Verlierer. Es entsteht<br />

eine neue Gruppe der Nichtprämienbezieher.<br />

Prämienbezieher müssen mit Stigmatisierungen<br />

rechnen, wenn sie zur „Lehrerin<br />

oder zum Lehrer des Jahres 2001“<br />

gekürt werden. Durch die Transparentmachung<br />

der Leistungsprämienbezieher<br />

werden auch Eltern letztendlich erfahren,<br />

welche Lehrerin und welcher Lehrer zu<br />

den Gewinnern zählen werden. Von<br />

Nichtprämienbeziehern und Verlierern<br />

wollen manche Eltern ihre Kinder vielleicht<br />

nicht mehr unterrichten lassen. Ein<br />

negatives Ranking ist vorprogrammiert.<br />

Im Sonderschulbereich ist die Kritik an<br />

der leistungsbezogenen Honorierung besonders<br />

massiv. Viele Lehrerinnen und<br />

Lehrer stehen der Ellenbogengesellschaft,<br />

die mit verantwortlich ist für die sozikulturelle<br />

Benachteiligung mancher Kinder,<br />

kritisch gegenüber. Die Wahrnehmung<br />

und Betonung der intraindividuellen<br />

Leistungen bei Schülerinnen und<br />

Schülern, aber auch bei Lehrerinnen und<br />

Lehrern sind Teil des Menschenbildes der<br />

Sonderpädagogik. Unterschiedliches Leistungsverhalten<br />

wird nicht überbewertet.<br />

Stets steht der Mensch im Mittelpunkt der<br />

Betrachtungsweise.<br />

Der pädagogische Lernort Schule verträgt<br />

keine Ellenbogenmentalität.<br />

In der Sonderschule arbeitet eine Gruppe<br />

von Lehrerinnen und Lehrern im Sinne<br />

der Dienstordnung. die sog. Pädagogischen<br />

Fachkräfte. Die Nichteinbeziehung<br />

dieser Gruppe ist in den Sonderschulen<br />

nicht vermittelbar, führt zu massiven<br />

Unstimmigkeiten und vergiftet die<br />

Schulatmosphäre.<br />

Eine demokratische Form, Zeitprämien<br />

zu verteilen und ohne Eintragung in die<br />

Personalakte von Lehrerinnen und Lehrer<br />

vorzunehmen, wäre die Erhöhung der<br />

sog. Drittelpauschale um den erwirtschafteten<br />

Anteil der BeamtInnen. Die Verfügungsstunden<br />

werden im Rahmen der<br />

Gesamtkonferenz jedes Jahr neu an engagierte<br />

Lehrerinnen und Lehrer verteilt.<br />

Udo Kaiser<br />

20 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 3-4 /2002

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