15.11.2013 Aufrufe

PDF downloaden - GEW

PDF downloaden - GEW

PDF downloaden - GEW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

10 / 00<br />

-Zeitung<br />

109. Jahrgang<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Aktuelle Meldung:<br />

<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen !!!<br />

„Schatten“, Öl auf Leinwand von Rainer Probst<br />

Rechte Gewalt


Redaktionsbericht / Inhalt / Impressum<br />

<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen<br />

Aus dem Inhalt <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 10 /2000:<br />

Redaktionsbericht:<br />

<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen Seite 2<br />

Rechte Gewalt Seite 3 - 7<br />

Schulen Seite 8 - 13<br />

Bildungspolitik Seite 14 - 19<br />

Weiterbildung Seite 20 - 21<br />

Leserbrief Seite 21<br />

Rechtsschutz Seite 22<br />

Alter + Ruhestand Seite 23<br />

Tipps + Termine Seite 24 - 27<br />

Kreis + Region Seite 28<br />

Das Allerletzte Seite 29<br />

Schulgeist Seite 30 - 32<br />

„<strong>GEW</strong> wählen!“, so hieß es an dieser Stelle<br />

in unserer letzten Zeitung. Nun können wir<br />

erleichtert und auf den allerletzten Drücker<br />

melden: „<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen“.<br />

Während in einzelnen Schularten das Ergebnis<br />

schnell vorlag, zog sich die Auszählung<br />

für den Bezirkspersonalrat an GHS und Regionalen<br />

Schulen bis zu dem Tag hin, an dem<br />

unsere Zeitung in den Druck gehen musste.<br />

Erleichtert sind wir deshalb, weil sich das<br />

große Engagement vieler <strong>GEW</strong>-Mitglieder in<br />

den letzten Monaten und Jahren gelohnt hat.<br />

Zweifel waren nämlich deshalb angebracht, weil die Meldungen in der<br />

Tagespresse - die ja sehr stark das Erscheinen in der Öffentlichkeit prägen<br />

- nicht selten ein falsches Bild über die wahren Aktivitäten der<br />

konkurrierenden Organisationen abgaben. Nur ein Beispiel dazu: Kurz<br />

vor den Wahlen lud die <strong>GEW</strong> zu einer Pressekonferenz, bei der die<br />

Ergebnisse einer landesweiten <strong>GEW</strong>-Umfrage an den Grundschulen<br />

zur Einschätzung der Vollen Halbtagsschule präsentiert wurden. Nun<br />

ist das Erstellen und Auswerten solch einer Umfrage eine sehr aufwändige<br />

Angelegenheit, die viel Arbeitskapazität absorbiert. Das erschrekkende<br />

Ergebnis der Untersuchung, das ähnliche Befragungen in verschiedenen<br />

Kreisen bestätigt, gibt wichtige Hinweise darauf, was getan<br />

werden muss, damit die einst von der <strong>GEW</strong> propagierte Halbtagsgrundschule<br />

nicht endgültig zum Flop wird. Logisch also, dass die <strong>GEW</strong><br />

darauf hoffte, in der Presse ihre Umfrage entsprechend gewürdigt zu<br />

sehen. Was war aber dann zum Beispiel in der größten rheinland-pfälzischen<br />

Tageszeitung, der „Rheinpfalz“, zu lesen? Ein einspaltiger Artikel,<br />

in dem die <strong>GEW</strong> in knapp vierzig Zeilen zu Wort kam und in<br />

dem aber auch aus einer vbe-Presseerklärung zitiert wurde. Die Wirkung<br />

bei den LeserInnen liegt auf der Hand: „Die Lehrerverbände“<br />

sind in dieser Frage gleichermaßen aktiv...<br />

Dennoch (und zum Glück): Das traditionelle Kopf-an-Kopf-Rennen<br />

zwischen <strong>GEW</strong> und vbe bei landesweiten Wahlen wurde mit einem<br />

über dreiprozentigen Vorsprung erfreulicherweise klar zugunsten der<br />

<strong>GEW</strong> entschieden, womit die <strong>GEW</strong>-Fraktion die wichtige Funktion<br />

des Personalratsvorsitzenden besetzen kann. Wir dürfen sicher sein:<br />

Helmut Thyssen wird in dieser Rolle ein starker Rückhalt für die KollegInnen<br />

und ein kompetenter Widerpart der Schulbürokratie sein.<br />

Traditionell klar in <strong>GEW</strong>-Hand sind die Personalräte an den Sonderund<br />

Gesamtschulen. Hier gab es klare Mehrheiten. Im ADD-Personalrat<br />

der Gesamtschulen verfügt die <strong>GEW</strong> nun über vier von fünf Sitzen.<br />

Der <strong>GEW</strong>-Spitzenkandidat Herbert Wolf zu diesem Ergebnis: „Im<br />

Bewusstsein, dass die Vertretung von Partikularinteressen (VBE, PhV,<br />

VDR) allenfalls Partikularerfolge zeitigen kann, haben die Beschäftigten<br />

an Integrierten Gesamtschulen die konsequente Interessenvertretung<br />

der <strong>GEW</strong>-Personalvertreter honoriert.“ Fast 70 % holte die <strong>GEW</strong><br />

an den Sonderschulen. Für den designierten Personalratsvorsitzenden<br />

Heinz-Werner Ruby ist dieses Superergebnis Ansporn, die praktizierte<br />

Linie fortzusetzen: „Wir werden uns auch künftig um die Probleme<br />

aller KollegInnen, die auf uns zukommen, kümmern, denn das war<br />

unser Erfolgsrezept.“<br />

Traditionell in der Minderheit dagegen sind wir (und bleiben wir auch<br />

nach dieser Wahl) in den Personalräten für Gymnasien, Realschulen<br />

und Berufsbildende Schulen. Erfreulich aber, dass prozentuale Zuwächse<br />

zeigen: Auch in diesen Schularten ist die <strong>GEW</strong> im Aufwind, denn an<br />

den Gymnasien und den Berufsbildendenden Schulen wurden um die<br />

zwei Prozent hinzugewonnen, an den Realschulen zwei Sitze im Personalrat<br />

erreicht.<br />

Da die Ergebnisse der Berufsbildenden Schulen sehr früh bekannt waren,<br />

können wir diese positive Entwicklung hier exemplarisch beleuchten:<br />

Landesweit gab es zwar nur eine geringfügige Verschiebung zu<br />

Gunsten der <strong>GEW</strong>. Dennoch steht die <strong>GEW</strong> einer Dreiviertelmehrheit<br />

der beiden BBS-Verbände gegenüber. Anlass zu Optimismus geben jedoch<br />

die Resultate in einzelnen Regionen bzw. an einzelnen Schulen:<br />

An sechs BBSen im Land gewann die <strong>GEW</strong> die absolute Mehrheit,<br />

wobei drei davon in Ludwigshafen liegen. Hier ist die <strong>GEW</strong> im Vergleich<br />

der Gesamtzahl der Stimmen sogar der mit Abstand stärkste Verband<br />

vor vlbs und vlw. Klar, dass große Freude und verständliche Genugtuung<br />

bei den BBS-Veteranen herrschte ( und nach wie vor herrscht).<br />

Nur zu gut erinnern sie sich an die <strong>GEW</strong>-Anfänge in den 70er Jahren,<br />

als <strong>GEW</strong>-Leute an Berufsbildenden Schulen von erzkonservativen<br />

Schulleitungen wie Aussätzige behandelt wurden und bei nicht wenigen<br />

KollegInnen die <strong>GEW</strong> gleich nach RAF und KBW rangierte...<br />

Tja, und wo bleibt das obligatorisch Negative dieses Redaktionsberichtes?<br />

Nachzulesen ist es S. 21 unter der Rubrik „Leserbrief“. Da schildert<br />

nämlich ein Kollege seine Sicht einer <strong>GEW</strong>, die genau das Gegenteil<br />

dessen darstellt, was an dieser Stelle im vergangenen Monat beim<br />

Aufruf, sich für die Wahl der <strong>GEW</strong> einzusetzen, beschrieben war. Schon<br />

traurig, wenn negative Einzelerfahrungen derart verallgemeinert werden,<br />

dass der große Einsatz von <strong>GEW</strong>-KollegInnen, der gerade im Vorfeld<br />

der ADD-Wahlen teils bis an die Grenze der Belastbarkeit ging,<br />

pauschal diskreditiert wird. Ganz ehrlich: Sähe ich die <strong>GEW</strong> so negativ,<br />

wäre ich nicht mehr in ihr.<br />

Günter Helfrich<br />

Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz<br />

Herausgeber:<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116 Mainz,<br />

Tel.: (0 61 31) 28988-0, Fax: (06131) 28988-80, E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />

Redaktion:<br />

Günter Helfrich (verantw.) und Karin Helfrich, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen, Tel./ Fax:<br />

(0621) 564995, e-mail: <strong>GEW</strong>ZTGRL1@aol.com; Ursel Karch ( Anzeigen), Arnimstr. 14, 67063<br />

Ludwigshafen, Tel./Fax: (0621) 69 73 97, e-mail: UKarch5580@aol.com; Antje Fries, Rheindürkheimer<br />

Str. 3, 67574 Osthofen, Tel./Fax: (0 62 42) 91 57 13, e-mail: antje.fries@gmx.de<br />

Verlag, Satz und Druck:<br />

Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433 Neustadt a.d.W., Tel.: (06321) 8 03 77;<br />

Fax: (0 63 21) 8 62 17; e-mail: VPPRei@aol.com, Datenübernahme per ISDN: (0 63 21) 92 90 92<br />

(Leonardo-SP - = 2 kanalig)<br />

Manuskripte und Beiträge:<br />

Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen nicht in jedem Falle der<br />

Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes oder der Redaktion. Nur maschinengeschriebene Manuskripte können<br />

angenommen werden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.<br />

Manuskripte und sonstige Zuschriften für die Redaktion der <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz werden<br />

nach 67023 Ludwigshafen, Postfach 22 02 23, erbeten.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglieder jährlich DM 35,-- incl. Porto<br />

+ MWSt. (Bestellungen nur beim Herausgeber.) Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres.<br />

Im anderen Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />

Anzeigenpreisliste Nr. 11 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluß: jeweils der 5. des Vormonats.<br />

2 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Biedermänner – Brandstifter – Feuerwehr<br />

- Von Rainer Probst -<br />

Nachdem Politik und Teile der Wirtschaft<br />

nach massivem Druck aus dem<br />

Ausland dazu gebracht wurden, die wenigen<br />

noch lebenden ehemaligen<br />

ZwangsarbeiterInnen mit schäbigen<br />

Almosen abzuspeisen, hat die Sorge um<br />

den „Standort Deutschland“ zu einem<br />

weiteren erstaunlichen Ergebnis geführt:<br />

Ein „Konsens der Demokraten“<br />

gegen Rechts formiert sich.<br />

Erfüllt sich plötzlich der Wunschtraum<br />

all derer, die seit Jahren und Jahrzehnten<br />

von dieser Gesellschaft, von diesem<br />

Staat und seinen Organen ein entschlossenes<br />

Vorgehen gegen die rechte<br />

Gewalt, gegen Ausländerhass und Antisemitismus<br />

eingefordert haben? Geplantes<br />

NPD-Verbot, Internetkontrolle,<br />

Aufklärung durch die Medien sowie<br />

härtere Strafandrohung könnten<br />

erfreuliche Auswirkungen dieser Kampagne<br />

sein. Auch wenn wir den (gutgemeinten)<br />

Spruch vom „nicht wegschauen.<br />

sondern hinsehen“ schon fast<br />

nicht mehr ertragen können, wollen<br />

wir ihn ernst nehmen und mal genauer<br />

hinsehen. Mehr oder weniger sachkundige,<br />

aber viele selbsternannte „Experten“<br />

nehmen tagtäglich in den Medien<br />

Stellung. Als Ursache rechter Gewalt<br />

von Jugendlichen werden wechselweise<br />

oder in unterschiedlicher Kombination<br />

das häusliche Umfeld, die Jugendarbeitslosigkeit‚<br />

die untergegangene<br />

DDR, fehlende Vorbilder und mangelnde<br />

Freizeitangebote dingfest gemacht.<br />

Bei all diesen Statements<br />

kommt irgendwann, meistens<br />

am Schluss, ein bedeutungsvoller<br />

Satz vor wie: „Hier ist<br />

vor allem Schule gefordert’.<br />

(Darüber wird später noch zu<br />

reden sein).<br />

Alle genannten Erklärungen<br />

haben gewiss etwas mit den<br />

Ursachen rechtsextremer Gewalt<br />

zu tun; sie stellen einen<br />

Teil der Wahrheit dar. Die<br />

Hauptursachen rechter Gewalt<br />

werden allerdings ver-<br />

schwiegen, nicht wahrgenommen oder<br />

verdrängt.<br />

Die Gewalt kommt aus<br />

der Mitte der Gesellschaft<br />

Kommentar: Rechte Gewalt<br />

Rainer Probst ist Gesamtschullehrer<br />

und Bildender Künstler. Das Bild<br />

auf der Titelseite entstand 1979, als<br />

die ersten „Skinheads“ (zunächst in<br />

England) mit Nazisymbolen auftraten.<br />

Der HPR-Vorsitzende: „Gerne<br />

würde ich es in der hintersten Ecke<br />

meines Ateliers stehen lassen, doch<br />

traurigerweise hat es seine Aktualität<br />

bis heute behalten.“<br />

Den Nährboden für die zunehmende<br />

rechte Gewalt bildet nach meiner Ansicht<br />

die gesamtgesellschaftliche Entwicklung,<br />

nämlich eine von Wirtschaft<br />

und Staat geforderte und geförderte<br />

Konkurrenz- und Ellenbogenmentalität,<br />

die sich durch den Standortnationalismus<br />

und den neoliberalen Wettbewerbswahn<br />

begründet. Das schon<br />

immer in der Bundesrepublik latent<br />

deutschnationale Denken ist seit Wiedervereinigung<br />

und Kosovokrieg salonfähig<br />

geworden, die nationalsozialistische<br />

Vergangenheit wird relativiert und<br />

somit verharmlost. Dies geschieht nicht<br />

am „rechten Rand“, sondern aus der<br />

Mitte und den Spitzen unserer Gesellschaft.<br />

Ich möchte dies an Hand einiger<br />

Beispiele deutlich machen:<br />

„Zurzeit geht ein Ruck durch dieses<br />

Land- und zwar ein Rechtsruck! Dies<br />

ist nicht verwunderlich, da unsere Politiker<br />

nur noch die Interessen von Ausländern,<br />

Asylsuchenden und so genannten<br />

Minderheiten vertreten.(...) Wir<br />

sind zum Spielball der amerikanischen<br />

und jüdischen Interessen geworden, die<br />

von uns Zahlungen verlangen. Das<br />

Maß ist voll.“<br />

Dies ist kein Zitat aus der „Nationalund<br />

Soldatenzeitung“ oder der „Jungen<br />

Welt“, sondern Inhalt eines Leserbriefes<br />

(kein Einzelfall), der am 19.<br />

August in der „Allgemeinen Zeitung -<br />

Rhein Main - Presse“ veröffentlicht<br />

wurde. Obwohl diese bürgerliche Tageszeitung<br />

mit zahlreichen Lokalausgaben<br />

eine der auflagenstärksten Zeitungen<br />

im südwestdeutschen Raum ist,<br />

wurde von mir keine Leserlnnenreak-<br />

Von der Gemeindeverwaltung angeordnete<br />

„Pflegearbeiten“ zerstörten jüdische Grabsteine.<br />

(Foto: Probst)<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

3


Kommentar: Rechte Gewalt<br />

tion wahrgenommen. Was Wunder<br />

wenn durch Stichwortgeber wie Rüttgers<br />

(Kinder statt Inder), Stoiber<br />

(durchrasste Gesellschaft), Schily (Belastungsgrenzen<br />

erreicht) oder Walser<br />

(Auschwitzkeule) solcherlei als normal<br />

gelten darf.<br />

Oder: ein ländlicher jüdischer Friedhof<br />

in Rheinhessen - umgestürzte und<br />

beschädigte Steine, der gesamte Baumbestand<br />

an Eiben niedergelegt. Mutwillige<br />

Zerstörung? Nein ‚ von der Gemeindeverwaltung<br />

angeordnete Pflegearbeiten!<br />

Gedankenlosigkeit?<br />

Oder: In einer Nachbargemeinde wurde<br />

der jüdische Friedhof von Neonazis<br />

verwüstet. Nach Mahnwache und Betroffenheitsbekundungen<br />

erwog im<br />

Gemeinderat ein Kommunalpolitiker,<br />

ob auf jüdischen Friedhöfen nicht auch<br />

wie auf christlichen Friedhöfen die<br />

„Liegezeit“ auf 30 Jahre begrenzt werden<br />

könne. Auch auf diese Pressemeldung:<br />

keine Reaktion.<br />

„Hier ist vor allem die<br />

Schule gefordert“<br />

Seit dem Auftreten von jugendlichem<br />

Rechtsextremismus am Beginn der 80<br />

er- Jahre haben Lehrerinnen und Lehrer<br />

mit Aktionstagen‚ Studientagen,<br />

dem Erarbeiten von Unterrichtseinheiten,<br />

dem Besuch von Gedenkstätten<br />

und anderen vielfältigen Aktivitäten<br />

wichtige Aufklärungsarbeit mit Jugendlichen<br />

geleistet, um sich heute von<br />

einem Herrn Lemke (KMK-Präsident<br />

und Bildungssenator in Bremen) sagen<br />

zu lassen: er werde überprüfen lassen,<br />

ob in den Schulen Bremens die Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema in<br />

dem wünschenswerten Ausmaß und<br />

der entsprechenden, inhaltlichen Qualität<br />

stattfinde. Er fährt dann fort:„Ich<br />

kann mir nicht vorstellen, dass, wenn<br />

man sich in allen Schulen ernsthaft<br />

und mit den richtigen Methoden mit<br />

den Fragen des Nationalsozialismus beschäftigt,<br />

die Rechtsradikalen einen<br />

solchen Zulauf haben, wie wir es derzeit<br />

erleben.“ Dies und weitere Schuldzuweisungen<br />

an diejenigen, für die er<br />

eine Fürsorgepflicht hat, deren Arbeitsbedingungen<br />

von seinen KMK- KollegInnen<br />

in den vergangenen Jahren zunehmend<br />

verschlechtert wurden. Wenn<br />

ein Bildungssenator, der es eigentlich<br />

besser wissen müsste, zu dieser Art Lehrerlnnenschelte<br />

greift, wundern wir uns<br />

schon nicht mehr, was Hundt so alles<br />

von sich lässt, um von Schmiergeldaffären,<br />

Missmanagement und staatlich<br />

finanzierten Milliardenpleiten abzulenken.<br />

Von keinerlei Sachkenntnis erhellt,<br />

spricht er vom „bezahlten Urlaub<br />

der Lehrer“ und fordert die Abschaffung<br />

der Gesamtschule, da diese nicht<br />

in der Lage sei, das notwendige Leistungs-<br />

und Konkurrenzverhalten der<br />

SchülerInnen zu fördern. Wir haben es<br />

hier mit zwei sich gegenseitig bedingenden<br />

Sachverhalten zu tun: Wer Integration,<br />

Teamfähigkeit, Sozialverhalten<br />

als Bildungsziele geringer schätzt als Ellenbogenmentalität<br />

und Elitedenken,<br />

wird später auch härtere Gesetze und<br />

mehr Polizei fordern müssen. Der vom<br />

ehemaligen Bundespräsidenten Herzog<br />

gewünschte Ruck findet statt. War dies<br />

die gewünschte Richtung.?<br />

Uns Lehrerinnen und Lehrern bleibt<br />

nicht viel anderes übrig, als die Angriffe<br />

wegzustecken; wir versuchen gerade das<br />

durch die Politik verursachte Chaos der<br />

Unterrichtsversorgung bzw. -unterversorgung<br />

in den Griff zu bekommen,<br />

haben uns fürs „Fitnesstraining im Internet“<br />

angemeldet, evaluieren Qualitätsmanagement,<br />

beraten über Budgetierung,<br />

bereiten ein Schulfest oder eine<br />

Klassenfahrt vor und organisieren den<br />

nächsten „Aktionstag gegen Gewalt,<br />

Rassismus und Ausländerhass“.<br />

Ach so - wir unterrichten auch noch<br />

unsere Kinder und Jugendlichen.<br />

Mit Information und Aufklärung gegen Rechts<br />

Anlässlich des Antikriegstages rief die<br />

<strong>GEW</strong>-Vorsitzende Eva-Maria Stange<br />

Pädagoginnen und Pädagogen auf,<br />

„mit Informationen und Aufklärung<br />

Position gegen Rechts zu beziehen“.<br />

„Schule allein kann Rechtsradikalismus<br />

und Gewalt in der Gesellschaft nicht<br />

aufhalten. Sie kann aber platten Vorurteilen<br />

und stumpfen Stammtischparolen<br />

entgegentreten“, verlangte die<br />

<strong>GEW</strong>-Vorsitzende.<br />

Stange empfahl den Lehrkräften, verbreiteten<br />

Vorurteilen unter Jugendlichen<br />

zum Beispiel gegenüber Fremden<br />

mit „Daten und Fakten, Zeitzeugen<br />

und Experten“ zu begegnen. So sollte<br />

die Ausbreitung von Unwahrheiten wie<br />

der „Überfremdung“ mit konkreten<br />

Zahlen aus der Region widerlegt werden.<br />

Der Widerspruch zwischen dem<br />

Grundrecht auf Asyl und der tatsächlichen<br />

Asylpraxis müsse deutlich gemacht<br />

werden. Schulklassen sollten sich vor<br />

Ort in Aufnahmelagern, bei den Sozialdiensten<br />

an Flughäfen oder beim<br />

Bundesgrenzschutz über die Situation<br />

von Asylbewerbern informieren und<br />

mit deren Anwälten sprechen. Fachleute<br />

der Sozialämter sollten in die Schulen<br />

eingeladen werden, um zu informieren,<br />

welche Personen und in welchem Umfang<br />

Sozialhilfe bekommen.<br />

Vor allem müsse auch der Beitrag ausländischer<br />

Mitbürger zur wirtschaftlichen<br />

Leistung des Landes transparent<br />

gemacht werden. Experten der Arbeitsämter<br />

müssten den Unsinn zurückweisen,<br />

Ausländer würden Deutschen die<br />

Jobs wegnehmen. „In Wirklichkeit sind<br />

gerade die ausländischen Jugendlichen<br />

am stärksten von der Arbeitslosigkeit<br />

betroffen“, sagte Stange. Der im Zusammenhang<br />

mit der Green-Card-Debatte<br />

aufgekommenen Diskussion über<br />

„nützliche und weniger nützliche Ausländer“<br />

muss von den verantwortlichen<br />

Politikern scharf entgegengetreten<br />

werden.<br />

Ausländische Eltern sollten zum Beispiel<br />

bei Elternabenden oder Schulveranstaltungen<br />

über ihre Erfahrungen<br />

im deutschen Arbeits- und Berufsleben,<br />

über rechtliche und faktische<br />

Diskriminierung im Alltag oder über<br />

besondere Schwierigkeiten bei Geschäftsgründungen<br />

berichten.<br />

„Wir müssen versuchen, dem künstlich<br />

geschürten Hass unter Jugendlichen<br />

gegenüber Ausländern durch die<br />

Verbreitung von Halb- und Unwahrheiten<br />

ein Stück den Boden zu entziehen“,<br />

forderte die <strong>GEW</strong>-Vorsitzende.<br />

„Mit Appellen zur Toleranz in den<br />

Schulen ist nichts gewonnen, wenn in<br />

den Wohnstuben von Erwachsenen<br />

Vorurteile produziert werden“, sagte<br />

Stange wörtlich.<br />

4 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


„Nur Vorurteile, wenn man sich nicht kennt“<br />

Ein pädagogisches Experiment gegen Fremdenhass<br />

Rechte Gewalt<br />

Er gehörte zum harten Kern der saarländischen Rechten. Der 17jährige<br />

Sven war jahrelang Mitglied der Jungen Nationalliberalen in der<br />

NPD. Die Skinheads „mischten“ Ausländer auf, zuletzt schlug er einen<br />

krankenhausreif. Heute hat er die rechte Szene verlassen. Heute lebt<br />

er in der Wohngruppe Nr. 7 im „Sozialpädagogischen Bildungszentrum“<br />

im pfälzischen Landau, früher „Jugendwerk St. Joseph“.<br />

„Als er zu uns kam“, erinnert sich<br />

Dembo Krubally, schwarzafrikanischer<br />

Erzieher aus Gambia, „hatten<br />

wir beide voreinander Angst. Immer<br />

wenn ich zu Sven ins Zimmer kam,<br />

provozierte mich die aufgespannte<br />

Reichsfahne und die dröhnende<br />

rechte Musik.“ Für Sven seinerseits<br />

war es eine dicke Überraschung, um<br />

nicht zu sagen ein „Schock“, ausgerechnet<br />

in der Provinz auf einen farbigen<br />

Ausländer zu treffen, dem er<br />

als Zögling zugeordnet war. Seit 13<br />

Jahren lebt Dembo in Deutschland,<br />

studierte vorher in Gambia, um Lehrer<br />

zu werden, unterrichtete in Dorfschulen<br />

seiner Heimat und musste<br />

das afrikanische Land wegen Kritik<br />

an der Regierung verlassen. Seit sieben<br />

Jahren arbeitet der 36jährige als<br />

Erzieher im Jugendwerk. Mit drei<br />

weiteren deutschen Erziehern betreut<br />

er die Gruppe Nr. 7, „strukturiert<br />

den Alltag“, wie es amtlich heißt,<br />

achtet darauf, dass sich jeder wäscht,<br />

abends pünktlich um 22.30 Uhr ins<br />

Bett und morgens um 7.30 Uhr zur<br />

Arbeit geht. Dembo verwaltet das<br />

verdiente Geld der jungen Männer,<br />

organisiert mit ihnen zusammen das<br />

Essen, sorgt für Ordnung und Disziplin<br />

(„dass die Regeln eingehalten<br />

werden“). Er isst, spielt, lernt und<br />

lebt mit seinen Schützlingen.<br />

Jugendliche am Beginn einer<br />

kriminellen Karriere,<br />

doch ohne Ausländerhass<br />

Sven geriet mit der Polizei aneinander,<br />

weil er einen ausländischen Mitbürger<br />

verprügelt hat. Statt in einer<br />

Jugendstrafanstalt landete er in<br />

Dembos Heim. Die neue Umgebung,<br />

die enge Wohngemeinschaft<br />

mit zwei farbigen Jugendlichen hat<br />

ihn verwandelt und geholfen, sich<br />

von der rechten Bewegung loszusagen.<br />

„Ich wollte weg, weil es nichts<br />

gebracht hat außer Anzeigen und<br />

Stress“, spielt er auf die Polizei an.<br />

Der ehemalige Skin, einstmals aufgepumpt<br />

mit Hass gegen alles Nichtdeutsche,<br />

hat sich auch mental von<br />

seiner Gang gelöst und findet das,<br />

was er früher gemacht hat „Scheiße“<br />

und „Schwachsinn“:<br />

Sven kommt aus einem gut bürgerlichen<br />

Elternhaus („ich hatte alles“)<br />

und wuchs in einer heimatlichen<br />

Clique heran, die allmählich nach<br />

Rechts abdriftete. Sie posaunte Nazi-<br />

Parolen und spannte ihr braunes<br />

Netzwerk gegen AusländerInnen auf.<br />

„Du schaffst den Sprung aus diesem<br />

Aktionskreis nur, wenn du dich aus<br />

der Clique brutal losreißt“, verrät<br />

Sven das Rezept seines Neuanfangs.<br />

„Schwer, sehr schwer, denn du magst<br />

die Typen irgendwie emotional“.<br />

Von einem NPD-Verbot, wie es zur<br />

Zeit diskutiert wird, hält Sven nichts<br />

(„das sind verschworene Gruppen,<br />

die im Untergrund weiter machen“).<br />

Sven ist mehr für Aufklärung und<br />

Gespräche mit den Leuten. „Nicht<br />

Braunes Netzwerk<br />

gegen ausländische<br />

Jugendliche.<br />

Foto: Seifert<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

5


Rechte Gewalt<br />

Paul Schwarz erkundet in zwei Reportagen Hintergründe<br />

rechtsextremer Gewalt bei Jugendlichen.<br />

über sie reden, wie es die Politiker<br />

und Medien heute oft tun, sondern<br />

mit ihnen. Das sind z.T. arme<br />

Schweine, die da mitmarschieren,<br />

oft orientierungs- und arbeitslos“.<br />

Und so schlecht seien die meisten<br />

seiner Erfahrung nach auch nicht,<br />

wie sie jetzt gemacht würden, rührt<br />

sich Mitgefühl für seine ehemaligen<br />

Freunde. Vorurteile verschwinden<br />

offensichtlich in dem Maße, wie sie<br />

im persönlichen Zusammenleben<br />

wie in einer Wohngruppe oder in<br />

einer Fußballmannschaft überprüft<br />

werden können. „Man hat nur Vorurteile“,<br />

fasst Sven zusammen,<br />

„wenn man sich nicht kennt.“<br />

Fast alle in dieser katholischen Einrichtung<br />

können üble Geschichten<br />

erzählen, Geschichten von Hass und<br />

Gewalt, Familien- und Schultragödien,<br />

Geschichten von bösen Stiefvätern<br />

und betrunkenen Müttern.<br />

Fast alle hier wurden herumgeschubst,<br />

verprügelt, bekamen nur<br />

wenig Liebe. Der eine schlug seine<br />

Lehrer, der andere knackte Autos<br />

und Automaten, der dritte verweigerte<br />

die Schule und nahm Drogen,<br />

der vierte brach in Geschäfte ein, der<br />

fünfte schlug alles kurz und klein.<br />

Das Heim beherbergt zur Zeit 90<br />

Jugendliche aus ganz Deutschland,<br />

weit weg von Zuhause. Wer hier landet,<br />

stand am Beginn einer kriminellen<br />

Karriere und ist bereits mit<br />

dem Gesetz in Konflikt geraten.<br />

Doch für Fabian, Dirk, Manfred,<br />

Stefan, Ricci und Michael, Svens 17<br />

und 18jährige Kollegen aus dem<br />

Haus 7 ist Ausländerfeindlichkeit<br />

kein Thema. „Das sind doch Menschen<br />

wie du und ich, was sollte ich<br />

gegen sie haben“, meint Ricci neben<br />

seinem farbigen Zimmernachbarn<br />

Fabian.“ Man muss miteinander reden,<br />

Vertrauen auf- und Gewalt abbauen“,<br />

empfiehlt Dembo mit Blick<br />

auf Sven.<br />

Besonders gut scheint sich<br />

Dembo mit Skins zu verstehen<br />

...<br />

Ein Schwarzafrikaner hilft, weiße<br />

Jugendliche zu erziehen, hilft mit,<br />

jungen Deutschen wieder einen Lebenssinn<br />

zu geben. „Mit Kopfschmerzen“<br />

habe man Herrn Krubally<br />

eingestellt, sagt Direktor Erhard<br />

Ries. Denn Dembo ist Mohammedaner.<br />

Der für das Erziehungsheim<br />

zuständige Bischof musste über einige<br />

Schatten und kirchliche Richtlinien<br />

springen. Zudem ein schwarzer<br />

Ausländer in diesen Zeiten, bei<br />

diesen Jugendlichen? Überzeugt war<br />

man erst, als man Dembo Krubally<br />

in einem zweiwöchigen Praktikum<br />

erlebte, sah, wie gut er mit den Azubis<br />

zurechtkam und diese mit ihm.<br />

Heute spricht Ries von einem „Phänomen“.<br />

Dembo scheut sich nicht,<br />

sich offen zum Islam zu bekennen<br />

und auch in seinem Büro seine Tagesgebete<br />

zu verrichten. Das wird<br />

respektiert, macht Eindruck bei Jugendlichen,<br />

die mit Religion, Gott<br />

und Frömmigkeit wenig am Hut<br />

haben und höchstens in die Kirche<br />

gehen, „wenn es dort Freibier gibt“.<br />

„Geeignete Maßnahmen zur Erziehung“,<br />

so der Terminus der Jugendämter,<br />

sollen die Jugendlichen wieder<br />

auf den rechten Weg zurückbringen.<br />

Sie wohnen allein oder zu zweit<br />

auf einem Zimmer und lernen Lakkierer,<br />

Maler, Schreiner. Kfz-Mechaniker<br />

oder Maurer wie Sven. Die<br />

Ahnung, das eigene Leben nicht<br />

meistern zu können, keine Perspektive<br />

zu haben, können bei diesen Jugendlichen<br />

zu massiver Verunsicherung,<br />

zu Minderwertigkeitsgefühlen<br />

und Aggressionen führen. Noch vor<br />

einigen Jahren wurden in manchen<br />

Wohngruppen die eigenen Selbstzweifel<br />

auf alle projiziert, die auf der<br />

sozialen Leiter scheinbar noch tiefer<br />

stehen, die „schuld sind an allem<br />

Übel“. Zum Beispiel die AusländerInnen.<br />

Und so standen Steffen, Nicolas,<br />

Timo, Klaus und wie sie alle<br />

heißen schon mal vor dem Fernseher,<br />

sangen Nazi-Strophen und grölten<br />

„Sieg Heil“ gegen „Fidschis“,<br />

„Zecken“ und „Kanaken“. Dies habe<br />

sich nun, freut sich Direktor Erhard<br />

Ries, entscheidend verändert. „So<br />

etwas spielt sich kaum noch bei uns<br />

ab“. Psychologin Pia Müller in<br />

Queichheim führt das nicht zuletzt<br />

auf das gemeinsame Wohnen, Arbeiten<br />

und Leben zurück. „Hier zählt<br />

nur die Persönlichkeit, egal ob du<br />

Deutscher oder Ausländer bist.“ Dies<br />

gilt auch für Dembo aus Gambia,<br />

den farbigen Erzieher. „Dembo versucht<br />

uns zu verstehen, redet mit<br />

uns, auch wenn er manchmal streng<br />

sein muss“, lobt Ex-Skin Sven.<br />

Manchmal sind die Jungen aggressiv,<br />

ihre Wut staut sich über das in<br />

ihren Augen zu geringe Taschengeld<br />

und den begrenzten Ausgang („die<br />

Freundin darf nicht mit aufs Zimmer<br />

und muss um neun Uhr von<br />

Bord“). Frust und Enttäuschung<br />

entladen sich dann gegen die ErzieherInnen<br />

im Haus. Dennoch kann<br />

sich Dembo nicht beklagen, „im<br />

Großen und Ganzen sind die Jungs<br />

mir gegenüber schon okay“, sagt er<br />

und grinst.<br />

Besonders gut scheint sich Dembo<br />

mit Skins zu verstehen, so verrückt<br />

das auch klingen mag. Jetzt mit Sven,<br />

vor zwei Jahren mit Stefan aus einer<br />

stramm-deutschen Bandenfreizeit in<br />

Bayern mit „Skin“- und Hakenkreuz-Tätowierung<br />

auf dem Arm.<br />

Mit drei Kameraden stürzte der damals<br />

15jährige 148 Grabsteine um.<br />

Weil ihn das Palästinensertuch oder<br />

was anderes störte, schlug er Ausländer<br />

zusammen. Auf den Jungen warteten<br />

vier Anklagen wegen schwerer<br />

Körperverletzung, Verbreitung nationalsozialistischen<br />

Gedankenguts,<br />

Waffenbesitz und Grabschändung,<br />

als er ins Jugendwerk kam. Kaum<br />

einige Monate bei Dembo, nahm<br />

ihn dieser mit zu eine afro-deutschen<br />

Party, organisiert von einer „Initiative<br />

zur Förderung deutsch-ausländischer<br />

Begegnungen“ in Landau.<br />

Stefan trug ein Palästinensertuch,<br />

half bei den Vorbereitungen und<br />

malte Plakate. Auf einem stand:<br />

„Wir sollten uns kennenlernen.“<br />

Paul Schwarz<br />

6 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Das „Schlägerweib“ von Nürnberg<br />

Warum Nicole dennoch Neo-Nazis nicht mag<br />

Rechte Gewalt<br />

In Nürnberg (Name geändert) ist sie<br />

als „Schlägerweib“ bekannt, wie sie<br />

sich selbst tituliert. Mit 12 stand sie<br />

erstmals im Boxring über drei Runden.<br />

Ihre russische Gegnerin warf in<br />

der zweiten Runde das Handtuch,<br />

technischer k.o. Nach einer kurzen<br />

Boxerinnenkarriere folgte eine Drogenkarriere,<br />

ein Selbstmordversuch,<br />

Psychiatrieeinweisung. Seit einem<br />

halben Jahr lebt die heute 15jährige<br />

Nicole (Name geändert) mit drei<br />

anderen Mädchen im pfälzischen<br />

Wendelinushof. Zwei weitere Teenies<br />

sind soweit resozialisiert, dass sie außerhalb<br />

der Gruppe in angemieteten<br />

Zimmern ihr eigenes Zuhause haben<br />

dürfen. Das geräumige Anwesen mit<br />

dem großem Garten gehört zum „Sozialpädagogischen<br />

Bildungszentrum“<br />

in Landau-Queichheim, getragen<br />

von der katholischen Kirche.<br />

Jedes Mädchen, so Erzieherin Gudrun<br />

Bauer, komme traumatisiert<br />

hierher, beispielsweise sexuell missbraucht<br />

worden zu sein. Die meisten<br />

schicken die Jugendämter. Die 13<br />

bis 19jährigen sind straffällig geworden,<br />

hatten Zoff mit ihren Eltern<br />

und kamen mit der Schule nicht zurecht.<br />

Sie standen am „Rande der<br />

Psychiatrie“, wie es Erziehungsleiter<br />

Diplom-Psychologe Eckard Büdding<br />

ausdrückt. Das wichtigste Ziel sei der<br />

Hauptschulabschluss und der Einstieg<br />

in einen Beruf. Der Beruf sei<br />

Ziel und Weg zugleich, erklärt Büdding,<br />

„ein Vehikel für die Persönlichkeitsbildung<br />

und gesellschaftliche Integration“.<br />

Auf einem guten Weg befindet sich<br />

wohl auch Nicole, ein mittelgroßes<br />

Mädchen mit hübschem Gesicht<br />

und halblangen dunklen Haaren,<br />

gepierct an Bauch und Kinn, silberner<br />

Nasenstecker, sieben Ohrringe<br />

rechts, mit einem chicen gelben<br />

Handy und bekleidet mit einem<br />

aufreizenden schwarzem Minirock.<br />

Sie flog von Schule zu Schule, „keiner<br />

wollte mich“, erzählt sie. Vorschriften<br />

und Regeln machten ihr zu<br />

schaffen, jede Form von Bevormundung.<br />

Ständig muckte sie auf, und<br />

„wenn mich eine blöd angeguckt hat,<br />

schlug ich drauf los“. Sehr bald begann<br />

sie zu kiffen und zu koksen. Mit<br />

ihrer Clique, nicht selten alkoholisiert,<br />

streunte sie durch Nürnberg<br />

und machte jeden an, der ihr nicht<br />

passte. Mit 12 lernt sie ihre erste Liebe<br />

Ramazzan, einen jungen Türken,<br />

kennen und ist schon bald intim mit<br />

ihm, wechselt zwischen Pille und<br />

Pariser. Noch heute erinnert das tätowierte<br />

„R“ auf ihrem linken Arm<br />

an ihn. Als er sie verließ, brach die<br />

Welt zusammen, wollte sie mit ihrem<br />

Leben abschließen. Mit einer<br />

Rasierklinge. Rechtzeitig gerettet,<br />

verbrachte sie anschließend ein halbes<br />

Jahr in einer Jugendpsychiatrie.<br />

Ihre Eltern und ihre beiden Geschwister<br />

leben in Nürnberg. Mittlerweile<br />

ist sie wieder mit einem Türken<br />

zusammen, 23jährig, Schweißer.<br />

Wenn sie drei Wünsche frei hätte....<br />

Sie hat nur einen: sich zu verändern,<br />

ein anderer Mensch zu werden, raus<br />

aus den Drogen und raus aus der Aggression.<br />

Gudrun Bauer bescheinigt<br />

ihr erste positive Veränderungen.<br />

„Am Anfang war sie mächtig aufgedreht<br />

und gewaltbereit“, erinnert sie<br />

sich. Jetzt sei sie ruhiger geworden.<br />

Sie merke, „dass man mit uns umgehen<br />

kann, sie wenig eingrenzt wird.“<br />

Nur einmal sei sie bisher über die<br />

Stränge geschlagen, eine Nacht weggeblieben<br />

und nicht um neun Uhr<br />

abends (Wochenende zehn) rechzeitig<br />

nach Hause gekommen. Nicole<br />

geht in die Hauptschule der Einrichtung,<br />

„noch ein Jahr“ und schreibt<br />

momentan nur Einsen. Später möchte<br />

sie zurück nach Nürnberg und Friseurin<br />

werden. Manchmal träumt sie<br />

von einer Sängerkarriere, denn sie<br />

scheint talentiert zu sein. Bei einem<br />

demnächst stattfindenden Musikworkshop<br />

in Münster hat sie ihren<br />

ersten Soloauftritt, vermutlich wird<br />

auch ein türkisches Lied dabei sein.<br />

Mit Skinhead Lisa in der<br />

Wohngruppe<br />

Mit Syleyman befreundet, ärgert sie<br />

sich über Lisa aus der Wohngruppe.<br />

Lisa, sechzehnjährig, ist bekennender<br />

Skinhead, mag Hitler und lässt<br />

gerne die rechten Sänger aus ihrem<br />

Radio plärren. Hie und da zieht die<br />

kahlköpfige Lisa ihre Springerstiefel<br />

an, Sandra findet so etwas „ätzend“.<br />

Lisa wolle zwar nicht provozieren,<br />

entschuldigt Sandra, trage aber ihre<br />

faschistische Haltung wortreich werbend<br />

vor sich her. Kann man was<br />

dagegen machen? „Manche“, versucht<br />

sie zu erklären, „brauchen das,<br />

weil sie nicht wissen, woran sie sich<br />

halten sollen, außerdem die Clique,<br />

da musst du mitmachen.“ Vom Neonazi-Gehabe<br />

abgesehen, lobt Gudrun<br />

Bauer Lisas täglichen Umgangston<br />

und die Essmanieren. Für sie ist<br />

das Radikalen-Getue eine pubertäre<br />

Suche nach Orientierung, „das geht<br />

wieder vorbei“, meint sie. Zuviel<br />

darüber zu reden, wirke wie eine öffentliche<br />

Bestätigung. Wenn freilich<br />

die verbale Protzerei in Gewalt umschlage,<br />

sei die Grenze überschritten,<br />

dann dürfe es kein Pardon geben.<br />

Angst vor Rechtsradikalen hat Nicole<br />

nicht, wenn sie mit ihrem türkischen<br />

Freund unterwegs ist. Noch immer<br />

kann sie sich auf ihre Fäuste verlassen.<br />

Das Boxen möchte sie gerne wieder<br />

aufnehmen, „aber Landau hat<br />

keine gute Staffel“.<br />

Sie ist 15 und sieht aus wie 18. Noch<br />

ist Sandra labil und wenig gefestigt,<br />

sucht ihren Weg in die Normalität,<br />

was immer das heißen mag. Leicht<br />

ist das nicht, aber ErzieherInnen und<br />

PsychologInnenen begleiten sie bei<br />

ihrer Selbstfindung. Erst neulich erlitt<br />

Sandra wieder einen Rückschlag.<br />

Es gab Ärger mit ihrem Freund, Verlustängste<br />

und Wut, die sie gegen<br />

sich selbst richtete. Mit Glasscherben<br />

zerschnitt sie sich ihren linken<br />

Unterarm. Vor einigen Tagen wurden<br />

die Fäden gezogen.<br />

Paul Schwarz<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

7


Schulen<br />

Volle Halbtagsschule auf dem Prüfstand<br />

<strong>GEW</strong> stellte Umfrageergebnisse zur VHTS der Presse vor<br />

Nach zwei Jahren Volle Halbtagsschule hat die <strong>GEW</strong> die KollegInnen<br />

nach ihren bisherigen Erfahrungen gefragt. Das Konzept der Umfrage<br />

an den Grundschulen des Landes hat der Spitzenkandidat für die Bezirkspersonalratswahlen<br />

Grund-, Haupt- und Regionale Schulen bei<br />

der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, der Ludwigshafener<br />

<strong>GEW</strong>-Kreisvorsitzende Helmut Thyssen, ausgearbeitet.<br />

Durch die Einführung der VHTS hat sich<br />

meine Arbeitssituation …<br />

… verschlechtert 82%<br />

… nicht verändert 15%<br />

… verbessert 3%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%<br />

1.280 GrundschullehrerInnen von<br />

insgesamt 11.537 haben der <strong>GEW</strong><br />

sehr differenzierte, mit zum Teil ausführlichen<br />

Begründungen versehene,<br />

Rückmeldungen zugeleitet. Die für<br />

solche Umfragen hohe Rückmeldequote<br />

(11,09%) hat der <strong>GEW</strong><br />

Rheinland-Pfalz wichtige Hinweise<br />

zur Arbeitssituation, der Stimmungsund<br />

Motivationslage sowie dem pädagogischen<br />

und organisatorischen<br />

Konzept gegeben.<br />

Die Umfrageergebnisse bestärken die<br />

<strong>GEW</strong> darin, dass das Ministerium<br />

für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung<br />

(MBWW) dringend Verbesserungen<br />

der Rahmen- und Arbeitsbedingungen<br />

an der VHTS vornehmen<br />

muss.<br />

Auf großes Unverständnis stößt bei<br />

den GrundschullehrerInnen die Entscheidung<br />

des MBWW, 50-Minuten-Einheiten<br />

als Berechnungsgrundlage<br />

einzuführen. Dies ist zur<br />

Verwirklichung der VHTS absolut<br />

unnötig und realitätsfern. Das pädagogische<br />

Konzept der VHTS steht<br />

u. a. deshalb in der Kritik, weil zu<br />

wenig Zeit zur Verfügung stand, dieses<br />

zu entwickeln und zu erproben.<br />

Häufig hat sich nur die Unterrichtseinheit<br />

von 45 Minuten auf 50 Minuten<br />

verändert.<br />

Fast drei Viertel der Rückmeldungen<br />

gehen davon aus, dass das organisatorische<br />

Konzept der VHTS verbessert<br />

werden muss. Dies gilt in besonderer<br />

Weise für die Abschaffung der<br />

50-Minuten-Berechnungsgrundlage,<br />

um die eingetretenen Organisationsschwierigkeiten<br />

bei gemeinsamen<br />

Schulbussen, gemeinsamer Turnhallen-,<br />

Schwimmbad- oder Fachraumbenutzung<br />

in den verbundenen<br />

Grund-und Hauptschulen zu beseitigen.<br />

Auch die KollegInnen für sonderpädagogische<br />

Förderung bzw.<br />

muttersprachlichen Unterricht sowie<br />

die ReligionspädagogInnen haben<br />

größte Schwierigkeiten, sich in den<br />

- auch zwischen den einzelnen<br />

Grundschulen - unterschiedlichen<br />

Rhythmus einzupassen.<br />

Das sinnvolle pädagogische Konzept<br />

der VHTS ist abhängig von einer<br />

ausreichenden LehrerInnen-Versorgung.<br />

Da dies oft nicht gewährleistet<br />

ist, werden Maßnahmen zur Vermeidung<br />

von Unterrichtsausfall sowie<br />

zur Einhaltung der sogenannten<br />

„verlässlichen“ Unterrichtszeiten ergriffen,<br />

die nach Meinung der <strong>GEW</strong><br />

und der KollegInnen mit dem pädagogischen<br />

Konzept nicht vereinbar<br />

sind. So bemängeln die KollegInnen<br />

insbesondere, dass Klassen zusammengelegt<br />

bzw. aufgeteilt werden -<br />

oft über die Klassenmesszahl hinaus<br />

und das über mehrere Wochen. Damit<br />

ist die pädagogische Kontinuität<br />

der Unterrichtsarbeit nicht gewährleistet.<br />

Für Grundschulkinder ist es besonders<br />

wichtig, dass sie eine feste Bezugsperson<br />

haben, dass ihre Klassengemeinschaft<br />

stabil bleibt und dass<br />

geplanter Unterricht in Ruhe ablaufen<br />

kann und nicht ständig durch<br />

Störungen unterbrochen wird, die<br />

durch „Notfalllösungen“ verursacht<br />

werden.<br />

In diesem Zusammenhang kritisierten<br />

die KollegInnen insbesondere,<br />

dass durch die Einsparungen bei der<br />

Zuweisung von Lehrerwochenstunden<br />

die Anforderungen für die KollegInnen<br />

allgemein gestiegen sind (z.<br />

B. fehlendes Teamteaching). Auch<br />

die längere Anwesenheitszeit und die<br />

damit verbundenen zusätzlichen<br />

Aufsichten sowie die veränderten<br />

Unterrichtszeiten werden von den<br />

GrundschullehrerInnen als Belastung<br />

empfunden. Hatte vor der Einführung<br />

der VHTS eine Vollzeitlehrkraft<br />

bei einer 5-Tage-Woche zwei freie<br />

sechste Stunden oder Springstunden<br />

zur Verfügung, ist sie mit der VHTS<br />

an 5 Tagen in der Woche von 8 Uhr<br />

- 13 Uhr durch Unterrichts-, Aufsichts-<br />

und Betreuungszeiten voll eingeplant.<br />

Dass die Teilzeitlehrkräfte zusätzlich<br />

ohne Zeitausgleich viele Vertretungsstunden<br />

leisten müssen, trägt nicht<br />

zur Verbesserung der Stimmung in<br />

den Kollegien bei. Viele GrundschullehrerInnen<br />

haben den Eindruck,<br />

dass ihre wichtige pädagogische Arbeit<br />

nicht gewürdigt wird und der<br />

Grundschule immer mehr Aufgaben<br />

aufgebürdet werden. Durch die hohe<br />

Unterrichts-, Aufsichts- und Betreuungsbelastung<br />

bleibt auch wenig Zeit<br />

für die notwendigen Absprachen<br />

untereinander.<br />

Dem zuständigen Ministerium für<br />

Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung<br />

wird insbesondere angelastet,<br />

dass es behauptet, in der VHTS<br />

sei die Unterrichtsversorgung fast zu<br />

100% gesichert und die Einstellungssituation<br />

hervorragend, obwohl die<br />

Wirklichkeit an den Grundschulen<br />

des Landes völlig anders aussieht.<br />

Zwar hat das MBWW nach Verhandlungen<br />

mit der <strong>GEW</strong> die Zahl<br />

der Vertretungslehrkräfte (FeuerwehrlehrerInnen)<br />

angehoben und<br />

ihren Stundenansatz den 3/4-BAT-<br />

8 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Im zuständigen Ministerium sehe ich …<br />

… eher Entscheidungen, die basisfern<br />

getroffen werden<br />

… Schönreden und Verschleierung von<br />

tatsächlichen Sachverhalten<br />

44%<br />

52%<br />

… sonstige Angaben 4%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />

LehrerInnen angeglichen (19 Stunden),<br />

doch reicht dies bei weitem<br />

nicht aus, um Unterrichtsausfall<br />

durch Krankheit, Klassenfahrten,<br />

Fortbildung etc. aufzufangen. Die<br />

Vertretungslehrkräfte haben zu viele<br />

Schulen und Klassen zu betreuen<br />

und sind außerdem zu wenige Tage<br />

an einer Schule bzw. in einer Klasse,<br />

sodass sie nicht als Bezugsperson in<br />

der Grundschule arbeiten können.<br />

119 Vertretungskräfte stehen z. Z.<br />

Schulen<br />

für 983 Grundschulen zur Verfügung,<br />

d.h. eine Lehrkraft hat durchschnittlich<br />

15 bis 20 Klassen im Laufe<br />

eines Schuljahres zu betreuen.<br />

Das anspruchsvolle Ziel, Fremdsprachenarbeit<br />

flächendeckend einzuführen,<br />

ist nicht erreicht. Nach wie<br />

vor gibt es viele Schulen, an denen<br />

dieser Unterricht nicht erteilt werden<br />

kann, weil die dafür ausgebildeten<br />

LehrerInnen fehlen.<br />

Übereinstimmend wurde von sehr<br />

vielen KollegInnen (82%) kritisiert,<br />

dass mit der Einführung der VHTS<br />

die Anzahl der Arbeitsgemeinschaften<br />

stark zurück gegangen ist bzw.<br />

überhaupt keine mehr eingerichtet<br />

werden können. Damit wird es den<br />

Schulen sehr erschwert, ein eigenes<br />

Profil durch zusätzliche pädagogische<br />

Angebote zu entwickeln.<br />

Das Gleiche gilt für den Förderunterricht.<br />

Dies geht besonders zu Lasten<br />

der schwächeren SchülerInnen,<br />

die außer durch Differenzierungsangebote<br />

im Klassenverband unbedingt<br />

in Kleingruppen intensiv gefördert<br />

werden müssten.<br />

Sehr positiv wird von drei Viertel<br />

der KollegInnen das „Betreute Frühstück“<br />

als eine sinnvolle pädagogische<br />

Maßnahme bewertet.<br />

Kritisiert wird jedoch die hohen<br />

Anzahl von Klassenarbeiten, dies stehe<br />

im Widerspruch zu den veränderten<br />

Unterrichtsformen.<br />

„Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz erwartet<br />

vom MBWW, dass die von den<br />

KollegInnen vorgetragene Kritik<br />

ernst genommen wird. Die Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

fordert das Bildungsministerium auf,<br />

gemeinsam Verbesserungen am organisatorischen<br />

und pädagogischen<br />

Konzept zu erarbeiten und umzusetzen.<br />

Hierzu trägt u. a. bei, dass die<br />

LehrerInnen-Versorgung z. B. durch<br />

eine schulische Vertretungsreserve<br />

sichergestellt wird. Mit der ausreichenden<br />

Versorgung steht und fällt<br />

die Volle Halbtagsschule!,“ betonte<br />

der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Tilman<br />

Boehlkau gegenüber der Presse.<br />

red<br />

Kommentar: Optimierung nötig<br />

Es ist bekannt, dass unsere BildungspolitikerInnen<br />

Arbeitstechniken und<br />

-formen der Wirtschaft bewundern und<br />

sie auch in die Bildungsinstitutionen<br />

zu übertragen suchen. Es sei nur an die<br />

Schlagworte der letzten vier Jahre erinnert:<br />

Effizienssteigerung, Leistungsoptimierung<br />

durch Leistungsanreize<br />

(Nasenprämien), lean production (gleiche<br />

Anzahl von LehrerInnen versorgt<br />

wachsende Zahl von SchülerInnen), ergebnisorientierte<br />

Leistungskontrolle<br />

(Mathematiktest) und Total Quality<br />

Management (TQM) auch in den<br />

Schulen.<br />

Warum frönen die Verantwortlichen<br />

im MBWW nicht auch bei der Vollen<br />

Halbtagsschule ihrer Leidenschaft Ver-<br />

fahrensweisen der Wirtschaft auf die<br />

Schule zu übertragen? Mit der VHTS<br />

hat Rheinland-Pfalz bildungspolitisches<br />

Neuland betreten und den „Prototyp“<br />

einer neuen Schulart kreiert. Üblich ist<br />

es in der Wirtschaft Neuentwicklungen<br />

in einen Probelauf zu schicken, um die<br />

gröbsten Mängel schon zu beheben,<br />

bevor das Produkt in Serie geht. Das<br />

geschah bei der VHTS nicht, sie wurde<br />

flächendeckend im Schuljahr 1998/99<br />

aus der Papierform in die Praxis umgesetzt.<br />

Weiter ist es in der Industrie üblich,<br />

nach einer gewissen Laufzeit eine Neuentwicklung<br />

auf den Prüfstand zu stellen,<br />

um sichtbar gewordene Mängel zu<br />

beheben. Das Produkt soll damit „optimiert“<br />

werden. Auch das hat das<br />

Ministerium bisher unterlassen. Wenn<br />

schon industrielle Verfahrensweisen in<br />

die Schule übertragen werden, dann<br />

bitte aber konsequent, auch wenn man<br />

befürchtet, dass notwendige Überprüfungen<br />

nicht die Ergebnisse erbringen<br />

werden, die man erhoffte.<br />

Da das MBWW anscheinend eine<br />

Überprüfung der VHTS scheut, hat<br />

es die <strong>GEW</strong> übernommen, dieses neue<br />

Produkt zu untersuchen. Die Ergebnisse<br />

sind im nebenstehenden Bericht<br />

aufgeführt. Das Ministerium braucht<br />

nur auf die gelieferten Daten zurückzugreifen<br />

und kann die größten Mängel<br />

- zu geringe Zahl von Lehrkräften,<br />

50-Minuten-Berechnungseinheit,<br />

zu wenig Föderstunden, Wegfall<br />

von Arbeitsgemeinschaften- beseitigen.<br />

Wenn 82% der befragten Lehrkräfte<br />

feststellen, dass sich ihre Arbeitssituation<br />

verschlechtert hat und 71% erklären<br />

die Stimmungs-und Motivationlage<br />

sei schlecht, dann wäre das<br />

in der Wirtschaft ein Alarmsignal für<br />

die Führungsetagen, denn jeder Manager<br />

weiß, nur zufriedene MitarbeiterInnen<br />

bringen gute und sehr gute<br />

Leistungen und Engagement über das<br />

geforderte Minimum hinaus.<br />

Es ist keine Schande Fehler bei einer<br />

Neuentwicklung zu entdecken und<br />

einzugestehen. Im Gegenteil, „aus<br />

Schaden wird man klug“. Also Herr<br />

Minister, werden Sie klug und optimieren<br />

sie das Modell Volle Halbtagsschule!<br />

Ursel Karch<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

9


Schulen<br />

Angestellte Teilzeitlehrkräfte wehren sich<br />

Rund 50 LehrerInnen aus Rheinland-Pfalz<br />

mit 3/4-Angestelltenverträgen<br />

forderten auf einer Informationsveranstaltung<br />

der <strong>GEW</strong> in<br />

Mainz einstimmig die Landesregierung<br />

und die Landtagsfraktionen<br />

auf, die Praxis der Zwangsteilzeitbeschäftigung<br />

von neu eingestellten<br />

Lehrkräften sofort zu beenden.<br />

Die TeilnehmerInnen waren einhellig<br />

der Auffassung, dass die Versuche<br />

des Ministeriums, nur einen kleinen<br />

Teil der eingestellten Junglehrerlnnen<br />

auf BeamtInnen-Stellen zu<br />

übernehmen, nicht den erwünsch-<br />

ten Effekt gebracht hat. Diese Maßnahme<br />

habe vielmehr zu einer großen<br />

Ungleichbehandlung und zu<br />

Missstimmung unter den jungen<br />

KollegInnen an den Schulen geführt.<br />

So hätten einige neu Eingestellte BeamtInnen-Stellen<br />

erhalten, während<br />

andere, die schon länger im Schuldienst<br />

sind, immer noch mit<br />

3/4-BAT-Verträgen arbeiten müssen.<br />

„Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz unterstützt<br />

die berechtigten Forderungen<br />

der jungen KollegInnen. Für die<br />

Zwangsteilzeitverträge gibt es heute<br />

keine sachliche Begründung mehr!“,<br />

stellte Tilman Boehlkau, fest. In<br />

Rheinland-Pfalz<br />

herrsche nachweislich<br />

in einigen<br />

Schularten,<br />

Fächern und<br />

Regionen LehrerInnen-Mangel,<br />

der nur durch<br />

attraktive Beschäftigungsverhältnisse<br />

und<br />

die Vergabe von<br />

vollen BeamtInnen-Planstellen<br />

beseitigt werden<br />

könne.<br />

„Die massive<br />

Abwanderung zu Beginn des neuen<br />

Schuljahres in benachbarte Bundesländer,<br />

die volle BeamtInnen-Stellen<br />

anbieten, hätte durch eine vernünftige<br />

Beschäftigungspolitik vermieden<br />

werden können.“, sagte Boehlkau.<br />

Die <strong>GEW</strong> habe bereits im Frühjahr<br />

die Landesregierung und das<br />

MBWW eindringlich gewarnt und<br />

aufgefordert, zur Sicherung der Unterrichtsversorgung<br />

den Zwangsteilzeitbeschäftigten<br />

- zumindest in einem<br />

Stufenplan - volle Stellen anzubieten.<br />

„Dies würde den Landeshaushalt<br />

auch nicht überproportional<br />

belasten und die Einstellungschancen<br />

weiterer junger KollegInnen<br />

nicht schmälern, da eine Vielzahl<br />

derzeitig Beschäftigter freiwillig auf<br />

einen Teil ihres Deputates verzichten<br />

würde, wenn sie BeamtInnen-<br />

Stellen erhielten.“, so der <strong>GEW</strong> Landesvorsitzende.<br />

Die TeilnehmerInnen der <strong>GEW</strong>-Informationsveranstaltung<br />

forderten<br />

die Landesregierung auf, die Beschäftigungspolitik<br />

in Rheinland-Pfalz<br />

umgehend zu ändern, um die Abwanderung<br />

in andere Bundesländer<br />

zu verhindern und die Ungleichbehandlung<br />

der Anstellungsbedingungen<br />

zu beenden.<br />

<strong>GEW</strong>-Presseinfo<br />

Neue Schulordnung für Sonderschulen<br />

Zum 01. August 2000 ist eine Neufassung<br />

der Schulordnung für Sonderschulen<br />

in Kraft getreten. Erforderlich<br />

war diese Neufassung insbesondere<br />

aus folgenden Gründen:<br />

• Änderung des Schulgesetzes mit<br />

Stärkung der Elternrechte;<br />

• Änderung der übergreifenden<br />

Schulordnung mit der Möglichkeit<br />

der Versetzung von Schülerinnen<br />

und Schülern auf Grund einer Nachprüfung;<br />

• Neufassung der Empfehlungen zur<br />

sonderpädagogischen Förderung in<br />

den Schulen der Bundesrepublik<br />

Deutschland (Beschluss der KMK<br />

vom Mai 1994).<br />

Geändert wurde auch die Systema-<br />

tik der Sonderschulordnung, wobei<br />

sich der erste Abschnitt nun den<br />

Schülerinnen und Schülern und der<br />

Schule widmet und nicht mehr das<br />

Aufnahmeverfahren an den Anfang<br />

stellt. Dieses nimmt jedoch nach wie<br />

vor eine zentrale Stellung in der Sonderschulordnung<br />

ein, zumal in diesem<br />

Bereich auch die neuen Bezeichnungen<br />

der Sonderschulen festgelegt<br />

wurden (§ 13), wobei die insbesondere<br />

die Überlegungen in der KMK<br />

und die neuere sonderpädagogische<br />

Wissenschaft berücksichtigt wurde.<br />

In der Diskussion um die Neufassung<br />

fand die Abkehr vom Begriff<br />

der Behinderung und die positive<br />

Beschreibung des Förderansatzes<br />

Zustimmung. Dass der Begriff „Sonderschule“<br />

noch nicht durch die Bezeichnung<br />

„Förderschule“ abgelöst<br />

wurde, ist darauf zurück zu führen,<br />

dass dazu eine Änderung des Schulgesetzes<br />

erforderlich ist. Abschließend<br />

sei angemerkt, dass der Begriff<br />

„Behinderung“ gänzlich aus der Verordnung<br />

verschwunden ist und<br />

durch den Begriff „Beeinträchtigung“<br />

ersetzt wurde.<br />

Die <strong>GEW</strong> hat einen Sonderdruck<br />

dieser Schulordnung herausgegeben,<br />

der den Mitgliedern kostenlos,<br />

Nichtmitgliedern zum Preis von 2,50<br />

DM zur Verfügung gestellt wird.<br />

Anforderungen sind an die Geschäftsstelle<br />

in Mainz zu richten.<br />

Klaus Bundrück<br />

10 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Einmaleins der Statistik<br />

Oder: Warum amtliche Statistik und Wirklichkeit nie übereinstimmen<br />

Schulen<br />

Alle Jahre wieder die gleiche Prozedur: Der Minister lässt in den<br />

Schulen die Unterrichtsversorgung errechnen und freut sich, wieder<br />

einmal den Erfolg seiner großen Bemühungen bestätigt zu sehen.<br />

Dann die Blitzumfrage der <strong>GEW</strong> und schwupps, schon wird<br />

energisch widersprochen. Das kann aber doch gar nicht sein. Kinder<br />

sind ein Faktum, das man zählen kann, da gibt’s doch nichts<br />

zu „manipulieren“ (welch’ böses Wort). Aber auch Lehrerwochenstunden<br />

sind entweder vorhanden - dann kann man sie auch zählen<br />

- oder sie sind eben nicht vorhanden - dann gibt’s auch nichts<br />

zu zählen. Aber wie z.B. die Landtagsdrucksache Nr. 13/5868 belegt,<br />

erhalten nicht mal MdL auf ihre diesbezüglichen Fragen eine<br />

klärende Antwort, da der Minister mal wieder haarscharf an der<br />

gestellten Frage vorbei antwortet.<br />

Daher soll im folgenden endlich einmal dieses Mirakel erklärt<br />

werden!<br />

Nehmen wir einmal an eine Grundschule hat 297 SchülerInnen<br />

in 12 Klassen. Gemäß ministerieller Vorgabe sollte die Schule folgende<br />

Lehrerwochenstunden (LWStd.) erhalten:<br />

a) Kl. 1+2 156 x 0,38 = 59,28 LWStd. + 6 Klassen x 13 = 78 LWStd. => 137 LWStd.<br />

b) Kl. 3+4 141 x 0,38 = 53,58 LWStd. + 6 Klassen x 18 = 108 LWStd. => 162 LWStd.<br />

Basisversorgung (Stunden-Soll) 299 LWStd.<br />

Mit diesen Stunden muss die Schule zunächst planen. Das heißt:<br />

Keine weitere Zuweisung von Stunden für Differenzierungen (z.B.<br />

bei Religion); keine weitere Zuweisung von Stunden zur Durchführung<br />

von Arbeitsgemeinschaften. Dies muss „planerisch“ erwirtschaftet<br />

werden.<br />

c) für Massnahmen der Integrierten Förderung erhält die Schule 15 LWStd.<br />

Die 25 Stunden der Kollegin in EZU werden kurz nach Unterrichtsbeginn<br />

mit einem Vertretungsvertrag von 19 LWStd. ersetzt.<br />

Bei Skatspielern gilt der Spruch: Wer schreibt, der bleibt! Und ich<br />

dachte immer, hier ginge es um Schule! Frage: Welche Zahl erscheint<br />

in der offiziellen Statistik????<br />

Den ersten Preis bei den Berechnungsvarianten hat sich aber das<br />

MBWW verdient. Dort berechnet man wie folgt:<br />

Die sogenannte Basisversorgung (Stunden-Soll) errechnet sich aus<br />

der Addition des Pflichtstundenansatzes der jeweiligen Klassenstufen!<br />

Also: 6 Klassen à 19 Stunden = 114 Std.<br />

6 Klassen à 24 Stunden = 144 Std.<br />

dazu 12 x 0,5 Std. Betr. Frühstück (!) = 6 Std.<br />

—————————<br />

264 Std. (Stunden-Soll)<br />

Stellt man diese Zahl den Berechnungen der o.a. Tabelle gegenüber<br />

ergibt sich:<br />

„Variante Schule“ Stunden-Soll: 264<br />

Stunden-Ist: 265<br />

also:<br />

1 Stunde Überversorgung!!<br />

„Variante Schulaufsicht“ Stunden-Soll: 264<br />

Stunden-Ist: 311<br />

also:<br />

47 Stunden Überversorgung!!<br />

Wenn da mal bloß keine LehrerInnen „abgezogen“ werden!<br />

jöpf<br />

Dies ergäbe einen Bedarf von 314 LWStd.<br />

Berechnung:<br />

An der Schule sind derzeit 16 Lehrkräfte tätig. Eine Kollegin ist<br />

seit einem Jahr im Erziehungsurlaub (EZU); eine Kollegin geht 3<br />

Wochen nach Unterrichtsbeginn in Mutterschutz(MU). Also verfügt<br />

die Schule über folgende Versorgung:<br />

Die Schule<br />

rechnet:<br />

Die Schulaufsicht<br />

rechnet:<br />

13 KollegInnen erbringen insgesamt: 264 LWStd. 264 LWStd.<br />

Kollegin B. MU ab 01.09.00 25 LWStd 25 LWStd<br />

Kollegin F. EZU seit 07.03.1998 0 LWStd 25 LWStd.<br />

der Förderlehrer (laut Anweisung der<br />

ADD nicht mitzuzählen!) ( 15 LWStd.) 15 LWStd.<br />

abzügl. Anrechnungsstunden<br />

(z.B. Schulleitung; Personalrat; usw.) ./. 18 LWStd. ./. 18 LWStd.<br />

abzüglich „Betreutes Frühstück“ ./. 6 LWStd 0 LWStd.<br />

Versorgung Bedarf: 34 LWStd. Bedarf: 3 LWStd.<br />

./. 11,4 % ./. 0,9 %<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

11


Schulen<br />

„Pannen bei Stellenbesetzung“: Klappe, die x-te<br />

Diese Geschichte entspricht leider voll<br />

und ganz der Wahrheit, hat sich erst<br />

vor einigen Wochen zugetragen und<br />

dürfte absolut kein Einzelfall sein....<br />

Als Beate A. ihr Examen als Grundschullehrerin<br />

in der Tasche hatte, stellte<br />

sich heraus, dass es zwar gut, aber<br />

niemals gut genug für eine Planstelle<br />

wäre. Und die studierten Fächer, die<br />

zwar für die Grundschule am wichtigsten<br />

sind, nicht aber für die Warteliste,<br />

auf der bekanntlich nur die ultimativ<br />

wichtigen Fächer zum Lesen- und<br />

Schreibenlernen wie Musik und Religion<br />

ganz oben landen, halfen auch<br />

nicht weiter.<br />

Immerhin gab’s gleich zu Beginn eine<br />

halbe Vertretungsstelle an einer Brennpunktschule<br />

bis Ostern. Danach folgten<br />

weitere Schwangerschaftsvertretungen<br />

und Ersatzbesetzungen, insgesamt<br />

fünf Jahre lang, ‘mal halbe, ‘mal 3/4-<br />

Stellen. Beates Notenschnitt war mittlerweile<br />

beachtlich gen Null gerutscht,<br />

aber das kümmerte nun wirklich niemanden<br />

mehr. Im Sommer 2000 verabschiedete<br />

sie schließlich ihre erste<br />

Klasse in der Hoffnung, irgendwie einen<br />

Anschlussvertrag zu bekommen.<br />

Hatte nicht ‚mal der Schulrat irgendwann<br />

eine dringend gewünschte Versetzung<br />

abgelehnt, weil die Kollegin<br />

dann ein erstes Schuljahr „im Stich gelassen“<br />

hätte? Das müsste für sie jetzt<br />

doch auch gelten. Glücklicherweise ging<br />

eine Kollegin Beates in Mutterschutz,<br />

so dass sie wenigstens für deren volle<br />

Stelle vierzehn Wochen 3/4-Stelle angeboten<br />

bekam, obendrein in ihrer alten<br />

Klasse und mit der Hoffnung, die<br />

Kollegin möge<br />

ausgiebig dem<br />

Erziehungsurlaub<br />

frönen.<br />

Nach zwei Wochen<br />

Schulzeit<br />

blinkte der Anrufbeantworter,<br />

und ein hoher<br />

Herr aus Trier<br />

bat um Rückruf.<br />

Beate wurde eine<br />

Feuerwehrstelle<br />

angeboten.<br />

„Aber ich hab’<br />

doch schon eine Klasse!“, gab sie zu bedenken.<br />

Der Trierer warf Schweres in<br />

die Waagschale: Nach fünf Jahren Vertretungsjobs<br />

könne sich Beates Schnitt<br />

nicht mehr verbessern, es sei denn, sie<br />

nehme die Feuerwehrstelle, da könne<br />

er ihr „0,5“ bieten.<br />

Eine feste Stelle nach dem Jahr, wenn<br />

Beate schon ihre Klasse und das relativ<br />

überschaubare Leben an der derzeitigen<br />

Schule aufgäbe, könne er aber nicht<br />

zusichern. Beates Freund meinte<br />

abends, als sie bereits abgelehnt hatte,<br />

sie hätte doch ‚mal pokern sollen:<br />

„Wenn sie mir 0,8 für das Jahr bieten,<br />

können sie mich haben“ - oder so ähnlich.<br />

Schade, Chance verpasst!<br />

Dass aber eine zweite Chance kommen<br />

sollte, erstaunte Beate dann doch:<br />

Schon zehn Tage später rief der Trierer<br />

Lehrerinnenfreund erneut an und bot<br />

eine weitere Feuerwehrstelle an. „Aber<br />

sie haben mich doch schon ‚mal angerufen!“,<br />

erstaunte sich Beate. „Ach ja?<br />

Oh....!“ kam die Reaktion vom anderen<br />

Ende des Kabels. „Na ja, aber das<br />

ist ja jetzt auch eine andere Stelle“, rettete<br />

der Anbieter die Situation. Beate<br />

schilderte ihm nochmals, dass sie eigentlich<br />

kein Interesse daran habe, für eine<br />

halbe Note Verbesserung, die ihr ohnehin<br />

nicht helfen würde, ihre Klasse<br />

aufzugeben und durch die Gegend zu<br />

tingeln und nach einem Jahr so oder so<br />

wieder keinen sicheren Job zu haben.<br />

Inzwischen hatte sie sich zur geübten<br />

Zockerin gemausert und berichtete ihrem<br />

Kollegium am nächsten Tag strahlend,<br />

sie sei jetzt Feuerwehrlehrerin mit<br />

voller Stelle: 19 Stunden fest in ihrer<br />

Klasse, lediglich für den Rest und nur<br />

an einem Wochentag müsse sie sich im<br />

Bedarfsfall auf Reisen machen. Und<br />

ihre „0,5“ seien zusätzlich auch gesichert.<br />

Da stellte sich dann die Frage, so angenehm<br />

das Arrangement für Beate auch<br />

ausgegangen war, wer noch davon profitierte:<br />

Etwa die Schulräte, denen haufenweise<br />

die LehrerInnen abwanderten,<br />

weil die Nachbarländer volle und unbefristete<br />

Stellen en gros anzubieten<br />

hatten? Oder die ADD, die sich im<br />

Zugzwang befand, weil der Minister<br />

bereits seine statistischen Zahlen herausgegeben<br />

hatte, die nun auch wenigstens<br />

annähernd erreicht werden sollten?<br />

Da passte es ja ‚mal gar nicht ins<br />

Bild, wenn allein in Rheinhessen-Pfalz<br />

noch zwei Wochen nach Schulbeginn<br />

eine stattliche Zahl Feuerwehrstellen<br />

(von den Mini-Vetretungen ganz zu<br />

schweigen!) nicht besetzt werden konnten.<br />

Oder ging es der ADD schlicht<br />

darum, mit möglichst angenehmen Verträgen<br />

Prozesse zu vermeiden? Immerhin<br />

hatte man ja in einigen Bereichen<br />

dermaßen geschludert, dass ein Schreiben<br />

vom Juni 2000 erst Mitte August<br />

in vielen Schulen eintrudelte: Wer neuerdings<br />

beim Arbeitgeber nicht vor<br />

Dienstantritt unterschreibt, dass ihm/<br />

ihr bewusst ist, dass er/sie eine befristete<br />

Stelle antritt, kann auf Dauerbeschäftigung<br />

pochen, und ebendies wäre<br />

einigen LehrerInnen möglich gewesen,<br />

die nun auf schnittverbessernden und<br />

sowieso zeitlich limitierten Feuerwehrstellen<br />

ein weiteres Jahr Schuldienst abreißen.<br />

Und Beate A.? Trotz des „geretteten“<br />

Jahres schickte sie dieser Tage ihre Bewerbungsunterlagen<br />

nach Hessen und<br />

Baden-Württemberg. Eigentlich hatte<br />

sie gehofft, nach fünf Jahren mit Anfang<br />

dreißig endlich eine feste Stelle im<br />

heimatlichen Bundesland zu bekommen,<br />

um privat einiges in Angriff zu<br />

nehmen, so Nebensächlichkeiten wie<br />

Hauskauf und Familie. Aber bei der<br />

unsicheren Situation? Dein Arbeitgeber,<br />

das beste Verhütungsmittel!<br />

(tje)<br />

12 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


„Nun regt euch mal wieder ab!“<br />

Argumentationshilfe zum Thema Ökosteuer<br />

Seitdem der Benzinpreis die Marke<br />

von zwei Mark pro Liter überschritten<br />

hat, schlagen die Wellen hoch<br />

und wird insbesondere die Ökosteuer<br />

als böser Bube benannt, den es<br />

zu kippen gelte, sei es, indem man<br />

diese Steuer ganz abschafft oder wenigstens<br />

zeitweise aussetzt. Dabei<br />

gehen in der öffentlichen Debatte<br />

doch oft ein paar Dinge durcheinander.<br />

Zunächst sollte sich herumgesprochen<br />

haben, dass die aktuelle Benzinpreisentwicklung<br />

nur recht nachrangig<br />

durch die Ökosteuer bestimmt<br />

wird: Der Rohölpreis ist binnen<br />

Jahresfrist dramatisch gestiegen<br />

und verursacht wohl den größten<br />

Brocken beim Preisanstieg. Nun hatten<br />

wir in diesem Bereich schon<br />

1973 und 1979/80 dramatische<br />

Preisanstiege, und bei der Gestalt des<br />

Ölmarktes sind solche sprunghaften<br />

Entwicklungen nicht unverständlich.<br />

Nachdem etwa 20 Jahre lang der<br />

Ölpreis gesunken ist, ist der aktuelle<br />

Preissprung längerfristig zu relativieren.<br />

Jedenfalls wäre es töricht anzunehmen,<br />

dass ein knapper werdender<br />

Energieträger auch zukünftig<br />

immer billiger werden könnte.<br />

Eine weitere preistreibende Komponente<br />

ist der schlechte Außenwert<br />

des Euro. Da der Ölmarkt weitgehend<br />

in Dollar abgewickelt wird,<br />

schlägt der niedrige Wechselkurs direkt<br />

durch. Dies dürfte allerdings ein<br />

eher vorübergehendes Phänomen<br />

sein. Die Spitze ist wahrscheinlich<br />

schon überschritten, und mittelfristig<br />

rechen Währungsexperten überwiegend<br />

mit etwas günstigeren Euro-<br />

Kursen.<br />

Bleibt schließlich die Ökosteuer: Die<br />

dort festgelegten Jahresraten von<br />

0,06 Mark/Liter erhöhen sich unter<br />

Einschluss der Mehrwertsteuer auf<br />

rund 0,07 Mark. Bei einem mittleren<br />

PKW macht dies etwa 0,50 Mark<br />

je 100 km aus; bei einer durchschnittlichen<br />

Autonutzung kommen<br />

dabei pro Monat Mehrbelastungen<br />

in Höhe von fünf Mark heraus. Dies<br />

ist für sich genommen nicht so gewaltig<br />

- es entspricht etwa den Kosten<br />

von einer Schachtel Zigaretten<br />

oder einem Bier in der Kneipe.<br />

Allerdings wird die Ökosteuer nicht<br />

nur einmal in der beschriebenen<br />

Höhe erhoben, sondern jährlich um<br />

diesen Betrag erhöht. Über einen<br />

Zeitraum von vier Jahren, als einer<br />

Legislaturperiode, ergibt sich aus vier<br />

Raten der Ökosteuer eine Erhöhung<br />

der Treibstoffkosten um etwa zwei<br />

Mark je 100 Km. Auch dies ist gegenüber<br />

den Gesamtkosten der Autonutzung<br />

nachrangig: die variablen<br />

Kosten (je gefahrenen Kilometer)<br />

belaufen sich auf etwa 20 bis 60<br />

Mark je 100 km, die Vollkosten (unter<br />

Einschluss der Fahrzeugabschreibung)<br />

auf etwa 50 bis 200 Mark je<br />

100 km. Trotzdem wird deutlich,<br />

dass die Ökosteuer auf Dauer spürbar<br />

wird. Um diese zusätzliche Belastung<br />

zu vermeiden, reicht es allerdings<br />

aus, nach vier Jahren - was eine<br />

Schulen<br />

übliche Haltedauer für einen PKW<br />

darstellt - auf ein Fahrzeug umzusteigen,<br />

das pro 100 km einen Liter weniger<br />

verbraucht als das vorherige.<br />

Bei dem gegenwärtigen Durchschnittsverbrauch<br />

je PKW und dem<br />

technischen Potenzial, Autos mit viel<br />

niedrigerem Verbrauch zu bauen,<br />

kann ein Übergang zu verbrauchsärmeren<br />

Modellen in der Regel noch<br />

sehr lange Zeit die Ökosteuer kompensieren.<br />

Entsprechende Fahrzeugmodelle<br />

mit deutlich unterdurchschnittlichen<br />

Verbräuchen werden<br />

im Markt angeboten; bei steigender<br />

Nachfrage dürfte zudem die Bereitschaft<br />

der Autoindustrie steigen,<br />

noch sparsamere Modelle zu entwikkeln.<br />

Insgesamt muss man die Wirkung<br />

der Ökosteuer auf den Benzinpreis<br />

also als eine eher milde Anregung<br />

zum Spritsparen einstufen. Allerdings<br />

ist zu fragen, ob besondere<br />

Gruppen in der Bevölkerung vielleicht<br />

unzumutbar betroffen werden.<br />

Häufig herausgestellt werden Berufspendler,<br />

die (insbesondere im ländlichen<br />

Raum) auf das Auto angewiesen<br />

sind; auch hier ist insgesamt das<br />

Problem eher beschränkt, da der Verkehr<br />

von der und zur Arbeitsstelle<br />

nur 20 Prozent des PKW-Verkehrs<br />

ausmacht. Für die Berufspendler<br />

wird die Lage zudem dadurch entspannt,<br />

dass bei der Absetzbarkeit der<br />

Kosten für den Arbeitsweg nicht die<br />

niedrigen Grenzkosten eines kleinen<br />

Wagens zugrunde gelegt werden.<br />

Nun soll allerdings nicht grundsätzlich<br />

ausgeschlossen werden, dass andere<br />

Gruppen besonders belastet<br />

werden. Man denke z.B. an allein<br />

erziehende Mütter, die häufig bei<br />

geringem Einkommen komplizierte<br />

Zeit- und Wegeprogramme absolvieren<br />

müssen. Auch hier ist die absolute<br />

Höhe der Belastung in aller Regel<br />

nicht sehr bedeutend. Hier könnte<br />

die Politik, soweit dies aus sozialen<br />

Gründen erforderlich scheint,<br />

aber durch gezielte Förderung der<br />

betroffenen Familien besser entgegensteuern,<br />

etwa im Zuge der Kindergeldgestaltung,<br />

als dadurch, dass<br />

für alle Autofahren verbilligt wird.<br />

Karl Otto Schallaböck,<br />

Verkehrsexperte des Wuppertal-Instituts<br />

für Klima, Umwelt, Energie.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

13


Bildungspolitik: Kommentar<br />

Die Schule von morgen<br />

- Von Paul Schwarz -<br />

Ist Van Gogh ein Stürmer der holländischen<br />

Nationalmannschaft? Wann<br />

malte Mozart den Faust? Beklagt wird<br />

in Untersuchungen von Massenblättern<br />

immer wieder das fehlende Allgemeinwissen<br />

unserer SchülerInnen und suggeriert<br />

wird dort, es ginge ausschließlich<br />

um Wissensbestände, die man abklappern<br />

müsse. Natürlich ist Wissen<br />

nicht belanglos, aber was bringt es,<br />

wenn junge Leute wissen, wer die<br />

„Brandenburgischen Konzerte“ komponiert<br />

hat oder wie die beiden Grenzflüsse<br />

zwischen Polen und Deutschland<br />

heißen? Das ist Kreuzworträtselwissen<br />

und bedeutet wenig, wenn das Mädchen<br />

oder der Junge mit den auswendig<br />

gelernten Fakten nichts anzufangen<br />

und sie nicht einzuordnen weiß.<br />

Es ist doch heute wichtiger zu wissen,<br />

wo man diese Informationen, so man<br />

sie braucht, nachschlagen oder <strong>downloaden</strong><br />

kann. Es ist freilich nicht so entscheidend,<br />

was man lernt, sondern wie<br />

man lernt, lautet ein Hauptergebnis<br />

von TIMSS. Denn diese internationale<br />

Vergleichsstudie belegt, dass amerikanische<br />

Lehrkräfte zwar mehr Zeit für<br />

die Stoffvermittlung verwenden, sie<br />

aber dazu neigen, das mechanische Auswendiglernen<br />

zu favorisieren. Lehrerinnen<br />

und Lehrer in Singapur und Japan<br />

dagegen bevorzugen die Selbsttätigkeit<br />

ihrer Zöglinge und fördern deren<br />

Problemlösungsstrategien. Statt zu<br />

drillen setzen sie auf Lernkonzepte.<br />

„Die Ansprüche an das heutige Lernen<br />

ergeben sich“, so Prof. Franz Weinert<br />

vom Max-Planck-Institut in München,<br />

„aber nicht nur aus der gegenwärtigen<br />

Situation, sondern vor allem aus den<br />

künftigen Anforderungen an die Erkenntnis-<br />

und Handlungskompetenzen<br />

der nachwachsenden Generation.“ Ein<br />

neues Konzept von Allgemeinbildung<br />

müsse darin bestehen, so schlägt Wolfgang<br />

Klafki vor, dass wir den Unterricht<br />

mehr auf „epochaltypische Schlüsselprobleme“<br />

ausrichten. Schule müsse<br />

Themen behandeln wie z.B. Krieg und<br />

Frieden, Umweltschutz, die Weltenergie-<br />

und Welternährungslage, die Ungleichheit<br />

zwischen Männern und<br />

Frauen oder die Chancen und Gefahren<br />

der technisch-industriellen Entwicklung.<br />

Solche Themen aufzugreifen,<br />

geht natürlich nicht in der bisherigen<br />

Abschottung der Fächer gegeneinander.<br />

Der traditionelle<br />

Unterricht wird sich<br />

verändern müssen<br />

Lernen hieß bisher immer eintrichtern,<br />

vorsagen und nachsprechen, vorschreiben<br />

und abschreiben. „Die Reproduktion<br />

des Vorgegebenen wird wahrscheinlich<br />

noch immer häufiger erwartet als<br />

das Schaffen von Lernarrangements, in<br />

denen eigenständig nachgespürt und<br />

entdeckt werden kann“, meint der Reformpädagoge<br />

Otto Herz. Schule, so der<br />

Erziehungswissenschaftler Peter Struck,<br />

zeige leider eine starke Tendenz zurück<br />

in Richtung, Buch, Tafel und Belehrung,<br />

bei der Fächer in Stundentakten<br />

unterrichtet werden und die Schüler<br />

frontal vor der Lehrkraft sitzen und<br />

zuhören. Wissen werde überwiegend<br />

verbal nach dem Vorbild des Nürnberger<br />

Trichters vermittelt, später wieder<br />

abgefragt und dann per Noten bewertet.<br />

„Unterricht“, persifliert Heinz<br />

Klippert, „ist wie Nahrungsaufnahme,<br />

es wird serviert, geschluckt, verdaut und<br />

vergessen.“<br />

Die Lernopportunisten, die lernen, was<br />

vorgekaut wird, sind out, angepasste<br />

Lerner immer weniger gefragt. Heute<br />

werden Menschen mit vielseitigen Qualifikationen<br />

gebraucht. Diese Auffassung<br />

teilt auch die sog. „Wissens- und<br />

Bildungsdelphi“, eine vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung<br />

1997 initiierte Umfrage bei Experten<br />

aus Wirtschaft und Wissenschaft über<br />

Potentiale und Dimension der Wissensgesellschaft.<br />

Das eindeutige Ergebnis<br />

dieser Studie: Lernarrangements und<br />

Lernmethoden im deutschen Bildungssystem<br />

müssen reformiert werden. Gefördert<br />

werden sollen insbesondere projektbezogenes<br />

Lernen, selbstgesteuerte<br />

Lernformen und psychosoziale Kompetenzen<br />

wie Kommunikation- und<br />

Teamfähigkeit.<br />

Im Zuge des allgemein propagierten<br />

Übergangs von der Informations- zur<br />

Wissensgesellschaft, in der Wissen nicht<br />

nur immer vielfältiger wird, sondern<br />

auch mit zunehmendem Tempo veraltet,<br />

wird immer öfter auf die Bedeutung<br />

der Kooperationsfähigkeit verwiesen,<br />

die es Individuen ermöglicht, gemeinsam<br />

Probleme zu lösen, Informationen<br />

auszutauschen und anhand dieser<br />

gezielten Informationen gemeinsame<br />

Wissensstrukturen aufzubauen.<br />

Kooperation beim Erwerb und beim<br />

Umgang mit Wissen soll demnach<br />

nicht erst im Berufsleben realisiert, sondern<br />

bereits in der Schule und Hochschule<br />

sowie der beruflichen Aus-, Fortund<br />

Weiterbildung vermittelt werden.<br />

Die neue Lernkultur:<br />

Das eigenverantwortliche<br />

Arbeiten der<br />

SchülerInnen<br />

Aus den bereits genannten Gründen<br />

brauchen wir eine Lernkultur, die sehr<br />

viel stärker als bisher auf eigenverantwortliches<br />

Arbeiten der SchülerInnen<br />

abstellt. Der Unterricht muss möglichst<br />

häufig so gestaltet werden, dass die<br />

SchülerInnen gefordert sind, sich Informationen<br />

selbst zu beschaffen, diese<br />

intensiv zu bearbeiten und zu verarbeiten,<br />

fachliche Probleme zu lösen,<br />

wichtige Arbeits- und Lerntechniken<br />

anzuwenden, im Team zu arbeiten, das<br />

eigene Lernen zu organisieren, Vorträge<br />

zu halten, Ergebnisse zu visualisieren<br />

und zu präsentieren usw. Die Lehrkräfte<br />

werden natürlich auch künftig<br />

hin und wieder Inhalte darbieten, dozierend<br />

in ein Sachgebiete einführen<br />

und Versuche zeigen. Nur sollte das in<br />

deutlich geringerem Umfang geschehen<br />

als bisher.<br />

Schulen sollen ihre SchülerInnen dazu<br />

befähigen, sich in der Welt von heute<br />

zurechtzufinden. Dazu brauchen sie<br />

„intelligentes Wissen“. Für Weinert ist<br />

dies kein träges Wissen, „mit der Lernsituation<br />

verlötete, eingekapselte, nur<br />

mechanisch anwendbare Kenntnisse“,<br />

sondern ein „sinnvoll geordnetes, untereinander<br />

und mit vielen Anwendungssituationen<br />

vernetztes, flexibel<br />

nutzbares und situativ leicht anpassungsfähiges<br />

Wissen und Können.“<br />

Dafür brauchen wir neue Lernformen.<br />

14 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Bildungspolitik: Kommentar<br />

Neue Lernformen sind auch deshalb geboten,<br />

weil die Rezeptionsbereitschaft<br />

und -fähigkeit der Schüler unter dem<br />

Einfluss des alltäglichen Medienkonsums<br />

und der sich ausbreitenden egozentrisch-hedonistischen<br />

Lebensweise<br />

eklatant nachgelassen hat, so dass der<br />

traditionell lehrerzentrierte, darbietende<br />

Unterricht mit seiner traditionellen<br />

Vermittlungstechnik mehr und mehr<br />

zum Scheitern verurteilt ist. Wenn der<br />

traditionelle Lernkanal (hören, pauken,<br />

wiedergeben) verstopft ist, wird es<br />

zunehmend schwieriger, Kinder und<br />

Jugendliche fürs schulische Lernen zu<br />

motivieren. Gravierende Lern-, Leistungs-<br />

und Motivationsprobleme sind<br />

allenthalben festzustellen, nicht nur bei<br />

den SchülerInnen. Eine gymnasiale<br />

Schulleiterin: „Ich habe meine Ausbildung<br />

in den 60er Jahren gemacht und<br />

unterrichte Schüler, die ihre Ausbildung<br />

im 21. Jahrhundert abgeschlossen<br />

haben werden.“ Neue Lernformen<br />

bieten auch die Chance, dass der hochgradigen<br />

Belastung und Überlastung<br />

vieler Lehrkräfte im Unterricht erfolgreich<br />

entgegengewirkt werden kann,<br />

und zwar durch die Kultivierung kooperativer<br />

und schüleraktiver Arbeitsformen,<br />

gepaart mit konsequentem Methoden-,<br />

Kommunikations- und Teamtraining<br />

im Klassenverband. So erklärt<br />

sich auch die augenblicklich starke<br />

Nachfrage nach Qualifizierung in Sachen<br />

Methoden und Kommunikation.<br />

Dreh- und Angelpunkt der angestrebten<br />

neuen Lernkultur ist das eigenverantwortliche<br />

Arbeiten und Lernen der<br />

SchülerInnen. In einem Unterricht, in<br />

dem vorwiegend die Lehrkraft exzerpiert,<br />

strukturiert, interpretiert, analysiert,<br />

argumentiert, fragt, kontrolliert,<br />

kritisiert, organisiert, Probleme löst und<br />

in sonstiger Weise das Lernen managt<br />

und dominiert, können die SchülerInnen<br />

diese Qualifikationen naturgemäß<br />

nur schwer erwerben. Wie sollen SchülerInnen<br />

Kommunikation erlernen,<br />

wenn im Unterricht die Lehrkraft ausschließlich<br />

redet, wie SchülerInnen Planung<br />

und Organisation erlernen, wenn<br />

es nichts zu planen gibt, weil die Lehrkraft<br />

alles alleine macht? Organisations-<br />

und Planungskompetenz der<br />

Schülerinnen und Schüler werden in<br />

einem lehrerzentrierten Unterricht<br />

nicht erreicht. Dafür die LehrerInnen<br />

zu schelten, ist falsch, denn sie tun nur<br />

das, was sie an der Hochschule gelernt<br />

haben: dozentenhaft zu lehren und<br />

Wissen zu vermitteln anstatt zu moderieren<br />

und eigenverantwortliche<br />

Lernprozesse der Schüler anzuregen Es<br />

geht um neue Arbeits- und Kooperationsformen,<br />

nicht gegen Fachunterricht<br />

und den Stoff, sondern gegen Pauken<br />

für das Kurzzeitgedächtnis, gegen ein<br />

verengtes Lern- und Bildungsverständnis,<br />

das nur das Wiederkäuen von<br />

Buchseiten, Tafelanschrieb und Merksätzen<br />

fördert, aber nicht den mitdenkenden,<br />

selbständigen und kooperativen<br />

Schüler. Deshalb brauchen wir<br />

begleitend zur neuen Lernkultur in<br />

unseren Schulen eine veränderte LehrerInnenaus-<br />

und -fortbildung, ein<br />

Unterstützungs- und Beratungssystem<br />

für die Lehrerinnen und Lehrer, weniger<br />

Belehrungskultur von vorne und<br />

von oben statt dessen mehr Training<br />

von Skills in Teams.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

15


Bildungspolitik<br />

Menschenbildung neu gedacht<br />

Auf dem Weg zu einer Schule der emotionalen Bildung<br />

- Von Rolf Arnold -<br />

„Dein Inneres funktioniert wie ein Projektor.<br />

Die anderen werden zur Leinwand, auf der du<br />

Filme siehst, die in Wirklichkeit deine eigenen sind“<br />

(Osho 2000, S. 81)<br />

Wenn es - wie die bildungs- und<br />

curriculumtheoretischen Begründungen<br />

übereinstimmend fordern -<br />

die Aufgabe von Bildung und Erziehung<br />

ist, die Menschen auf spätere<br />

Lebens- und Verwendungssituationen<br />

vorzubereiten, dann stellt sich<br />

die Frage, ob und inwieweit dazu<br />

nicht heute auch eine antizipatorische<br />

emotionale Bildung bzw.<br />

Selbstreflexion zählen muss. Längst<br />

schon haben sich auch die neueren<br />

psychotherapeutischen Ansätze aus<br />

der Marginalität „klinischer“ Behandlungsfälle<br />

befreit und sich als<br />

vielfach hilfreiche Strategien zur<br />

Befreiung aus den Verstrickungen<br />

und Projektionen eines unbewussten<br />

Lebens und zur Entwicklung einer<br />

emotionalen Kompetenz erwiesen.<br />

In der Regel sind drei Fähigkeiten<br />

gemeint, wenn in der neueren pädagogischen<br />

Literatur von emotionaler<br />

Kompetenz gesprochen wird:<br />

„Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle<br />

zu verstehen, die Fähigkeit, anderen<br />

zuzuhören und sich in deren<br />

Gefühle hineinzuversetzen, und die<br />

Fähigkeit, Gefühle sinnvoll zum<br />

Ausdruck zu bringen“ (Steiner 1987,<br />

S. 21).<br />

Der Weg zur emotionalen Kompetenz<br />

ist ein Weg vom unbewussten<br />

zum bewussten Leben. Er verläuft -<br />

wie man seit Sigmund Freud in Ansätzen<br />

begonnen hat zu begreifen -<br />

über die reflexive Erkenntnis eigener<br />

Deutungs- und Emotionsmuster<br />

sowie unbewusster Projektionen.<br />

Diese sind in der Regel tief in den<br />

Kindheitstraumata unseres eigenen<br />

Entwicklungsprozesses verwurzelt,<br />

repräsentieren nicht selten ungelöste<br />

primäre Beziehungskonflikte und<br />

„müssen“ quasi so lange zur Reinszenierung<br />

ähnlicher Situationen<br />

„herhalten“, bis es dem Subjekt gelungen<br />

ist, sich aus ihnen durch Erkenntnis<br />

und emotionale Überwindung<br />

zu befreien. Den wenigsten<br />

gelingt diese transformative Befreiung<br />

jedoch ohne fremde Hilfe. Sie<br />

leben ihr Leben lang in co-abhängigen<br />

Konstellationen (Beziehungen<br />

im Privat- und Arbeitsbereich), die<br />

durch die unbewusste Absprache<br />

gekennzeichnet sind, „(...) im Drama<br />

des anderen mitzuspielen“ (Hendricks/Hendricks<br />

1992, S. 26). Die<br />

amerikanischen Psychotherapeuten<br />

Gay und Kathlyn Hendricks schreiben<br />

dazu:<br />

„Eine unbewusste Abmachung wird<br />

getroffen: wenn du mich nicht dazu<br />

bringst, meine selbstzerstörerischen<br />

Muster zu ändern, bringe ich dich<br />

nicht dazu, deine zu ändern. Wenn<br />

du mich meine Kindheitsthemen auf<br />

dich projizieren lässt, will ich das Ziel<br />

für deine Projektionen sein. Das Problem<br />

ist nur, dass Co-Abhängigkeit<br />

so bedrückend ist, dass die Leute<br />

anfangen, sich zu beklagen, kaum<br />

dass das Drama losgeht. An diesem<br />

Punkt beginnen wir dem anderen<br />

Menschen die Schuld an unseren<br />

Schwierigkeiten zu geben“ (ebd.).<br />

Erst wenn diese Co-Abhängigkeiten<br />

unerträglich werden, begeben sich<br />

Menschen in therapeutische Selbstklärungsprozesse,<br />

die allermeisten<br />

jedoch „“regeln“ ihre Konflikte auf<br />

der unbewussten Ebene durch Vorwurf,<br />

Trennung, Fluchtverhalten<br />

oder Revanche, wobei ihnen oft tragischerweise<br />

ein Leben lang verborgen<br />

bleibt, dass sie immer wieder in<br />

Situationen geraten, in denen sie<br />

„(...) anderen Menschen etwas unterstellen,<br />

das tatsächlich auf einer<br />

unbewussten Ebene in ihnen selbst<br />

abläuft“ (ebd., S. 32), oder: „Mit<br />

anderen Worten, sie fangen an, anderen<br />

Leuten Dinge zu unterstellen,<br />

die in Wirklichkeit ihre eigenen Probleme<br />

sind“ (ebd., S. 57). Immer<br />

wieder geraten die solchermaßen<br />

unbewusst lebenden Menschen vornehmlich<br />

in ihren Intimbeziehungen<br />

in gleiche oder ähnliche Schwierigkeiten,<br />

und auch ihr Verhältnis zu<br />

Vorgesetzten und Untergebenen ist<br />

durch die immer gleichen Muster<br />

gekennzeichnet. Oft ist das Verhalten<br />

dieser Menschen von „immerwachem<br />

Misstrauen“, „krankhafter<br />

Eigenbezüglichkeit“ sowie „wahnhaften<br />

Einbildungen“ und „Wahrnehmungstäuschungen“<br />

geprägt,<br />

„(...) bei denen man dann innen und<br />

außen tatsächlich verwechselt, ohne<br />

dass die Verwechslung als „solche<br />

erkannt wird, weil man nun seine<br />

Projektionen für die Wirklichkeit<br />

hält“ (Riemann 1998, S. 22).<br />

Da gibt es den Hochschullehrer, der<br />

seine Kollegen aggressiv-abfällig und<br />

seine Studenten arrogant-abwertend<br />

behandelt, weil er - selbst über den<br />

zweiten Bildungsweg kommend -<br />

immer noch in einer übersteigerten<br />

Leistungs- und Anerkennungsarbeit<br />

verstrickt ist, die ihn außerstande<br />

setzt, seiner Umgebung adäquat zu<br />

begegnen. Oder da ist die Frau, die<br />

sich immer wieder unerreichbaren<br />

Männern zuwendet, bis ihr - in einer<br />

in vielfacher Hinsicht „zu späten“<br />

Therapie „aufgeht“, dass diese<br />

Situationen auch selbstinszenierte<br />

Anteile enthalten, da sie durch den<br />

frühen Weggang des eigenen Vaters<br />

„gelernt“ hat, dass geliebte Männer<br />

eben nicht bleiben (können). Oder<br />

da ist schließlich der Lehrer, der sich<br />

in seiner Klasse immer wieder verzweifelt<br />

aber wirkungslos um Autorität<br />

bemüht, und damit aber auch<br />

permanent reinszeniert, was er in<br />

seiner familiären Geschwisterkonstellation<br />

hat „hinnehmen“ müssen:<br />

Dass es auf ihn und seine Vorschläge<br />

letztlich nicht ankommt, da er<br />

sich „noch nie“ hat durchsetzen können.<br />

Die Gegenüber reagieren in<br />

solchen - oder ähnlichen - Situationen<br />

i.d.R. irritiert; häufig werden<br />

16 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Bildungspolitik<br />

aber gleichzeitig eigene Traumata<br />

aktualisiert, wodurch die Verstrikkung<br />

komplex und fast unentwirrbar<br />

gerät. So reagieren Hochschullehrer<br />

auf den sich abfällig aggressiv<br />

artikulierenden Kollegen vielleicht<br />

in einer Form, wie sie auf ihren eigenen<br />

Vater, dem sie es nie haben<br />

recht machen können, reagiert haben.<br />

Oder die unerreichbaren Partner<br />

sehen ihrerseits selbst in der<br />

Frau, die sie nicht zu halten vermag,<br />

aufgrund ihres gespaltenen Frauenbildes<br />

(Heilige und Hure) den notwendig<br />

unerreichbar bleibenden<br />

Teil ihrer eigenen Sehnsüchte. Und<br />

die Schülerinnen und Schüler<br />

schließlich reagieren auf den halbherzig<br />

„autoritären“ Vater vielleicht<br />

mit einer Wut, hinter der sich in<br />

Wahrheit die Wut über ihre „abwesenden“<br />

Väter verbirgt. Zu dieser<br />

projektiven Verstrickung schreiben<br />

Hendricks/Hendricks:<br />

„Probleme mit Menschen ‚draußen‘<br />

haben nur selten wirklich etwas mit<br />

diesen Menschen zu tun. Menschen<br />

sind nur Leinwände, auf die wir<br />

unsere Projektion werfen. Aber es<br />

kommt noch schlimmer: Gleichzeitig<br />

projizieren diese Menschen eifrig<br />

auf sie. Das bedeutet, dass Menschen<br />

sich den größten Teil der Zeit<br />

nicht aufeinander beziehen, sondern<br />

auf ihre eigenen<br />

Projektionen (ebd., S. 192)“.<br />

Durch antizipatorisch- psychotherapeutisches<br />

Lernen können Menschen<br />

nun - so die hier entwickelte<br />

These -eine emotionale Kompetenz<br />

erwerben, die sie in die Lage versetzt,<br />

sich aus solchen projektiven<br />

Verstrickungen zu befreien und „<br />

(...) ihre Beziehungen bewusst zu<br />

gestalten, anstatt sie den primitiven<br />

Kräften ihres Unbewussten zu überlassen“<br />

(ebd., S. 60). Ein solches<br />

emotionales Lernen wird immer<br />

wichtiger. Die Entwicklungen der<br />

modernen Individualisierungsgesellschaften<br />

haben die Herausbildung<br />

tiefer und andauernder Freundschaften<br />

und Liebesbeziehungen zunehmend<br />

erschwert. So liegt die<br />

Scheidungsquote heute in vielen Regionen<br />

bei etwa 50 %. Lash bemerkt:<br />

„Da das soziale Leben immer<br />

kriegerischer und barbarischer wird,<br />

nehmen persönliche Beziehungen,<br />

die angeblich Erleichterung von solchen<br />

Zuständen versprechen, den<br />

Charakter von Kampf an“ (Lash<br />

1978, S. 30). Von diesen Entwicklungen<br />

werden auch die Arbeits- und<br />

Kooperationsbeziehungen in den<br />

modernen Gesellschaften wesentlich<br />

bestimmt. Menschen kommen zunehmend<br />

weniger in emotional einfache<br />

Situationen bzw. in Situationen,<br />

die sie durch ihr erworbenes<br />

Verhalten „aus dem Bauch heraus“<br />

wirklich produktiv gestalten können.<br />

Sie müssen vielmehr regelrecht<br />

lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen.<br />

Daniel Golemann schreibt<br />

hierzu: „Das Gefühlsleben ist ein<br />

Bereich, der genau wie Rechnen oder<br />

Lesen mit mehr oder weniger Können<br />

gehandhabt werden kann und<br />

der spezifische Kompetenzen erfordert“<br />

(Golemann 1997, S. 56).<br />

Dringend notwendig sei deshalb ein<br />

Unterricht, „(...) in dem Kinder lernen,<br />

mit Emotionen umzugehen,<br />

Meinungsverschiedenheiten friedlich<br />

zu regeln und schlicht miteinander<br />

auszukommen“ (ebd., S. 286).<br />

Einen solchen Unterricht gibt es bislang<br />

nicht. Zwar experimentiert die<br />

Pädagogik seit vielen Jahrzehnten<br />

mehr oder weniger erfolgreich mit<br />

Ansätzen eines „Sozialen Lernens“<br />

(vgl. Petillon 1993), doch konnten<br />

diese bislang noch nicht zu wirklich<br />

tragfähigen Ansätzen einer im o.g.<br />

Sinne wirksamen emotionalen Bildung<br />

weiterentwickelt werden.<br />

Ein solches gezieltes „emotionales<br />

Lernen“ hätte sich auf die Entwicklung<br />

von drei Fähigkeiten zu bezie-<br />

Abb. 1: Das Dreieck der emotionalen Bildung<br />

Rolf Arnold ist seit zehn Jahren Professor an der<br />

Universität Kaiserslautern. Bekannt geworden ist<br />

er durch zahlreiche Veröffentlichungen über den<br />

„Wandel der Lernkulturen”, mit denen seine wissenschaftliche<br />

Arbeit unmittelbar und produktiv<br />

Einfluss auf die schulische Praxis genommen hat.<br />

hen: Emotionaler Bewusstheit (=<br />

Fähigkeit, die eigen Gefühle zu verstehen),<br />

Kommunikationsfähigkeit<br />

(= Fähigkeit, Gefühle sinnvoll zum<br />

Ausdruck zu bringen) und Beziehungsfähigkeit<br />

(= Fähigkeit, anderen<br />

zuzuhören und sich in ihre Gefühle<br />

hineinversetzen zu können<br />

(Grieger-Langner 00, S. 28). Dieses<br />

Dreieck emotionaler Bildung (vgl.<br />

Abb. 1) ist grundlegend für die Entwicklung<br />

eines Curriculums zur<br />

emotionalen Bildung. Ein solches<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

17


Bildungspolitik<br />

Einsicht<br />

• Bestimmte Muster im eigenen Gefühlsleben<br />

und den eigenen Reaktionen<br />

und bei anderen erkennen<br />

Selbstakzeptanz<br />

• Stolz sein und sich in einem positiven<br />

Licht sehen<br />

• Seine Stärken und Schwächen anerkennen<br />

• Über sich lachen können<br />

Persönliche Verantwortung<br />

• Verantwortung übernehmen<br />

• Die Folgen der eigenen Entscheidungen<br />

und Handlungen anerkennen<br />

• Seine Gefühle und Stimmungen<br />

akzeptieren<br />

• Verpflichtungen (z.B. zum Lernen)<br />

einhalten<br />

Abb. 2: Die 13 Dimensionen emotionaler Bildung nach D. Golemann (Golemann<br />

1997, S. 379 f).<br />

„Self-Science-Curriculum“ hat Daniel<br />

Golemann ausgearbeitet; es enthält<br />

dreizehn Teilkompetenzen (Abb.<br />

2).<br />

Im einzelnen „geht“ es bei diesen 13<br />

Dimensionen emotionaler Bildung<br />

um Fähigkeiten, unbewusste emotionale<br />

Reaktionen in eine bewusste<br />

Gestaltung und Handhabung derselben<br />

zu verwandeln. Menschen, die<br />

über diese Fähigkeiten verfügen, sind<br />

ihren Emotionen nicht mehr bloß<br />

„ausgeliefert“, sie können mit diesen<br />

vielmehr umgehen. Im einzelnen<br />

handelt es sich um folgende Fähigkeiten<br />

(vgl. Golemann 1997, S. 379<br />

ff):<br />

Selbstwahrnehmung<br />

• Sich selbst beobachten und die eigenen<br />

Gefühle erkennen<br />

• Ein Vokabular für Gefühle entwikkeln<br />

• Den Zusammenhang zwischen<br />

Gedanken, Gefühlen und Reaktionen<br />

erkennen<br />

Treffen persönlicher Entscheidungen<br />

• Das eigene Handeln durchdenken<br />

und seine Folgen erkennen<br />

• Erkennen, ob eine Entscheidung<br />

vom Denken oder vom Gefühl bestimmt<br />

wird<br />

Umgang mit Gefühlen<br />

• Das „Selbstgespräch“ auf negative<br />

Botschaften wie etwa stumme Kränkungen<br />

überwachen<br />

Abbau von Stress<br />

• Lernen, was mit körperlicher Bewegung,<br />

gelenkten Vorstellungen<br />

und Entspannungsmethoden zu erreichen<br />

ist<br />

Empathie<br />

• Die Gefühle und Sorgen anderer<br />

verstehen und sich in sie hineinversetzen<br />

• Abweichende Ansichten anderer<br />

erkennen<br />

Kommunikation<br />

• Erfolgreich über Gefühle sprechen<br />

• Ein guter Zuhörer und Fragesteller<br />

werden<br />

• Unterscheiden zwischen dem, was<br />

einer sagt oder tut, und den eigenen<br />

Reaktionen oder Urteilen darüber<br />

• Statt Vorwürfen „Ich“-Botschaften<br />

senden<br />

Sich offenbaren<br />

• Offenheit schätzen und Vertrauen<br />

in eine Beziehung entwickeln<br />

• Wissen, wann man es wagen kann,<br />

von seinen persönlichen Empfindungen<br />

zu sprechen<br />

Selbstsicherheit<br />

• Seine Anliegen und Gefühle ohne<br />

Zorn oder Passivität aussprechen<br />

Gruppendynamik<br />

• Kooperation<br />

• Wissen, wann und wie man die<br />

Führung übernehmen und wann<br />

man sich unterordnen soll<br />

Konfliktlösung<br />

• Sich mit anderen Kindern, mit Eltern<br />

und Lehrern fair auseinandersetzen<br />

können<br />

• Beim Aushandeln eines Kompromisses<br />

sollen beide Seiten gewinnen<br />

Bislang gibt es keine systematische<br />

und „absichtsvolle“ Integration entsprechender<br />

Self-Science-Inhalte in<br />

schulischer oder hochschulischer<br />

Curricula. Dies ist insofern bemerkenswert,<br />

weil zahlreiche Experten in<br />

der Einschätzung übereinstimmen,<br />

dass die emotionalen Fähigkeiten einer<br />

Person ca. zu 90 % ihren späteren<br />

Lebens- und Berufserfolg zu erklären<br />

vermögen (vgl. Golemann<br />

1999, S. 47). Zwar lässt sich über das<br />

Zustandekommen solcher Bewertungen<br />

trefflich streiten, doch kann<br />

man nicht umhin festzustellen, dass<br />

Schule die „zur Bewältigung späterer<br />

Lebenssituationen“ (Robinson)<br />

qualifizieren will, sich nicht mit einem<br />

Null-Programm in Sachen<br />

„Self-Science“ begnügen kann. Die-<br />

18 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Bildungspolitik<br />

Prof. Arnold: „Der Weg zur emotionalen Kompetenz ist ein Weg vom unbewussten zum bewussten Leben.“<br />

Foto: Seifert<br />

se Feststellung muss aber auch erweitert<br />

und ergänzt werden um eine<br />

Kritik des „heimlichen“ emotionalen<br />

Lehrplans unserer Wissensangst- und<br />

Konkurrenzschule (vgl. Arnold/<br />

Schüßler 1998). In ihr wird für die<br />

Entwicklung emotionaler Intelligenz<br />

und die Ermöglichung einer emotionalen<br />

Nachreifung noch zu wenig<br />

getan.<br />

Was ist zu tun? Notwendig ist m.E.<br />

die Einrichtung eines eigenen Schulfaches<br />

„Menschenkunde“, in welchem<br />

wesentliche emotionale und<br />

soziale Kenntnisse vermittelt und<br />

entsprechende Schlüsselqualifikationen<br />

angebahnt werden können. Die<br />

o.g. Elemente des Self-Schience-Curriculums<br />

können dafür wichtige Anregungen<br />

geben.<br />

Darüber hinaus könnte ein solches<br />

Schulfach die emotionale Alphabetisierung<br />

und Selbstreflexion sowie<br />

Selbstkontrolle der Menschen (insbesondere<br />

der Männer) in unserer<br />

kognitionsfixierten Gesellschaft fördern<br />

und Möglichkeiten einer entsprechenden<br />

emotionalen Nachreifung<br />

offerieren. Hierfür steht die<br />

Entwicklung einer Didaktik emotionaler<br />

Bildung noch aus.<br />

Diese wäre allerdings auch deshalb<br />

von grundlegender Bedeutung, weil<br />

ohne eine absichtsvoll-professionelle<br />

Förderung der emotionalen Kompetenzen<br />

der Heranwachsenden auch<br />

deren Schlüsselqualifikationen vielfach<br />

wirkungslos bleiben. Denn methodische<br />

und soziale Kompetenzen<br />

lassen sich nicht allein in kognitionsorientiertem<br />

„Training“ entwickeln,<br />

sie setzen vielmehr Emotionsmuster<br />

voraus, die sie erst eigentlich zur<br />

Wirkung bringen. Dieser Gesichtspunkt<br />

ist in der bisherigen Schlüsselqualifikationsdebatte,<br />

aber auch in<br />

den verdienstvollen Konzepten eines<br />

methodenorientierten Arbeitens<br />

(z.B. „Methodentraining“) übersehen<br />

worden. Die vorgeschlagenen<br />

Konzepte sind zu stark kognitionsund<br />

trainingsorientiert, obgleich<br />

leicht einsehbar ist, dass ein sozial<br />

„ängstlicher Mensch“ Kommunikationsfähigkeit<br />

nicht einfach „antrainiert“<br />

bekommen kann, Voraussetzung<br />

für eine gewandelte Kommunikationsfähigkeit<br />

ist vielmehr eine<br />

emotionale Nachreifung, die nur<br />

über selbstreferiertes Lernen erreicht<br />

werden kann. Ähnliches gilt für die<br />

Problemlösungsfähigkeit oder die<br />

Kreativität: Auch deren Entwicklung<br />

wird durch eigene Zwanghaftigkeiten<br />

oder verborgene Ängste häufig<br />

stark behindert, und ein Training<br />

dieser Kompetenzebenen bleibt zumeist<br />

äußerlich. Pädagogik und<br />

Schule stehen deshalb vor einer erneuten<br />

Debatte um kompetenzbildendes<br />

und schlüsselqualifizierendes<br />

Lernen - eine Debatte, die allerdings<br />

die Kognitionsverengung der bisherigen<br />

Konzepte überwinden muss.<br />

Literatur<br />

Arnold, R./Schüßler, I.: Wandel der Lernkulturen.<br />

Ideen und Bausteine für ein lebendiges<br />

Lernen. Darmstadt 1998.<br />

Golemann, D.: Der Erfolgsquotient. Wien<br />

1999.<br />

Golemann, D.: Emotionale Intelligenz. München<br />

1997<br />

Grieger-Langner, S.: Keine Angst vor Gefühlen.<br />

In: Grenzenlos, 7 (2000), 4, S. 4-5<br />

und 28<br />

Lash, C.: The Culture of Narcissisms. New<br />

York 1978<br />

München/Basel 1998.<br />

Osho: Emotionen. Frei von Angst, Eifersucht,<br />

Wut. München 2000<br />

Petillon, H.: Soziales Lernen in der Grundschule.<br />

Anspruch und Wirklichkeit.<br />

Frankfurt a.M. 1993<br />

Riemann, F.: Grundformen der Angst. Eine<br />

tiefenpsychologische Studie.<br />

Steiner, C.: Emotionale Kompetenz. München<br />

1997.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

19


Weiterbildung<br />

Selbstständige Lehrkräfte und die Rente<br />

<strong>GEW</strong> erreicht Zugeständnisse der BfA<br />

Viele selbstständige Lehrkräfte trifft es wie ein Schlag: Die Bundesversicherungsanstalt<br />

für Angestellte (BfA) teilt ihnen per Bescheid mit,<br />

dass sie gesetzlich rentenversicherungspflichtig sind und für die letzten<br />

vier Jahre ihrer selbstständigen Tätigkeit die Beiträge nachzuzahlen<br />

haben.<br />

Nicht selten sind das Beträge von<br />

mehreren zehntausend Mark, für viele<br />

Betroffene würde dies den wirtschaftlichen<br />

Ruin bedeuten. Die<br />

<strong>GEW</strong> hat auf der Bundesebene vielfältige<br />

Aktivitäten unternommen,<br />

um die BfA und die Politik auf diese<br />

zum Teil dramatische Situation aufmerksam<br />

zu machen. Es ist gelungen,<br />

die bisherige kompromisslose<br />

Haltung der BfA aufzubrechen,<br />

wenngleich sich an der Rechtslage<br />

selbst nichts ändert.<br />

Was ist der Hintergrund<br />

Selbstständige LehrerInnen, egal ob<br />

als DozentInnen in der Weiterbildung<br />

oder als Lehrbeauftragte in<br />

Hochschulen sind seit 1922 (!) verpflichtet,<br />

in die Rentenversicherung<br />

einzuzahlen, wenn sie selbst keine<br />

versicherungspflichtigen ArbeitnehmerInnen<br />

beschäftigen. Die Beträge<br />

müssen sie allein tragen, die Auftraggeber<br />

sind nicht verpflichtet sich daran<br />

zu beteiligen. Die meisten Lehrkräfte<br />

hören davon genauso zum ersten<br />

Mal wie ihre Auftraggeber. Dazu<br />

kommt, dass sie von den Krankenkassen<br />

und selbst der BfA in der Vergangenheit<br />

häufig falsch beraten<br />

wurden. Die gesetzliche Regelung,<br />

die jetzt im § 2 des SGB VI verankert<br />

ist, war nur Insidern bekannt.<br />

Die Rentenversicherungspflicht nach<br />

§ 2 SGB VI gilt nicht für geringfügig<br />

tätige Selbstständige, d.h. ein<br />

Einkommen bis 630,- DM monatlich<br />

bleibt versicherungsfrei. Die<br />

Klassenfahrten nach Berlin<br />

(incl. Transfer, Unterkunft,<br />

Programmgestaltung nach Absprache).<br />

Broschüre anfordern bei:<br />

Biss, Freiligrathstr. 3, 10967 Berlin,<br />

Tel. (030) 6 93 65 30<br />

Regelungen gelten grundsätzlich<br />

auch für ausländische Lehrkräfte.<br />

Vereinbarungen zwischen<br />

<strong>GEW</strong> und BfA<br />

Auf Grund der Aktivitäten der <strong>GEW</strong><br />

mit Unterstützung des DGB Bundesvorstands<br />

hat die BfA am 23. Mai<br />

2000 ein Vorgehen bezüglich der<br />

Nachforderungen an selbstständige<br />

Lehrkräfte beschlossen, das zwar -<br />

auf Grund der eindeutigen Rechtslage<br />

- grundsätzlich an der Nachforderungszahlung<br />

und der alleinigen<br />

Zahlungsverpflichtung in die Rentenversicherung<br />

festhält, aber den<br />

Druck der unmittelbar drohenden<br />

Nachzahlungsforderung für viele<br />

Betroffene erheblich lindert.<br />

• Die BfA sieht auf Antrag einen Erlass<br />

der Nachzahlungsforderung für<br />

die Jahre 1996/97/98 für diejenigen<br />

vor, die in Unkenntnis der Rentenversicherungspflicht<br />

eine private Altersvorsorge<br />

getroffen haben. Dabei<br />

muss es sich um private Lebens- oder<br />

Rentenversicherungen oder eine freiwillige<br />

gesetzliche Rentenversicherung<br />

handeln. Private Kapitalanlagen<br />

werden nicht anerkannt. Es<br />

reicht aus, wenn der monatliche Beitrag<br />

in eine solche private Altersversicherung<br />

mindestens 84,40 DM<br />

betragen hat und der Vertrag wenigstens<br />

bis zum 60. Lebensjahr läuft.<br />

Ab dem Jahr 1999 - so die BfA - ist<br />

die Nachzahlung allerdings zu leisten.<br />

• In Fällen der wirtschaftlichen Existenzgefährdung<br />

kann auf Antrag<br />

die Nachzahlungsforderung gemäß<br />

§ 76 SGB IV erlassen werden (auch<br />

für das Jahr ’99 möglich). Als wirtschaftliche<br />

Existenzgefährdung gilt<br />

auch der Fall, dass die Betroffenen<br />

faktisch ihre Beschäftigung aufgeben<br />

und ggf. in die Sozialhilfe „abdriften“,<br />

um der Nachzahlungsforderung<br />

zu entkommen. Ebenso ist in<br />

Härtefällen eine Stundung möglich.<br />

Die BfA wird den Einzelfall prüfen.<br />

• Die BfA wird erst nach Information<br />

an ihre regionalen Beratungsstellen<br />

wieder Beitragsbescheide versenden.<br />

Diese Bescheide sollen dann<br />

über die möglichen Anträge auf Erlass<br />

wegen privater Alterssicherung<br />

und Erlass wegen wirtschaftlicher<br />

Existenzgefährdung informieren. In<br />

laufenden Widerspruchsverfahren<br />

wird die BfA die Betroffenen zur<br />

Rücknahme des Widerspruchs und<br />

zur Antragstellung auffordern. Wer<br />

bereits gezahlt hat, kann nachträglich<br />

keinen Antrag auf Erlass wegen<br />

privater Alterssicherung mehr stellen.<br />

• Allen, die vor Wirksamwerden der<br />

BfA-Entscheidung schon Nachzahlungsforderungen<br />

erhalten haben,<br />

empfiehlt die BfA, Widerspruch einzulegen<br />

sowie einen Antrag auf Stundung<br />

und einen Antrag auf Erlass zu<br />

stellen.<br />

• Ausländische Lehrkräfte sollten sich<br />

auf Grund der komplizierten Einzelregelungen<br />

an das Auslandsreferat<br />

der BfA wenden(Tel. 030-86 52 19<br />

33). Die BfA hat auf Grund des<br />

Drucks der <strong>GEW</strong> und des DGB zumindest<br />

unter Ausschöpfung der gesetzlichen<br />

Möglichkeiten einige Zugeständnisse<br />

gemacht. Das Grundsatzproblem<br />

ist damit allerdings<br />

nicht gelöst.<br />

Perspektiven<br />

Für die <strong>GEW</strong> hat die Sozialversicherung<br />

und vor allem die Altersvorsorge<br />

für die Betroffenen hohe Priorität.<br />

Es muss eine gesetzliche und<br />

politische Regelung getroffen werden,<br />

wonach die Betroffenen rentenversichert<br />

sind, aber die Beiträge<br />

nicht mehr alleine leisten müssen.<br />

Dafür sind folgende Varianten denkbar:<br />

• Grundsätzlich sollten freiberufliche<br />

Lehrkräfte in eine Sozialversicherung<br />

entsprechend der Künstlersozialkasse<br />

(KSK) einbezogen werden, entwe-<br />

20 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Weiterbildung / Leserbrief<br />

Ausbildung zu Toleranz<br />

Die Deutsche Postgewerkschaft<br />

(DPG) und die Deutsche Telekom<br />

AG sprechen sich „für eine aktive<br />

Ausbildung zu Zivilcourage, Gewaltfreiheit<br />

und Toleranz“ aus. Im neuen<br />

Tarifvertrag für die Telekom-Azubis<br />

heißt es, dass beide Tarifparteien<br />

„auf eine angemessene Wertorientierung“<br />

der Auszubildenden hinwirken.<br />

Konkret ist vorgesehen, auch die<br />

Themen Anti-Rassismus und Fremdenfeindlichkeit<br />

in die Ausbildung<br />

einzubeziehen.<br />

eb<br />

„Eine neue <strong>GEW</strong> braucht das Land!“<br />

der durch eine neue Rentenversicherungskasse<br />

oder durch die Erweiterung<br />

der KSK zu einer Kultur- und<br />

Bildungskasse.<br />

• Freiberufliche Lehrkräfte müssen<br />

entlastet werden, indem künftig die<br />

Auftraggeber die Hälfte der Beitragszahlung<br />

an die gesetzliche Rentenversicherung<br />

zu leisten haben (an<br />

einzelnen Volkshochschulen geschieht<br />

dies auch schon). Allerdings<br />

ist dabei zu beachten, dass bei öffentlichen<br />

Auftraggebern wie z.B.<br />

den Volkshochschulen oder den<br />

Hochschulen faktisch eine mittelbare<br />

Abwälzung dieser Sozialkosten auf<br />

die AuftragnehmerInnen durch Kürzung<br />

der Honorarsätze oder Angebotsreduzierung<br />

drohen, falls keine<br />

höheren Zuwendungen zur Finanzierung<br />

dieser Sozialkosten bereit gestellt<br />

werden.<br />

Für die Politik, die BfA und auch den<br />

DGB stellt sich die Frage, welche<br />

Konsequenzen die Sozialversicherungssysteme<br />

aus der Entwicklung<br />

neuer Beschäftigtentypen ziehen<br />

müssen. Dabei sind auch die ausländischen<br />

Beispiele zu prüfen. Es muss<br />

weiterhin die Forderung gestellt werden,<br />

dass die Bildungseinrichtungen<br />

verstärkt ihre Lehrkräfte in reguläre<br />

ggf. auch in Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />

übernehmen. Um dies zu erreichen,<br />

könnten sie z.B. Pools oder<br />

Verbände bilden, die gemeinsam entsprechende<br />

Arbeitsverträge abschließen,<br />

wenn eine Einrichtung dazu allein<br />

nicht in der Lage ist. Bei vielen<br />

Honorarkräften muss geklärt werden,<br />

also festzustellen sein, ob sie<br />

nicht doch die Kriterien von ArbeitnehmerInnen<br />

bzw. arbeitsnehmerähnlichen<br />

Personen erfüllen.<br />

Rosemari Pomian, Matthias Jähne<br />

(<strong>GEW</strong> Berlin)<br />

Bücherspalte<br />

Alleinerziehend<br />

Tipps und Informationen für<br />

Alleinerziehende zu Fragen wie<br />

Existenzsicherung, Ausbildung,<br />

Kinderbetreuung u.a.<br />

kostenlos gegen Porto<br />

Beamtenversorgungsrecht<br />

In dieser <strong>GEW</strong>-Broschüre wird<br />

die Berechnung des Ruhegehalts<br />

dargestellt. Grundlage ist das ab<br />

1. Januar 1992 geltende Beamtenversorgungsrecht<br />

i.d.F. der<br />

Änderungsgesetze 1998 -<br />

4. Aufl. 98, 166 Seiten -<br />

DM 8,00 zuzügl. Porto<br />

Betr.: <strong>GEW</strong>-Zeitung 9/00, S.2,<br />

„ADD Personalräte: <strong>GEW</strong> wählen!!!“<br />

Lieber Kollege Helfrich,<br />

du schreibst in deinem Aufruf, <strong>GEW</strong><br />

zu wählen: „Natürlich ist es für unsere<br />

Mitglieder selbstverständlich, bei Personalratswahlen<br />

ihre eigene Gewerkschaft<br />

zu wählen..“ So natürlich ist das<br />

für mich nicht, und ich weiß dies auch<br />

von vielen (noch) „stummen <strong>GEW</strong>-Beitragszahlern“,<br />

denn wohin hat sich unsere<br />

<strong>GEW</strong> von der ehemaligen kritisch<br />

kompetenten, basisdemokratischen<br />

Speerspitze für eine bessere Bildung<br />

kämpfende Gruppe Gleichgesinnter<br />

entwickelt? Gerne würde ich auch an<br />

meiner Schule „<strong>GEW</strong>-Flagge zeigen“,<br />

wüsste man nicht auch dort schon, wie<br />

mit eigenen Leuten von der <strong>GEW</strong>-Spitze<br />

und denen, die sich ihr zugehörig<br />

fühlen, umgesprungen wird, wenn sie<br />

es wagen, offen Missstände beim Namen<br />

zu nennen, und die gibt es ja auch<br />

wohl bei der <strong>GEW</strong>: Majestätsbeleidigung,<br />

Nestbeschmutzer, Querulant - so<br />

dann ungeprüft die <strong>GEW</strong> Reaktion!<br />

Du schreibst:: „Die <strong>GEW</strong> wird auch<br />

künftig offensiv Missstände anprangern...“<br />

Ich kann die Offensive nicht<br />

feststellen. Wo?, Wann? Wer?<br />

Weiterhin behauptest du: „Während<br />

bei der Konkurrenz Personalratstätigkeit<br />

häufig als Sprungbrett für die eigene<br />

Karriere verstanden wird...“ Bei<br />

der <strong>GEW</strong> etwa nicht?<br />

Und letztendlich: „...es ergeben sich<br />

manchmal schneller, als man glaubt,<br />

Situationen, in denen man solidarische<br />

Hilfe braucht. Dafür ist die <strong>GEW</strong> da,<br />

dafür sind die Personalräte da.“ Ha,<br />

ha, ha!<br />

Ich brauchte solidarische Hilfe. Ganze<br />

zwei gaben sie mir: Paul Schuh und<br />

Dieter Roß. Dem einen droht der<br />

<strong>GEW</strong>-Rausschmiss - warum?<br />

Nein, das ist nicht die <strong>GEW</strong> als solidarische<br />

Truppe. Eine neue <strong>GEW</strong><br />

braucht das Land- zumindest eine solche,<br />

wie du sie in deinem Kommentar<br />

beschreibst.<br />

Harald Dupont, 56729 Ettringen<br />

Methoden des lebendigen<br />

Lernens<br />

Die von Prof. Dr. Arnold und<br />

Dipl. Päd. Ingeborg Schüßler als<br />

Heft Nr. 1 der Reihe „Pädagogische<br />

Materialien der Universität<br />

Kaiserslautern“ herausgegebene<br />

Broschüre beinhaltet alle im<br />

Verlauf eines handlungsorientierten<br />

Methodenseminars erprobten<br />

Methoden inklusive<br />

anschaulicher Beispiele, Anwendungsfelder<br />

und Einsatzbewertungen.<br />

Auch die 2. Auflage ist<br />

wieder durch die <strong>GEW</strong> veröffentlicht.<br />

DM 7,00 zuzügl. Porto<br />

<strong>GEW</strong>-Information Nr. 10<br />

Formulierungsvorschläge<br />

für die ersten zwei Zeugnisse der<br />

Grundschule ohne Noten<br />

gegen Portokosten<br />

Bestellungen an:<br />

<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

Neubrunnenstr. 8,<br />

55116 Mainz<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

21


Rechtsschutz<br />

Beim Bierholen kein Arbeitsunfall<br />

Ein Unfall auf dem Weg zur Besorgung<br />

von alkoholischen Getränken<br />

ist grundsätzlich kein Arbeitsunfall.<br />

Der Fall: Der Arbeiter hatte sich vom<br />

Getränkeautomaten einer benachbarten<br />

Werkhalle eine Flasche Bier<br />

geholt. Auf dem Rückweg zu seinem<br />

Arbeitsplatz wurde er von einem<br />

Gabelstapler erfasst und schwer verletzt.<br />

Die Berufsgenossenschaft lehnte<br />

die Gewährung von Entschädigung<br />

ab, weil der Arbeitnehmer zu<br />

diesem Zeitpunkt nicht unter dem<br />

Betreuung durch Oma nicht versichert<br />

Die Betreuung eines Kindes als familiäre<br />

Hilfeleistung steht nicht unter<br />

dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.<br />

Der Fall: Die Klägerin lebt in einem<br />

Haus, das auch von ihrer berufstätigen<br />

Tochter und deren Familie bewohnt<br />

wird. Als ihre Enkelin in den<br />

Kindergarten aufgenommen wurde,<br />

übernahm die Klägerin deren Betreuung<br />

während der berufsbedingten<br />

Abwesenheit der Eltern. Dafür<br />

erhielt sie von ihrer Tochter einen<br />

Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

gestanden habe. Mit der<br />

gleichen Begründung wurde auch der<br />

Erstattungsanspruch der Krankenkasse<br />

zurückgewiesen. Dieser Auffassung<br />

schloss sich das Revisionsgericht<br />

an.<br />

Das Bundessozialgericht: Bei der<br />

Besorgung von Nahrungsmitteln<br />

oder der Einnahme von Mahlzeiten<br />

kann davon ausgegangen werden,<br />

dass beides der Erhaltung oder Wiederherstellung<br />

der Arbeitskraft dient<br />

und damit versichert ist. Das ist bei<br />

alkoholischen Getränken nicht der<br />

Fall. Versicherungsschutz kann auch<br />

nicht damit begründet werden, dass<br />

die Gefahr von einer Betriebseinrichtung<br />

ausging. Bei privaten Verrichtungen<br />

wie dem Bierholen sind<br />

ArbeitnehmerInnen nur dann gegenüber<br />

gefährlichen Betriebseinrichtungen<br />

versichert, wenn diese<br />

auf sie im unmittelbaren Bereich<br />

ihres Arbeitsplatzes einwirken.<br />

Bundessozialgericht, Urteil vom 27.<br />

Juni 2000 - B 2 U 22/99 R<br />

monatlichen Betrag von 250 DM bar<br />

ausgezahlt. Sozialversicherungsbeiträge<br />

oder pauschale Lohnsteuer<br />

wurden dafür nicht abgeführt. Eines<br />

Tages, beim Abholen ihrer Enkelin<br />

vom Kindergarten, stürzte die Klägerin<br />

und zog sich dabei erhebliche<br />

Verletzungen zu. Für die Folgen dieses<br />

Unfalls verlangte sie von der Unfallkasse<br />

eine Entschädigung, die diese<br />

ablehnte. Auch das Bundessozialgericht<br />

verneinte einen Anspruch.<br />

Das Bundessozialgericht: Die Betreuung<br />

des Enkelkindes durch die<br />

Klägerin steht nicht unter Versicherungsschutz,<br />

weil sie weder eine abhängige<br />

Beschäftigung darstellt noch<br />

wie eine solche zu werten ist. Insbesondere<br />

ist die Betreuung nicht<br />

fremdbestimmt, da die Klägerin dabei<br />

keine Anweisungen befolgen<br />

musste.<br />

Bundessozialgericht, Urteil vom 27.<br />

Juni 2000 - B 2 U 21/99 R<br />

Wer durchfällt,<br />

hat noch zwei<br />

Chancen<br />

Besteht der Azubi die Abschlussprüfung<br />

nicht, so verlängert sich das<br />

Berufsausbildungsverhältnis auf sein<br />

Verlangen bis zur nächstmöglichen<br />

Wiederholungsprüfung, höchstens<br />

um ein Jahr. Wird diese Prüfung bestanden,<br />

endet das Ausbildungsverhältnis.<br />

Wenn die Prüfung aber nicht<br />

bestanden wird, kann der Azubi erneut<br />

eine Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses<br />

bis zur<br />

zweiten Wiederholungsprüfung verlangen.<br />

Diese muss aber noch innerhalb<br />

der Jahresfrist abgelegt werden.<br />

Danach endet das Ausbildungsverhältnis<br />

definitiv.<br />

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.<br />

März 2000 - 5 AZR 622/98<br />

Sozialversicherungspflichtig<br />

Wer nach Schulabschluss bis zum<br />

Beginn einer Berufsausbildung einen<br />

kurzzeitigen Aushilfsjob ausübt,<br />

muss dafür Sozialversicherungsabgaben<br />

zahlen.<br />

Arbeitsgericht Frankfurt/M., Urteil<br />

vom 11. Juli 2000 - 5 Ca 7260/99<br />

Mitbestimmung<br />

beachten<br />

Das Entgeltfortzahlungsgesetz gestattet<br />

dem Arbeitgeber, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />

schon vor<br />

Ablauf des dritten Kalendertages<br />

nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit<br />

zu verlangen. Eine solche Anweisung<br />

betrifft die betriebliche Ordnung im<br />

Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.<br />

Daraus ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht<br />

des Betriebsrates.<br />

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.<br />

Januar 2000 - 1 ABR 3/99<br />

Freizeit<br />

wird nicht<br />

ausgeglichen<br />

Nach dem hessischen Bildungsurlaubsgesetz<br />

haben ArbeitnehmerInnen<br />

einen Anspruch auf Freistellung<br />

von der Arbeitspflicht. Besteht für<br />

einen Tag, an dem eine anerkannte<br />

Bildungsveranstaltung besucht wird,<br />

keine Arbeitspflicht, ist der Arbeitgeber<br />

auch zu keinem Freizeitausgleich<br />

verpflichtet.<br />

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.<br />

September 1999 9 AZR 765/98<br />

22 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Alter + Ruhestand<br />

Beihilfeverordnung ändern<br />

Zur letzten Sitzung des <strong>GEW</strong>-BundesseniorInnenausschusses<br />

in Hamburg<br />

hatte der LSA Saarland einen<br />

Antrag vorgelegt, nach dem Angehörige<br />

des öffentlichen Dienstes und<br />

ihre Familienangehörigen, die das<br />

70. Lebensjahr vollendet haben oder<br />

geistig/körperlich hilflos sind, bei stationärer<br />

oder ähnlicher Behandlung<br />

eine anteilige Kostenübernahmeerklärung<br />

der Beihilfestelle erhalten<br />

sollen.<br />

Da Beihilfen jedoch Ländersache<br />

sind, empfahl der BSA den Ländervertretern,<br />

die jeweiligen Anträge an<br />

die Landesverbände zu richten, um<br />

in Verhandlungen mit dem dafür<br />

zuständigen Ministerium das Anliegen<br />

der SeniorInnen zu vertreten.<br />

Als Begründung wird angeführt, dass<br />

bei privat Versicherten im Falle stationärer<br />

Behandlung in kürzeren<br />

Abständen Vorauszahlungen für<br />

Krankenhauskosten zu leisten sind.<br />

Alter und Hilflosigkeit, vor allem,<br />

wenn ein helfender Angehöriger<br />

fehlt, erschweren jedoch termingerechte<br />

Zahlungen erheblich.<br />

Die Krankenanstalt werde auf Vorauszahlung<br />

verzichten, wenn sie<br />

weiß, dass der nicht durch eine Krankenkasse<br />

abgedeckte Kostenanteil<br />

von der Beihilfestelle getragen wird.<br />

Der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Tilman<br />

Boehlkau wird sich aufgrund<br />

der Bitte des Landesseniorenausschusses<br />

beim Ministerium um eine<br />

entsprechende Veränderung der Beihilfeverordnung<br />

bemühen.<br />

Edmund Theiß<br />

Die <strong>GEW</strong> gratuliert<br />

im November 2000<br />

zum 70. Geburtstag<br />

Herrn Norbert Jungen<br />

* 06.11.1930<br />

Am Hügel 7 · 67316 Carlsberg<br />

zum 75. Geburtstag<br />

Frau Lieselotte Martin<br />

* 09.11.1925<br />

Mainzer Berg 26 · 67475 Weidenthal<br />

Herrn Ernst Hedderich<br />

* 10.11.1925<br />

Pestalozzistr. 3 · 55232 Alzey<br />

zum 80. Geburtstag<br />

Frau Renate Hofmann<br />

* 11.11.1920<br />

Am Deichfeld 16 · 21360 Vögelsen<br />

zum 85. Geburtstag<br />

Herrn Wilhelm Herzog<br />

* 09.11.1911<br />

Kurpfalzstr. 133 · 67435 Neustadt<br />

zum 89. Geburtstag<br />

Herrn Herbert Jäger<br />

* 24.11.1911<br />

Immelmannstr. 16 · 76829 Landau<br />

Der Landesvorstand<br />

Berichtigung:<br />

In der Ausgabe 7-8/2000 hat<br />

der Landesvorstand<br />

Herrn Dr. Bruno Schafmeister<br />

aus Ransbach-Baumbach zum<br />

80. Geburtstag gratuliert.<br />

Dabei wurde allerdings der<br />

akademische Grad des<br />

Kollegen vergessen.<br />

Wir bitten dies zu entschuldigen.<br />

Die Redaktion<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

23


Tipps + Termine<br />

„Das besondere Lernen“<br />

SWR-Fünfteiler von Paul Schwarz über Behinderte<br />

In seiner pädagogischen Reportagereihe startet der Südwestrundfunk<br />

in seinem Dritten Programm ab 21. November 2000 eine fünfteilige<br />

Reihe über das Leben und Lernen behinderter Kinder und Jugendlicher.<br />

Kur aufhält: Die bekannt gewordene<br />

petö-Therapie aus Ungarn und<br />

die Manualtherapie mit Akupressur,<br />

die für Bruce erstaunliche Fortschritte<br />

bringt. Der Spezialist, ein russischer<br />

Arzt aus St. Petersburg, erläutert<br />

seine Erfolgsmethode, spricht<br />

über Spastik und die Heilungschancen.<br />

Neun von 100 Deutschen sind behindert,<br />

einige von ihnen besonders<br />

schwer. Der Grad der Behinderung<br />

kann sehr unterschiedlich sein: blind,<br />

taubstumm, bewegungsunfähig, geistig<br />

behindert oder autistisch. In der<br />

Reihe „Das besondere Lernen“ werden<br />

mehrere behinderte Kinder und<br />

Jugendliche portraitiert, die schulischen<br />

und außerschulischen Anstrengungen<br />

dokumentiert, mit diesen<br />

jungen Menschen umzugehen,<br />

sie zu fördern und zu integrieren: in<br />

einer Sondereinrichtung, außerhalb<br />

der Schule im Freundeskreis und in<br />

der Familie oder dann in einem Beruf.<br />

Film Nr. 1: Ich möchte mich<br />

ganz normal fühlen<br />

Die blinde Kathi<br />

(Ausstrahlung: Dienstag, 21. Nov.<br />

2000, 13.30 - 14.00 Uhr)<br />

Katharina, 18 Jahre, griechisches<br />

Mädchen, in Deutschland geboren,<br />

besucht die Berufsfachschule in der<br />

Landesblindenschule in Neuwied.<br />

Katharina hat mit acht Jahren ihr<br />

Augenlicht verloren und ist voll<br />

blind.<br />

Wir begleiten Katharina durch ihren<br />

Alltag, in ihrer griechischen Familie<br />

und beobachten sie im Unterricht.<br />

Sie kauft alleine ein, geht mit ihrer<br />

Freundin ins Kino und in Kneipen,<br />

lernt zur Zeit tanzen. Wie orientiert<br />

sie sich? Wie erlebt sie ihre Umwelt?<br />

Wie sieht sie ihre Lebensperspektive?<br />

Sehr ausführlich geben sie und<br />

ihre geburtsblinde Freundin Auskunft<br />

über das, was für sie wichtig<br />

und lebenswert ist.<br />

Film Nr. 2:<br />

Kein Mensch ist eine Insel<br />

Autistische Kinder<br />

(Ausstrahlung: 28. Nov. 2000,<br />

13.30 - 14.00 Uhr)<br />

Viktoria, neun Jahre, Autistin. Das<br />

Mädchen lebt in einem Heim für<br />

Geistigbehinderte in der Südpfalz,<br />

ihre eineiige Zwillingsschwester Katharina,<br />

ebenfalls Autistin, in einem<br />

Kölner Heim, ihr elfjähriger Bruder<br />

David mit autistischen Zügen geht<br />

in eine Integrierte Gesamtschule.<br />

Der Film dokumentiert das Leben<br />

der drei Kinder in ihrer jeweiligen<br />

Umwelt und zuhause, wenn sie - was<br />

selten der Fall ist -alle in der Familie<br />

vereint sind und es dann etwas chaotisch<br />

zugeht. Viktoria ist stumm,<br />

lernt aber, sich über die sog. Gestützte<br />

Kommunikation mitzuteilen. Allein<br />

hat sie lesen und rechnen gelernt.<br />

Katharina schreibt nicht, lernt aber<br />

sprechen. Ihr Bruder Daniel ist fixiert<br />

auf Computer und auf diesem<br />

Gebiet ein Ass. Fixierungen sind oftmals<br />

typisch für autistische Kinder.<br />

Film Nr. 3:<br />

Aber Spaß hab’ ich doch.<br />

Der 13jährige Bruce<br />

(Ausstrahlung: 5. Dezember 2000,<br />

13.30 - 14.00 Uhr)<br />

Bruce, Tetra-Spastiker, kann nicht<br />

laufen und sitzt im Rollstuhl. Bruce<br />

lebt ganztägig in einem Zentrum für<br />

Körperbehinderte. Sein größter<br />

Wunsch ist es, einmal in einem Basketballteam<br />

zu spielen. Wir beobachten<br />

ihn bei einem Profispiel, begleiten<br />

ihn durch die Schule, die für<br />

Bruce nicht nur Lern-, sondern auch<br />

Lebensstätte ist. Zuhause lebt er allein<br />

mit seiner Mutter.<br />

Sehr ausführlich zeigt der Film die<br />

therapeutischen Bemühungen fern<br />

von zuhause, wo sich Bruce zu einer<br />

Film Nr. 4: Denn die Seele<br />

kennt kein Koma<br />

Die 17jährige Lena<br />

(Ausstrahlung: 12. Dezember 2000,<br />

13.30 - 14.00 Uhr)<br />

Blind, körper- und geistigbehindert,<br />

zuckerkrank und im Wachkoma.<br />

Das ist Lena. Mit zwei Jahren erkrankte<br />

sie an einer tuberkulösen<br />

Meningitis und fiel ins Koma. Der<br />

Film begleitet Lena durch ihren Alltag<br />

in der Klasse und im Internat.<br />

Im Mittelpunkt des Films steht neben<br />

dem besonderen Lernen Lenas<br />

in der Gruppe die sog. „Basale Stimulation“<br />

in mehreren Variationen.<br />

Mit ihr werden Kinder wie Lena, die<br />

kaum eigenaktiv sein können, sensorisch<br />

angesprochen.<br />

Der Film geht auch der Frage nach,<br />

welchen Sinn es macht, ein mehrfach<br />

schwerbehindertes Mädchen wie<br />

Lena so intensiv zu betreuen.<br />

Film Nr. 5: Nicht nur für Brot<br />

allein ....<br />

Behinderte finden einen<br />

Arbeitsplatz<br />

(Ausstrahlung: 19. Dezember 2000,<br />

13.30 - 14.00 Uhr)<br />

Ausbildung und Arbeit sind wichtige<br />

Faktoren für die gesellschaftliche<br />

Integration behinderter Menschen.<br />

Der Film schildert den beruflichen<br />

und persönlichen Alltag von zwei<br />

behinderten Erwachsenen. Er porträtiert<br />

Nicole (30), eine körperlich<br />

schwerstbehinderte Rollstuhlfahrerin,<br />

und ihren Freund Botho (36),<br />

ein Geistigbehinderter mit Down-<br />

Syndrom. Beide arbeiten in den<br />

„Hagsfelder Werkstätten“ in Ettlingen,<br />

einer Einrichtung der „Lebenshilfe“.<br />

Dort werden unter strengen<br />

Qualitätsanforderungen Produkte<br />

für den freien Wirtschaftsmarkt hergestellt.<br />

red.<br />

24 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Online-Lernprogramm für SchülerInnen<br />

Tipps + Termine<br />

Während 44.000 SchülerInnen in<br />

Rheinland-Pfalz noch über dem<br />

ersten landesweiten Mathematiktest<br />

schwitzten, wurde im Internet ein<br />

Online-Lehrgang freigegeben, der<br />

jedem Schüler die Chance bietet,<br />

seine Defizite im eigenen Lernen<br />

auszumerzen.<br />

Das vom Zentrum für empirische<br />

pädagogische Forschung (ZepF) der<br />

Universität Landau im Auftrag des<br />

rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums<br />

entwickelte Lernprogramm<br />

soll es jeder/m SchülerIn unabhängig<br />

von Ort und Zeit ermöglichen,<br />

seine/ihre Kenntnisse über verschiedene<br />

Bereiche des Lernens zu erweitern.<br />

Unter der Adresse http:/<br />

ibt.zepf.uni-landau.de/ kann sich jeder<br />

Interessierte anmelden und erhält<br />

spätestens am nächsten Werktag<br />

sein persönliches Passwort und<br />

eine eigene Zugangskennung.<br />

Zu Beginn des Lehrgangs muss ein<br />

Fragebogen ausgefüllt werden, der<br />

eine individuelle Rückmeldung über<br />

Stärken und Schwächen im eigenen<br />

Lernen erlaubt. Auf der Grundlage<br />

dieser Befragung werden den NutzerInnen<br />

Kapitel des Online-Lehrgangs<br />

vorgeschlagen, die sich für sie<br />

besonders lohnen. Unabhängig davon<br />

können sich die SchülerInnen<br />

auch nach eigenen Interessen durch<br />

das Programm navigieren. Folgende<br />

Themenbereiche rund ums Lernen<br />

werden vorgestellt: Der Lernarbeitsplatz,<br />

Teamwork, Wissen sammeln,<br />

Zeiteinteilung, Arbeit einteilen, Wiederholen,<br />

Tipps und Tricks, Lernerfolgskontrolle,<br />

Motivation und Konzentration.<br />

Das Programm bietet den SchülerInnen<br />

neben diesen Inhalten die Möglichkeit,<br />

an verschiedenen Stellen des<br />

Programms selbst eigene Tipps und<br />

Tricks zur Verfügung zu stellen und<br />

so aktiv an dessen weiterer Gestaltung<br />

mitzuwirken. Weitere Möglichkeiten<br />

zur Interaktion bieten Diskussionsforen<br />

sowie ein Kommunikationsforum<br />

für Lehrkräfte, in dem diese<br />

ihre Erfahrungen austauschen<br />

können.<br />

Kontakt: Prof. Dr. Reinhold S. Jäger,<br />

Zentrum für empirische pädagogische<br />

Forschung (ZepF) der Universität Koblenz-Landau,<br />

Friedrich-Ebert-Str.<br />

12, 76829 Landau, Tel. 06341/906-<br />

121, Fax: 06341/906-200; email:<br />

jaeger@zepf.uni-landau.de<br />

pm<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

25


Tipps + Termine<br />

Lehren und Lernen für die Zukunft<br />

Seit 1999 gibt das Pädagogische Zentrum<br />

Rheinland-Pfalz eine pädagogische<br />

Zeitschrift mit dem Titel<br />

„Pädagogische Nachrichten Rheinland-Pfalz“<br />

heraus. In Zusammenarbeit<br />

mit den anderen pädagogischen<br />

Instituten des Landes (EFWI, IFB,<br />

ILF und LMZ) werden neuere pädagogischen<br />

Entwicklungen vorgestellt,<br />

besondere Projekte der Institute<br />

beschrieben und Beispiele aus<br />

der Schulpraxis aufgezeigt. In jedem<br />

Heft wird ein (pädagogischer)<br />

Schwerpunkt gesetzt und von verschiedenen<br />

Seiten her beleuchtet.<br />

Die folgenden Themen wurden bisher<br />

in der halbjährlich erscheinendenden<br />

Publikation aufgegriffen:<br />

• Immer mehr Medien - ein Gewinn<br />

für die Schule? (1-99)<br />

• Offene Lernsituationen und selbstständiges<br />

Lernen (2-99)<br />

• Wie gut ist unsere Schule? (1-00)<br />

• Schulleben - Schulkultur (2-00)<br />

Das aktuelle Heft 2/00 enthält einen<br />

sehr interessanten Beihefter mit einem<br />

Vortragstext von Prof. Franz E.<br />

Weinert zum Thema „Lehren und<br />

Lernen für die Zukunft - Ansprüche<br />

an das Lernen in der Schule“. Dieser<br />

Text ist eine ausgezeichnete Grundlage<br />

für die Diskussion in den pädagogischen<br />

Konferenzen aller Schularten..<br />

Daher können Schulen diesen<br />

Aufsatz als Sonderdruck in größerer<br />

Anzahl kostenlos vom Pädagogischen<br />

Zentrum beziehen<br />

Die kommende Ausgabe, die im Februar<br />

2000 erscheinen wird, ist dem<br />

Thema „Lehrersein heute - Anforderungen,<br />

Herausforderungen, Überforderungen“<br />

gewidmet. Die Hefte<br />

werden den Schulen in mehreren<br />

Exemplaren kostenlos zu Beginn<br />

eines jeden Schulhalbjahrs zugesandt.<br />

Einzelhefte können angefordert werden<br />

vom Pädagogischen Zentrum,<br />

Europaplatz 7-9, 55543 Bad Kreuznach,<br />

Tel. 0671-84088-0, Fax 0671-<br />

84088-10.<br />

Zwei interessante Seminare für LehrerInnen<br />

Kurzmoderation<br />

Konferenzen, Besprechungen und Diskussionen<br />

im Klassenzimmer gehören<br />

zu unserem Alltag.<br />

Die Zufriedenheit der BesprechungsteilnehmerInnen<br />

mit dem Verlauf und<br />

dem Ergebnis der Sitzung ist u. a.<br />

maßgeblich davon abhängig, ob alle<br />

zu Wort kommen, ob die Zeitvorgaben<br />

mit den thematischen Schwerpunkten<br />

übereinstimmen und ob die<br />

gesetzten Ziele mit den tatsächlich erreichten<br />

Ergebnissen korrespondieren.<br />

Die Moderationsmethode ist eine entscheidende<br />

Voraussetzung für diese<br />

Form der Sitzungskultur. Sie ermöglicht<br />

den effizienteren und zufriedenstellenderen<br />

Verlauf von Gesprächen,<br />

an denen mehrere Personen mit einem<br />

meist engen Zeitkontingent beteiligt<br />

sind.<br />

Termin: 02.-03. November 2000<br />

Referentin: Ute Sprekelmeyer<br />

Anmeldeschluss: 13. Oktober 2000<br />

Zeitmanagement<br />

Zeitmanagement ordnet die eigene und<br />

die Zeit der anderen, die beide gleichermaßen<br />

wertvoll und sorgfältig zu<br />

behandeln sind. Im Seminar werden<br />

Hilfen zur konsequenten und kontinuierlichen<br />

Umsetzung gegeben.<br />

Inhalte:<br />

* Zeitmanagement als Arbeitstechnik<br />

* Notwendigkeit der Planung<br />

* Vom Aktivitätenplan zum Zeitplan<br />

* Zeitdiebe - Schriftliche Planung -<br />

Tagespläne<br />

* Arbeitsgruppen zur „Selbstanalyse“<br />

* Positive Prioritäten setzen<br />

* Tages- und Leistungskurven<br />

* „Die stille Stunde“<br />

* Zeitplanbücher<br />

* Praktische Umsetzung<br />

Termin: 20.-21. November 2000<br />

Referent: Uwe Becker<br />

Anmeldeschluss: 25. Oktober<br />

Noch einige Plätze frei sind bei zwei interessanten Seminaren für LehrerInnen, die Mehmet Kilic,<br />

Leiter des <strong>GEW</strong>-Vorstandsbereichs Gewerkschaftliche Bildung und Mitgliederwerbung, im November<br />

anbietet. Foto: Seifert<br />

Für beide Seminare gilt:<br />

• Berücksichtigung nach der Reihenfolge<br />

der Eingänge<br />

• Veranstaltungsort: Bad Münster<br />

am Stein-Ebernburg, Evangelische<br />

Bildungsstätte<br />

• TeilnehmerInnenzahl jeweils<br />

maximal 18<br />

• Leitung: Mehmet Kiliç<br />

• Anmeldung an: Mehmet Kiliç<br />

(schriftlich) Bretzenheimer Straße<br />

63, 55545 Bad Kreuznach,<br />

Tel.& Fax: 0671/44009, eMail :<br />

MehmetKil@aol.com<br />

• Teilnehmerbeitrag je Seminar:<br />

30.- DM für <strong>GEW</strong>-Mitglieder,<br />

120.- DM für Nichtmitglieder<br />

26 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Tipps + Termine<br />

Klipperts Qualitätsmanagement konkret<br />

Dreh- und Angelpunkt des vom<br />

Land geförderten Pädagogischen<br />

Schulentwicklungs-Programms des<br />

EFWI (PSE) ist die systematische<br />

Reform der Unterrichtsarbeit mit<br />

der doppelten Zielsetzung, zum einen<br />

die SchülerInnen zeitgemäßer<br />

und effektiver als bisher zu qualifizieren<br />

(Stichwort: „Schlüsselqualifikationen“<br />

und „Eigenverantwortliches<br />

Arbeiten“) sowie zweitens<br />

durch die Kultivierung neuer Lernformen<br />

eine spürbare Entlastung<br />

und ein deutliches Mehr an Berufs-<br />

zufriedenheit für die verantwortlichen<br />

Lehrkräfte zu erreichen.<br />

Methodentraining, Kommunikationstraining,<br />

Teamentwicklung sowie<br />

die konsequente Förderung des eigenverantwortlichen<br />

Arbeitens und<br />

Lernens der SchülerInnen im alltäglichen<br />

Fachunterricht sind die besonderen<br />

Markenzeichen Pädagogischer<br />

Schulentwicklung. Zur Umsetzung<br />

dieses Reformkonzepts erhalten die<br />

Schulkollegien vielfältige Unterstützung:<br />

Training, Materialien, Vorträge<br />

und praktische Innovationsberatung.<br />

… bis er sich bei Klippert hatte schulen lassen !<br />

Videopaket gegen Rassismus und Gewalt<br />

Schulen, die das skizzierte Qualifizierungs-<br />

und Unterstützungsprogramm<br />

des EFWI in Anspruch nehmen<br />

und die damit verbundene Unterrichtsreform<br />

systematisch angehen<br />

möchten, müssen sich bis spätestens<br />

Ende März 2001 beim EFWI anmelden.<br />

Der Anmeldung beizufügen ist<br />

ein Bewerbungsschreiben, das Aufschluss<br />

darüber gibt,<br />

• was an der jeweiligen Schule in Sachen<br />

Unterrichtsentwicklung bereits<br />

läuft,<br />

• welche korrespondierenden Fortbildungsangebote<br />

des EFWI in den<br />

beiden letzten Jahren genutzt wurden,<br />

• wie hoch die Zustimmung und die<br />

Beteiligungsbereitschaft in puncto<br />

PSE im Kollegium sind,<br />

• wie es um die Rückendeckung seitens<br />

der Elternschaft bzw. der Betriebe<br />

steht und<br />

• wie die Chancen einer längerfristigen<br />

Umsetzung und Ausweitung des<br />

PSE-Programms eingeschätzt werden.<br />

Kontaktadresse: Erziehungswissenschaftliches<br />

Fort- und Weiterbildungsinstitut<br />

der Evangelischen Kirche<br />

in Rheinland-Pfalz, Luitpoldstr.<br />

8, Postfach 1264, 76829 Landau/Pf.<br />

Ob in Ludwighafen oder Simmern,<br />

Trier oder Bad Kreuznach. Viele<br />

SchülerInnen wollen einfach nicht<br />

mehr wegsehen, wenn andere gewalttätig<br />

oder diskriminierend werden,<br />

wollen zu einer anderen Einstellung<br />

anstiften und Initiativen ergreifen<br />

Wer, wenn nicht wir?<br />

Über das 1992 von der Ludwigshafener<br />

Grafikerin Silvia Izi ins Leben<br />

gerufene Ausstellungsprojekt mit<br />

Bildern und Objekten, in denen sich<br />

SchülerInnen mit Gewalt und Rasismus<br />

auseinandersetzen, haben wir<br />

bereits in der <strong>GEW</strong>-Zeitung 11/<br />

zur Verständigung der Kulturen.<br />

Aufgeschreckt durch die rechtsradikale<br />

Bandenkriminalität beginnen<br />

sich immer mehr Schulen dem Problem<br />

Ausländerfeindlichkeit und<br />

Gewalt zu stellen.<br />

Der Südwestrundfunk bietet dazu<br />

1998 berichtet. Die inzwischen<br />

bundesweit bekannte Wanderausstellung<br />

ist nun vom 4. bis<br />

27.10.2000 in der ehemaligen Bezirksregierung<br />

in Neustadt/Wstr.,<br />

Friedrich-Ebert-Str. 14, zu sehen.<br />

kh<br />

aus seiner Reihe „Beispiele machen<br />

Schule“ ein Videopaket mit drei Filmen<br />

an (jeweils 30 Min.), die besonders<br />

innovative und engagierte<br />

Schulaktivitäten gegen die Gewalt<br />

von rechts zeigen und zur Nachahmung<br />

anregen sollen.<br />

* „Wer, wenn nicht wir?“ - Schule<br />

ohne Rassismus<br />

* „Ach, du buntes Deutschland“ -<br />

Theater gegen Rassismus<br />

* Erziehung gegen Gewalt. Sozialarbeit<br />

in der Schule<br />

Das Videopaket kann für DM 50,00<br />

plus Porto mit Begleitkarten beim<br />

Landesmedienzentrum Rheinland-<br />

Pfalz in Koblenz, Tel. 0261/9702-0<br />

käuflich erworben werden.<br />

psw<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

27


Kreis + Region<br />

Kreis Westerwald<br />

Jung und Alt schütteln die Köpfe<br />

Der <strong>GEW</strong>-Kreisvorsitzende Erwin Wolf ehrte Peter Backes für 30 Jahre<br />

Mitgliedschaft<br />

Die <strong>GEW</strong>-Westerwald hatte zu seinem Sommerfest 2000 nach<br />

Alpenrod geladen. Zunächst genossen <strong>GEW</strong>-Mitglieder und Gäste<br />

die meisterliche Darbietung des „Kleinen Prinzen“ durch Petra<br />

Schuff vom Alpenroder Theaterhaus. Dann fand man sich zu Füßen<br />

das Aussichtsturms Gräbersberg für Gespräche und Gedankenaustausch<br />

über Schule und Arbeit ein.<br />

Das <strong>GEW</strong>-Fest sei traditionell ein Ort der Begegnung von Kolleginnen<br />

und Kollegen, welche im Schuldienst seien, und solchen,<br />

die den verdienten Ruhestand erreicht hätten „Die drin sind, sagen<br />

denen, was heute in der Schule los ist, die draußen sind, erzählen,<br />

was früher los war. Und beide schütteln die Köpfe“, sagte<br />

der Kreisvorsitzende Erwin Wolf.<br />

Aus Wirtschaft, Politik und Medien gebe es Breitseiten an Neid,<br />

Kritik, Häme und Vorurteilen über die Lehrer. Jedes gesellschaftliche<br />

Defizit (Gewalt allgemein, rechte Gewalt, Drogen, übermäßiger<br />

Medienkonsum, Unwissenheit in Sachen Wirtschaft, Mathematik,<br />

IT usw.) werde der Einfachheit halber den LehrerInnen<br />

angelastet, so Wolf. Die würden auch noch für den ausbleibenden<br />

Erfolg verantwortlich gemacht. In einem solchen Klima könnten<br />

die Kolleginnen und Kollegen immer weniger den Erwartungen<br />

an Schule gerecht werden.<br />

Kämen noch organisatorische Mängel aus Mainz und Trier hinzu,<br />

bedürfte es schon „Wunder“, damit Schule überhaupt funktionieren<br />

könne.<br />

Der katastrophale Lehrermangel z.B. an der Hauptschule in Bad<br />

Marienberg sei zum großen Teil hausgemacht gewesen. Denn ein<br />

Grund sei die Tatsache, dass in benachbarten Bundesländern volle<br />

Beamtenstellen angeboten würden und Bewerber aus diesem Grund<br />

dorthin abwanderten. Deswegen habe er angeregt, alle Landtagsabgeordneten<br />

aus dem Westerwald sollten dafür sorgen, dass die<br />

Zwangsteilzeit für die jungen Lehrkräfte verschwindet, teilte Wolf<br />

mit.<br />

Verschwinden sollte auch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />

in Trier, wenn sie nicht innerhalb kurzer Zeit die ihr zugedachten<br />

Aufgaben erfüllen könne, forderte Wolf.<br />

Der Kreisvorsitzende sagte, die heutige Lehrergeneration solle für<br />

das dankbar sein, was die Kolleginnen und Kollegen im Ruhestand<br />

geleistet hätten. Sie hätten die Weichen gestellt für die Bildungsgewerkschaft,<br />

wie die <strong>GEW</strong> sie heute sei, in der alle Bildungsarbeiter<br />

ihre gewerkschaftliche Vertretung hätten.<br />

Der Dank gelte insbesondere den Kolleginnen und Kollegen, welche<br />

seit langen Jahren treue Mitglieder der Gewerkschaft seien.<br />

Für 25jährige Mitgliedschaft wurden Rosemarie Leukel, Höhn;<br />

Ulla Hahn, Mudenbach; Bruno Schafmeister, Ransbach-Baumbach;<br />

Conrad Goerg, Montabaur; Bernd Holzmann, Hahn; Karola<br />

Ullrich, Buchertseifen; Angelika Todt, Unnau, geehrt.<br />

Seit 30 Jahren sind Renate Schwella, Bendorf; Maria Sturm,<br />

Herschbach; Peter Backes, Staudt und Gerd Luxem, Rennerod,<br />

Mitglied.<br />

40 Jahre ist Gerhard Matz, Bretthausen, in der Gewerkschaft.<br />

Besonderen Dank sprach Erwin Wolf den Mitgliedern aus, welche<br />

seit 50 Jahren in der <strong>GEW</strong> sind. Hans-Jürgen Rüffert, Rennerod;<br />

Kurt Strassheim, Höhn; Paul Majuntke, Gemünden, Gottfried<br />

Müller und Oswald Schaffrick, beide aus Bad Marienberg.<br />

ew<br />

Kreis Ludwigshafen-Speyer<br />

<strong>GEW</strong> vielfältig aktiv<br />

Mit zahlreichen Aktivitäten betrieb die <strong>GEW</strong> Ludwigshafen/Speyer<br />

im Vorfeld der ADD-Personalratswahlen einen inhaltlich orientierten<br />

Wahlkampf, der dann auch zu dem erhofften hervorragenden<br />

Wahlergebnis im Kreis führte.<br />

Die konkreten Nöte der KollegInnen griff eine Veranstaltung der<br />

auf Initiative von Helmut Thyssen landesweit durchgeführten<br />

„<strong>GEW</strong>-Infotage 2000“ auf. Dabei bewährte sich das Konzept, keine<br />

Referate zu halten, sondern die LehrerInnen in Einzelgesprächen<br />

zu beraten. Der Andrang war teils so groß, dass Nummern<br />

ausgegeben werden musste. Positiv war zudem das Interesse der<br />

Lokalpresse an der Veranstaltung. So konnte man im „Mannheimer<br />

Morgen“ eine Reportage über die „Sorgen der jungen und der<br />

alten Lehrer“ lesen.<br />

Überhaupt war die Öffentlichkeitsarbeit ein zentraler Bestandteil<br />

des Wahlkampfes: In Berichten, einer Sonderseite, einem Interview<br />

sowie in Presseerklärungen konnte die <strong>GEW</strong> zeigen, wie nahe,<br />

aktuell und kompetent sie an den Problemen im Schulwesen wirkt.<br />

Gut besucht war auch eine Diskussionsveranstaltung über „Perspektiven<br />

der Bildungspolitik“ mit PolitikerInnen, <strong>GEW</strong>-Vertretern<br />

und Eltern. Fast einhellig wurden dabei die Fehler und Versäumnisse<br />

der sozialliberalen Bildungspolitik in den letzten Jahren<br />

und speziell zu Schuljahresbeginn kritisiert. Die überwiegende Einmütigkeit<br />

rührte daher, dass auf Seiten der Regierungsparteien keine<br />

Vertreter der Koalition zu finden waren, da der SPD-Landtagskandidat<br />

Ramsauer derzeit noch Schuldezernent in Ludwigshafen<br />

ist und die FDP ihre stellvertretende Kreisvorsitzende Hirsch geschickt<br />

hatte. Während der gut vorbereitete SPD-Mann Ramsauer<br />

geschickt mit Beispielen aus anderen Bundesländern darauf hinwies,<br />

dass CDU-Bildungspolitik den <strong>GEW</strong>-Vorstellungen diametral<br />

entgegensteht, wurde das Auftreten der FPD-Frau Hirsch von<br />

den Anwesenden - gleich welcher politischer Couleur - fast schon<br />

als Affront gegenüber der <strong>GEW</strong> verstanden, da sie nur vorbereitete<br />

Statements ablas, die zudem akustisch fast unverständlich waren.<br />

gh<br />

28 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Das Allerletzte …<br />

… aus der FDP<br />

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle hat die Kultusminister<br />

der Länder als „Schnarchnasen“ kritisiert. In der Sächsischen Zeitung<br />

forderte er die „Entmachtung einer völlig unfähigen Kultusministerkonferenz“.<br />

Das Einzige, was die Bürger mit ihr verbinde,<br />

sei die Frage, ob man Schifffahrt mit zwei oder drei „f“ schreibe.<br />

Die Minister leisteten sich hunderte Beamte, die über die Rechtschreibreform<br />

diskutierten. Aber sie bekämen es nicht hin, dass<br />

bundesweit das Abitur nach zwölf Schuljahren angeboten werde.<br />

„Bis auf zwei, drei Ausnahmen gehören die Kultusminister aus<br />

ihren Palästen gejagt“, wetterte er. Der rheinland-pfälzische Bildungsminister<br />

Jürgen Zöllner erwiderte auf Westerwelle: Wenn<br />

man dieses „politische Niveau betrachtet, muss man feststellen: In<br />

diesem speziellen Fall hat das deutsche Bildungssystem in der Tat<br />

versagt.“<br />

… aus Bayern<br />

Natur und<br />

Tiere erleben<br />

Jugendgästehaus<br />

für Gruppen, Schulklassen, Freizeiten und Seminare.<br />

Selbstverpflegung - Teilverpflegung möglich.<br />

In landschaftlich schöner Gegend, mit viel Bewegungsmöglichkeit.<br />

Spiel- und Sportpark, Grill, Reitmöglichkeit, Tierpark, Zeltplatz.<br />

Pony- und Jugendhof Fam. Euteneuer<br />

Hagdorn 1 · 57537 Wissen<br />

Tel. 02742/8223 · Fax 02742/969196<br />

Beamten- und Hypothekendarlehen<br />

ab 5,95% nominaler Zinssatz<br />

6,53 effektiver Zinssatz<br />

Kreis + Region<br />

Alle Lehrer in Bayern sollen sich einem „Verstehenstest“ in Bairisch,<br />

Fränkisch und Schwäbisch unterziehen. Diese „Sofortmaßnahme“<br />

zum Fortbestand der bayerischen Mundarten hat am 17.<br />

Juli der Vorsitzende des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte,<br />

Hans Triebel, gefordert. Der Verein hatte in der Vergangenheit<br />

mehrfach die „Diskriminierung“ der bayerischen Mundart in<br />

Kindergärten und Schulen beklagt.<br />

In einem Gespräch mit Kultusministerin Monika Hohlmeier<br />

(CSU) kamen beide Seiten überein, dass in Bayern weder Dialektsprecher<br />

noch „Zuagroasde“ (Zugereiste) auf Grund ihrer norddeutschen<br />

Aussprache diskriminiert werden dürften. Triebel überreichte<br />

Hohlmeier 100 000 Unterschriften, mit denen die Staatsregierung,<br />

der bayerische Landtag und die Bezirkstage aufgefordert<br />

werden, sich für den Erhalt der süddeutschen und schwäbischen<br />

Mundarten einzusetzen.<br />

Die Sprachpfleger befürchten, die Dialekte könnten immer mehr<br />

zurück gedrängt werden. Das Ministerium und der Förderverein<br />

bekräftigten, den Vorurteilen der „Nordhochdeutsch-Sprecher“<br />

gegenüber „Südhochdeutsch-Sprechern“ aktiv und positiv zu begegnen,<br />

teilte Triebel mit. dpa<br />

Studienreisen / Klassenfahrten<br />

8-Tage-Busreise z.B. nach 10-Tage-Busreise z.B. nach<br />

WIEN<br />

ÜF 375,-- DM<br />

BUDAPEST ÜF 375,-- DM SÜDENGLAND Ü 435,-- DM<br />

LONDON ÜF 495,-- DM TOSKANA Ü 395,-- DM<br />

PRAG<br />

ÜF 389,-- DM SÜDFRANKREICH Ü 449,-- DM<br />

PARIS<br />

ÜF 438,-- DM<br />

(Unterbringung in<br />

ROM<br />

ÜF 464,-- DM Selbstversorgerunterkünften)<br />

Alle Ausflugsfahrten inklusive. Flug- und Bahnanreise sowie andere Ziele<br />

(z.B. Ferienparks in den Niederlanden oder Belgien) auf Anfrage möglich!<br />

REISEBÜRO KRAUSE GMBH · MÜNSTERSTR. 55a · 44534 LÜNEN<br />

TELEFON (0 23 06) 7 57 55-0 · FAX (0 23 06) 7 57 55-49<br />

Große Bergstr. 252<br />

22767 Hamburg<br />

Tel./Fax: 040-385583<br />

Einjährige Reihe in Heidelberg<br />

Lernförderung und Lerntherapie<br />

Sensomotorik, Sprache, Schriftsprache<br />

Beginn: Januar 2001<br />

weitere:<br />

Angelika Makedonski: Suggestopädie 20./21.10.2000<br />

Birgit Haecker: Kieler Leseaufbau 24./25.11.2000<br />

Fordern Sie bitte unseren Prospekt an.<br />

Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.<br />

Versicherungs-Aktien-Gesellschaft<br />

Tel.: 06321/30702 oder 06201/57493<br />

Klassenfahrten 2001<br />

Über 50 Ziele mit Bus oder Bahn. Fordern Sie unsere Broschüre bzw. Ihr<br />

individuelles Angebot an!<br />

● Fun Parks mit subtropischen Bädern<br />

● Ferienpark-Anlagen und Jugendgästehäuser an der See, in der Mitte,<br />

im Süden, in Belgien und Holland<br />

● Citytouren, z.B. Berlin, Dresden, München<br />

● Individuelle Ziele nach Ihren Wünschen, z.B. europäische Hauptstädte,<br />

Feriengebiete<br />

"Klasse on Tour"-GmbH · Marktstr. 8 · 44532 Lünen<br />

Tel. 0 23 06/ 259 456 · Fax 259 446 · Internet: www.klassentour.de<br />

e-mail: Klasse-on-Tour@t-online.de<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

29


Schulgeist 1<br />

Auf den Hundt gekommen<br />

Kaum dass in Rheinland-Pfalz das neue<br />

Schuljahr begonnen hatte, konnten alle<br />

LehrerInnen zu ihrer Freude bundesweit<br />

in allen möglichen Blättern lesen, dass<br />

der Arbeitsgeberpräsident nun endlich<br />

die Lösung für ihr Imageproblem gefunden<br />

hat:<br />

„Wenn alle Lehrer auf zwei Wochen<br />

Ferien verzichten und sich in dieser Zeit<br />

aktiv fortbilden, wird sich ihr Image<br />

erheblich verbessern.“, ließ er verlauten.<br />

Ist das nicht nett von ihm, sich a) Sorgen<br />

ums Lehrerimage zu machen und<br />

b) offensichtlich nur die männlichen<br />

Pädagogen zu meinen? Zu gütig!<br />

Trotzdem hat der ungefragte Imageberater<br />

aber etwas vergessen: Wenn ich ’mal<br />

so zusammenzähle, wie viele Sams- und<br />

Sonntage ich für die Schule arbeite und<br />

an wie vielen Tagen mehr als acht Stunden<br />

Arbeit anfallen, empfinde ich meinen<br />

„dreimonatigen bezahlten Urlaub“<br />

(so Hundt im Online-SPIEGEL vom<br />

15. August) gar nicht mehr als ungerecht.<br />

Immerhin wird auch in der Industrie<br />

Nacht- und Wochenendarbeit<br />

höher berechnet, und wenn ich während<br />

der Schulzeit auf die 40 Stunden-Woche<br />

achten wollte, hätte ich oft wohl<br />

schon ab Donnerstag frei. Gut, ist auch<br />

in Ordnung. Fragt sich nur, ob mein<br />

Chef das auch so lustig fände wie ich,<br />

wenn ich, wie das in der Industrie vielfach<br />

möglich ist, Überstundenausgleich<br />

machte, beispielsweise für die Mathestunden<br />

in der ungeliebten 7a...Oder<br />

wenn jedesmal die Informatikstunden<br />

ausfallen müssten, damit ich den Physiktest<br />

von letzter Woche endlich fertig<br />

korrigiert kriege, ohne am Sonntag am<br />

Schreibtisch zu sitzen....<br />

A propos Informatik: Da ist dem drahtigen<br />

Dieter auch etwas zu eingefallen:<br />

Computerkurse in den Ferien. Tolle Idee!<br />

Aber ich habe jedesmal so meine Schwierigkeiten,<br />

mir den ganzen Kram bis zur<br />

nächsten Fortbildung zu merken, denn<br />

in meiner Schule steht bis heute nur eine<br />

manuelle Schreibmaschine im Büro,<br />

geschweige denn ein einziger Computer<br />

zur Benutzung für Kollegium und SchülerInnen<br />

zur Verfügung. Lieber Dieter,<br />

wer den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft<br />

fordert und nicht bereit ist,<br />

auch nur die Schnürsenkel für das Nationalteam<br />

zu stiften, ist einfach dämlich.<br />

Wie wäre statt dessen ein schlichter<br />

Aufruf an die Kollegen aus der Industrie,<br />

ihre regelmäßig ausgemusterten,<br />

weil abgeschriebenen, an sich aber noch<br />

völlig tauglichen Computer nicht für<br />

Geld an die Mitarbeiter zu verscherbeln,<br />

sondern für umme an die Schulen zu<br />

stiften? Erst denken, dann bellen, lieber<br />

Hundt!<br />

Und da naht schon der nächste folgenschwere<br />

dicke Hundt: „Im Zentrum der<br />

Fortbildung muss ein besserer Unterricht<br />

stehen, nicht der Selbsterfahrungskurs.“<br />

Stimmt auch irgendwie, aber wie viele<br />

LehrerInnen brauchen den einen popligen<br />

bewilligten Fortbildungstag, den sie<br />

mühevoll ergattert haben, um einfach<br />

'mal rauszukommen, den Tag in einem<br />

anderen Rahmen zu verbringen, sich im<br />

Kreis von KollegInnen in ähnlicher Lage<br />

auszukotzen! Und nebenbei, gerade die<br />

Industrie bietet ja in letzter Zeit verstärkt<br />

Selbsterfahrungskurse an. Wer hat<br />

denn angefangen mit dem „Tschakka!“-<br />

Schreien? Die LehrerInnen sicher nicht!<br />

Übrigens: Imageberater sollten unbedingt<br />

auch vor der eigenen Haustür kehren,<br />

bevor sie anderen an die Laterne<br />

pinkeln, lieber Hundt: Es ist schon echt<br />

peinlich, wenn gestandene Mannsbilder<br />

aus den Führungsetagen zum Zweck der<br />

Teamstärkung von meterhohen Baumstämmen<br />

hüpfen sollen und an schwindelnd<br />

hoch montierten Drahtseilen hangeln<br />

üben! Da gäbe es sicher ein paar<br />

adäquatere Tipps aus der LehrerInnenschaft!!!<br />

Das mit dem Tarzan-Gehabe<br />

dürfte ein paar Entwicklungsstufen vorbei<br />

sein, ehrlich!<br />

Betriebspraktika finde ich gar nicht so<br />

übel, Herr Hundt. Allerdings, aus den<br />

oben genannten Gründen, bitte nicht<br />

in der Ferienzeit. Außerdem: Wer sollte<br />

mich denn da betreuen? Sind doch alle<br />

mit ihren Kiddies verreist. Und jemand<br />

anderem nebenbei die Arbeit wegnehmen,<br />

wäre auch nicht fair. Aber ich<br />

hätte da einen Vorschlag zur Güte: Die<br />

Praktika werden im Tausch abgeleistet:<br />

Jede/r LehrerIn geht für zwei Wochen<br />

pro Jahr in einen Industriebetrieb und<br />

jede/r ManagerIn für zwei Wochen in<br />

die Schule. Leider ohne Vergünstigungen,<br />

so viel muss ’mal vorab feststehen:<br />

Alle Schularten und auch sämtliche<br />

Brennpunktschulen werden besetzt,<br />

sonst gibt es ja wieder so viel Unterrichtsausfall.<br />

Haha, ’mal sehen, wer sich am<br />

Ende besser amüsiert und wer schließlich<br />

urlaubsreifer ist. Der Erfahrungsaustausch<br />

könnte im Lehrerbildungszentrum<br />

stattfinden- oder womöglich<br />

doch lieber im noblen Tagungszentrum<br />

der Industrie?<br />

Möglicherweise merken auch einige<br />

ManagerInnen dabei, dass sie ganz fix<br />

liebend gern nur noch ManagerInnen<br />

sein möchten und nichts anderes. Außer<br />

natürlich, der Posten des Arbeitgeberpräsidenten<br />

wäre neu zu besetzen....<br />

Denn was für schlechte LehrerInnen<br />

gelten soll, muss auch für Arbeitgeberpräsidenten<br />

gelten.<br />

„Unterrichtsgarantien an den Schulen“<br />

betreffend habe ich begeistert von Ihnen<br />

gelesen, dass wir sie brauchen. Ist ja ganz<br />

neu! Sie werden doch nicht den Damen<br />

und Herren BildungsministerInnen auf<br />

die Füße treten wollen, Herr Hundt?<br />

Für die Ausfälle können die LehrerInnen<br />

nämlich gar nichts, wirklich! Aber<br />

vielleicht fällt Ihnen ja ein, was man<br />

da machen kann, wenn eine Lateinlehrerin<br />

mit voller Stelle sich den Arm<br />

bricht und als Ersatz ein Musiklehrer<br />

mit halber Stelle geschickt wird? Schließlich<br />

haben Sie auch schon darauf hingewiesen,<br />

dass bei der Auswahl (allerdings<br />

von Schulleitern, aber das macht<br />

nix, außerdem sind’s wieder nur Männer)<br />

„nicht das Parteibuch, sondern nur<br />

die Qualität“ entscheiden darf. Haben<br />

Sie sich schon bei der ADD Trier beworben?<br />

Die brauchen da ja wohl doch<br />

noch eine Menge Personal, zumal Ihre<br />

Kompetenz im pädagogischen Bereich<br />

dann endlich nur noch minimal überbesoldet<br />

wäre!<br />

Hundtsmiserablige Vorschläge, lieber<br />

Dieter! Aber es war damals halt recht<br />

heiß, und wer sein Fell zu lange in der<br />

Sonne braten lässt, kommt schon auf<br />

merkwürdige Ideen.<br />

Ein Leckerli gibt’s dafür jedenfalls nicht!<br />

Antje Fries<br />

30 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00


Vier Hauptkapitel sind jeweils von einem Basisbeitrag eingeleitet, in dem die<br />

grundsätzlichen Entwicklungen des National-sozialismus dargestellt werden.<br />

Erläutert und belegt in exemplarischen lokalen oder biografischen Studien behandelt der erste Band die Themen „Krise und<br />

Zerstörung der Weimarer Republik und die Anfänge des des Nationalsozialismus“, „Aufstieg des NS-Regimes und Errichtung<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung der Diktatur“, Rheinland-Pfalz „Inszenierung der 10/ Volksgemeinschaft 00<br />

und Alltagsleben unter dem Hakenkreuz“ und „Widerstand und Verfolgung“.<br />

31


<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz<br />

Beilage zur E&W<br />

Schulgeist 2<br />

<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />

Telefon: 06131-28988-0 • FAX 06131-28988- 80<br />

E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />

Für Zwofünf im Pastell-<br />

Kostümchen mit stählernen<br />

Ellenbogen in die Schule ?<br />

In Form von jährlich einmaligen Leistungsprämien<br />

plant Bildungsminister<br />

Jürgen Zöllner die Stärkung des Leistungsgedankens<br />

auch an den öffentlichen<br />

Schulen in Rheinland-Pfalz....<br />

Frisch toscanagebräunt und gut erholt<br />

schleuderte Annemarie am ersten Schultag<br />

nach den großen Ferien ihre Tasche<br />

auf den fünften Stuhl von links zwischen<br />

die Sitzplätze der Kolleginnen Gemsauer<br />

und Mittelmann. Von gegenüber grinste<br />

bereits der Kollege Fischer, wie immer<br />

früh an Bord und mit FAZ-Lektüre beschäftigt.<br />

„Soweit alles beim Alten“, ging<br />

es Annemarie durch den Kopf. Auch die<br />

Tatsache, dass Kollege Herrlich wutschnaubend<br />

aus dem Sekretariat gestürmt<br />

kam und auf den schon am ersten Schultag<br />

erledigten Kopierer schimpfte, passte<br />

noch in die Reihe der Regelmäßigkeiten<br />

der letzten vierzehn Jahre, die Annemarie<br />

an diesem Ort verbracht hatte. Und<br />

selbst der Blick auf den Vertretungsplan<br />

erbrachte nur Altbekanntes: Kollege Backmeier<br />

fehlte wie immer die ersten drei<br />

Tage („Kinder, ihr könnt euch ja gar nicht<br />

vorstellen, welch’ widrige Winde mich<br />

und meine Yacht vom Landen in Brindisi<br />

abgehalten haben!“), Kollegin Martens<br />

schulte wie alljährlich eins ihrer Kinder<br />

ein und Kollege Rittmann hatte eben<br />

montags einfach Migräne.<br />

Dann aber fiel Annemaries Blick auf einen<br />

gelben Aushang unter der <strong>GEW</strong>-Leiste<br />

am Schwarzen Brett: „Leistungsprämien<br />

in Schulen“. Zwofünf am Ende des<br />

Schuljahres? Klasse! Endlich mal ein kleiner<br />

Ansporn!<br />

In der Pause lieferte das Thema dann<br />

auch schon ersten Gesprächsstoff neben<br />

dem üblichen „Na, hat’s auf Sylt wieder<br />

geregnet?“, „Hach, was gab’s schöne Männer<br />

auf Martinique!“ und „Nie wieder<br />

nehm ich meine Kinder mit in Urlaub!“.<br />

„Hammse schon gelesen?“, raunte Kollege<br />

Bach. „2500 Mark für fünf Prozent<br />

der Lehrer!“ Annemarie nickte und überlegte:<br />

Fünf Prozent von insgesamt siebzehn...<br />

Das wäre ja nicht ’mal eine/r...<br />

Na ja, mit Schulleitung inklusive könnte<br />

es rechnerisch aufgehen …<br />

„Aber ziemlich blöd, nur für Beamte!“<br />

brummelte Bach weiter. Annemarie rechnete<br />

erneut: Also fünf Prozent von nur<br />

noch neun. Die Chancen stiegen ins Unermessliche!<br />

„Was glaubense, wer das abkriegt?“, wisperte<br />

Bach von rechts in Annemaries Ohr.<br />

„Bestimmt wieder die Gemsauer, die gefällt<br />

dem Chef doch schon seit Jahren am<br />

besten mit ihren frisch gebügelten Pastell-<br />

Kostümchen!“ Da hatte er recht. Schließlich<br />

stand da noch dick und fett: „Die<br />

Schulleitung entscheidet.“ Die Gemsauer<br />

war die Vorzugsfrau im Kollegium.<br />

Aber selbst Kostümchen anschaffen und<br />

ein Jahr schleimen für lumpige Zwofünf,<br />

die dann auch noch vorher für Mode ausgegeben<br />

waren? Och nöö! Annemarie<br />

wollte sich schon wegdrehen, als Bach<br />

zischte: „Haha, möchte bloß wissen, welche<br />

‚herausragenden Leistungen‘ da prämiert<br />

werden!“ Herausragend benahm<br />

sich eigentlich niemand hier.<br />

„Da schlagen sich bestimmt ein paar Leute<br />

selbst vor!“, nuschelte Bach. Da musste<br />

Annemarie dann nicken. Fischer war<br />

schon seit Jahren stolz auf seine Mülltrennung,<br />

die er sogar den Putzfrauen nahegebracht<br />

hatte, Martens hatte ’mal mit<br />

einer Klasse eine Wand am städtischen<br />

Krankenhaus angemalt, Backmeier trainierte<br />

die Fußballmannschaft, die im regionalen<br />

Vergleich immerhin auf Tabellenplatz<br />

acht rangierte. Aber langte das<br />

für Zwofünf?<br />

„Ach nee, und für Teamleistungen ist mal<br />

wieder nix vorgesehen!“, entrüstete sich<br />

Bach. Annemarie konnte nicht anders,<br />

aber nun hatte sie den Verdacht, dass auch<br />

Bach scharf auf die Kohle war. Schließlich<br />

war er derjenige, der immer und<br />

überall in Teams arbeiten wollte, ob sich<br />

das nun anbot oder nicht, und der dann<br />

bestens delegieren konnte, um seinen eigenen<br />

Einsatz beim Mitbringen von Eistüten<br />

zu einer Mark aus der Eisdiele um<br />

die Ecke bewenden zu lassen. „Aber Herr<br />

Bach, für Teamarbeit haben wir doch gar<br />

keine Stundenzuweisungen mehr übrig“,<br />

flüsterte Annemarie vorsichtig nach<br />

rechts.<br />

„Warum ist das mit den Teilzeitleuten eigentlich<br />

nicht geklärt?“, dröhnte es plötzlich<br />

von links. Pfarrer Hammer gab vier<br />

Wochenstunden katholische Religion.<br />

„Das wäre natürlich die geniale Sparmaßnahme<br />

schlechthin!“, kicherte Bach<br />

von der anderen Seite: „Stellnse sich ma’<br />

vor, der Pfarrer wird zum Mitarbeiter<br />

des Jahres gekürt und das Geld dann<br />

umgerechnet auf seine Stundenzahl ausbezahlt.<br />

Bestimmt kommt kurz vor der<br />

Nominierung der Kandidaten eine geheime<br />

Dienstanweisung an die Chefs, dass<br />

es eine Aufstockung des Schuletats um einen<br />

Betrag X geben wird, wenn bevorzugt<br />

Leute mit Mini-Teilzeit vorgeschlagen<br />

werden. Und am Ende hat der Zöllner<br />

dann trotzdem noch gespart!“<br />

Als es schließlich zum Pausenende klingelte,<br />

fand sich Annemarie völlig verwirrt.<br />

Dann lieber in aller Ruhe Dienst schieben,<br />

als sich für Zwofünf brutto von nun<br />

an alljährlich Pastell-Kostümchen mit<br />

stählernen Ellbogen zulegen zu müssen!<br />

Die Lösung des Problems hatte dann aber<br />

Kollegin Sievers, Lehramtsanwärterin<br />

und damit leistungsprämienempfangsberechtigte<br />

Widerrufsbeamtin, bis zur<br />

Dienstbesprechung nach Schulschluss parat:<br />

Als der Chef von der „interessanten<br />

Neuerung“ als „Ansporn und Dank für<br />

alle engagierten Pädagogen“ berichtete,<br />

sprang sie auf und rief: „Also, Leute, ich<br />

schlage hiermit jetzt schon mich selbst vor<br />

und verspreche euch - notfalls auch schriftlich<br />

- dass ich den ganzen Zaster mit euch<br />

gemeinsam für eine Riesenfete ausgeben<br />

werde. Lasst uns die Kohle einfach zusammen<br />

versaufen, statt ein Jahr lang zu<br />

grübeln und zu kungeln, wer wohl der<br />

oder die Beste ist.<br />

Prost, Jürgen!“<br />

Antje Fries<br />

32 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!