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<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz<br />

Beilage zur E&W<br />

Schulgeist 2<br />

<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />

Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />

Telefon: 06131-28988-0 • FAX 06131-28988- 80<br />

E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />

Für Zwofünf im Pastell-<br />

Kostümchen mit stählernen<br />

Ellenbogen in die Schule ?<br />

In Form von jährlich einmaligen Leistungsprämien<br />

plant Bildungsminister<br />

Jürgen Zöllner die Stärkung des Leistungsgedankens<br />

auch an den öffentlichen<br />

Schulen in Rheinland-Pfalz....<br />

Frisch toscanagebräunt und gut erholt<br />

schleuderte Annemarie am ersten Schultag<br />

nach den großen Ferien ihre Tasche<br />

auf den fünften Stuhl von links zwischen<br />

die Sitzplätze der Kolleginnen Gemsauer<br />

und Mittelmann. Von gegenüber grinste<br />

bereits der Kollege Fischer, wie immer<br />

früh an Bord und mit FAZ-Lektüre beschäftigt.<br />

„Soweit alles beim Alten“, ging<br />

es Annemarie durch den Kopf. Auch die<br />

Tatsache, dass Kollege Herrlich wutschnaubend<br />

aus dem Sekretariat gestürmt<br />

kam und auf den schon am ersten Schultag<br />

erledigten Kopierer schimpfte, passte<br />

noch in die Reihe der Regelmäßigkeiten<br />

der letzten vierzehn Jahre, die Annemarie<br />

an diesem Ort verbracht hatte. Und<br />

selbst der Blick auf den Vertretungsplan<br />

erbrachte nur Altbekanntes: Kollege Backmeier<br />

fehlte wie immer die ersten drei<br />

Tage („Kinder, ihr könnt euch ja gar nicht<br />

vorstellen, welch’ widrige Winde mich<br />

und meine Yacht vom Landen in Brindisi<br />

abgehalten haben!“), Kollegin Martens<br />

schulte wie alljährlich eins ihrer Kinder<br />

ein und Kollege Rittmann hatte eben<br />

montags einfach Migräne.<br />

Dann aber fiel Annemaries Blick auf einen<br />

gelben Aushang unter der <strong>GEW</strong>-Leiste<br />

am Schwarzen Brett: „Leistungsprämien<br />

in Schulen“. Zwofünf am Ende des<br />

Schuljahres? Klasse! Endlich mal ein kleiner<br />

Ansporn!<br />

In der Pause lieferte das Thema dann<br />

auch schon ersten Gesprächsstoff neben<br />

dem üblichen „Na, hat’s auf Sylt wieder<br />

geregnet?“, „Hach, was gab’s schöne Männer<br />

auf Martinique!“ und „Nie wieder<br />

nehm ich meine Kinder mit in Urlaub!“.<br />

„Hammse schon gelesen?“, raunte Kollege<br />

Bach. „2500 Mark für fünf Prozent<br />

der Lehrer!“ Annemarie nickte und überlegte:<br />

Fünf Prozent von insgesamt siebzehn...<br />

Das wäre ja nicht ’mal eine/r...<br />

Na ja, mit Schulleitung inklusive könnte<br />

es rechnerisch aufgehen …<br />

„Aber ziemlich blöd, nur für Beamte!“<br />

brummelte Bach weiter. Annemarie rechnete<br />

erneut: Also fünf Prozent von nur<br />

noch neun. Die Chancen stiegen ins Unermessliche!<br />

„Was glaubense, wer das abkriegt?“, wisperte<br />

Bach von rechts in Annemaries Ohr.<br />

„Bestimmt wieder die Gemsauer, die gefällt<br />

dem Chef doch schon seit Jahren am<br />

besten mit ihren frisch gebügelten Pastell-<br />

Kostümchen!“ Da hatte er recht. Schließlich<br />

stand da noch dick und fett: „Die<br />

Schulleitung entscheidet.“ Die Gemsauer<br />

war die Vorzugsfrau im Kollegium.<br />

Aber selbst Kostümchen anschaffen und<br />

ein Jahr schleimen für lumpige Zwofünf,<br />

die dann auch noch vorher für Mode ausgegeben<br />

waren? Och nöö! Annemarie<br />

wollte sich schon wegdrehen, als Bach<br />

zischte: „Haha, möchte bloß wissen, welche<br />

‚herausragenden Leistungen‘ da prämiert<br />

werden!“ Herausragend benahm<br />

sich eigentlich niemand hier.<br />

„Da schlagen sich bestimmt ein paar Leute<br />

selbst vor!“, nuschelte Bach. Da musste<br />

Annemarie dann nicken. Fischer war<br />

schon seit Jahren stolz auf seine Mülltrennung,<br />

die er sogar den Putzfrauen nahegebracht<br />

hatte, Martens hatte ’mal mit<br />

einer Klasse eine Wand am städtischen<br />

Krankenhaus angemalt, Backmeier trainierte<br />

die Fußballmannschaft, die im regionalen<br />

Vergleich immerhin auf Tabellenplatz<br />

acht rangierte. Aber langte das<br />

für Zwofünf?<br />

„Ach nee, und für Teamleistungen ist mal<br />

wieder nix vorgesehen!“, entrüstete sich<br />

Bach. Annemarie konnte nicht anders,<br />

aber nun hatte sie den Verdacht, dass auch<br />

Bach scharf auf die Kohle war. Schließlich<br />

war er derjenige, der immer und<br />

überall in Teams arbeiten wollte, ob sich<br />

das nun anbot oder nicht, und der dann<br />

bestens delegieren konnte, um seinen eigenen<br />

Einsatz beim Mitbringen von Eistüten<br />

zu einer Mark aus der Eisdiele um<br />

die Ecke bewenden zu lassen. „Aber Herr<br />

Bach, für Teamarbeit haben wir doch gar<br />

keine Stundenzuweisungen mehr übrig“,<br />

flüsterte Annemarie vorsichtig nach<br />

rechts.<br />

„Warum ist das mit den Teilzeitleuten eigentlich<br />

nicht geklärt?“, dröhnte es plötzlich<br />

von links. Pfarrer Hammer gab vier<br />

Wochenstunden katholische Religion.<br />

„Das wäre natürlich die geniale Sparmaßnahme<br />

schlechthin!“, kicherte Bach<br />

von der anderen Seite: „Stellnse sich ma’<br />

vor, der Pfarrer wird zum Mitarbeiter<br />

des Jahres gekürt und das Geld dann<br />

umgerechnet auf seine Stundenzahl ausbezahlt.<br />

Bestimmt kommt kurz vor der<br />

Nominierung der Kandidaten eine geheime<br />

Dienstanweisung an die Chefs, dass<br />

es eine Aufstockung des Schuletats um einen<br />

Betrag X geben wird, wenn bevorzugt<br />

Leute mit Mini-Teilzeit vorgeschlagen<br />

werden. Und am Ende hat der Zöllner<br />

dann trotzdem noch gespart!“<br />

Als es schließlich zum Pausenende klingelte,<br />

fand sich Annemarie völlig verwirrt.<br />

Dann lieber in aller Ruhe Dienst schieben,<br />

als sich für Zwofünf brutto von nun<br />

an alljährlich Pastell-Kostümchen mit<br />

stählernen Ellbogen zulegen zu müssen!<br />

Die Lösung des Problems hatte dann aber<br />

Kollegin Sievers, Lehramtsanwärterin<br />

und damit leistungsprämienempfangsberechtigte<br />

Widerrufsbeamtin, bis zur<br />

Dienstbesprechung nach Schulschluss parat:<br />

Als der Chef von der „interessanten<br />

Neuerung“ als „Ansporn und Dank für<br />

alle engagierten Pädagogen“ berichtete,<br />

sprang sie auf und rief: „Also, Leute, ich<br />

schlage hiermit jetzt schon mich selbst vor<br />

und verspreche euch - notfalls auch schriftlich<br />

- dass ich den ganzen Zaster mit euch<br />

gemeinsam für eine Riesenfete ausgeben<br />

werde. Lasst uns die Kohle einfach zusammen<br />

versaufen, statt ein Jahr lang zu<br />

grübeln und zu kungeln, wer wohl der<br />

oder die Beste ist.<br />

Prost, Jürgen!“<br />

Antje Fries<br />

32 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00

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