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Bildungspolitik: Kommentar<br />
Neue Lernformen sind auch deshalb geboten,<br />
weil die Rezeptionsbereitschaft<br />
und -fähigkeit der Schüler unter dem<br />
Einfluss des alltäglichen Medienkonsums<br />
und der sich ausbreitenden egozentrisch-hedonistischen<br />
Lebensweise<br />
eklatant nachgelassen hat, so dass der<br />
traditionell lehrerzentrierte, darbietende<br />
Unterricht mit seiner traditionellen<br />
Vermittlungstechnik mehr und mehr<br />
zum Scheitern verurteilt ist. Wenn der<br />
traditionelle Lernkanal (hören, pauken,<br />
wiedergeben) verstopft ist, wird es<br />
zunehmend schwieriger, Kinder und<br />
Jugendliche fürs schulische Lernen zu<br />
motivieren. Gravierende Lern-, Leistungs-<br />
und Motivationsprobleme sind<br />
allenthalben festzustellen, nicht nur bei<br />
den SchülerInnen. Eine gymnasiale<br />
Schulleiterin: „Ich habe meine Ausbildung<br />
in den 60er Jahren gemacht und<br />
unterrichte Schüler, die ihre Ausbildung<br />
im 21. Jahrhundert abgeschlossen<br />
haben werden.“ Neue Lernformen<br />
bieten auch die Chance, dass der hochgradigen<br />
Belastung und Überlastung<br />
vieler Lehrkräfte im Unterricht erfolgreich<br />
entgegengewirkt werden kann,<br />
und zwar durch die Kultivierung kooperativer<br />
und schüleraktiver Arbeitsformen,<br />
gepaart mit konsequentem Methoden-,<br />
Kommunikations- und Teamtraining<br />
im Klassenverband. So erklärt<br />
sich auch die augenblicklich starke<br />
Nachfrage nach Qualifizierung in Sachen<br />
Methoden und Kommunikation.<br />
Dreh- und Angelpunkt der angestrebten<br />
neuen Lernkultur ist das eigenverantwortliche<br />
Arbeiten und Lernen der<br />
SchülerInnen. In einem Unterricht, in<br />
dem vorwiegend die Lehrkraft exzerpiert,<br />
strukturiert, interpretiert, analysiert,<br />
argumentiert, fragt, kontrolliert,<br />
kritisiert, organisiert, Probleme löst und<br />
in sonstiger Weise das Lernen managt<br />
und dominiert, können die SchülerInnen<br />
diese Qualifikationen naturgemäß<br />
nur schwer erwerben. Wie sollen SchülerInnen<br />
Kommunikation erlernen,<br />
wenn im Unterricht die Lehrkraft ausschließlich<br />
redet, wie SchülerInnen Planung<br />
und Organisation erlernen, wenn<br />
es nichts zu planen gibt, weil die Lehrkraft<br />
alles alleine macht? Organisations-<br />
und Planungskompetenz der<br />
Schülerinnen und Schüler werden in<br />
einem lehrerzentrierten Unterricht<br />
nicht erreicht. Dafür die LehrerInnen<br />
zu schelten, ist falsch, denn sie tun nur<br />
das, was sie an der Hochschule gelernt<br />
haben: dozentenhaft zu lehren und<br />
Wissen zu vermitteln anstatt zu moderieren<br />
und eigenverantwortliche<br />
Lernprozesse der Schüler anzuregen Es<br />
geht um neue Arbeits- und Kooperationsformen,<br />
nicht gegen Fachunterricht<br />
und den Stoff, sondern gegen Pauken<br />
für das Kurzzeitgedächtnis, gegen ein<br />
verengtes Lern- und Bildungsverständnis,<br />
das nur das Wiederkäuen von<br />
Buchseiten, Tafelanschrieb und Merksätzen<br />
fördert, aber nicht den mitdenkenden,<br />
selbständigen und kooperativen<br />
Schüler. Deshalb brauchen wir<br />
begleitend zur neuen Lernkultur in<br />
unseren Schulen eine veränderte LehrerInnenaus-<br />
und -fortbildung, ein<br />
Unterstützungs- und Beratungssystem<br />
für die Lehrerinnen und Lehrer, weniger<br />
Belehrungskultur von vorne und<br />
von oben statt dessen mehr Training<br />
von Skills in Teams.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
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