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10 / 00<br />
-Zeitung<br />
109. Jahrgang<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Aktuelle Meldung:<br />
<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen !!!<br />
„Schatten“, Öl auf Leinwand von Rainer Probst<br />
Rechte Gewalt
Redaktionsbericht / Inhalt / Impressum<br />
<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen<br />
Aus dem Inhalt <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Nr. 10 /2000:<br />
Redaktionsbericht:<br />
<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen Seite 2<br />
Rechte Gewalt Seite 3 - 7<br />
Schulen Seite 8 - 13<br />
Bildungspolitik Seite 14 - 19<br />
Weiterbildung Seite 20 - 21<br />
Leserbrief Seite 21<br />
Rechtsschutz Seite 22<br />
Alter + Ruhestand Seite 23<br />
Tipps + Termine Seite 24 - 27<br />
Kreis + Region Seite 28<br />
Das Allerletzte Seite 29<br />
Schulgeist Seite 30 - 32<br />
„<strong>GEW</strong> wählen!“, so hieß es an dieser Stelle<br />
in unserer letzten Zeitung. Nun können wir<br />
erleichtert und auf den allerletzten Drücker<br />
melden: „<strong>GEW</strong> gewinnt ADD-Wahlen“.<br />
Während in einzelnen Schularten das Ergebnis<br />
schnell vorlag, zog sich die Auszählung<br />
für den Bezirkspersonalrat an GHS und Regionalen<br />
Schulen bis zu dem Tag hin, an dem<br />
unsere Zeitung in den Druck gehen musste.<br />
Erleichtert sind wir deshalb, weil sich das<br />
große Engagement vieler <strong>GEW</strong>-Mitglieder in<br />
den letzten Monaten und Jahren gelohnt hat.<br />
Zweifel waren nämlich deshalb angebracht, weil die Meldungen in der<br />
Tagespresse - die ja sehr stark das Erscheinen in der Öffentlichkeit prägen<br />
- nicht selten ein falsches Bild über die wahren Aktivitäten der<br />
konkurrierenden Organisationen abgaben. Nur ein Beispiel dazu: Kurz<br />
vor den Wahlen lud die <strong>GEW</strong> zu einer Pressekonferenz, bei der die<br />
Ergebnisse einer landesweiten <strong>GEW</strong>-Umfrage an den Grundschulen<br />
zur Einschätzung der Vollen Halbtagsschule präsentiert wurden. Nun<br />
ist das Erstellen und Auswerten solch einer Umfrage eine sehr aufwändige<br />
Angelegenheit, die viel Arbeitskapazität absorbiert. Das erschrekkende<br />
Ergebnis der Untersuchung, das ähnliche Befragungen in verschiedenen<br />
Kreisen bestätigt, gibt wichtige Hinweise darauf, was getan<br />
werden muss, damit die einst von der <strong>GEW</strong> propagierte Halbtagsgrundschule<br />
nicht endgültig zum Flop wird. Logisch also, dass die <strong>GEW</strong><br />
darauf hoffte, in der Presse ihre Umfrage entsprechend gewürdigt zu<br />
sehen. Was war aber dann zum Beispiel in der größten rheinland-pfälzischen<br />
Tageszeitung, der „Rheinpfalz“, zu lesen? Ein einspaltiger Artikel,<br />
in dem die <strong>GEW</strong> in knapp vierzig Zeilen zu Wort kam und in<br />
dem aber auch aus einer vbe-Presseerklärung zitiert wurde. Die Wirkung<br />
bei den LeserInnen liegt auf der Hand: „Die Lehrerverbände“<br />
sind in dieser Frage gleichermaßen aktiv...<br />
Dennoch (und zum Glück): Das traditionelle Kopf-an-Kopf-Rennen<br />
zwischen <strong>GEW</strong> und vbe bei landesweiten Wahlen wurde mit einem<br />
über dreiprozentigen Vorsprung erfreulicherweise klar zugunsten der<br />
<strong>GEW</strong> entschieden, womit die <strong>GEW</strong>-Fraktion die wichtige Funktion<br />
des Personalratsvorsitzenden besetzen kann. Wir dürfen sicher sein:<br />
Helmut Thyssen wird in dieser Rolle ein starker Rückhalt für die KollegInnen<br />
und ein kompetenter Widerpart der Schulbürokratie sein.<br />
Traditionell klar in <strong>GEW</strong>-Hand sind die Personalräte an den Sonderund<br />
Gesamtschulen. Hier gab es klare Mehrheiten. Im ADD-Personalrat<br />
der Gesamtschulen verfügt die <strong>GEW</strong> nun über vier von fünf Sitzen.<br />
Der <strong>GEW</strong>-Spitzenkandidat Herbert Wolf zu diesem Ergebnis: „Im<br />
Bewusstsein, dass die Vertretung von Partikularinteressen (VBE, PhV,<br />
VDR) allenfalls Partikularerfolge zeitigen kann, haben die Beschäftigten<br />
an Integrierten Gesamtschulen die konsequente Interessenvertretung<br />
der <strong>GEW</strong>-Personalvertreter honoriert.“ Fast 70 % holte die <strong>GEW</strong><br />
an den Sonderschulen. Für den designierten Personalratsvorsitzenden<br />
Heinz-Werner Ruby ist dieses Superergebnis Ansporn, die praktizierte<br />
Linie fortzusetzen: „Wir werden uns auch künftig um die Probleme<br />
aller KollegInnen, die auf uns zukommen, kümmern, denn das war<br />
unser Erfolgsrezept.“<br />
Traditionell in der Minderheit dagegen sind wir (und bleiben wir auch<br />
nach dieser Wahl) in den Personalräten für Gymnasien, Realschulen<br />
und Berufsbildende Schulen. Erfreulich aber, dass prozentuale Zuwächse<br />
zeigen: Auch in diesen Schularten ist die <strong>GEW</strong> im Aufwind, denn an<br />
den Gymnasien und den Berufsbildendenden Schulen wurden um die<br />
zwei Prozent hinzugewonnen, an den Realschulen zwei Sitze im Personalrat<br />
erreicht.<br />
Da die Ergebnisse der Berufsbildenden Schulen sehr früh bekannt waren,<br />
können wir diese positive Entwicklung hier exemplarisch beleuchten:<br />
Landesweit gab es zwar nur eine geringfügige Verschiebung zu<br />
Gunsten der <strong>GEW</strong>. Dennoch steht die <strong>GEW</strong> einer Dreiviertelmehrheit<br />
der beiden BBS-Verbände gegenüber. Anlass zu Optimismus geben jedoch<br />
die Resultate in einzelnen Regionen bzw. an einzelnen Schulen:<br />
An sechs BBSen im Land gewann die <strong>GEW</strong> die absolute Mehrheit,<br />
wobei drei davon in Ludwigshafen liegen. Hier ist die <strong>GEW</strong> im Vergleich<br />
der Gesamtzahl der Stimmen sogar der mit Abstand stärkste Verband<br />
vor vlbs und vlw. Klar, dass große Freude und verständliche Genugtuung<br />
bei den BBS-Veteranen herrschte ( und nach wie vor herrscht).<br />
Nur zu gut erinnern sie sich an die <strong>GEW</strong>-Anfänge in den 70er Jahren,<br />
als <strong>GEW</strong>-Leute an Berufsbildenden Schulen von erzkonservativen<br />
Schulleitungen wie Aussätzige behandelt wurden und bei nicht wenigen<br />
KollegInnen die <strong>GEW</strong> gleich nach RAF und KBW rangierte...<br />
Tja, und wo bleibt das obligatorisch Negative dieses Redaktionsberichtes?<br />
Nachzulesen ist es S. 21 unter der Rubrik „Leserbrief“. Da schildert<br />
nämlich ein Kollege seine Sicht einer <strong>GEW</strong>, die genau das Gegenteil<br />
dessen darstellt, was an dieser Stelle im vergangenen Monat beim<br />
Aufruf, sich für die Wahl der <strong>GEW</strong> einzusetzen, beschrieben war. Schon<br />
traurig, wenn negative Einzelerfahrungen derart verallgemeinert werden,<br />
dass der große Einsatz von <strong>GEW</strong>-KollegInnen, der gerade im Vorfeld<br />
der ADD-Wahlen teils bis an die Grenze der Belastbarkeit ging,<br />
pauschal diskreditiert wird. Ganz ehrlich: Sähe ich die <strong>GEW</strong> so negativ,<br />
wäre ich nicht mehr in ihr.<br />
Günter Helfrich<br />
Impressum <strong>GEW</strong>-ZEITUNG Rheinland-Pfalz<br />
Herausgeber:<br />
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, Neubrunnenstr. 8, 55116 Mainz,<br />
Tel.: (0 61 31) 28988-0, Fax: (06131) 28988-80, E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />
Redaktion:<br />
Günter Helfrich (verantw.) und Karin Helfrich, Postfach 22 02 23, 67023 Ludwigshafen, Tel./ Fax:<br />
(0621) 564995, e-mail: <strong>GEW</strong>ZTGRL1@aol.com; Ursel Karch ( Anzeigen), Arnimstr. 14, 67063<br />
Ludwigshafen, Tel./Fax: (0621) 69 73 97, e-mail: UKarch5580@aol.com; Antje Fries, Rheindürkheimer<br />
Str. 3, 67574 Osthofen, Tel./Fax: (0 62 42) 91 57 13, e-mail: antje.fries@gmx.de<br />
Verlag, Satz und Druck:<br />
Verlag Pfälzische Post GmbH, Winzinger Str. 30, 67433 Neustadt a.d.W., Tel.: (06321) 8 03 77;<br />
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(Leonardo-SP - = 2 kanalig)<br />
Manuskripte und Beiträge:<br />
Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen nicht in jedem Falle der<br />
Ansicht des <strong>GEW</strong>-Vorstandes oder der Redaktion. Nur maschinengeschriebene Manuskripte können<br />
angenommen werden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.<br />
Manuskripte und sonstige Zuschriften für die Redaktion der <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz werden<br />
nach 67023 Ludwigshafen, Postfach 22 02 23, erbeten.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten; für Nichtmitglieder jährlich DM 35,-- incl. Porto<br />
+ MWSt. (Bestellungen nur beim Herausgeber.) Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres.<br />
Im anderen Falle erfolgt stillschweigend Verlängerung um ein weiteres Jahr.<br />
Anzeigenpreisliste Nr. 11 beim Verlag erhältlich. Redaktionsschluß: jeweils der 5. des Vormonats.<br />
2 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Biedermänner – Brandstifter – Feuerwehr<br />
- Von Rainer Probst -<br />
Nachdem Politik und Teile der Wirtschaft<br />
nach massivem Druck aus dem<br />
Ausland dazu gebracht wurden, die wenigen<br />
noch lebenden ehemaligen<br />
ZwangsarbeiterInnen mit schäbigen<br />
Almosen abzuspeisen, hat die Sorge um<br />
den „Standort Deutschland“ zu einem<br />
weiteren erstaunlichen Ergebnis geführt:<br />
Ein „Konsens der Demokraten“<br />
gegen Rechts formiert sich.<br />
Erfüllt sich plötzlich der Wunschtraum<br />
all derer, die seit Jahren und Jahrzehnten<br />
von dieser Gesellschaft, von diesem<br />
Staat und seinen Organen ein entschlossenes<br />
Vorgehen gegen die rechte<br />
Gewalt, gegen Ausländerhass und Antisemitismus<br />
eingefordert haben? Geplantes<br />
NPD-Verbot, Internetkontrolle,<br />
Aufklärung durch die Medien sowie<br />
härtere Strafandrohung könnten<br />
erfreuliche Auswirkungen dieser Kampagne<br />
sein. Auch wenn wir den (gutgemeinten)<br />
Spruch vom „nicht wegschauen.<br />
sondern hinsehen“ schon fast<br />
nicht mehr ertragen können, wollen<br />
wir ihn ernst nehmen und mal genauer<br />
hinsehen. Mehr oder weniger sachkundige,<br />
aber viele selbsternannte „Experten“<br />
nehmen tagtäglich in den Medien<br />
Stellung. Als Ursache rechter Gewalt<br />
von Jugendlichen werden wechselweise<br />
oder in unterschiedlicher Kombination<br />
das häusliche Umfeld, die Jugendarbeitslosigkeit‚<br />
die untergegangene<br />
DDR, fehlende Vorbilder und mangelnde<br />
Freizeitangebote dingfest gemacht.<br />
Bei all diesen Statements<br />
kommt irgendwann, meistens<br />
am Schluss, ein bedeutungsvoller<br />
Satz vor wie: „Hier ist<br />
vor allem Schule gefordert’.<br />
(Darüber wird später noch zu<br />
reden sein).<br />
Alle genannten Erklärungen<br />
haben gewiss etwas mit den<br />
Ursachen rechtsextremer Gewalt<br />
zu tun; sie stellen einen<br />
Teil der Wahrheit dar. Die<br />
Hauptursachen rechter Gewalt<br />
werden allerdings ver-<br />
schwiegen, nicht wahrgenommen oder<br />
verdrängt.<br />
Die Gewalt kommt aus<br />
der Mitte der Gesellschaft<br />
Kommentar: Rechte Gewalt<br />
Rainer Probst ist Gesamtschullehrer<br />
und Bildender Künstler. Das Bild<br />
auf der Titelseite entstand 1979, als<br />
die ersten „Skinheads“ (zunächst in<br />
England) mit Nazisymbolen auftraten.<br />
Der HPR-Vorsitzende: „Gerne<br />
würde ich es in der hintersten Ecke<br />
meines Ateliers stehen lassen, doch<br />
traurigerweise hat es seine Aktualität<br />
bis heute behalten.“<br />
Den Nährboden für die zunehmende<br />
rechte Gewalt bildet nach meiner Ansicht<br />
die gesamtgesellschaftliche Entwicklung,<br />
nämlich eine von Wirtschaft<br />
und Staat geforderte und geförderte<br />
Konkurrenz- und Ellenbogenmentalität,<br />
die sich durch den Standortnationalismus<br />
und den neoliberalen Wettbewerbswahn<br />
begründet. Das schon<br />
immer in der Bundesrepublik latent<br />
deutschnationale Denken ist seit Wiedervereinigung<br />
und Kosovokrieg salonfähig<br />
geworden, die nationalsozialistische<br />
Vergangenheit wird relativiert und<br />
somit verharmlost. Dies geschieht nicht<br />
am „rechten Rand“, sondern aus der<br />
Mitte und den Spitzen unserer Gesellschaft.<br />
Ich möchte dies an Hand einiger<br />
Beispiele deutlich machen:<br />
„Zurzeit geht ein Ruck durch dieses<br />
Land- und zwar ein Rechtsruck! Dies<br />
ist nicht verwunderlich, da unsere Politiker<br />
nur noch die Interessen von Ausländern,<br />
Asylsuchenden und so genannten<br />
Minderheiten vertreten.(...) Wir<br />
sind zum Spielball der amerikanischen<br />
und jüdischen Interessen geworden, die<br />
von uns Zahlungen verlangen. Das<br />
Maß ist voll.“<br />
Dies ist kein Zitat aus der „Nationalund<br />
Soldatenzeitung“ oder der „Jungen<br />
Welt“, sondern Inhalt eines Leserbriefes<br />
(kein Einzelfall), der am 19.<br />
August in der „Allgemeinen Zeitung -<br />
Rhein Main - Presse“ veröffentlicht<br />
wurde. Obwohl diese bürgerliche Tageszeitung<br />
mit zahlreichen Lokalausgaben<br />
eine der auflagenstärksten Zeitungen<br />
im südwestdeutschen Raum ist,<br />
wurde von mir keine Leserlnnenreak-<br />
Von der Gemeindeverwaltung angeordnete<br />
„Pflegearbeiten“ zerstörten jüdische Grabsteine.<br />
(Foto: Probst)<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
3
Kommentar: Rechte Gewalt<br />
tion wahrgenommen. Was Wunder<br />
wenn durch Stichwortgeber wie Rüttgers<br />
(Kinder statt Inder), Stoiber<br />
(durchrasste Gesellschaft), Schily (Belastungsgrenzen<br />
erreicht) oder Walser<br />
(Auschwitzkeule) solcherlei als normal<br />
gelten darf.<br />
Oder: ein ländlicher jüdischer Friedhof<br />
in Rheinhessen - umgestürzte und<br />
beschädigte Steine, der gesamte Baumbestand<br />
an Eiben niedergelegt. Mutwillige<br />
Zerstörung? Nein ‚ von der Gemeindeverwaltung<br />
angeordnete Pflegearbeiten!<br />
Gedankenlosigkeit?<br />
Oder: In einer Nachbargemeinde wurde<br />
der jüdische Friedhof von Neonazis<br />
verwüstet. Nach Mahnwache und Betroffenheitsbekundungen<br />
erwog im<br />
Gemeinderat ein Kommunalpolitiker,<br />
ob auf jüdischen Friedhöfen nicht auch<br />
wie auf christlichen Friedhöfen die<br />
„Liegezeit“ auf 30 Jahre begrenzt werden<br />
könne. Auch auf diese Pressemeldung:<br />
keine Reaktion.<br />
„Hier ist vor allem die<br />
Schule gefordert“<br />
Seit dem Auftreten von jugendlichem<br />
Rechtsextremismus am Beginn der 80<br />
er- Jahre haben Lehrerinnen und Lehrer<br />
mit Aktionstagen‚ Studientagen,<br />
dem Erarbeiten von Unterrichtseinheiten,<br />
dem Besuch von Gedenkstätten<br />
und anderen vielfältigen Aktivitäten<br />
wichtige Aufklärungsarbeit mit Jugendlichen<br />
geleistet, um sich heute von<br />
einem Herrn Lemke (KMK-Präsident<br />
und Bildungssenator in Bremen) sagen<br />
zu lassen: er werde überprüfen lassen,<br />
ob in den Schulen Bremens die Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema in<br />
dem wünschenswerten Ausmaß und<br />
der entsprechenden, inhaltlichen Qualität<br />
stattfinde. Er fährt dann fort:„Ich<br />
kann mir nicht vorstellen, dass, wenn<br />
man sich in allen Schulen ernsthaft<br />
und mit den richtigen Methoden mit<br />
den Fragen des Nationalsozialismus beschäftigt,<br />
die Rechtsradikalen einen<br />
solchen Zulauf haben, wie wir es derzeit<br />
erleben.“ Dies und weitere Schuldzuweisungen<br />
an diejenigen, für die er<br />
eine Fürsorgepflicht hat, deren Arbeitsbedingungen<br />
von seinen KMK- KollegInnen<br />
in den vergangenen Jahren zunehmend<br />
verschlechtert wurden. Wenn<br />
ein Bildungssenator, der es eigentlich<br />
besser wissen müsste, zu dieser Art Lehrerlnnenschelte<br />
greift, wundern wir uns<br />
schon nicht mehr, was Hundt so alles<br />
von sich lässt, um von Schmiergeldaffären,<br />
Missmanagement und staatlich<br />
finanzierten Milliardenpleiten abzulenken.<br />
Von keinerlei Sachkenntnis erhellt,<br />
spricht er vom „bezahlten Urlaub<br />
der Lehrer“ und fordert die Abschaffung<br />
der Gesamtschule, da diese nicht<br />
in der Lage sei, das notwendige Leistungs-<br />
und Konkurrenzverhalten der<br />
SchülerInnen zu fördern. Wir haben es<br />
hier mit zwei sich gegenseitig bedingenden<br />
Sachverhalten zu tun: Wer Integration,<br />
Teamfähigkeit, Sozialverhalten<br />
als Bildungsziele geringer schätzt als Ellenbogenmentalität<br />
und Elitedenken,<br />
wird später auch härtere Gesetze und<br />
mehr Polizei fordern müssen. Der vom<br />
ehemaligen Bundespräsidenten Herzog<br />
gewünschte Ruck findet statt. War dies<br />
die gewünschte Richtung.?<br />
Uns Lehrerinnen und Lehrern bleibt<br />
nicht viel anderes übrig, als die Angriffe<br />
wegzustecken; wir versuchen gerade das<br />
durch die Politik verursachte Chaos der<br />
Unterrichtsversorgung bzw. -unterversorgung<br />
in den Griff zu bekommen,<br />
haben uns fürs „Fitnesstraining im Internet“<br />
angemeldet, evaluieren Qualitätsmanagement,<br />
beraten über Budgetierung,<br />
bereiten ein Schulfest oder eine<br />
Klassenfahrt vor und organisieren den<br />
nächsten „Aktionstag gegen Gewalt,<br />
Rassismus und Ausländerhass“.<br />
Ach so - wir unterrichten auch noch<br />
unsere Kinder und Jugendlichen.<br />
Mit Information und Aufklärung gegen Rechts<br />
Anlässlich des Antikriegstages rief die<br />
<strong>GEW</strong>-Vorsitzende Eva-Maria Stange<br />
Pädagoginnen und Pädagogen auf,<br />
„mit Informationen und Aufklärung<br />
Position gegen Rechts zu beziehen“.<br />
„Schule allein kann Rechtsradikalismus<br />
und Gewalt in der Gesellschaft nicht<br />
aufhalten. Sie kann aber platten Vorurteilen<br />
und stumpfen Stammtischparolen<br />
entgegentreten“, verlangte die<br />
<strong>GEW</strong>-Vorsitzende.<br />
Stange empfahl den Lehrkräften, verbreiteten<br />
Vorurteilen unter Jugendlichen<br />
zum Beispiel gegenüber Fremden<br />
mit „Daten und Fakten, Zeitzeugen<br />
und Experten“ zu begegnen. So sollte<br />
die Ausbreitung von Unwahrheiten wie<br />
der „Überfremdung“ mit konkreten<br />
Zahlen aus der Region widerlegt werden.<br />
Der Widerspruch zwischen dem<br />
Grundrecht auf Asyl und der tatsächlichen<br />
Asylpraxis müsse deutlich gemacht<br />
werden. Schulklassen sollten sich vor<br />
Ort in Aufnahmelagern, bei den Sozialdiensten<br />
an Flughäfen oder beim<br />
Bundesgrenzschutz über die Situation<br />
von Asylbewerbern informieren und<br />
mit deren Anwälten sprechen. Fachleute<br />
der Sozialämter sollten in die Schulen<br />
eingeladen werden, um zu informieren,<br />
welche Personen und in welchem Umfang<br />
Sozialhilfe bekommen.<br />
Vor allem müsse auch der Beitrag ausländischer<br />
Mitbürger zur wirtschaftlichen<br />
Leistung des Landes transparent<br />
gemacht werden. Experten der Arbeitsämter<br />
müssten den Unsinn zurückweisen,<br />
Ausländer würden Deutschen die<br />
Jobs wegnehmen. „In Wirklichkeit sind<br />
gerade die ausländischen Jugendlichen<br />
am stärksten von der Arbeitslosigkeit<br />
betroffen“, sagte Stange. Der im Zusammenhang<br />
mit der Green-Card-Debatte<br />
aufgekommenen Diskussion über<br />
„nützliche und weniger nützliche Ausländer“<br />
muss von den verantwortlichen<br />
Politikern scharf entgegengetreten<br />
werden.<br />
Ausländische Eltern sollten zum Beispiel<br />
bei Elternabenden oder Schulveranstaltungen<br />
über ihre Erfahrungen<br />
im deutschen Arbeits- und Berufsleben,<br />
über rechtliche und faktische<br />
Diskriminierung im Alltag oder über<br />
besondere Schwierigkeiten bei Geschäftsgründungen<br />
berichten.<br />
„Wir müssen versuchen, dem künstlich<br />
geschürten Hass unter Jugendlichen<br />
gegenüber Ausländern durch die<br />
Verbreitung von Halb- und Unwahrheiten<br />
ein Stück den Boden zu entziehen“,<br />
forderte die <strong>GEW</strong>-Vorsitzende.<br />
„Mit Appellen zur Toleranz in den<br />
Schulen ist nichts gewonnen, wenn in<br />
den Wohnstuben von Erwachsenen<br />
Vorurteile produziert werden“, sagte<br />
Stange wörtlich.<br />
4 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
„Nur Vorurteile, wenn man sich nicht kennt“<br />
Ein pädagogisches Experiment gegen Fremdenhass<br />
Rechte Gewalt<br />
Er gehörte zum harten Kern der saarländischen Rechten. Der 17jährige<br />
Sven war jahrelang Mitglied der Jungen Nationalliberalen in der<br />
NPD. Die Skinheads „mischten“ Ausländer auf, zuletzt schlug er einen<br />
krankenhausreif. Heute hat er die rechte Szene verlassen. Heute lebt<br />
er in der Wohngruppe Nr. 7 im „Sozialpädagogischen Bildungszentrum“<br />
im pfälzischen Landau, früher „Jugendwerk St. Joseph“.<br />
„Als er zu uns kam“, erinnert sich<br />
Dembo Krubally, schwarzafrikanischer<br />
Erzieher aus Gambia, „hatten<br />
wir beide voreinander Angst. Immer<br />
wenn ich zu Sven ins Zimmer kam,<br />
provozierte mich die aufgespannte<br />
Reichsfahne und die dröhnende<br />
rechte Musik.“ Für Sven seinerseits<br />
war es eine dicke Überraschung, um<br />
nicht zu sagen ein „Schock“, ausgerechnet<br />
in der Provinz auf einen farbigen<br />
Ausländer zu treffen, dem er<br />
als Zögling zugeordnet war. Seit 13<br />
Jahren lebt Dembo in Deutschland,<br />
studierte vorher in Gambia, um Lehrer<br />
zu werden, unterrichtete in Dorfschulen<br />
seiner Heimat und musste<br />
das afrikanische Land wegen Kritik<br />
an der Regierung verlassen. Seit sieben<br />
Jahren arbeitet der 36jährige als<br />
Erzieher im Jugendwerk. Mit drei<br />
weiteren deutschen Erziehern betreut<br />
er die Gruppe Nr. 7, „strukturiert<br />
den Alltag“, wie es amtlich heißt,<br />
achtet darauf, dass sich jeder wäscht,<br />
abends pünktlich um 22.30 Uhr ins<br />
Bett und morgens um 7.30 Uhr zur<br />
Arbeit geht. Dembo verwaltet das<br />
verdiente Geld der jungen Männer,<br />
organisiert mit ihnen zusammen das<br />
Essen, sorgt für Ordnung und Disziplin<br />
(„dass die Regeln eingehalten<br />
werden“). Er isst, spielt, lernt und<br />
lebt mit seinen Schützlingen.<br />
Jugendliche am Beginn einer<br />
kriminellen Karriere,<br />
doch ohne Ausländerhass<br />
Sven geriet mit der Polizei aneinander,<br />
weil er einen ausländischen Mitbürger<br />
verprügelt hat. Statt in einer<br />
Jugendstrafanstalt landete er in<br />
Dembos Heim. Die neue Umgebung,<br />
die enge Wohngemeinschaft<br />
mit zwei farbigen Jugendlichen hat<br />
ihn verwandelt und geholfen, sich<br />
von der rechten Bewegung loszusagen.<br />
„Ich wollte weg, weil es nichts<br />
gebracht hat außer Anzeigen und<br />
Stress“, spielt er auf die Polizei an.<br />
Der ehemalige Skin, einstmals aufgepumpt<br />
mit Hass gegen alles Nichtdeutsche,<br />
hat sich auch mental von<br />
seiner Gang gelöst und findet das,<br />
was er früher gemacht hat „Scheiße“<br />
und „Schwachsinn“:<br />
Sven kommt aus einem gut bürgerlichen<br />
Elternhaus („ich hatte alles“)<br />
und wuchs in einer heimatlichen<br />
Clique heran, die allmählich nach<br />
Rechts abdriftete. Sie posaunte Nazi-<br />
Parolen und spannte ihr braunes<br />
Netzwerk gegen AusländerInnen auf.<br />
„Du schaffst den Sprung aus diesem<br />
Aktionskreis nur, wenn du dich aus<br />
der Clique brutal losreißt“, verrät<br />
Sven das Rezept seines Neuanfangs.<br />
„Schwer, sehr schwer, denn du magst<br />
die Typen irgendwie emotional“.<br />
Von einem NPD-Verbot, wie es zur<br />
Zeit diskutiert wird, hält Sven nichts<br />
(„das sind verschworene Gruppen,<br />
die im Untergrund weiter machen“).<br />
Sven ist mehr für Aufklärung und<br />
Gespräche mit den Leuten. „Nicht<br />
Braunes Netzwerk<br />
gegen ausländische<br />
Jugendliche.<br />
Foto: Seifert<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
5
Rechte Gewalt<br />
Paul Schwarz erkundet in zwei Reportagen Hintergründe<br />
rechtsextremer Gewalt bei Jugendlichen.<br />
über sie reden, wie es die Politiker<br />
und Medien heute oft tun, sondern<br />
mit ihnen. Das sind z.T. arme<br />
Schweine, die da mitmarschieren,<br />
oft orientierungs- und arbeitslos“.<br />
Und so schlecht seien die meisten<br />
seiner Erfahrung nach auch nicht,<br />
wie sie jetzt gemacht würden, rührt<br />
sich Mitgefühl für seine ehemaligen<br />
Freunde. Vorurteile verschwinden<br />
offensichtlich in dem Maße, wie sie<br />
im persönlichen Zusammenleben<br />
wie in einer Wohngruppe oder in<br />
einer Fußballmannschaft überprüft<br />
werden können. „Man hat nur Vorurteile“,<br />
fasst Sven zusammen,<br />
„wenn man sich nicht kennt.“<br />
Fast alle in dieser katholischen Einrichtung<br />
können üble Geschichten<br />
erzählen, Geschichten von Hass und<br />
Gewalt, Familien- und Schultragödien,<br />
Geschichten von bösen Stiefvätern<br />
und betrunkenen Müttern.<br />
Fast alle hier wurden herumgeschubst,<br />
verprügelt, bekamen nur<br />
wenig Liebe. Der eine schlug seine<br />
Lehrer, der andere knackte Autos<br />
und Automaten, der dritte verweigerte<br />
die Schule und nahm Drogen,<br />
der vierte brach in Geschäfte ein, der<br />
fünfte schlug alles kurz und klein.<br />
Das Heim beherbergt zur Zeit 90<br />
Jugendliche aus ganz Deutschland,<br />
weit weg von Zuhause. Wer hier landet,<br />
stand am Beginn einer kriminellen<br />
Karriere und ist bereits mit<br />
dem Gesetz in Konflikt geraten.<br />
Doch für Fabian, Dirk, Manfred,<br />
Stefan, Ricci und Michael, Svens 17<br />
und 18jährige Kollegen aus dem<br />
Haus 7 ist Ausländerfeindlichkeit<br />
kein Thema. „Das sind doch Menschen<br />
wie du und ich, was sollte ich<br />
gegen sie haben“, meint Ricci neben<br />
seinem farbigen Zimmernachbarn<br />
Fabian.“ Man muss miteinander reden,<br />
Vertrauen auf- und Gewalt abbauen“,<br />
empfiehlt Dembo mit Blick<br />
auf Sven.<br />
Besonders gut scheint sich<br />
Dembo mit Skins zu verstehen<br />
...<br />
Ein Schwarzafrikaner hilft, weiße<br />
Jugendliche zu erziehen, hilft mit,<br />
jungen Deutschen wieder einen Lebenssinn<br />
zu geben. „Mit Kopfschmerzen“<br />
habe man Herrn Krubally<br />
eingestellt, sagt Direktor Erhard<br />
Ries. Denn Dembo ist Mohammedaner.<br />
Der für das Erziehungsheim<br />
zuständige Bischof musste über einige<br />
Schatten und kirchliche Richtlinien<br />
springen. Zudem ein schwarzer<br />
Ausländer in diesen Zeiten, bei<br />
diesen Jugendlichen? Überzeugt war<br />
man erst, als man Dembo Krubally<br />
in einem zweiwöchigen Praktikum<br />
erlebte, sah, wie gut er mit den Azubis<br />
zurechtkam und diese mit ihm.<br />
Heute spricht Ries von einem „Phänomen“.<br />
Dembo scheut sich nicht,<br />
sich offen zum Islam zu bekennen<br />
und auch in seinem Büro seine Tagesgebete<br />
zu verrichten. Das wird<br />
respektiert, macht Eindruck bei Jugendlichen,<br />
die mit Religion, Gott<br />
und Frömmigkeit wenig am Hut<br />
haben und höchstens in die Kirche<br />
gehen, „wenn es dort Freibier gibt“.<br />
„Geeignete Maßnahmen zur Erziehung“,<br />
so der Terminus der Jugendämter,<br />
sollen die Jugendlichen wieder<br />
auf den rechten Weg zurückbringen.<br />
Sie wohnen allein oder zu zweit<br />
auf einem Zimmer und lernen Lakkierer,<br />
Maler, Schreiner. Kfz-Mechaniker<br />
oder Maurer wie Sven. Die<br />
Ahnung, das eigene Leben nicht<br />
meistern zu können, keine Perspektive<br />
zu haben, können bei diesen Jugendlichen<br />
zu massiver Verunsicherung,<br />
zu Minderwertigkeitsgefühlen<br />
und Aggressionen führen. Noch vor<br />
einigen Jahren wurden in manchen<br />
Wohngruppen die eigenen Selbstzweifel<br />
auf alle projiziert, die auf der<br />
sozialen Leiter scheinbar noch tiefer<br />
stehen, die „schuld sind an allem<br />
Übel“. Zum Beispiel die AusländerInnen.<br />
Und so standen Steffen, Nicolas,<br />
Timo, Klaus und wie sie alle<br />
heißen schon mal vor dem Fernseher,<br />
sangen Nazi-Strophen und grölten<br />
„Sieg Heil“ gegen „Fidschis“,<br />
„Zecken“ und „Kanaken“. Dies habe<br />
sich nun, freut sich Direktor Erhard<br />
Ries, entscheidend verändert. „So<br />
etwas spielt sich kaum noch bei uns<br />
ab“. Psychologin Pia Müller in<br />
Queichheim führt das nicht zuletzt<br />
auf das gemeinsame Wohnen, Arbeiten<br />
und Leben zurück. „Hier zählt<br />
nur die Persönlichkeit, egal ob du<br />
Deutscher oder Ausländer bist.“ Dies<br />
gilt auch für Dembo aus Gambia,<br />
den farbigen Erzieher. „Dembo versucht<br />
uns zu verstehen, redet mit<br />
uns, auch wenn er manchmal streng<br />
sein muss“, lobt Ex-Skin Sven.<br />
Manchmal sind die Jungen aggressiv,<br />
ihre Wut staut sich über das in<br />
ihren Augen zu geringe Taschengeld<br />
und den begrenzten Ausgang („die<br />
Freundin darf nicht mit aufs Zimmer<br />
und muss um neun Uhr von<br />
Bord“). Frust und Enttäuschung<br />
entladen sich dann gegen die ErzieherInnen<br />
im Haus. Dennoch kann<br />
sich Dembo nicht beklagen, „im<br />
Großen und Ganzen sind die Jungs<br />
mir gegenüber schon okay“, sagt er<br />
und grinst.<br />
Besonders gut scheint sich Dembo<br />
mit Skins zu verstehen, so verrückt<br />
das auch klingen mag. Jetzt mit Sven,<br />
vor zwei Jahren mit Stefan aus einer<br />
stramm-deutschen Bandenfreizeit in<br />
Bayern mit „Skin“- und Hakenkreuz-Tätowierung<br />
auf dem Arm.<br />
Mit drei Kameraden stürzte der damals<br />
15jährige 148 Grabsteine um.<br />
Weil ihn das Palästinensertuch oder<br />
was anderes störte, schlug er Ausländer<br />
zusammen. Auf den Jungen warteten<br />
vier Anklagen wegen schwerer<br />
Körperverletzung, Verbreitung nationalsozialistischen<br />
Gedankenguts,<br />
Waffenbesitz und Grabschändung,<br />
als er ins Jugendwerk kam. Kaum<br />
einige Monate bei Dembo, nahm<br />
ihn dieser mit zu eine afro-deutschen<br />
Party, organisiert von einer „Initiative<br />
zur Förderung deutsch-ausländischer<br />
Begegnungen“ in Landau.<br />
Stefan trug ein Palästinensertuch,<br />
half bei den Vorbereitungen und<br />
malte Plakate. Auf einem stand:<br />
„Wir sollten uns kennenlernen.“<br />
Paul Schwarz<br />
6 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Das „Schlägerweib“ von Nürnberg<br />
Warum Nicole dennoch Neo-Nazis nicht mag<br />
Rechte Gewalt<br />
In Nürnberg (Name geändert) ist sie<br />
als „Schlägerweib“ bekannt, wie sie<br />
sich selbst tituliert. Mit 12 stand sie<br />
erstmals im Boxring über drei Runden.<br />
Ihre russische Gegnerin warf in<br />
der zweiten Runde das Handtuch,<br />
technischer k.o. Nach einer kurzen<br />
Boxerinnenkarriere folgte eine Drogenkarriere,<br />
ein Selbstmordversuch,<br />
Psychiatrieeinweisung. Seit einem<br />
halben Jahr lebt die heute 15jährige<br />
Nicole (Name geändert) mit drei<br />
anderen Mädchen im pfälzischen<br />
Wendelinushof. Zwei weitere Teenies<br />
sind soweit resozialisiert, dass sie außerhalb<br />
der Gruppe in angemieteten<br />
Zimmern ihr eigenes Zuhause haben<br />
dürfen. Das geräumige Anwesen mit<br />
dem großem Garten gehört zum „Sozialpädagogischen<br />
Bildungszentrum“<br />
in Landau-Queichheim, getragen<br />
von der katholischen Kirche.<br />
Jedes Mädchen, so Erzieherin Gudrun<br />
Bauer, komme traumatisiert<br />
hierher, beispielsweise sexuell missbraucht<br />
worden zu sein. Die meisten<br />
schicken die Jugendämter. Die 13<br />
bis 19jährigen sind straffällig geworden,<br />
hatten Zoff mit ihren Eltern<br />
und kamen mit der Schule nicht zurecht.<br />
Sie standen am „Rande der<br />
Psychiatrie“, wie es Erziehungsleiter<br />
Diplom-Psychologe Eckard Büdding<br />
ausdrückt. Das wichtigste Ziel sei der<br />
Hauptschulabschluss und der Einstieg<br />
in einen Beruf. Der Beruf sei<br />
Ziel und Weg zugleich, erklärt Büdding,<br />
„ein Vehikel für die Persönlichkeitsbildung<br />
und gesellschaftliche Integration“.<br />
Auf einem guten Weg befindet sich<br />
wohl auch Nicole, ein mittelgroßes<br />
Mädchen mit hübschem Gesicht<br />
und halblangen dunklen Haaren,<br />
gepierct an Bauch und Kinn, silberner<br />
Nasenstecker, sieben Ohrringe<br />
rechts, mit einem chicen gelben<br />
Handy und bekleidet mit einem<br />
aufreizenden schwarzem Minirock.<br />
Sie flog von Schule zu Schule, „keiner<br />
wollte mich“, erzählt sie. Vorschriften<br />
und Regeln machten ihr zu<br />
schaffen, jede Form von Bevormundung.<br />
Ständig muckte sie auf, und<br />
„wenn mich eine blöd angeguckt hat,<br />
schlug ich drauf los“. Sehr bald begann<br />
sie zu kiffen und zu koksen. Mit<br />
ihrer Clique, nicht selten alkoholisiert,<br />
streunte sie durch Nürnberg<br />
und machte jeden an, der ihr nicht<br />
passte. Mit 12 lernt sie ihre erste Liebe<br />
Ramazzan, einen jungen Türken,<br />
kennen und ist schon bald intim mit<br />
ihm, wechselt zwischen Pille und<br />
Pariser. Noch heute erinnert das tätowierte<br />
„R“ auf ihrem linken Arm<br />
an ihn. Als er sie verließ, brach die<br />
Welt zusammen, wollte sie mit ihrem<br />
Leben abschließen. Mit einer<br />
Rasierklinge. Rechtzeitig gerettet,<br />
verbrachte sie anschließend ein halbes<br />
Jahr in einer Jugendpsychiatrie.<br />
Ihre Eltern und ihre beiden Geschwister<br />
leben in Nürnberg. Mittlerweile<br />
ist sie wieder mit einem Türken<br />
zusammen, 23jährig, Schweißer.<br />
Wenn sie drei Wünsche frei hätte....<br />
Sie hat nur einen: sich zu verändern,<br />
ein anderer Mensch zu werden, raus<br />
aus den Drogen und raus aus der Aggression.<br />
Gudrun Bauer bescheinigt<br />
ihr erste positive Veränderungen.<br />
„Am Anfang war sie mächtig aufgedreht<br />
und gewaltbereit“, erinnert sie<br />
sich. Jetzt sei sie ruhiger geworden.<br />
Sie merke, „dass man mit uns umgehen<br />
kann, sie wenig eingrenzt wird.“<br />
Nur einmal sei sie bisher über die<br />
Stränge geschlagen, eine Nacht weggeblieben<br />
und nicht um neun Uhr<br />
abends (Wochenende zehn) rechzeitig<br />
nach Hause gekommen. Nicole<br />
geht in die Hauptschule der Einrichtung,<br />
„noch ein Jahr“ und schreibt<br />
momentan nur Einsen. Später möchte<br />
sie zurück nach Nürnberg und Friseurin<br />
werden. Manchmal träumt sie<br />
von einer Sängerkarriere, denn sie<br />
scheint talentiert zu sein. Bei einem<br />
demnächst stattfindenden Musikworkshop<br />
in Münster hat sie ihren<br />
ersten Soloauftritt, vermutlich wird<br />
auch ein türkisches Lied dabei sein.<br />
Mit Skinhead Lisa in der<br />
Wohngruppe<br />
Mit Syleyman befreundet, ärgert sie<br />
sich über Lisa aus der Wohngruppe.<br />
Lisa, sechzehnjährig, ist bekennender<br />
Skinhead, mag Hitler und lässt<br />
gerne die rechten Sänger aus ihrem<br />
Radio plärren. Hie und da zieht die<br />
kahlköpfige Lisa ihre Springerstiefel<br />
an, Sandra findet so etwas „ätzend“.<br />
Lisa wolle zwar nicht provozieren,<br />
entschuldigt Sandra, trage aber ihre<br />
faschistische Haltung wortreich werbend<br />
vor sich her. Kann man was<br />
dagegen machen? „Manche“, versucht<br />
sie zu erklären, „brauchen das,<br />
weil sie nicht wissen, woran sie sich<br />
halten sollen, außerdem die Clique,<br />
da musst du mitmachen.“ Vom Neonazi-Gehabe<br />
abgesehen, lobt Gudrun<br />
Bauer Lisas täglichen Umgangston<br />
und die Essmanieren. Für sie ist<br />
das Radikalen-Getue eine pubertäre<br />
Suche nach Orientierung, „das geht<br />
wieder vorbei“, meint sie. Zuviel<br />
darüber zu reden, wirke wie eine öffentliche<br />
Bestätigung. Wenn freilich<br />
die verbale Protzerei in Gewalt umschlage,<br />
sei die Grenze überschritten,<br />
dann dürfe es kein Pardon geben.<br />
Angst vor Rechtsradikalen hat Nicole<br />
nicht, wenn sie mit ihrem türkischen<br />
Freund unterwegs ist. Noch immer<br />
kann sie sich auf ihre Fäuste verlassen.<br />
Das Boxen möchte sie gerne wieder<br />
aufnehmen, „aber Landau hat<br />
keine gute Staffel“.<br />
Sie ist 15 und sieht aus wie 18. Noch<br />
ist Sandra labil und wenig gefestigt,<br />
sucht ihren Weg in die Normalität,<br />
was immer das heißen mag. Leicht<br />
ist das nicht, aber ErzieherInnen und<br />
PsychologInnenen begleiten sie bei<br />
ihrer Selbstfindung. Erst neulich erlitt<br />
Sandra wieder einen Rückschlag.<br />
Es gab Ärger mit ihrem Freund, Verlustängste<br />
und Wut, die sie gegen<br />
sich selbst richtete. Mit Glasscherben<br />
zerschnitt sie sich ihren linken<br />
Unterarm. Vor einigen Tagen wurden<br />
die Fäden gezogen.<br />
Paul Schwarz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
7
Schulen<br />
Volle Halbtagsschule auf dem Prüfstand<br />
<strong>GEW</strong> stellte Umfrageergebnisse zur VHTS der Presse vor<br />
Nach zwei Jahren Volle Halbtagsschule hat die <strong>GEW</strong> die KollegInnen<br />
nach ihren bisherigen Erfahrungen gefragt. Das Konzept der Umfrage<br />
an den Grundschulen des Landes hat der Spitzenkandidat für die Bezirkspersonalratswahlen<br />
Grund-, Haupt- und Regionale Schulen bei<br />
der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, der Ludwigshafener<br />
<strong>GEW</strong>-Kreisvorsitzende Helmut Thyssen, ausgearbeitet.<br />
Durch die Einführung der VHTS hat sich<br />
meine Arbeitssituation …<br />
… verschlechtert 82%<br />
… nicht verändert 15%<br />
… verbessert 3%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%<br />
1.280 GrundschullehrerInnen von<br />
insgesamt 11.537 haben der <strong>GEW</strong><br />
sehr differenzierte, mit zum Teil ausführlichen<br />
Begründungen versehene,<br />
Rückmeldungen zugeleitet. Die für<br />
solche Umfragen hohe Rückmeldequote<br />
(11,09%) hat der <strong>GEW</strong><br />
Rheinland-Pfalz wichtige Hinweise<br />
zur Arbeitssituation, der Stimmungsund<br />
Motivationslage sowie dem pädagogischen<br />
und organisatorischen<br />
Konzept gegeben.<br />
Die Umfrageergebnisse bestärken die<br />
<strong>GEW</strong> darin, dass das Ministerium<br />
für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung<br />
(MBWW) dringend Verbesserungen<br />
der Rahmen- und Arbeitsbedingungen<br />
an der VHTS vornehmen<br />
muss.<br />
Auf großes Unverständnis stößt bei<br />
den GrundschullehrerInnen die Entscheidung<br />
des MBWW, 50-Minuten-Einheiten<br />
als Berechnungsgrundlage<br />
einzuführen. Dies ist zur<br />
Verwirklichung der VHTS absolut<br />
unnötig und realitätsfern. Das pädagogische<br />
Konzept der VHTS steht<br />
u. a. deshalb in der Kritik, weil zu<br />
wenig Zeit zur Verfügung stand, dieses<br />
zu entwickeln und zu erproben.<br />
Häufig hat sich nur die Unterrichtseinheit<br />
von 45 Minuten auf 50 Minuten<br />
verändert.<br />
Fast drei Viertel der Rückmeldungen<br />
gehen davon aus, dass das organisatorische<br />
Konzept der VHTS verbessert<br />
werden muss. Dies gilt in besonderer<br />
Weise für die Abschaffung der<br />
50-Minuten-Berechnungsgrundlage,<br />
um die eingetretenen Organisationsschwierigkeiten<br />
bei gemeinsamen<br />
Schulbussen, gemeinsamer Turnhallen-,<br />
Schwimmbad- oder Fachraumbenutzung<br />
in den verbundenen<br />
Grund-und Hauptschulen zu beseitigen.<br />
Auch die KollegInnen für sonderpädagogische<br />
Förderung bzw.<br />
muttersprachlichen Unterricht sowie<br />
die ReligionspädagogInnen haben<br />
größte Schwierigkeiten, sich in den<br />
- auch zwischen den einzelnen<br />
Grundschulen - unterschiedlichen<br />
Rhythmus einzupassen.<br />
Das sinnvolle pädagogische Konzept<br />
der VHTS ist abhängig von einer<br />
ausreichenden LehrerInnen-Versorgung.<br />
Da dies oft nicht gewährleistet<br />
ist, werden Maßnahmen zur Vermeidung<br />
von Unterrichtsausfall sowie<br />
zur Einhaltung der sogenannten<br />
„verlässlichen“ Unterrichtszeiten ergriffen,<br />
die nach Meinung der <strong>GEW</strong><br />
und der KollegInnen mit dem pädagogischen<br />
Konzept nicht vereinbar<br />
sind. So bemängeln die KollegInnen<br />
insbesondere, dass Klassen zusammengelegt<br />
bzw. aufgeteilt werden -<br />
oft über die Klassenmesszahl hinaus<br />
und das über mehrere Wochen. Damit<br />
ist die pädagogische Kontinuität<br />
der Unterrichtsarbeit nicht gewährleistet.<br />
Für Grundschulkinder ist es besonders<br />
wichtig, dass sie eine feste Bezugsperson<br />
haben, dass ihre Klassengemeinschaft<br />
stabil bleibt und dass<br />
geplanter Unterricht in Ruhe ablaufen<br />
kann und nicht ständig durch<br />
Störungen unterbrochen wird, die<br />
durch „Notfalllösungen“ verursacht<br />
werden.<br />
In diesem Zusammenhang kritisierten<br />
die KollegInnen insbesondere,<br />
dass durch die Einsparungen bei der<br />
Zuweisung von Lehrerwochenstunden<br />
die Anforderungen für die KollegInnen<br />
allgemein gestiegen sind (z.<br />
B. fehlendes Teamteaching). Auch<br />
die längere Anwesenheitszeit und die<br />
damit verbundenen zusätzlichen<br />
Aufsichten sowie die veränderten<br />
Unterrichtszeiten werden von den<br />
GrundschullehrerInnen als Belastung<br />
empfunden. Hatte vor der Einführung<br />
der VHTS eine Vollzeitlehrkraft<br />
bei einer 5-Tage-Woche zwei freie<br />
sechste Stunden oder Springstunden<br />
zur Verfügung, ist sie mit der VHTS<br />
an 5 Tagen in der Woche von 8 Uhr<br />
- 13 Uhr durch Unterrichts-, Aufsichts-<br />
und Betreuungszeiten voll eingeplant.<br />
Dass die Teilzeitlehrkräfte zusätzlich<br />
ohne Zeitausgleich viele Vertretungsstunden<br />
leisten müssen, trägt nicht<br />
zur Verbesserung der Stimmung in<br />
den Kollegien bei. Viele GrundschullehrerInnen<br />
haben den Eindruck,<br />
dass ihre wichtige pädagogische Arbeit<br />
nicht gewürdigt wird und der<br />
Grundschule immer mehr Aufgaben<br />
aufgebürdet werden. Durch die hohe<br />
Unterrichts-, Aufsichts- und Betreuungsbelastung<br />
bleibt auch wenig Zeit<br />
für die notwendigen Absprachen<br />
untereinander.<br />
Dem zuständigen Ministerium für<br />
Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung<br />
wird insbesondere angelastet,<br />
dass es behauptet, in der VHTS<br />
sei die Unterrichtsversorgung fast zu<br />
100% gesichert und die Einstellungssituation<br />
hervorragend, obwohl die<br />
Wirklichkeit an den Grundschulen<br />
des Landes völlig anders aussieht.<br />
Zwar hat das MBWW nach Verhandlungen<br />
mit der <strong>GEW</strong> die Zahl<br />
der Vertretungslehrkräfte (FeuerwehrlehrerInnen)<br />
angehoben und<br />
ihren Stundenansatz den 3/4-BAT-<br />
8 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Im zuständigen Ministerium sehe ich …<br />
… eher Entscheidungen, die basisfern<br />
getroffen werden<br />
… Schönreden und Verschleierung von<br />
tatsächlichen Sachverhalten<br />
44%<br />
52%<br />
… sonstige Angaben 4%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />
LehrerInnen angeglichen (19 Stunden),<br />
doch reicht dies bei weitem<br />
nicht aus, um Unterrichtsausfall<br />
durch Krankheit, Klassenfahrten,<br />
Fortbildung etc. aufzufangen. Die<br />
Vertretungslehrkräfte haben zu viele<br />
Schulen und Klassen zu betreuen<br />
und sind außerdem zu wenige Tage<br />
an einer Schule bzw. in einer Klasse,<br />
sodass sie nicht als Bezugsperson in<br />
der Grundschule arbeiten können.<br />
119 Vertretungskräfte stehen z. Z.<br />
Schulen<br />
für 983 Grundschulen zur Verfügung,<br />
d.h. eine Lehrkraft hat durchschnittlich<br />
15 bis 20 Klassen im Laufe<br />
eines Schuljahres zu betreuen.<br />
Das anspruchsvolle Ziel, Fremdsprachenarbeit<br />
flächendeckend einzuführen,<br />
ist nicht erreicht. Nach wie<br />
vor gibt es viele Schulen, an denen<br />
dieser Unterricht nicht erteilt werden<br />
kann, weil die dafür ausgebildeten<br />
LehrerInnen fehlen.<br />
Übereinstimmend wurde von sehr<br />
vielen KollegInnen (82%) kritisiert,<br />
dass mit der Einführung der VHTS<br />
die Anzahl der Arbeitsgemeinschaften<br />
stark zurück gegangen ist bzw.<br />
überhaupt keine mehr eingerichtet<br />
werden können. Damit wird es den<br />
Schulen sehr erschwert, ein eigenes<br />
Profil durch zusätzliche pädagogische<br />
Angebote zu entwickeln.<br />
Das Gleiche gilt für den Förderunterricht.<br />
Dies geht besonders zu Lasten<br />
der schwächeren SchülerInnen,<br />
die außer durch Differenzierungsangebote<br />
im Klassenverband unbedingt<br />
in Kleingruppen intensiv gefördert<br />
werden müssten.<br />
Sehr positiv wird von drei Viertel<br />
der KollegInnen das „Betreute Frühstück“<br />
als eine sinnvolle pädagogische<br />
Maßnahme bewertet.<br />
Kritisiert wird jedoch die hohen<br />
Anzahl von Klassenarbeiten, dies stehe<br />
im Widerspruch zu den veränderten<br />
Unterrichtsformen.<br />
„Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz erwartet<br />
vom MBWW, dass die von den<br />
KollegInnen vorgetragene Kritik<br />
ernst genommen wird. Die Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft<br />
fordert das Bildungsministerium auf,<br />
gemeinsam Verbesserungen am organisatorischen<br />
und pädagogischen<br />
Konzept zu erarbeiten und umzusetzen.<br />
Hierzu trägt u. a. bei, dass die<br />
LehrerInnen-Versorgung z. B. durch<br />
eine schulische Vertretungsreserve<br />
sichergestellt wird. Mit der ausreichenden<br />
Versorgung steht und fällt<br />
die Volle Halbtagsschule!,“ betonte<br />
der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Tilman<br />
Boehlkau gegenüber der Presse.<br />
red<br />
Kommentar: Optimierung nötig<br />
Es ist bekannt, dass unsere BildungspolitikerInnen<br />
Arbeitstechniken und<br />
-formen der Wirtschaft bewundern und<br />
sie auch in die Bildungsinstitutionen<br />
zu übertragen suchen. Es sei nur an die<br />
Schlagworte der letzten vier Jahre erinnert:<br />
Effizienssteigerung, Leistungsoptimierung<br />
durch Leistungsanreize<br />
(Nasenprämien), lean production (gleiche<br />
Anzahl von LehrerInnen versorgt<br />
wachsende Zahl von SchülerInnen), ergebnisorientierte<br />
Leistungskontrolle<br />
(Mathematiktest) und Total Quality<br />
Management (TQM) auch in den<br />
Schulen.<br />
Warum frönen die Verantwortlichen<br />
im MBWW nicht auch bei der Vollen<br />
Halbtagsschule ihrer Leidenschaft Ver-<br />
fahrensweisen der Wirtschaft auf die<br />
Schule zu übertragen? Mit der VHTS<br />
hat Rheinland-Pfalz bildungspolitisches<br />
Neuland betreten und den „Prototyp“<br />
einer neuen Schulart kreiert. Üblich ist<br />
es in der Wirtschaft Neuentwicklungen<br />
in einen Probelauf zu schicken, um die<br />
gröbsten Mängel schon zu beheben,<br />
bevor das Produkt in Serie geht. Das<br />
geschah bei der VHTS nicht, sie wurde<br />
flächendeckend im Schuljahr 1998/99<br />
aus der Papierform in die Praxis umgesetzt.<br />
Weiter ist es in der Industrie üblich,<br />
nach einer gewissen Laufzeit eine Neuentwicklung<br />
auf den Prüfstand zu stellen,<br />
um sichtbar gewordene Mängel zu<br />
beheben. Das Produkt soll damit „optimiert“<br />
werden. Auch das hat das<br />
Ministerium bisher unterlassen. Wenn<br />
schon industrielle Verfahrensweisen in<br />
die Schule übertragen werden, dann<br />
bitte aber konsequent, auch wenn man<br />
befürchtet, dass notwendige Überprüfungen<br />
nicht die Ergebnisse erbringen<br />
werden, die man erhoffte.<br />
Da das MBWW anscheinend eine<br />
Überprüfung der VHTS scheut, hat<br />
es die <strong>GEW</strong> übernommen, dieses neue<br />
Produkt zu untersuchen. Die Ergebnisse<br />
sind im nebenstehenden Bericht<br />
aufgeführt. Das Ministerium braucht<br />
nur auf die gelieferten Daten zurückzugreifen<br />
und kann die größten Mängel<br />
- zu geringe Zahl von Lehrkräften,<br />
50-Minuten-Berechnungseinheit,<br />
zu wenig Föderstunden, Wegfall<br />
von Arbeitsgemeinschaften- beseitigen.<br />
Wenn 82% der befragten Lehrkräfte<br />
feststellen, dass sich ihre Arbeitssituation<br />
verschlechtert hat und 71% erklären<br />
die Stimmungs-und Motivationlage<br />
sei schlecht, dann wäre das<br />
in der Wirtschaft ein Alarmsignal für<br />
die Führungsetagen, denn jeder Manager<br />
weiß, nur zufriedene MitarbeiterInnen<br />
bringen gute und sehr gute<br />
Leistungen und Engagement über das<br />
geforderte Minimum hinaus.<br />
Es ist keine Schande Fehler bei einer<br />
Neuentwicklung zu entdecken und<br />
einzugestehen. Im Gegenteil, „aus<br />
Schaden wird man klug“. Also Herr<br />
Minister, werden Sie klug und optimieren<br />
sie das Modell Volle Halbtagsschule!<br />
Ursel Karch<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
9
Schulen<br />
Angestellte Teilzeitlehrkräfte wehren sich<br />
Rund 50 LehrerInnen aus Rheinland-Pfalz<br />
mit 3/4-Angestelltenverträgen<br />
forderten auf einer Informationsveranstaltung<br />
der <strong>GEW</strong> in<br />
Mainz einstimmig die Landesregierung<br />
und die Landtagsfraktionen<br />
auf, die Praxis der Zwangsteilzeitbeschäftigung<br />
von neu eingestellten<br />
Lehrkräften sofort zu beenden.<br />
Die TeilnehmerInnen waren einhellig<br />
der Auffassung, dass die Versuche<br />
des Ministeriums, nur einen kleinen<br />
Teil der eingestellten Junglehrerlnnen<br />
auf BeamtInnen-Stellen zu<br />
übernehmen, nicht den erwünsch-<br />
ten Effekt gebracht hat. Diese Maßnahme<br />
habe vielmehr zu einer großen<br />
Ungleichbehandlung und zu<br />
Missstimmung unter den jungen<br />
KollegInnen an den Schulen geführt.<br />
So hätten einige neu Eingestellte BeamtInnen-Stellen<br />
erhalten, während<br />
andere, die schon länger im Schuldienst<br />
sind, immer noch mit<br />
3/4-BAT-Verträgen arbeiten müssen.<br />
„Die <strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz unterstützt<br />
die berechtigten Forderungen<br />
der jungen KollegInnen. Für die<br />
Zwangsteilzeitverträge gibt es heute<br />
keine sachliche Begründung mehr!“,<br />
stellte Tilman Boehlkau, fest. In<br />
Rheinland-Pfalz<br />
herrsche nachweislich<br />
in einigen<br />
Schularten,<br />
Fächern und<br />
Regionen LehrerInnen-Mangel,<br />
der nur durch<br />
attraktive Beschäftigungsverhältnisse<br />
und<br />
die Vergabe von<br />
vollen BeamtInnen-Planstellen<br />
beseitigt werden<br />
könne.<br />
„Die massive<br />
Abwanderung zu Beginn des neuen<br />
Schuljahres in benachbarte Bundesländer,<br />
die volle BeamtInnen-Stellen<br />
anbieten, hätte durch eine vernünftige<br />
Beschäftigungspolitik vermieden<br />
werden können.“, sagte Boehlkau.<br />
Die <strong>GEW</strong> habe bereits im Frühjahr<br />
die Landesregierung und das<br />
MBWW eindringlich gewarnt und<br />
aufgefordert, zur Sicherung der Unterrichtsversorgung<br />
den Zwangsteilzeitbeschäftigten<br />
- zumindest in einem<br />
Stufenplan - volle Stellen anzubieten.<br />
„Dies würde den Landeshaushalt<br />
auch nicht überproportional<br />
belasten und die Einstellungschancen<br />
weiterer junger KollegInnen<br />
nicht schmälern, da eine Vielzahl<br />
derzeitig Beschäftigter freiwillig auf<br />
einen Teil ihres Deputates verzichten<br />
würde, wenn sie BeamtInnen-<br />
Stellen erhielten.“, so der <strong>GEW</strong> Landesvorsitzende.<br />
Die TeilnehmerInnen der <strong>GEW</strong>-Informationsveranstaltung<br />
forderten<br />
die Landesregierung auf, die Beschäftigungspolitik<br />
in Rheinland-Pfalz<br />
umgehend zu ändern, um die Abwanderung<br />
in andere Bundesländer<br />
zu verhindern und die Ungleichbehandlung<br />
der Anstellungsbedingungen<br />
zu beenden.<br />
<strong>GEW</strong>-Presseinfo<br />
Neue Schulordnung für Sonderschulen<br />
Zum 01. August 2000 ist eine Neufassung<br />
der Schulordnung für Sonderschulen<br />
in Kraft getreten. Erforderlich<br />
war diese Neufassung insbesondere<br />
aus folgenden Gründen:<br />
• Änderung des Schulgesetzes mit<br />
Stärkung der Elternrechte;<br />
• Änderung der übergreifenden<br />
Schulordnung mit der Möglichkeit<br />
der Versetzung von Schülerinnen<br />
und Schülern auf Grund einer Nachprüfung;<br />
• Neufassung der Empfehlungen zur<br />
sonderpädagogischen Förderung in<br />
den Schulen der Bundesrepublik<br />
Deutschland (Beschluss der KMK<br />
vom Mai 1994).<br />
Geändert wurde auch die Systema-<br />
tik der Sonderschulordnung, wobei<br />
sich der erste Abschnitt nun den<br />
Schülerinnen und Schülern und der<br />
Schule widmet und nicht mehr das<br />
Aufnahmeverfahren an den Anfang<br />
stellt. Dieses nimmt jedoch nach wie<br />
vor eine zentrale Stellung in der Sonderschulordnung<br />
ein, zumal in diesem<br />
Bereich auch die neuen Bezeichnungen<br />
der Sonderschulen festgelegt<br />
wurden (§ 13), wobei die insbesondere<br />
die Überlegungen in der KMK<br />
und die neuere sonderpädagogische<br />
Wissenschaft berücksichtigt wurde.<br />
In der Diskussion um die Neufassung<br />
fand die Abkehr vom Begriff<br />
der Behinderung und die positive<br />
Beschreibung des Förderansatzes<br />
Zustimmung. Dass der Begriff „Sonderschule“<br />
noch nicht durch die Bezeichnung<br />
„Förderschule“ abgelöst<br />
wurde, ist darauf zurück zu führen,<br />
dass dazu eine Änderung des Schulgesetzes<br />
erforderlich ist. Abschließend<br />
sei angemerkt, dass der Begriff<br />
„Behinderung“ gänzlich aus der Verordnung<br />
verschwunden ist und<br />
durch den Begriff „Beeinträchtigung“<br />
ersetzt wurde.<br />
Die <strong>GEW</strong> hat einen Sonderdruck<br />
dieser Schulordnung herausgegeben,<br />
der den Mitgliedern kostenlos,<br />
Nichtmitgliedern zum Preis von 2,50<br />
DM zur Verfügung gestellt wird.<br />
Anforderungen sind an die Geschäftsstelle<br />
in Mainz zu richten.<br />
Klaus Bundrück<br />
10 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Einmaleins der Statistik<br />
Oder: Warum amtliche Statistik und Wirklichkeit nie übereinstimmen<br />
Schulen<br />
Alle Jahre wieder die gleiche Prozedur: Der Minister lässt in den<br />
Schulen die Unterrichtsversorgung errechnen und freut sich, wieder<br />
einmal den Erfolg seiner großen Bemühungen bestätigt zu sehen.<br />
Dann die Blitzumfrage der <strong>GEW</strong> und schwupps, schon wird<br />
energisch widersprochen. Das kann aber doch gar nicht sein. Kinder<br />
sind ein Faktum, das man zählen kann, da gibt’s doch nichts<br />
zu „manipulieren“ (welch’ böses Wort). Aber auch Lehrerwochenstunden<br />
sind entweder vorhanden - dann kann man sie auch zählen<br />
- oder sie sind eben nicht vorhanden - dann gibt’s auch nichts<br />
zu zählen. Aber wie z.B. die Landtagsdrucksache Nr. 13/5868 belegt,<br />
erhalten nicht mal MdL auf ihre diesbezüglichen Fragen eine<br />
klärende Antwort, da der Minister mal wieder haarscharf an der<br />
gestellten Frage vorbei antwortet.<br />
Daher soll im folgenden endlich einmal dieses Mirakel erklärt<br />
werden!<br />
Nehmen wir einmal an eine Grundschule hat 297 SchülerInnen<br />
in 12 Klassen. Gemäß ministerieller Vorgabe sollte die Schule folgende<br />
Lehrerwochenstunden (LWStd.) erhalten:<br />
a) Kl. 1+2 156 x 0,38 = 59,28 LWStd. + 6 Klassen x 13 = 78 LWStd. => 137 LWStd.<br />
b) Kl. 3+4 141 x 0,38 = 53,58 LWStd. + 6 Klassen x 18 = 108 LWStd. => 162 LWStd.<br />
Basisversorgung (Stunden-Soll) 299 LWStd.<br />
Mit diesen Stunden muss die Schule zunächst planen. Das heißt:<br />
Keine weitere Zuweisung von Stunden für Differenzierungen (z.B.<br />
bei Religion); keine weitere Zuweisung von Stunden zur Durchführung<br />
von Arbeitsgemeinschaften. Dies muss „planerisch“ erwirtschaftet<br />
werden.<br />
c) für Massnahmen der Integrierten Förderung erhält die Schule 15 LWStd.<br />
Die 25 Stunden der Kollegin in EZU werden kurz nach Unterrichtsbeginn<br />
mit einem Vertretungsvertrag von 19 LWStd. ersetzt.<br />
Bei Skatspielern gilt der Spruch: Wer schreibt, der bleibt! Und ich<br />
dachte immer, hier ginge es um Schule! Frage: Welche Zahl erscheint<br />
in der offiziellen Statistik????<br />
Den ersten Preis bei den Berechnungsvarianten hat sich aber das<br />
MBWW verdient. Dort berechnet man wie folgt:<br />
Die sogenannte Basisversorgung (Stunden-Soll) errechnet sich aus<br />
der Addition des Pflichtstundenansatzes der jeweiligen Klassenstufen!<br />
Also: 6 Klassen à 19 Stunden = 114 Std.<br />
6 Klassen à 24 Stunden = 144 Std.<br />
dazu 12 x 0,5 Std. Betr. Frühstück (!) = 6 Std.<br />
—————————<br />
264 Std. (Stunden-Soll)<br />
Stellt man diese Zahl den Berechnungen der o.a. Tabelle gegenüber<br />
ergibt sich:<br />
„Variante Schule“ Stunden-Soll: 264<br />
Stunden-Ist: 265<br />
also:<br />
1 Stunde Überversorgung!!<br />
„Variante Schulaufsicht“ Stunden-Soll: 264<br />
Stunden-Ist: 311<br />
also:<br />
47 Stunden Überversorgung!!<br />
Wenn da mal bloß keine LehrerInnen „abgezogen“ werden!<br />
jöpf<br />
Dies ergäbe einen Bedarf von 314 LWStd.<br />
Berechnung:<br />
An der Schule sind derzeit 16 Lehrkräfte tätig. Eine Kollegin ist<br />
seit einem Jahr im Erziehungsurlaub (EZU); eine Kollegin geht 3<br />
Wochen nach Unterrichtsbeginn in Mutterschutz(MU). Also verfügt<br />
die Schule über folgende Versorgung:<br />
Die Schule<br />
rechnet:<br />
Die Schulaufsicht<br />
rechnet:<br />
13 KollegInnen erbringen insgesamt: 264 LWStd. 264 LWStd.<br />
Kollegin B. MU ab 01.09.00 25 LWStd 25 LWStd<br />
Kollegin F. EZU seit 07.03.1998 0 LWStd 25 LWStd.<br />
der Förderlehrer (laut Anweisung der<br />
ADD nicht mitzuzählen!) ( 15 LWStd.) 15 LWStd.<br />
abzügl. Anrechnungsstunden<br />
(z.B. Schulleitung; Personalrat; usw.) ./. 18 LWStd. ./. 18 LWStd.<br />
abzüglich „Betreutes Frühstück“ ./. 6 LWStd 0 LWStd.<br />
Versorgung Bedarf: 34 LWStd. Bedarf: 3 LWStd.<br />
./. 11,4 % ./. 0,9 %<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
11
Schulen<br />
„Pannen bei Stellenbesetzung“: Klappe, die x-te<br />
Diese Geschichte entspricht leider voll<br />
und ganz der Wahrheit, hat sich erst<br />
vor einigen Wochen zugetragen und<br />
dürfte absolut kein Einzelfall sein....<br />
Als Beate A. ihr Examen als Grundschullehrerin<br />
in der Tasche hatte, stellte<br />
sich heraus, dass es zwar gut, aber<br />
niemals gut genug für eine Planstelle<br />
wäre. Und die studierten Fächer, die<br />
zwar für die Grundschule am wichtigsten<br />
sind, nicht aber für die Warteliste,<br />
auf der bekanntlich nur die ultimativ<br />
wichtigen Fächer zum Lesen- und<br />
Schreibenlernen wie Musik und Religion<br />
ganz oben landen, halfen auch<br />
nicht weiter.<br />
Immerhin gab’s gleich zu Beginn eine<br />
halbe Vertretungsstelle an einer Brennpunktschule<br />
bis Ostern. Danach folgten<br />
weitere Schwangerschaftsvertretungen<br />
und Ersatzbesetzungen, insgesamt<br />
fünf Jahre lang, ‘mal halbe, ‘mal 3/4-<br />
Stellen. Beates Notenschnitt war mittlerweile<br />
beachtlich gen Null gerutscht,<br />
aber das kümmerte nun wirklich niemanden<br />
mehr. Im Sommer 2000 verabschiedete<br />
sie schließlich ihre erste<br />
Klasse in der Hoffnung, irgendwie einen<br />
Anschlussvertrag zu bekommen.<br />
Hatte nicht ‚mal der Schulrat irgendwann<br />
eine dringend gewünschte Versetzung<br />
abgelehnt, weil die Kollegin<br />
dann ein erstes Schuljahr „im Stich gelassen“<br />
hätte? Das müsste für sie jetzt<br />
doch auch gelten. Glücklicherweise ging<br />
eine Kollegin Beates in Mutterschutz,<br />
so dass sie wenigstens für deren volle<br />
Stelle vierzehn Wochen 3/4-Stelle angeboten<br />
bekam, obendrein in ihrer alten<br />
Klasse und mit der Hoffnung, die<br />
Kollegin möge<br />
ausgiebig dem<br />
Erziehungsurlaub<br />
frönen.<br />
Nach zwei Wochen<br />
Schulzeit<br />
blinkte der Anrufbeantworter,<br />
und ein hoher<br />
Herr aus Trier<br />
bat um Rückruf.<br />
Beate wurde eine<br />
Feuerwehrstelle<br />
angeboten.<br />
„Aber ich hab’<br />
doch schon eine Klasse!“, gab sie zu bedenken.<br />
Der Trierer warf Schweres in<br />
die Waagschale: Nach fünf Jahren Vertretungsjobs<br />
könne sich Beates Schnitt<br />
nicht mehr verbessern, es sei denn, sie<br />
nehme die Feuerwehrstelle, da könne<br />
er ihr „0,5“ bieten.<br />
Eine feste Stelle nach dem Jahr, wenn<br />
Beate schon ihre Klasse und das relativ<br />
überschaubare Leben an der derzeitigen<br />
Schule aufgäbe, könne er aber nicht<br />
zusichern. Beates Freund meinte<br />
abends, als sie bereits abgelehnt hatte,<br />
sie hätte doch ‚mal pokern sollen:<br />
„Wenn sie mir 0,8 für das Jahr bieten,<br />
können sie mich haben“ - oder so ähnlich.<br />
Schade, Chance verpasst!<br />
Dass aber eine zweite Chance kommen<br />
sollte, erstaunte Beate dann doch:<br />
Schon zehn Tage später rief der Trierer<br />
Lehrerinnenfreund erneut an und bot<br />
eine weitere Feuerwehrstelle an. „Aber<br />
sie haben mich doch schon ‚mal angerufen!“,<br />
erstaunte sich Beate. „Ach ja?<br />
Oh....!“ kam die Reaktion vom anderen<br />
Ende des Kabels. „Na ja, aber das<br />
ist ja jetzt auch eine andere Stelle“, rettete<br />
der Anbieter die Situation. Beate<br />
schilderte ihm nochmals, dass sie eigentlich<br />
kein Interesse daran habe, für eine<br />
halbe Note Verbesserung, die ihr ohnehin<br />
nicht helfen würde, ihre Klasse<br />
aufzugeben und durch die Gegend zu<br />
tingeln und nach einem Jahr so oder so<br />
wieder keinen sicheren Job zu haben.<br />
Inzwischen hatte sie sich zur geübten<br />
Zockerin gemausert und berichtete ihrem<br />
Kollegium am nächsten Tag strahlend,<br />
sie sei jetzt Feuerwehrlehrerin mit<br />
voller Stelle: 19 Stunden fest in ihrer<br />
Klasse, lediglich für den Rest und nur<br />
an einem Wochentag müsse sie sich im<br />
Bedarfsfall auf Reisen machen. Und<br />
ihre „0,5“ seien zusätzlich auch gesichert.<br />
Da stellte sich dann die Frage, so angenehm<br />
das Arrangement für Beate auch<br />
ausgegangen war, wer noch davon profitierte:<br />
Etwa die Schulräte, denen haufenweise<br />
die LehrerInnen abwanderten,<br />
weil die Nachbarländer volle und unbefristete<br />
Stellen en gros anzubieten<br />
hatten? Oder die ADD, die sich im<br />
Zugzwang befand, weil der Minister<br />
bereits seine statistischen Zahlen herausgegeben<br />
hatte, die nun auch wenigstens<br />
annähernd erreicht werden sollten?<br />
Da passte es ja ‚mal gar nicht ins<br />
Bild, wenn allein in Rheinhessen-Pfalz<br />
noch zwei Wochen nach Schulbeginn<br />
eine stattliche Zahl Feuerwehrstellen<br />
(von den Mini-Vetretungen ganz zu<br />
schweigen!) nicht besetzt werden konnten.<br />
Oder ging es der ADD schlicht<br />
darum, mit möglichst angenehmen Verträgen<br />
Prozesse zu vermeiden? Immerhin<br />
hatte man ja in einigen Bereichen<br />
dermaßen geschludert, dass ein Schreiben<br />
vom Juni 2000 erst Mitte August<br />
in vielen Schulen eintrudelte: Wer neuerdings<br />
beim Arbeitgeber nicht vor<br />
Dienstantritt unterschreibt, dass ihm/<br />
ihr bewusst ist, dass er/sie eine befristete<br />
Stelle antritt, kann auf Dauerbeschäftigung<br />
pochen, und ebendies wäre<br />
einigen LehrerInnen möglich gewesen,<br />
die nun auf schnittverbessernden und<br />
sowieso zeitlich limitierten Feuerwehrstellen<br />
ein weiteres Jahr Schuldienst abreißen.<br />
Und Beate A.? Trotz des „geretteten“<br />
Jahres schickte sie dieser Tage ihre Bewerbungsunterlagen<br />
nach Hessen und<br />
Baden-Württemberg. Eigentlich hatte<br />
sie gehofft, nach fünf Jahren mit Anfang<br />
dreißig endlich eine feste Stelle im<br />
heimatlichen Bundesland zu bekommen,<br />
um privat einiges in Angriff zu<br />
nehmen, so Nebensächlichkeiten wie<br />
Hauskauf und Familie. Aber bei der<br />
unsicheren Situation? Dein Arbeitgeber,<br />
das beste Verhütungsmittel!<br />
(tje)<br />
12 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
„Nun regt euch mal wieder ab!“<br />
Argumentationshilfe zum Thema Ökosteuer<br />
Seitdem der Benzinpreis die Marke<br />
von zwei Mark pro Liter überschritten<br />
hat, schlagen die Wellen hoch<br />
und wird insbesondere die Ökosteuer<br />
als böser Bube benannt, den es<br />
zu kippen gelte, sei es, indem man<br />
diese Steuer ganz abschafft oder wenigstens<br />
zeitweise aussetzt. Dabei<br />
gehen in der öffentlichen Debatte<br />
doch oft ein paar Dinge durcheinander.<br />
Zunächst sollte sich herumgesprochen<br />
haben, dass die aktuelle Benzinpreisentwicklung<br />
nur recht nachrangig<br />
durch die Ökosteuer bestimmt<br />
wird: Der Rohölpreis ist binnen<br />
Jahresfrist dramatisch gestiegen<br />
und verursacht wohl den größten<br />
Brocken beim Preisanstieg. Nun hatten<br />
wir in diesem Bereich schon<br />
1973 und 1979/80 dramatische<br />
Preisanstiege, und bei der Gestalt des<br />
Ölmarktes sind solche sprunghaften<br />
Entwicklungen nicht unverständlich.<br />
Nachdem etwa 20 Jahre lang der<br />
Ölpreis gesunken ist, ist der aktuelle<br />
Preissprung längerfristig zu relativieren.<br />
Jedenfalls wäre es töricht anzunehmen,<br />
dass ein knapper werdender<br />
Energieträger auch zukünftig<br />
immer billiger werden könnte.<br />
Eine weitere preistreibende Komponente<br />
ist der schlechte Außenwert<br />
des Euro. Da der Ölmarkt weitgehend<br />
in Dollar abgewickelt wird,<br />
schlägt der niedrige Wechselkurs direkt<br />
durch. Dies dürfte allerdings ein<br />
eher vorübergehendes Phänomen<br />
sein. Die Spitze ist wahrscheinlich<br />
schon überschritten, und mittelfristig<br />
rechen Währungsexperten überwiegend<br />
mit etwas günstigeren Euro-<br />
Kursen.<br />
Bleibt schließlich die Ökosteuer: Die<br />
dort festgelegten Jahresraten von<br />
0,06 Mark/Liter erhöhen sich unter<br />
Einschluss der Mehrwertsteuer auf<br />
rund 0,07 Mark. Bei einem mittleren<br />
PKW macht dies etwa 0,50 Mark<br />
je 100 km aus; bei einer durchschnittlichen<br />
Autonutzung kommen<br />
dabei pro Monat Mehrbelastungen<br />
in Höhe von fünf Mark heraus. Dies<br />
ist für sich genommen nicht so gewaltig<br />
- es entspricht etwa den Kosten<br />
von einer Schachtel Zigaretten<br />
oder einem Bier in der Kneipe.<br />
Allerdings wird die Ökosteuer nicht<br />
nur einmal in der beschriebenen<br />
Höhe erhoben, sondern jährlich um<br />
diesen Betrag erhöht. Über einen<br />
Zeitraum von vier Jahren, als einer<br />
Legislaturperiode, ergibt sich aus vier<br />
Raten der Ökosteuer eine Erhöhung<br />
der Treibstoffkosten um etwa zwei<br />
Mark je 100 Km. Auch dies ist gegenüber<br />
den Gesamtkosten der Autonutzung<br />
nachrangig: die variablen<br />
Kosten (je gefahrenen Kilometer)<br />
belaufen sich auf etwa 20 bis 60<br />
Mark je 100 km, die Vollkosten (unter<br />
Einschluss der Fahrzeugabschreibung)<br />
auf etwa 50 bis 200 Mark je<br />
100 km. Trotzdem wird deutlich,<br />
dass die Ökosteuer auf Dauer spürbar<br />
wird. Um diese zusätzliche Belastung<br />
zu vermeiden, reicht es allerdings<br />
aus, nach vier Jahren - was eine<br />
Schulen<br />
übliche Haltedauer für einen PKW<br />
darstellt - auf ein Fahrzeug umzusteigen,<br />
das pro 100 km einen Liter weniger<br />
verbraucht als das vorherige.<br />
Bei dem gegenwärtigen Durchschnittsverbrauch<br />
je PKW und dem<br />
technischen Potenzial, Autos mit viel<br />
niedrigerem Verbrauch zu bauen,<br />
kann ein Übergang zu verbrauchsärmeren<br />
Modellen in der Regel noch<br />
sehr lange Zeit die Ökosteuer kompensieren.<br />
Entsprechende Fahrzeugmodelle<br />
mit deutlich unterdurchschnittlichen<br />
Verbräuchen werden<br />
im Markt angeboten; bei steigender<br />
Nachfrage dürfte zudem die Bereitschaft<br />
der Autoindustrie steigen,<br />
noch sparsamere Modelle zu entwikkeln.<br />
Insgesamt muss man die Wirkung<br />
der Ökosteuer auf den Benzinpreis<br />
also als eine eher milde Anregung<br />
zum Spritsparen einstufen. Allerdings<br />
ist zu fragen, ob besondere<br />
Gruppen in der Bevölkerung vielleicht<br />
unzumutbar betroffen werden.<br />
Häufig herausgestellt werden Berufspendler,<br />
die (insbesondere im ländlichen<br />
Raum) auf das Auto angewiesen<br />
sind; auch hier ist insgesamt das<br />
Problem eher beschränkt, da der Verkehr<br />
von der und zur Arbeitsstelle<br />
nur 20 Prozent des PKW-Verkehrs<br />
ausmacht. Für die Berufspendler<br />
wird die Lage zudem dadurch entspannt,<br />
dass bei der Absetzbarkeit der<br />
Kosten für den Arbeitsweg nicht die<br />
niedrigen Grenzkosten eines kleinen<br />
Wagens zugrunde gelegt werden.<br />
Nun soll allerdings nicht grundsätzlich<br />
ausgeschlossen werden, dass andere<br />
Gruppen besonders belastet<br />
werden. Man denke z.B. an allein<br />
erziehende Mütter, die häufig bei<br />
geringem Einkommen komplizierte<br />
Zeit- und Wegeprogramme absolvieren<br />
müssen. Auch hier ist die absolute<br />
Höhe der Belastung in aller Regel<br />
nicht sehr bedeutend. Hier könnte<br />
die Politik, soweit dies aus sozialen<br />
Gründen erforderlich scheint,<br />
aber durch gezielte Förderung der<br />
betroffenen Familien besser entgegensteuern,<br />
etwa im Zuge der Kindergeldgestaltung,<br />
als dadurch, dass<br />
für alle Autofahren verbilligt wird.<br />
Karl Otto Schallaböck,<br />
Verkehrsexperte des Wuppertal-Instituts<br />
für Klima, Umwelt, Energie.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
13
Bildungspolitik: Kommentar<br />
Die Schule von morgen<br />
- Von Paul Schwarz -<br />
Ist Van Gogh ein Stürmer der holländischen<br />
Nationalmannschaft? Wann<br />
malte Mozart den Faust? Beklagt wird<br />
in Untersuchungen von Massenblättern<br />
immer wieder das fehlende Allgemeinwissen<br />
unserer SchülerInnen und suggeriert<br />
wird dort, es ginge ausschließlich<br />
um Wissensbestände, die man abklappern<br />
müsse. Natürlich ist Wissen<br />
nicht belanglos, aber was bringt es,<br />
wenn junge Leute wissen, wer die<br />
„Brandenburgischen Konzerte“ komponiert<br />
hat oder wie die beiden Grenzflüsse<br />
zwischen Polen und Deutschland<br />
heißen? Das ist Kreuzworträtselwissen<br />
und bedeutet wenig, wenn das Mädchen<br />
oder der Junge mit den auswendig<br />
gelernten Fakten nichts anzufangen<br />
und sie nicht einzuordnen weiß.<br />
Es ist doch heute wichtiger zu wissen,<br />
wo man diese Informationen, so man<br />
sie braucht, nachschlagen oder <strong>downloaden</strong><br />
kann. Es ist freilich nicht so entscheidend,<br />
was man lernt, sondern wie<br />
man lernt, lautet ein Hauptergebnis<br />
von TIMSS. Denn diese internationale<br />
Vergleichsstudie belegt, dass amerikanische<br />
Lehrkräfte zwar mehr Zeit für<br />
die Stoffvermittlung verwenden, sie<br />
aber dazu neigen, das mechanische Auswendiglernen<br />
zu favorisieren. Lehrerinnen<br />
und Lehrer in Singapur und Japan<br />
dagegen bevorzugen die Selbsttätigkeit<br />
ihrer Zöglinge und fördern deren<br />
Problemlösungsstrategien. Statt zu<br />
drillen setzen sie auf Lernkonzepte.<br />
„Die Ansprüche an das heutige Lernen<br />
ergeben sich“, so Prof. Franz Weinert<br />
vom Max-Planck-Institut in München,<br />
„aber nicht nur aus der gegenwärtigen<br />
Situation, sondern vor allem aus den<br />
künftigen Anforderungen an die Erkenntnis-<br />
und Handlungskompetenzen<br />
der nachwachsenden Generation.“ Ein<br />
neues Konzept von Allgemeinbildung<br />
müsse darin bestehen, so schlägt Wolfgang<br />
Klafki vor, dass wir den Unterricht<br />
mehr auf „epochaltypische Schlüsselprobleme“<br />
ausrichten. Schule müsse<br />
Themen behandeln wie z.B. Krieg und<br />
Frieden, Umweltschutz, die Weltenergie-<br />
und Welternährungslage, die Ungleichheit<br />
zwischen Männern und<br />
Frauen oder die Chancen und Gefahren<br />
der technisch-industriellen Entwicklung.<br />
Solche Themen aufzugreifen,<br />
geht natürlich nicht in der bisherigen<br />
Abschottung der Fächer gegeneinander.<br />
Der traditionelle<br />
Unterricht wird sich<br />
verändern müssen<br />
Lernen hieß bisher immer eintrichtern,<br />
vorsagen und nachsprechen, vorschreiben<br />
und abschreiben. „Die Reproduktion<br />
des Vorgegebenen wird wahrscheinlich<br />
noch immer häufiger erwartet als<br />
das Schaffen von Lernarrangements, in<br />
denen eigenständig nachgespürt und<br />
entdeckt werden kann“, meint der Reformpädagoge<br />
Otto Herz. Schule, so der<br />
Erziehungswissenschaftler Peter Struck,<br />
zeige leider eine starke Tendenz zurück<br />
in Richtung, Buch, Tafel und Belehrung,<br />
bei der Fächer in Stundentakten<br />
unterrichtet werden und die Schüler<br />
frontal vor der Lehrkraft sitzen und<br />
zuhören. Wissen werde überwiegend<br />
verbal nach dem Vorbild des Nürnberger<br />
Trichters vermittelt, später wieder<br />
abgefragt und dann per Noten bewertet.<br />
„Unterricht“, persifliert Heinz<br />
Klippert, „ist wie Nahrungsaufnahme,<br />
es wird serviert, geschluckt, verdaut und<br />
vergessen.“<br />
Die Lernopportunisten, die lernen, was<br />
vorgekaut wird, sind out, angepasste<br />
Lerner immer weniger gefragt. Heute<br />
werden Menschen mit vielseitigen Qualifikationen<br />
gebraucht. Diese Auffassung<br />
teilt auch die sog. „Wissens- und<br />
Bildungsdelphi“, eine vom Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung<br />
1997 initiierte Umfrage bei Experten<br />
aus Wirtschaft und Wissenschaft über<br />
Potentiale und Dimension der Wissensgesellschaft.<br />
Das eindeutige Ergebnis<br />
dieser Studie: Lernarrangements und<br />
Lernmethoden im deutschen Bildungssystem<br />
müssen reformiert werden. Gefördert<br />
werden sollen insbesondere projektbezogenes<br />
Lernen, selbstgesteuerte<br />
Lernformen und psychosoziale Kompetenzen<br />
wie Kommunikation- und<br />
Teamfähigkeit.<br />
Im Zuge des allgemein propagierten<br />
Übergangs von der Informations- zur<br />
Wissensgesellschaft, in der Wissen nicht<br />
nur immer vielfältiger wird, sondern<br />
auch mit zunehmendem Tempo veraltet,<br />
wird immer öfter auf die Bedeutung<br />
der Kooperationsfähigkeit verwiesen,<br />
die es Individuen ermöglicht, gemeinsam<br />
Probleme zu lösen, Informationen<br />
auszutauschen und anhand dieser<br />
gezielten Informationen gemeinsame<br />
Wissensstrukturen aufzubauen.<br />
Kooperation beim Erwerb und beim<br />
Umgang mit Wissen soll demnach<br />
nicht erst im Berufsleben realisiert, sondern<br />
bereits in der Schule und Hochschule<br />
sowie der beruflichen Aus-, Fortund<br />
Weiterbildung vermittelt werden.<br />
Die neue Lernkultur:<br />
Das eigenverantwortliche<br />
Arbeiten der<br />
SchülerInnen<br />
Aus den bereits genannten Gründen<br />
brauchen wir eine Lernkultur, die sehr<br />
viel stärker als bisher auf eigenverantwortliches<br />
Arbeiten der SchülerInnen<br />
abstellt. Der Unterricht muss möglichst<br />
häufig so gestaltet werden, dass die<br />
SchülerInnen gefordert sind, sich Informationen<br />
selbst zu beschaffen, diese<br />
intensiv zu bearbeiten und zu verarbeiten,<br />
fachliche Probleme zu lösen,<br />
wichtige Arbeits- und Lerntechniken<br />
anzuwenden, im Team zu arbeiten, das<br />
eigene Lernen zu organisieren, Vorträge<br />
zu halten, Ergebnisse zu visualisieren<br />
und zu präsentieren usw. Die Lehrkräfte<br />
werden natürlich auch künftig<br />
hin und wieder Inhalte darbieten, dozierend<br />
in ein Sachgebiete einführen<br />
und Versuche zeigen. Nur sollte das in<br />
deutlich geringerem Umfang geschehen<br />
als bisher.<br />
Schulen sollen ihre SchülerInnen dazu<br />
befähigen, sich in der Welt von heute<br />
zurechtzufinden. Dazu brauchen sie<br />
„intelligentes Wissen“. Für Weinert ist<br />
dies kein träges Wissen, „mit der Lernsituation<br />
verlötete, eingekapselte, nur<br />
mechanisch anwendbare Kenntnisse“,<br />
sondern ein „sinnvoll geordnetes, untereinander<br />
und mit vielen Anwendungssituationen<br />
vernetztes, flexibel<br />
nutzbares und situativ leicht anpassungsfähiges<br />
Wissen und Können.“<br />
Dafür brauchen wir neue Lernformen.<br />
14 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Bildungspolitik: Kommentar<br />
Neue Lernformen sind auch deshalb geboten,<br />
weil die Rezeptionsbereitschaft<br />
und -fähigkeit der Schüler unter dem<br />
Einfluss des alltäglichen Medienkonsums<br />
und der sich ausbreitenden egozentrisch-hedonistischen<br />
Lebensweise<br />
eklatant nachgelassen hat, so dass der<br />
traditionell lehrerzentrierte, darbietende<br />
Unterricht mit seiner traditionellen<br />
Vermittlungstechnik mehr und mehr<br />
zum Scheitern verurteilt ist. Wenn der<br />
traditionelle Lernkanal (hören, pauken,<br />
wiedergeben) verstopft ist, wird es<br />
zunehmend schwieriger, Kinder und<br />
Jugendliche fürs schulische Lernen zu<br />
motivieren. Gravierende Lern-, Leistungs-<br />
und Motivationsprobleme sind<br />
allenthalben festzustellen, nicht nur bei<br />
den SchülerInnen. Eine gymnasiale<br />
Schulleiterin: „Ich habe meine Ausbildung<br />
in den 60er Jahren gemacht und<br />
unterrichte Schüler, die ihre Ausbildung<br />
im 21. Jahrhundert abgeschlossen<br />
haben werden.“ Neue Lernformen<br />
bieten auch die Chance, dass der hochgradigen<br />
Belastung und Überlastung<br />
vieler Lehrkräfte im Unterricht erfolgreich<br />
entgegengewirkt werden kann,<br />
und zwar durch die Kultivierung kooperativer<br />
und schüleraktiver Arbeitsformen,<br />
gepaart mit konsequentem Methoden-,<br />
Kommunikations- und Teamtraining<br />
im Klassenverband. So erklärt<br />
sich auch die augenblicklich starke<br />
Nachfrage nach Qualifizierung in Sachen<br />
Methoden und Kommunikation.<br />
Dreh- und Angelpunkt der angestrebten<br />
neuen Lernkultur ist das eigenverantwortliche<br />
Arbeiten und Lernen der<br />
SchülerInnen. In einem Unterricht, in<br />
dem vorwiegend die Lehrkraft exzerpiert,<br />
strukturiert, interpretiert, analysiert,<br />
argumentiert, fragt, kontrolliert,<br />
kritisiert, organisiert, Probleme löst und<br />
in sonstiger Weise das Lernen managt<br />
und dominiert, können die SchülerInnen<br />
diese Qualifikationen naturgemäß<br />
nur schwer erwerben. Wie sollen SchülerInnen<br />
Kommunikation erlernen,<br />
wenn im Unterricht die Lehrkraft ausschließlich<br />
redet, wie SchülerInnen Planung<br />
und Organisation erlernen, wenn<br />
es nichts zu planen gibt, weil die Lehrkraft<br />
alles alleine macht? Organisations-<br />
und Planungskompetenz der<br />
Schülerinnen und Schüler werden in<br />
einem lehrerzentrierten Unterricht<br />
nicht erreicht. Dafür die LehrerInnen<br />
zu schelten, ist falsch, denn sie tun nur<br />
das, was sie an der Hochschule gelernt<br />
haben: dozentenhaft zu lehren und<br />
Wissen zu vermitteln anstatt zu moderieren<br />
und eigenverantwortliche<br />
Lernprozesse der Schüler anzuregen Es<br />
geht um neue Arbeits- und Kooperationsformen,<br />
nicht gegen Fachunterricht<br />
und den Stoff, sondern gegen Pauken<br />
für das Kurzzeitgedächtnis, gegen ein<br />
verengtes Lern- und Bildungsverständnis,<br />
das nur das Wiederkäuen von<br />
Buchseiten, Tafelanschrieb und Merksätzen<br />
fördert, aber nicht den mitdenkenden,<br />
selbständigen und kooperativen<br />
Schüler. Deshalb brauchen wir<br />
begleitend zur neuen Lernkultur in<br />
unseren Schulen eine veränderte LehrerInnenaus-<br />
und -fortbildung, ein<br />
Unterstützungs- und Beratungssystem<br />
für die Lehrerinnen und Lehrer, weniger<br />
Belehrungskultur von vorne und<br />
von oben statt dessen mehr Training<br />
von Skills in Teams.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
15
Bildungspolitik<br />
Menschenbildung neu gedacht<br />
Auf dem Weg zu einer Schule der emotionalen Bildung<br />
- Von Rolf Arnold -<br />
„Dein Inneres funktioniert wie ein Projektor.<br />
Die anderen werden zur Leinwand, auf der du<br />
Filme siehst, die in Wirklichkeit deine eigenen sind“<br />
(Osho 2000, S. 81)<br />
Wenn es - wie die bildungs- und<br />
curriculumtheoretischen Begründungen<br />
übereinstimmend fordern -<br />
die Aufgabe von Bildung und Erziehung<br />
ist, die Menschen auf spätere<br />
Lebens- und Verwendungssituationen<br />
vorzubereiten, dann stellt sich<br />
die Frage, ob und inwieweit dazu<br />
nicht heute auch eine antizipatorische<br />
emotionale Bildung bzw.<br />
Selbstreflexion zählen muss. Längst<br />
schon haben sich auch die neueren<br />
psychotherapeutischen Ansätze aus<br />
der Marginalität „klinischer“ Behandlungsfälle<br />
befreit und sich als<br />
vielfach hilfreiche Strategien zur<br />
Befreiung aus den Verstrickungen<br />
und Projektionen eines unbewussten<br />
Lebens und zur Entwicklung einer<br />
emotionalen Kompetenz erwiesen.<br />
In der Regel sind drei Fähigkeiten<br />
gemeint, wenn in der neueren pädagogischen<br />
Literatur von emotionaler<br />
Kompetenz gesprochen wird:<br />
„Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle<br />
zu verstehen, die Fähigkeit, anderen<br />
zuzuhören und sich in deren<br />
Gefühle hineinzuversetzen, und die<br />
Fähigkeit, Gefühle sinnvoll zum<br />
Ausdruck zu bringen“ (Steiner 1987,<br />
S. 21).<br />
Der Weg zur emotionalen Kompetenz<br />
ist ein Weg vom unbewussten<br />
zum bewussten Leben. Er verläuft -<br />
wie man seit Sigmund Freud in Ansätzen<br />
begonnen hat zu begreifen -<br />
über die reflexive Erkenntnis eigener<br />
Deutungs- und Emotionsmuster<br />
sowie unbewusster Projektionen.<br />
Diese sind in der Regel tief in den<br />
Kindheitstraumata unseres eigenen<br />
Entwicklungsprozesses verwurzelt,<br />
repräsentieren nicht selten ungelöste<br />
primäre Beziehungskonflikte und<br />
„müssen“ quasi so lange zur Reinszenierung<br />
ähnlicher Situationen<br />
„herhalten“, bis es dem Subjekt gelungen<br />
ist, sich aus ihnen durch Erkenntnis<br />
und emotionale Überwindung<br />
zu befreien. Den wenigsten<br />
gelingt diese transformative Befreiung<br />
jedoch ohne fremde Hilfe. Sie<br />
leben ihr Leben lang in co-abhängigen<br />
Konstellationen (Beziehungen<br />
im Privat- und Arbeitsbereich), die<br />
durch die unbewusste Absprache<br />
gekennzeichnet sind, „(...) im Drama<br />
des anderen mitzuspielen“ (Hendricks/Hendricks<br />
1992, S. 26). Die<br />
amerikanischen Psychotherapeuten<br />
Gay und Kathlyn Hendricks schreiben<br />
dazu:<br />
„Eine unbewusste Abmachung wird<br />
getroffen: wenn du mich nicht dazu<br />
bringst, meine selbstzerstörerischen<br />
Muster zu ändern, bringe ich dich<br />
nicht dazu, deine zu ändern. Wenn<br />
du mich meine Kindheitsthemen auf<br />
dich projizieren lässt, will ich das Ziel<br />
für deine Projektionen sein. Das Problem<br />
ist nur, dass Co-Abhängigkeit<br />
so bedrückend ist, dass die Leute<br />
anfangen, sich zu beklagen, kaum<br />
dass das Drama losgeht. An diesem<br />
Punkt beginnen wir dem anderen<br />
Menschen die Schuld an unseren<br />
Schwierigkeiten zu geben“ (ebd.).<br />
Erst wenn diese Co-Abhängigkeiten<br />
unerträglich werden, begeben sich<br />
Menschen in therapeutische Selbstklärungsprozesse,<br />
die allermeisten<br />
jedoch „“regeln“ ihre Konflikte auf<br />
der unbewussten Ebene durch Vorwurf,<br />
Trennung, Fluchtverhalten<br />
oder Revanche, wobei ihnen oft tragischerweise<br />
ein Leben lang verborgen<br />
bleibt, dass sie immer wieder in<br />
Situationen geraten, in denen sie<br />
„(...) anderen Menschen etwas unterstellen,<br />
das tatsächlich auf einer<br />
unbewussten Ebene in ihnen selbst<br />
abläuft“ (ebd., S. 32), oder: „Mit<br />
anderen Worten, sie fangen an, anderen<br />
Leuten Dinge zu unterstellen,<br />
die in Wirklichkeit ihre eigenen Probleme<br />
sind“ (ebd., S. 57). Immer<br />
wieder geraten die solchermaßen<br />
unbewusst lebenden Menschen vornehmlich<br />
in ihren Intimbeziehungen<br />
in gleiche oder ähnliche Schwierigkeiten,<br />
und auch ihr Verhältnis zu<br />
Vorgesetzten und Untergebenen ist<br />
durch die immer gleichen Muster<br />
gekennzeichnet. Oft ist das Verhalten<br />
dieser Menschen von „immerwachem<br />
Misstrauen“, „krankhafter<br />
Eigenbezüglichkeit“ sowie „wahnhaften<br />
Einbildungen“ und „Wahrnehmungstäuschungen“<br />
geprägt,<br />
„(...) bei denen man dann innen und<br />
außen tatsächlich verwechselt, ohne<br />
dass die Verwechslung als „solche<br />
erkannt wird, weil man nun seine<br />
Projektionen für die Wirklichkeit<br />
hält“ (Riemann 1998, S. 22).<br />
Da gibt es den Hochschullehrer, der<br />
seine Kollegen aggressiv-abfällig und<br />
seine Studenten arrogant-abwertend<br />
behandelt, weil er - selbst über den<br />
zweiten Bildungsweg kommend -<br />
immer noch in einer übersteigerten<br />
Leistungs- und Anerkennungsarbeit<br />
verstrickt ist, die ihn außerstande<br />
setzt, seiner Umgebung adäquat zu<br />
begegnen. Oder da ist die Frau, die<br />
sich immer wieder unerreichbaren<br />
Männern zuwendet, bis ihr - in einer<br />
in vielfacher Hinsicht „zu späten“<br />
Therapie „aufgeht“, dass diese<br />
Situationen auch selbstinszenierte<br />
Anteile enthalten, da sie durch den<br />
frühen Weggang des eigenen Vaters<br />
„gelernt“ hat, dass geliebte Männer<br />
eben nicht bleiben (können). Oder<br />
da ist schließlich der Lehrer, der sich<br />
in seiner Klasse immer wieder verzweifelt<br />
aber wirkungslos um Autorität<br />
bemüht, und damit aber auch<br />
permanent reinszeniert, was er in<br />
seiner familiären Geschwisterkonstellation<br />
hat „hinnehmen“ müssen:<br />
Dass es auf ihn und seine Vorschläge<br />
letztlich nicht ankommt, da er<br />
sich „noch nie“ hat durchsetzen können.<br />
Die Gegenüber reagieren in<br />
solchen - oder ähnlichen - Situationen<br />
i.d.R. irritiert; häufig werden<br />
16 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Bildungspolitik<br />
aber gleichzeitig eigene Traumata<br />
aktualisiert, wodurch die Verstrikkung<br />
komplex und fast unentwirrbar<br />
gerät. So reagieren Hochschullehrer<br />
auf den sich abfällig aggressiv<br />
artikulierenden Kollegen vielleicht<br />
in einer Form, wie sie auf ihren eigenen<br />
Vater, dem sie es nie haben<br />
recht machen können, reagiert haben.<br />
Oder die unerreichbaren Partner<br />
sehen ihrerseits selbst in der<br />
Frau, die sie nicht zu halten vermag,<br />
aufgrund ihres gespaltenen Frauenbildes<br />
(Heilige und Hure) den notwendig<br />
unerreichbar bleibenden<br />
Teil ihrer eigenen Sehnsüchte. Und<br />
die Schülerinnen und Schüler<br />
schließlich reagieren auf den halbherzig<br />
„autoritären“ Vater vielleicht<br />
mit einer Wut, hinter der sich in<br />
Wahrheit die Wut über ihre „abwesenden“<br />
Väter verbirgt. Zu dieser<br />
projektiven Verstrickung schreiben<br />
Hendricks/Hendricks:<br />
„Probleme mit Menschen ‚draußen‘<br />
haben nur selten wirklich etwas mit<br />
diesen Menschen zu tun. Menschen<br />
sind nur Leinwände, auf die wir<br />
unsere Projektion werfen. Aber es<br />
kommt noch schlimmer: Gleichzeitig<br />
projizieren diese Menschen eifrig<br />
auf sie. Das bedeutet, dass Menschen<br />
sich den größten Teil der Zeit<br />
nicht aufeinander beziehen, sondern<br />
auf ihre eigenen<br />
Projektionen (ebd., S. 192)“.<br />
Durch antizipatorisch- psychotherapeutisches<br />
Lernen können Menschen<br />
nun - so die hier entwickelte<br />
These -eine emotionale Kompetenz<br />
erwerben, die sie in die Lage versetzt,<br />
sich aus solchen projektiven<br />
Verstrickungen zu befreien und „<br />
(...) ihre Beziehungen bewusst zu<br />
gestalten, anstatt sie den primitiven<br />
Kräften ihres Unbewussten zu überlassen“<br />
(ebd., S. 60). Ein solches<br />
emotionales Lernen wird immer<br />
wichtiger. Die Entwicklungen der<br />
modernen Individualisierungsgesellschaften<br />
haben die Herausbildung<br />
tiefer und andauernder Freundschaften<br />
und Liebesbeziehungen zunehmend<br />
erschwert. So liegt die<br />
Scheidungsquote heute in vielen Regionen<br />
bei etwa 50 %. Lash bemerkt:<br />
„Da das soziale Leben immer<br />
kriegerischer und barbarischer wird,<br />
nehmen persönliche Beziehungen,<br />
die angeblich Erleichterung von solchen<br />
Zuständen versprechen, den<br />
Charakter von Kampf an“ (Lash<br />
1978, S. 30). Von diesen Entwicklungen<br />
werden auch die Arbeits- und<br />
Kooperationsbeziehungen in den<br />
modernen Gesellschaften wesentlich<br />
bestimmt. Menschen kommen zunehmend<br />
weniger in emotional einfache<br />
Situationen bzw. in Situationen,<br />
die sie durch ihr erworbenes<br />
Verhalten „aus dem Bauch heraus“<br />
wirklich produktiv gestalten können.<br />
Sie müssen vielmehr regelrecht<br />
lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen.<br />
Daniel Golemann schreibt<br />
hierzu: „Das Gefühlsleben ist ein<br />
Bereich, der genau wie Rechnen oder<br />
Lesen mit mehr oder weniger Können<br />
gehandhabt werden kann und<br />
der spezifische Kompetenzen erfordert“<br />
(Golemann 1997, S. 56).<br />
Dringend notwendig sei deshalb ein<br />
Unterricht, „(...) in dem Kinder lernen,<br />
mit Emotionen umzugehen,<br />
Meinungsverschiedenheiten friedlich<br />
zu regeln und schlicht miteinander<br />
auszukommen“ (ebd., S. 286).<br />
Einen solchen Unterricht gibt es bislang<br />
nicht. Zwar experimentiert die<br />
Pädagogik seit vielen Jahrzehnten<br />
mehr oder weniger erfolgreich mit<br />
Ansätzen eines „Sozialen Lernens“<br />
(vgl. Petillon 1993), doch konnten<br />
diese bislang noch nicht zu wirklich<br />
tragfähigen Ansätzen einer im o.g.<br />
Sinne wirksamen emotionalen Bildung<br />
weiterentwickelt werden.<br />
Ein solches gezieltes „emotionales<br />
Lernen“ hätte sich auf die Entwicklung<br />
von drei Fähigkeiten zu bezie-<br />
Abb. 1: Das Dreieck der emotionalen Bildung<br />
Rolf Arnold ist seit zehn Jahren Professor an der<br />
Universität Kaiserslautern. Bekannt geworden ist<br />
er durch zahlreiche Veröffentlichungen über den<br />
„Wandel der Lernkulturen”, mit denen seine wissenschaftliche<br />
Arbeit unmittelbar und produktiv<br />
Einfluss auf die schulische Praxis genommen hat.<br />
hen: Emotionaler Bewusstheit (=<br />
Fähigkeit, die eigen Gefühle zu verstehen),<br />
Kommunikationsfähigkeit<br />
(= Fähigkeit, Gefühle sinnvoll zum<br />
Ausdruck zu bringen) und Beziehungsfähigkeit<br />
(= Fähigkeit, anderen<br />
zuzuhören und sich in ihre Gefühle<br />
hineinversetzen zu können<br />
(Grieger-Langner 00, S. 28). Dieses<br />
Dreieck emotionaler Bildung (vgl.<br />
Abb. 1) ist grundlegend für die Entwicklung<br />
eines Curriculums zur<br />
emotionalen Bildung. Ein solches<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
17
Bildungspolitik<br />
Einsicht<br />
• Bestimmte Muster im eigenen Gefühlsleben<br />
und den eigenen Reaktionen<br />
und bei anderen erkennen<br />
Selbstakzeptanz<br />
• Stolz sein und sich in einem positiven<br />
Licht sehen<br />
• Seine Stärken und Schwächen anerkennen<br />
• Über sich lachen können<br />
Persönliche Verantwortung<br />
• Verantwortung übernehmen<br />
• Die Folgen der eigenen Entscheidungen<br />
und Handlungen anerkennen<br />
• Seine Gefühle und Stimmungen<br />
akzeptieren<br />
• Verpflichtungen (z.B. zum Lernen)<br />
einhalten<br />
Abb. 2: Die 13 Dimensionen emotionaler Bildung nach D. Golemann (Golemann<br />
1997, S. 379 f).<br />
„Self-Science-Curriculum“ hat Daniel<br />
Golemann ausgearbeitet; es enthält<br />
dreizehn Teilkompetenzen (Abb.<br />
2).<br />
Im einzelnen „geht“ es bei diesen 13<br />
Dimensionen emotionaler Bildung<br />
um Fähigkeiten, unbewusste emotionale<br />
Reaktionen in eine bewusste<br />
Gestaltung und Handhabung derselben<br />
zu verwandeln. Menschen, die<br />
über diese Fähigkeiten verfügen, sind<br />
ihren Emotionen nicht mehr bloß<br />
„ausgeliefert“, sie können mit diesen<br />
vielmehr umgehen. Im einzelnen<br />
handelt es sich um folgende Fähigkeiten<br />
(vgl. Golemann 1997, S. 379<br />
ff):<br />
Selbstwahrnehmung<br />
• Sich selbst beobachten und die eigenen<br />
Gefühle erkennen<br />
• Ein Vokabular für Gefühle entwikkeln<br />
• Den Zusammenhang zwischen<br />
Gedanken, Gefühlen und Reaktionen<br />
erkennen<br />
Treffen persönlicher Entscheidungen<br />
• Das eigene Handeln durchdenken<br />
und seine Folgen erkennen<br />
• Erkennen, ob eine Entscheidung<br />
vom Denken oder vom Gefühl bestimmt<br />
wird<br />
Umgang mit Gefühlen<br />
• Das „Selbstgespräch“ auf negative<br />
Botschaften wie etwa stumme Kränkungen<br />
überwachen<br />
Abbau von Stress<br />
• Lernen, was mit körperlicher Bewegung,<br />
gelenkten Vorstellungen<br />
und Entspannungsmethoden zu erreichen<br />
ist<br />
Empathie<br />
• Die Gefühle und Sorgen anderer<br />
verstehen und sich in sie hineinversetzen<br />
• Abweichende Ansichten anderer<br />
erkennen<br />
Kommunikation<br />
• Erfolgreich über Gefühle sprechen<br />
• Ein guter Zuhörer und Fragesteller<br />
werden<br />
• Unterscheiden zwischen dem, was<br />
einer sagt oder tut, und den eigenen<br />
Reaktionen oder Urteilen darüber<br />
• Statt Vorwürfen „Ich“-Botschaften<br />
senden<br />
Sich offenbaren<br />
• Offenheit schätzen und Vertrauen<br />
in eine Beziehung entwickeln<br />
• Wissen, wann man es wagen kann,<br />
von seinen persönlichen Empfindungen<br />
zu sprechen<br />
Selbstsicherheit<br />
• Seine Anliegen und Gefühle ohne<br />
Zorn oder Passivität aussprechen<br />
Gruppendynamik<br />
• Kooperation<br />
• Wissen, wann und wie man die<br />
Führung übernehmen und wann<br />
man sich unterordnen soll<br />
Konfliktlösung<br />
• Sich mit anderen Kindern, mit Eltern<br />
und Lehrern fair auseinandersetzen<br />
können<br />
• Beim Aushandeln eines Kompromisses<br />
sollen beide Seiten gewinnen<br />
Bislang gibt es keine systematische<br />
und „absichtsvolle“ Integration entsprechender<br />
Self-Science-Inhalte in<br />
schulischer oder hochschulischer<br />
Curricula. Dies ist insofern bemerkenswert,<br />
weil zahlreiche Experten in<br />
der Einschätzung übereinstimmen,<br />
dass die emotionalen Fähigkeiten einer<br />
Person ca. zu 90 % ihren späteren<br />
Lebens- und Berufserfolg zu erklären<br />
vermögen (vgl. Golemann<br />
1999, S. 47). Zwar lässt sich über das<br />
Zustandekommen solcher Bewertungen<br />
trefflich streiten, doch kann<br />
man nicht umhin festzustellen, dass<br />
Schule die „zur Bewältigung späterer<br />
Lebenssituationen“ (Robinson)<br />
qualifizieren will, sich nicht mit einem<br />
Null-Programm in Sachen<br />
„Self-Science“ begnügen kann. Die-<br />
18 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Bildungspolitik<br />
Prof. Arnold: „Der Weg zur emotionalen Kompetenz ist ein Weg vom unbewussten zum bewussten Leben.“<br />
Foto: Seifert<br />
se Feststellung muss aber auch erweitert<br />
und ergänzt werden um eine<br />
Kritik des „heimlichen“ emotionalen<br />
Lehrplans unserer Wissensangst- und<br />
Konkurrenzschule (vgl. Arnold/<br />
Schüßler 1998). In ihr wird für die<br />
Entwicklung emotionaler Intelligenz<br />
und die Ermöglichung einer emotionalen<br />
Nachreifung noch zu wenig<br />
getan.<br />
Was ist zu tun? Notwendig ist m.E.<br />
die Einrichtung eines eigenen Schulfaches<br />
„Menschenkunde“, in welchem<br />
wesentliche emotionale und<br />
soziale Kenntnisse vermittelt und<br />
entsprechende Schlüsselqualifikationen<br />
angebahnt werden können. Die<br />
o.g. Elemente des Self-Schience-Curriculums<br />
können dafür wichtige Anregungen<br />
geben.<br />
Darüber hinaus könnte ein solches<br />
Schulfach die emotionale Alphabetisierung<br />
und Selbstreflexion sowie<br />
Selbstkontrolle der Menschen (insbesondere<br />
der Männer) in unserer<br />
kognitionsfixierten Gesellschaft fördern<br />
und Möglichkeiten einer entsprechenden<br />
emotionalen Nachreifung<br />
offerieren. Hierfür steht die<br />
Entwicklung einer Didaktik emotionaler<br />
Bildung noch aus.<br />
Diese wäre allerdings auch deshalb<br />
von grundlegender Bedeutung, weil<br />
ohne eine absichtsvoll-professionelle<br />
Förderung der emotionalen Kompetenzen<br />
der Heranwachsenden auch<br />
deren Schlüsselqualifikationen vielfach<br />
wirkungslos bleiben. Denn methodische<br />
und soziale Kompetenzen<br />
lassen sich nicht allein in kognitionsorientiertem<br />
„Training“ entwickeln,<br />
sie setzen vielmehr Emotionsmuster<br />
voraus, die sie erst eigentlich zur<br />
Wirkung bringen. Dieser Gesichtspunkt<br />
ist in der bisherigen Schlüsselqualifikationsdebatte,<br />
aber auch in<br />
den verdienstvollen Konzepten eines<br />
methodenorientierten Arbeitens<br />
(z.B. „Methodentraining“) übersehen<br />
worden. Die vorgeschlagenen<br />
Konzepte sind zu stark kognitionsund<br />
trainingsorientiert, obgleich<br />
leicht einsehbar ist, dass ein sozial<br />
„ängstlicher Mensch“ Kommunikationsfähigkeit<br />
nicht einfach „antrainiert“<br />
bekommen kann, Voraussetzung<br />
für eine gewandelte Kommunikationsfähigkeit<br />
ist vielmehr eine<br />
emotionale Nachreifung, die nur<br />
über selbstreferiertes Lernen erreicht<br />
werden kann. Ähnliches gilt für die<br />
Problemlösungsfähigkeit oder die<br />
Kreativität: Auch deren Entwicklung<br />
wird durch eigene Zwanghaftigkeiten<br />
oder verborgene Ängste häufig<br />
stark behindert, und ein Training<br />
dieser Kompetenzebenen bleibt zumeist<br />
äußerlich. Pädagogik und<br />
Schule stehen deshalb vor einer erneuten<br />
Debatte um kompetenzbildendes<br />
und schlüsselqualifizierendes<br />
Lernen - eine Debatte, die allerdings<br />
die Kognitionsverengung der bisherigen<br />
Konzepte überwinden muss.<br />
Literatur<br />
Arnold, R./Schüßler, I.: Wandel der Lernkulturen.<br />
Ideen und Bausteine für ein lebendiges<br />
Lernen. Darmstadt 1998.<br />
Golemann, D.: Der Erfolgsquotient. Wien<br />
1999.<br />
Golemann, D.: Emotionale Intelligenz. München<br />
1997<br />
Grieger-Langner, S.: Keine Angst vor Gefühlen.<br />
In: Grenzenlos, 7 (2000), 4, S. 4-5<br />
und 28<br />
Lash, C.: The Culture of Narcissisms. New<br />
York 1978<br />
München/Basel 1998.<br />
Osho: Emotionen. Frei von Angst, Eifersucht,<br />
Wut. München 2000<br />
Petillon, H.: Soziales Lernen in der Grundschule.<br />
Anspruch und Wirklichkeit.<br />
Frankfurt a.M. 1993<br />
Riemann, F.: Grundformen der Angst. Eine<br />
tiefenpsychologische Studie.<br />
Steiner, C.: Emotionale Kompetenz. München<br />
1997.<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
19
Weiterbildung<br />
Selbstständige Lehrkräfte und die Rente<br />
<strong>GEW</strong> erreicht Zugeständnisse der BfA<br />
Viele selbstständige Lehrkräfte trifft es wie ein Schlag: Die Bundesversicherungsanstalt<br />
für Angestellte (BfA) teilt ihnen per Bescheid mit,<br />
dass sie gesetzlich rentenversicherungspflichtig sind und für die letzten<br />
vier Jahre ihrer selbstständigen Tätigkeit die Beiträge nachzuzahlen<br />
haben.<br />
Nicht selten sind das Beträge von<br />
mehreren zehntausend Mark, für viele<br />
Betroffene würde dies den wirtschaftlichen<br />
Ruin bedeuten. Die<br />
<strong>GEW</strong> hat auf der Bundesebene vielfältige<br />
Aktivitäten unternommen,<br />
um die BfA und die Politik auf diese<br />
zum Teil dramatische Situation aufmerksam<br />
zu machen. Es ist gelungen,<br />
die bisherige kompromisslose<br />
Haltung der BfA aufzubrechen,<br />
wenngleich sich an der Rechtslage<br />
selbst nichts ändert.<br />
Was ist der Hintergrund<br />
Selbstständige LehrerInnen, egal ob<br />
als DozentInnen in der Weiterbildung<br />
oder als Lehrbeauftragte in<br />
Hochschulen sind seit 1922 (!) verpflichtet,<br />
in die Rentenversicherung<br />
einzuzahlen, wenn sie selbst keine<br />
versicherungspflichtigen ArbeitnehmerInnen<br />
beschäftigen. Die Beträge<br />
müssen sie allein tragen, die Auftraggeber<br />
sind nicht verpflichtet sich daran<br />
zu beteiligen. Die meisten Lehrkräfte<br />
hören davon genauso zum ersten<br />
Mal wie ihre Auftraggeber. Dazu<br />
kommt, dass sie von den Krankenkassen<br />
und selbst der BfA in der Vergangenheit<br />
häufig falsch beraten<br />
wurden. Die gesetzliche Regelung,<br />
die jetzt im § 2 des SGB VI verankert<br />
ist, war nur Insidern bekannt.<br />
Die Rentenversicherungspflicht nach<br />
§ 2 SGB VI gilt nicht für geringfügig<br />
tätige Selbstständige, d.h. ein<br />
Einkommen bis 630,- DM monatlich<br />
bleibt versicherungsfrei. Die<br />
Klassenfahrten nach Berlin<br />
(incl. Transfer, Unterkunft,<br />
Programmgestaltung nach Absprache).<br />
Broschüre anfordern bei:<br />
Biss, Freiligrathstr. 3, 10967 Berlin,<br />
Tel. (030) 6 93 65 30<br />
Regelungen gelten grundsätzlich<br />
auch für ausländische Lehrkräfte.<br />
Vereinbarungen zwischen<br />
<strong>GEW</strong> und BfA<br />
Auf Grund der Aktivitäten der <strong>GEW</strong><br />
mit Unterstützung des DGB Bundesvorstands<br />
hat die BfA am 23. Mai<br />
2000 ein Vorgehen bezüglich der<br />
Nachforderungen an selbstständige<br />
Lehrkräfte beschlossen, das zwar -<br />
auf Grund der eindeutigen Rechtslage<br />
- grundsätzlich an der Nachforderungszahlung<br />
und der alleinigen<br />
Zahlungsverpflichtung in die Rentenversicherung<br />
festhält, aber den<br />
Druck der unmittelbar drohenden<br />
Nachzahlungsforderung für viele<br />
Betroffene erheblich lindert.<br />
• Die BfA sieht auf Antrag einen Erlass<br />
der Nachzahlungsforderung für<br />
die Jahre 1996/97/98 für diejenigen<br />
vor, die in Unkenntnis der Rentenversicherungspflicht<br />
eine private Altersvorsorge<br />
getroffen haben. Dabei<br />
muss es sich um private Lebens- oder<br />
Rentenversicherungen oder eine freiwillige<br />
gesetzliche Rentenversicherung<br />
handeln. Private Kapitalanlagen<br />
werden nicht anerkannt. Es<br />
reicht aus, wenn der monatliche Beitrag<br />
in eine solche private Altersversicherung<br />
mindestens 84,40 DM<br />
betragen hat und der Vertrag wenigstens<br />
bis zum 60. Lebensjahr läuft.<br />
Ab dem Jahr 1999 - so die BfA - ist<br />
die Nachzahlung allerdings zu leisten.<br />
• In Fällen der wirtschaftlichen Existenzgefährdung<br />
kann auf Antrag<br />
die Nachzahlungsforderung gemäß<br />
§ 76 SGB IV erlassen werden (auch<br />
für das Jahr ’99 möglich). Als wirtschaftliche<br />
Existenzgefährdung gilt<br />
auch der Fall, dass die Betroffenen<br />
faktisch ihre Beschäftigung aufgeben<br />
und ggf. in die Sozialhilfe „abdriften“,<br />
um der Nachzahlungsforderung<br />
zu entkommen. Ebenso ist in<br />
Härtefällen eine Stundung möglich.<br />
Die BfA wird den Einzelfall prüfen.<br />
• Die BfA wird erst nach Information<br />
an ihre regionalen Beratungsstellen<br />
wieder Beitragsbescheide versenden.<br />
Diese Bescheide sollen dann<br />
über die möglichen Anträge auf Erlass<br />
wegen privater Alterssicherung<br />
und Erlass wegen wirtschaftlicher<br />
Existenzgefährdung informieren. In<br />
laufenden Widerspruchsverfahren<br />
wird die BfA die Betroffenen zur<br />
Rücknahme des Widerspruchs und<br />
zur Antragstellung auffordern. Wer<br />
bereits gezahlt hat, kann nachträglich<br />
keinen Antrag auf Erlass wegen<br />
privater Alterssicherung mehr stellen.<br />
• Allen, die vor Wirksamwerden der<br />
BfA-Entscheidung schon Nachzahlungsforderungen<br />
erhalten haben,<br />
empfiehlt die BfA, Widerspruch einzulegen<br />
sowie einen Antrag auf Stundung<br />
und einen Antrag auf Erlass zu<br />
stellen.<br />
• Ausländische Lehrkräfte sollten sich<br />
auf Grund der komplizierten Einzelregelungen<br />
an das Auslandsreferat<br />
der BfA wenden(Tel. 030-86 52 19<br />
33). Die BfA hat auf Grund des<br />
Drucks der <strong>GEW</strong> und des DGB zumindest<br />
unter Ausschöpfung der gesetzlichen<br />
Möglichkeiten einige Zugeständnisse<br />
gemacht. Das Grundsatzproblem<br />
ist damit allerdings<br />
nicht gelöst.<br />
Perspektiven<br />
Für die <strong>GEW</strong> hat die Sozialversicherung<br />
und vor allem die Altersvorsorge<br />
für die Betroffenen hohe Priorität.<br />
Es muss eine gesetzliche und<br />
politische Regelung getroffen werden,<br />
wonach die Betroffenen rentenversichert<br />
sind, aber die Beiträge<br />
nicht mehr alleine leisten müssen.<br />
Dafür sind folgende Varianten denkbar:<br />
• Grundsätzlich sollten freiberufliche<br />
Lehrkräfte in eine Sozialversicherung<br />
entsprechend der Künstlersozialkasse<br />
(KSK) einbezogen werden, entwe-<br />
20 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Weiterbildung / Leserbrief<br />
Ausbildung zu Toleranz<br />
Die Deutsche Postgewerkschaft<br />
(DPG) und die Deutsche Telekom<br />
AG sprechen sich „für eine aktive<br />
Ausbildung zu Zivilcourage, Gewaltfreiheit<br />
und Toleranz“ aus. Im neuen<br />
Tarifvertrag für die Telekom-Azubis<br />
heißt es, dass beide Tarifparteien<br />
„auf eine angemessene Wertorientierung“<br />
der Auszubildenden hinwirken.<br />
Konkret ist vorgesehen, auch die<br />
Themen Anti-Rassismus und Fremdenfeindlichkeit<br />
in die Ausbildung<br />
einzubeziehen.<br />
eb<br />
„Eine neue <strong>GEW</strong> braucht das Land!“<br />
der durch eine neue Rentenversicherungskasse<br />
oder durch die Erweiterung<br />
der KSK zu einer Kultur- und<br />
Bildungskasse.<br />
• Freiberufliche Lehrkräfte müssen<br />
entlastet werden, indem künftig die<br />
Auftraggeber die Hälfte der Beitragszahlung<br />
an die gesetzliche Rentenversicherung<br />
zu leisten haben (an<br />
einzelnen Volkshochschulen geschieht<br />
dies auch schon). Allerdings<br />
ist dabei zu beachten, dass bei öffentlichen<br />
Auftraggebern wie z.B.<br />
den Volkshochschulen oder den<br />
Hochschulen faktisch eine mittelbare<br />
Abwälzung dieser Sozialkosten auf<br />
die AuftragnehmerInnen durch Kürzung<br />
der Honorarsätze oder Angebotsreduzierung<br />
drohen, falls keine<br />
höheren Zuwendungen zur Finanzierung<br />
dieser Sozialkosten bereit gestellt<br />
werden.<br />
Für die Politik, die BfA und auch den<br />
DGB stellt sich die Frage, welche<br />
Konsequenzen die Sozialversicherungssysteme<br />
aus der Entwicklung<br />
neuer Beschäftigtentypen ziehen<br />
müssen. Dabei sind auch die ausländischen<br />
Beispiele zu prüfen. Es muss<br />
weiterhin die Forderung gestellt werden,<br />
dass die Bildungseinrichtungen<br />
verstärkt ihre Lehrkräfte in reguläre<br />
ggf. auch in Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />
übernehmen. Um dies zu erreichen,<br />
könnten sie z.B. Pools oder<br />
Verbände bilden, die gemeinsam entsprechende<br />
Arbeitsverträge abschließen,<br />
wenn eine Einrichtung dazu allein<br />
nicht in der Lage ist. Bei vielen<br />
Honorarkräften muss geklärt werden,<br />
also festzustellen sein, ob sie<br />
nicht doch die Kriterien von ArbeitnehmerInnen<br />
bzw. arbeitsnehmerähnlichen<br />
Personen erfüllen.<br />
Rosemari Pomian, Matthias Jähne<br />
(<strong>GEW</strong> Berlin)<br />
Bücherspalte<br />
Alleinerziehend<br />
Tipps und Informationen für<br />
Alleinerziehende zu Fragen wie<br />
Existenzsicherung, Ausbildung,<br />
Kinderbetreuung u.a.<br />
kostenlos gegen Porto<br />
Beamtenversorgungsrecht<br />
In dieser <strong>GEW</strong>-Broschüre wird<br />
die Berechnung des Ruhegehalts<br />
dargestellt. Grundlage ist das ab<br />
1. Januar 1992 geltende Beamtenversorgungsrecht<br />
i.d.F. der<br />
Änderungsgesetze 1998 -<br />
4. Aufl. 98, 166 Seiten -<br />
DM 8,00 zuzügl. Porto<br />
Betr.: <strong>GEW</strong>-Zeitung 9/00, S.2,<br />
„ADD Personalräte: <strong>GEW</strong> wählen!!!“<br />
Lieber Kollege Helfrich,<br />
du schreibst in deinem Aufruf, <strong>GEW</strong><br />
zu wählen: „Natürlich ist es für unsere<br />
Mitglieder selbstverständlich, bei Personalratswahlen<br />
ihre eigene Gewerkschaft<br />
zu wählen..“ So natürlich ist das<br />
für mich nicht, und ich weiß dies auch<br />
von vielen (noch) „stummen <strong>GEW</strong>-Beitragszahlern“,<br />
denn wohin hat sich unsere<br />
<strong>GEW</strong> von der ehemaligen kritisch<br />
kompetenten, basisdemokratischen<br />
Speerspitze für eine bessere Bildung<br />
kämpfende Gruppe Gleichgesinnter<br />
entwickelt? Gerne würde ich auch an<br />
meiner Schule „<strong>GEW</strong>-Flagge zeigen“,<br />
wüsste man nicht auch dort schon, wie<br />
mit eigenen Leuten von der <strong>GEW</strong>-Spitze<br />
und denen, die sich ihr zugehörig<br />
fühlen, umgesprungen wird, wenn sie<br />
es wagen, offen Missstände beim Namen<br />
zu nennen, und die gibt es ja auch<br />
wohl bei der <strong>GEW</strong>: Majestätsbeleidigung,<br />
Nestbeschmutzer, Querulant - so<br />
dann ungeprüft die <strong>GEW</strong> Reaktion!<br />
Du schreibst:: „Die <strong>GEW</strong> wird auch<br />
künftig offensiv Missstände anprangern...“<br />
Ich kann die Offensive nicht<br />
feststellen. Wo?, Wann? Wer?<br />
Weiterhin behauptest du: „Während<br />
bei der Konkurrenz Personalratstätigkeit<br />
häufig als Sprungbrett für die eigene<br />
Karriere verstanden wird...“ Bei<br />
der <strong>GEW</strong> etwa nicht?<br />
Und letztendlich: „...es ergeben sich<br />
manchmal schneller, als man glaubt,<br />
Situationen, in denen man solidarische<br />
Hilfe braucht. Dafür ist die <strong>GEW</strong> da,<br />
dafür sind die Personalräte da.“ Ha,<br />
ha, ha!<br />
Ich brauchte solidarische Hilfe. Ganze<br />
zwei gaben sie mir: Paul Schuh und<br />
Dieter Roß. Dem einen droht der<br />
<strong>GEW</strong>-Rausschmiss - warum?<br />
Nein, das ist nicht die <strong>GEW</strong> als solidarische<br />
Truppe. Eine neue <strong>GEW</strong><br />
braucht das Land- zumindest eine solche,<br />
wie du sie in deinem Kommentar<br />
beschreibst.<br />
Harald Dupont, 56729 Ettringen<br />
Methoden des lebendigen<br />
Lernens<br />
Die von Prof. Dr. Arnold und<br />
Dipl. Päd. Ingeborg Schüßler als<br />
Heft Nr. 1 der Reihe „Pädagogische<br />
Materialien der Universität<br />
Kaiserslautern“ herausgegebene<br />
Broschüre beinhaltet alle im<br />
Verlauf eines handlungsorientierten<br />
Methodenseminars erprobten<br />
Methoden inklusive<br />
anschaulicher Beispiele, Anwendungsfelder<br />
und Einsatzbewertungen.<br />
Auch die 2. Auflage ist<br />
wieder durch die <strong>GEW</strong> veröffentlicht.<br />
DM 7,00 zuzügl. Porto<br />
<strong>GEW</strong>-Information Nr. 10<br />
Formulierungsvorschläge<br />
für die ersten zwei Zeugnisse der<br />
Grundschule ohne Noten<br />
gegen Portokosten<br />
Bestellungen an:<br />
<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Neubrunnenstr. 8,<br />
55116 Mainz<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
21
Rechtsschutz<br />
Beim Bierholen kein Arbeitsunfall<br />
Ein Unfall auf dem Weg zur Besorgung<br />
von alkoholischen Getränken<br />
ist grundsätzlich kein Arbeitsunfall.<br />
Der Fall: Der Arbeiter hatte sich vom<br />
Getränkeautomaten einer benachbarten<br />
Werkhalle eine Flasche Bier<br />
geholt. Auf dem Rückweg zu seinem<br />
Arbeitsplatz wurde er von einem<br />
Gabelstapler erfasst und schwer verletzt.<br />
Die Berufsgenossenschaft lehnte<br />
die Gewährung von Entschädigung<br />
ab, weil der Arbeitnehmer zu<br />
diesem Zeitpunkt nicht unter dem<br />
Betreuung durch Oma nicht versichert<br />
Die Betreuung eines Kindes als familiäre<br />
Hilfeleistung steht nicht unter<br />
dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.<br />
Der Fall: Die Klägerin lebt in einem<br />
Haus, das auch von ihrer berufstätigen<br />
Tochter und deren Familie bewohnt<br />
wird. Als ihre Enkelin in den<br />
Kindergarten aufgenommen wurde,<br />
übernahm die Klägerin deren Betreuung<br />
während der berufsbedingten<br />
Abwesenheit der Eltern. Dafür<br />
erhielt sie von ihrer Tochter einen<br />
Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
gestanden habe. Mit der<br />
gleichen Begründung wurde auch der<br />
Erstattungsanspruch der Krankenkasse<br />
zurückgewiesen. Dieser Auffassung<br />
schloss sich das Revisionsgericht<br />
an.<br />
Das Bundessozialgericht: Bei der<br />
Besorgung von Nahrungsmitteln<br />
oder der Einnahme von Mahlzeiten<br />
kann davon ausgegangen werden,<br />
dass beides der Erhaltung oder Wiederherstellung<br />
der Arbeitskraft dient<br />
und damit versichert ist. Das ist bei<br />
alkoholischen Getränken nicht der<br />
Fall. Versicherungsschutz kann auch<br />
nicht damit begründet werden, dass<br />
die Gefahr von einer Betriebseinrichtung<br />
ausging. Bei privaten Verrichtungen<br />
wie dem Bierholen sind<br />
ArbeitnehmerInnen nur dann gegenüber<br />
gefährlichen Betriebseinrichtungen<br />
versichert, wenn diese<br />
auf sie im unmittelbaren Bereich<br />
ihres Arbeitsplatzes einwirken.<br />
Bundessozialgericht, Urteil vom 27.<br />
Juni 2000 - B 2 U 22/99 R<br />
monatlichen Betrag von 250 DM bar<br />
ausgezahlt. Sozialversicherungsbeiträge<br />
oder pauschale Lohnsteuer<br />
wurden dafür nicht abgeführt. Eines<br />
Tages, beim Abholen ihrer Enkelin<br />
vom Kindergarten, stürzte die Klägerin<br />
und zog sich dabei erhebliche<br />
Verletzungen zu. Für die Folgen dieses<br />
Unfalls verlangte sie von der Unfallkasse<br />
eine Entschädigung, die diese<br />
ablehnte. Auch das Bundessozialgericht<br />
verneinte einen Anspruch.<br />
Das Bundessozialgericht: Die Betreuung<br />
des Enkelkindes durch die<br />
Klägerin steht nicht unter Versicherungsschutz,<br />
weil sie weder eine abhängige<br />
Beschäftigung darstellt noch<br />
wie eine solche zu werten ist. Insbesondere<br />
ist die Betreuung nicht<br />
fremdbestimmt, da die Klägerin dabei<br />
keine Anweisungen befolgen<br />
musste.<br />
Bundessozialgericht, Urteil vom 27.<br />
Juni 2000 - B 2 U 21/99 R<br />
Wer durchfällt,<br />
hat noch zwei<br />
Chancen<br />
Besteht der Azubi die Abschlussprüfung<br />
nicht, so verlängert sich das<br />
Berufsausbildungsverhältnis auf sein<br />
Verlangen bis zur nächstmöglichen<br />
Wiederholungsprüfung, höchstens<br />
um ein Jahr. Wird diese Prüfung bestanden,<br />
endet das Ausbildungsverhältnis.<br />
Wenn die Prüfung aber nicht<br />
bestanden wird, kann der Azubi erneut<br />
eine Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses<br />
bis zur<br />
zweiten Wiederholungsprüfung verlangen.<br />
Diese muss aber noch innerhalb<br />
der Jahresfrist abgelegt werden.<br />
Danach endet das Ausbildungsverhältnis<br />
definitiv.<br />
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.<br />
März 2000 - 5 AZR 622/98<br />
Sozialversicherungspflichtig<br />
Wer nach Schulabschluss bis zum<br />
Beginn einer Berufsausbildung einen<br />
kurzzeitigen Aushilfsjob ausübt,<br />
muss dafür Sozialversicherungsabgaben<br />
zahlen.<br />
Arbeitsgericht Frankfurt/M., Urteil<br />
vom 11. Juli 2000 - 5 Ca 7260/99<br />
Mitbestimmung<br />
beachten<br />
Das Entgeltfortzahlungsgesetz gestattet<br />
dem Arbeitgeber, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />
schon vor<br />
Ablauf des dritten Kalendertages<br />
nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit<br />
zu verlangen. Eine solche Anweisung<br />
betrifft die betriebliche Ordnung im<br />
Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.<br />
Daraus ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht<br />
des Betriebsrates.<br />
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.<br />
Januar 2000 - 1 ABR 3/99<br />
Freizeit<br />
wird nicht<br />
ausgeglichen<br />
Nach dem hessischen Bildungsurlaubsgesetz<br />
haben ArbeitnehmerInnen<br />
einen Anspruch auf Freistellung<br />
von der Arbeitspflicht. Besteht für<br />
einen Tag, an dem eine anerkannte<br />
Bildungsveranstaltung besucht wird,<br />
keine Arbeitspflicht, ist der Arbeitgeber<br />
auch zu keinem Freizeitausgleich<br />
verpflichtet.<br />
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.<br />
September 1999 9 AZR 765/98<br />
22 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Alter + Ruhestand<br />
Beihilfeverordnung ändern<br />
Zur letzten Sitzung des <strong>GEW</strong>-BundesseniorInnenausschusses<br />
in Hamburg<br />
hatte der LSA Saarland einen<br />
Antrag vorgelegt, nach dem Angehörige<br />
des öffentlichen Dienstes und<br />
ihre Familienangehörigen, die das<br />
70. Lebensjahr vollendet haben oder<br />
geistig/körperlich hilflos sind, bei stationärer<br />
oder ähnlicher Behandlung<br />
eine anteilige Kostenübernahmeerklärung<br />
der Beihilfestelle erhalten<br />
sollen.<br />
Da Beihilfen jedoch Ländersache<br />
sind, empfahl der BSA den Ländervertretern,<br />
die jeweiligen Anträge an<br />
die Landesverbände zu richten, um<br />
in Verhandlungen mit dem dafür<br />
zuständigen Ministerium das Anliegen<br />
der SeniorInnen zu vertreten.<br />
Als Begründung wird angeführt, dass<br />
bei privat Versicherten im Falle stationärer<br />
Behandlung in kürzeren<br />
Abständen Vorauszahlungen für<br />
Krankenhauskosten zu leisten sind.<br />
Alter und Hilflosigkeit, vor allem,<br />
wenn ein helfender Angehöriger<br />
fehlt, erschweren jedoch termingerechte<br />
Zahlungen erheblich.<br />
Die Krankenanstalt werde auf Vorauszahlung<br />
verzichten, wenn sie<br />
weiß, dass der nicht durch eine Krankenkasse<br />
abgedeckte Kostenanteil<br />
von der Beihilfestelle getragen wird.<br />
Der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Tilman<br />
Boehlkau wird sich aufgrund<br />
der Bitte des Landesseniorenausschusses<br />
beim Ministerium um eine<br />
entsprechende Veränderung der Beihilfeverordnung<br />
bemühen.<br />
Edmund Theiß<br />
Die <strong>GEW</strong> gratuliert<br />
im November 2000<br />
zum 70. Geburtstag<br />
Herrn Norbert Jungen<br />
* 06.11.1930<br />
Am Hügel 7 · 67316 Carlsberg<br />
zum 75. Geburtstag<br />
Frau Lieselotte Martin<br />
* 09.11.1925<br />
Mainzer Berg 26 · 67475 Weidenthal<br />
Herrn Ernst Hedderich<br />
* 10.11.1925<br />
Pestalozzistr. 3 · 55232 Alzey<br />
zum 80. Geburtstag<br />
Frau Renate Hofmann<br />
* 11.11.1920<br />
Am Deichfeld 16 · 21360 Vögelsen<br />
zum 85. Geburtstag<br />
Herrn Wilhelm Herzog<br />
* 09.11.1911<br />
Kurpfalzstr. 133 · 67435 Neustadt<br />
zum 89. Geburtstag<br />
Herrn Herbert Jäger<br />
* 24.11.1911<br />
Immelmannstr. 16 · 76829 Landau<br />
Der Landesvorstand<br />
Berichtigung:<br />
In der Ausgabe 7-8/2000 hat<br />
der Landesvorstand<br />
Herrn Dr. Bruno Schafmeister<br />
aus Ransbach-Baumbach zum<br />
80. Geburtstag gratuliert.<br />
Dabei wurde allerdings der<br />
akademische Grad des<br />
Kollegen vergessen.<br />
Wir bitten dies zu entschuldigen.<br />
Die Redaktion<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
23
Tipps + Termine<br />
„Das besondere Lernen“<br />
SWR-Fünfteiler von Paul Schwarz über Behinderte<br />
In seiner pädagogischen Reportagereihe startet der Südwestrundfunk<br />
in seinem Dritten Programm ab 21. November 2000 eine fünfteilige<br />
Reihe über das Leben und Lernen behinderter Kinder und Jugendlicher.<br />
Kur aufhält: Die bekannt gewordene<br />
petö-Therapie aus Ungarn und<br />
die Manualtherapie mit Akupressur,<br />
die für Bruce erstaunliche Fortschritte<br />
bringt. Der Spezialist, ein russischer<br />
Arzt aus St. Petersburg, erläutert<br />
seine Erfolgsmethode, spricht<br />
über Spastik und die Heilungschancen.<br />
Neun von 100 Deutschen sind behindert,<br />
einige von ihnen besonders<br />
schwer. Der Grad der Behinderung<br />
kann sehr unterschiedlich sein: blind,<br />
taubstumm, bewegungsunfähig, geistig<br />
behindert oder autistisch. In der<br />
Reihe „Das besondere Lernen“ werden<br />
mehrere behinderte Kinder und<br />
Jugendliche portraitiert, die schulischen<br />
und außerschulischen Anstrengungen<br />
dokumentiert, mit diesen<br />
jungen Menschen umzugehen,<br />
sie zu fördern und zu integrieren: in<br />
einer Sondereinrichtung, außerhalb<br />
der Schule im Freundeskreis und in<br />
der Familie oder dann in einem Beruf.<br />
Film Nr. 1: Ich möchte mich<br />
ganz normal fühlen<br />
Die blinde Kathi<br />
(Ausstrahlung: Dienstag, 21. Nov.<br />
2000, 13.30 - 14.00 Uhr)<br />
Katharina, 18 Jahre, griechisches<br />
Mädchen, in Deutschland geboren,<br />
besucht die Berufsfachschule in der<br />
Landesblindenschule in Neuwied.<br />
Katharina hat mit acht Jahren ihr<br />
Augenlicht verloren und ist voll<br />
blind.<br />
Wir begleiten Katharina durch ihren<br />
Alltag, in ihrer griechischen Familie<br />
und beobachten sie im Unterricht.<br />
Sie kauft alleine ein, geht mit ihrer<br />
Freundin ins Kino und in Kneipen,<br />
lernt zur Zeit tanzen. Wie orientiert<br />
sie sich? Wie erlebt sie ihre Umwelt?<br />
Wie sieht sie ihre Lebensperspektive?<br />
Sehr ausführlich geben sie und<br />
ihre geburtsblinde Freundin Auskunft<br />
über das, was für sie wichtig<br />
und lebenswert ist.<br />
Film Nr. 2:<br />
Kein Mensch ist eine Insel<br />
Autistische Kinder<br />
(Ausstrahlung: 28. Nov. 2000,<br />
13.30 - 14.00 Uhr)<br />
Viktoria, neun Jahre, Autistin. Das<br />
Mädchen lebt in einem Heim für<br />
Geistigbehinderte in der Südpfalz,<br />
ihre eineiige Zwillingsschwester Katharina,<br />
ebenfalls Autistin, in einem<br />
Kölner Heim, ihr elfjähriger Bruder<br />
David mit autistischen Zügen geht<br />
in eine Integrierte Gesamtschule.<br />
Der Film dokumentiert das Leben<br />
der drei Kinder in ihrer jeweiligen<br />
Umwelt und zuhause, wenn sie - was<br />
selten der Fall ist -alle in der Familie<br />
vereint sind und es dann etwas chaotisch<br />
zugeht. Viktoria ist stumm,<br />
lernt aber, sich über die sog. Gestützte<br />
Kommunikation mitzuteilen. Allein<br />
hat sie lesen und rechnen gelernt.<br />
Katharina schreibt nicht, lernt aber<br />
sprechen. Ihr Bruder Daniel ist fixiert<br />
auf Computer und auf diesem<br />
Gebiet ein Ass. Fixierungen sind oftmals<br />
typisch für autistische Kinder.<br />
Film Nr. 3:<br />
Aber Spaß hab’ ich doch.<br />
Der 13jährige Bruce<br />
(Ausstrahlung: 5. Dezember 2000,<br />
13.30 - 14.00 Uhr)<br />
Bruce, Tetra-Spastiker, kann nicht<br />
laufen und sitzt im Rollstuhl. Bruce<br />
lebt ganztägig in einem Zentrum für<br />
Körperbehinderte. Sein größter<br />
Wunsch ist es, einmal in einem Basketballteam<br />
zu spielen. Wir beobachten<br />
ihn bei einem Profispiel, begleiten<br />
ihn durch die Schule, die für<br />
Bruce nicht nur Lern-, sondern auch<br />
Lebensstätte ist. Zuhause lebt er allein<br />
mit seiner Mutter.<br />
Sehr ausführlich zeigt der Film die<br />
therapeutischen Bemühungen fern<br />
von zuhause, wo sich Bruce zu einer<br />
Film Nr. 4: Denn die Seele<br />
kennt kein Koma<br />
Die 17jährige Lena<br />
(Ausstrahlung: 12. Dezember 2000,<br />
13.30 - 14.00 Uhr)<br />
Blind, körper- und geistigbehindert,<br />
zuckerkrank und im Wachkoma.<br />
Das ist Lena. Mit zwei Jahren erkrankte<br />
sie an einer tuberkulösen<br />
Meningitis und fiel ins Koma. Der<br />
Film begleitet Lena durch ihren Alltag<br />
in der Klasse und im Internat.<br />
Im Mittelpunkt des Films steht neben<br />
dem besonderen Lernen Lenas<br />
in der Gruppe die sog. „Basale Stimulation“<br />
in mehreren Variationen.<br />
Mit ihr werden Kinder wie Lena, die<br />
kaum eigenaktiv sein können, sensorisch<br />
angesprochen.<br />
Der Film geht auch der Frage nach,<br />
welchen Sinn es macht, ein mehrfach<br />
schwerbehindertes Mädchen wie<br />
Lena so intensiv zu betreuen.<br />
Film Nr. 5: Nicht nur für Brot<br />
allein ....<br />
Behinderte finden einen<br />
Arbeitsplatz<br />
(Ausstrahlung: 19. Dezember 2000,<br />
13.30 - 14.00 Uhr)<br />
Ausbildung und Arbeit sind wichtige<br />
Faktoren für die gesellschaftliche<br />
Integration behinderter Menschen.<br />
Der Film schildert den beruflichen<br />
und persönlichen Alltag von zwei<br />
behinderten Erwachsenen. Er porträtiert<br />
Nicole (30), eine körperlich<br />
schwerstbehinderte Rollstuhlfahrerin,<br />
und ihren Freund Botho (36),<br />
ein Geistigbehinderter mit Down-<br />
Syndrom. Beide arbeiten in den<br />
„Hagsfelder Werkstätten“ in Ettlingen,<br />
einer Einrichtung der „Lebenshilfe“.<br />
Dort werden unter strengen<br />
Qualitätsanforderungen Produkte<br />
für den freien Wirtschaftsmarkt hergestellt.<br />
red.<br />
24 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Online-Lernprogramm für SchülerInnen<br />
Tipps + Termine<br />
Während 44.000 SchülerInnen in<br />
Rheinland-Pfalz noch über dem<br />
ersten landesweiten Mathematiktest<br />
schwitzten, wurde im Internet ein<br />
Online-Lehrgang freigegeben, der<br />
jedem Schüler die Chance bietet,<br />
seine Defizite im eigenen Lernen<br />
auszumerzen.<br />
Das vom Zentrum für empirische<br />
pädagogische Forschung (ZepF) der<br />
Universität Landau im Auftrag des<br />
rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums<br />
entwickelte Lernprogramm<br />
soll es jeder/m SchülerIn unabhängig<br />
von Ort und Zeit ermöglichen,<br />
seine/ihre Kenntnisse über verschiedene<br />
Bereiche des Lernens zu erweitern.<br />
Unter der Adresse http:/<br />
ibt.zepf.uni-landau.de/ kann sich jeder<br />
Interessierte anmelden und erhält<br />
spätestens am nächsten Werktag<br />
sein persönliches Passwort und<br />
eine eigene Zugangskennung.<br />
Zu Beginn des Lehrgangs muss ein<br />
Fragebogen ausgefüllt werden, der<br />
eine individuelle Rückmeldung über<br />
Stärken und Schwächen im eigenen<br />
Lernen erlaubt. Auf der Grundlage<br />
dieser Befragung werden den NutzerInnen<br />
Kapitel des Online-Lehrgangs<br />
vorgeschlagen, die sich für sie<br />
besonders lohnen. Unabhängig davon<br />
können sich die SchülerInnen<br />
auch nach eigenen Interessen durch<br />
das Programm navigieren. Folgende<br />
Themenbereiche rund ums Lernen<br />
werden vorgestellt: Der Lernarbeitsplatz,<br />
Teamwork, Wissen sammeln,<br />
Zeiteinteilung, Arbeit einteilen, Wiederholen,<br />
Tipps und Tricks, Lernerfolgskontrolle,<br />
Motivation und Konzentration.<br />
Das Programm bietet den SchülerInnen<br />
neben diesen Inhalten die Möglichkeit,<br />
an verschiedenen Stellen des<br />
Programms selbst eigene Tipps und<br />
Tricks zur Verfügung zu stellen und<br />
so aktiv an dessen weiterer Gestaltung<br />
mitzuwirken. Weitere Möglichkeiten<br />
zur Interaktion bieten Diskussionsforen<br />
sowie ein Kommunikationsforum<br />
für Lehrkräfte, in dem diese<br />
ihre Erfahrungen austauschen<br />
können.<br />
Kontakt: Prof. Dr. Reinhold S. Jäger,<br />
Zentrum für empirische pädagogische<br />
Forschung (ZepF) der Universität Koblenz-Landau,<br />
Friedrich-Ebert-Str.<br />
12, 76829 Landau, Tel. 06341/906-<br />
121, Fax: 06341/906-200; email:<br />
jaeger@zepf.uni-landau.de<br />
pm<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
25
Tipps + Termine<br />
Lehren und Lernen für die Zukunft<br />
Seit 1999 gibt das Pädagogische Zentrum<br />
Rheinland-Pfalz eine pädagogische<br />
Zeitschrift mit dem Titel<br />
„Pädagogische Nachrichten Rheinland-Pfalz“<br />
heraus. In Zusammenarbeit<br />
mit den anderen pädagogischen<br />
Instituten des Landes (EFWI, IFB,<br />
ILF und LMZ) werden neuere pädagogischen<br />
Entwicklungen vorgestellt,<br />
besondere Projekte der Institute<br />
beschrieben und Beispiele aus<br />
der Schulpraxis aufgezeigt. In jedem<br />
Heft wird ein (pädagogischer)<br />
Schwerpunkt gesetzt und von verschiedenen<br />
Seiten her beleuchtet.<br />
Die folgenden Themen wurden bisher<br />
in der halbjährlich erscheinendenden<br />
Publikation aufgegriffen:<br />
• Immer mehr Medien - ein Gewinn<br />
für die Schule? (1-99)<br />
• Offene Lernsituationen und selbstständiges<br />
Lernen (2-99)<br />
• Wie gut ist unsere Schule? (1-00)<br />
• Schulleben - Schulkultur (2-00)<br />
Das aktuelle Heft 2/00 enthält einen<br />
sehr interessanten Beihefter mit einem<br />
Vortragstext von Prof. Franz E.<br />
Weinert zum Thema „Lehren und<br />
Lernen für die Zukunft - Ansprüche<br />
an das Lernen in der Schule“. Dieser<br />
Text ist eine ausgezeichnete Grundlage<br />
für die Diskussion in den pädagogischen<br />
Konferenzen aller Schularten..<br />
Daher können Schulen diesen<br />
Aufsatz als Sonderdruck in größerer<br />
Anzahl kostenlos vom Pädagogischen<br />
Zentrum beziehen<br />
Die kommende Ausgabe, die im Februar<br />
2000 erscheinen wird, ist dem<br />
Thema „Lehrersein heute - Anforderungen,<br />
Herausforderungen, Überforderungen“<br />
gewidmet. Die Hefte<br />
werden den Schulen in mehreren<br />
Exemplaren kostenlos zu Beginn<br />
eines jeden Schulhalbjahrs zugesandt.<br />
Einzelhefte können angefordert werden<br />
vom Pädagogischen Zentrum,<br />
Europaplatz 7-9, 55543 Bad Kreuznach,<br />
Tel. 0671-84088-0, Fax 0671-<br />
84088-10.<br />
Zwei interessante Seminare für LehrerInnen<br />
Kurzmoderation<br />
Konferenzen, Besprechungen und Diskussionen<br />
im Klassenzimmer gehören<br />
zu unserem Alltag.<br />
Die Zufriedenheit der BesprechungsteilnehmerInnen<br />
mit dem Verlauf und<br />
dem Ergebnis der Sitzung ist u. a.<br />
maßgeblich davon abhängig, ob alle<br />
zu Wort kommen, ob die Zeitvorgaben<br />
mit den thematischen Schwerpunkten<br />
übereinstimmen und ob die<br />
gesetzten Ziele mit den tatsächlich erreichten<br />
Ergebnissen korrespondieren.<br />
Die Moderationsmethode ist eine entscheidende<br />
Voraussetzung für diese<br />
Form der Sitzungskultur. Sie ermöglicht<br />
den effizienteren und zufriedenstellenderen<br />
Verlauf von Gesprächen,<br />
an denen mehrere Personen mit einem<br />
meist engen Zeitkontingent beteiligt<br />
sind.<br />
Termin: 02.-03. November 2000<br />
Referentin: Ute Sprekelmeyer<br />
Anmeldeschluss: 13. Oktober 2000<br />
Zeitmanagement<br />
Zeitmanagement ordnet die eigene und<br />
die Zeit der anderen, die beide gleichermaßen<br />
wertvoll und sorgfältig zu<br />
behandeln sind. Im Seminar werden<br />
Hilfen zur konsequenten und kontinuierlichen<br />
Umsetzung gegeben.<br />
Inhalte:<br />
* Zeitmanagement als Arbeitstechnik<br />
* Notwendigkeit der Planung<br />
* Vom Aktivitätenplan zum Zeitplan<br />
* Zeitdiebe - Schriftliche Planung -<br />
Tagespläne<br />
* Arbeitsgruppen zur „Selbstanalyse“<br />
* Positive Prioritäten setzen<br />
* Tages- und Leistungskurven<br />
* „Die stille Stunde“<br />
* Zeitplanbücher<br />
* Praktische Umsetzung<br />
Termin: 20.-21. November 2000<br />
Referent: Uwe Becker<br />
Anmeldeschluss: 25. Oktober<br />
Noch einige Plätze frei sind bei zwei interessanten Seminaren für LehrerInnen, die Mehmet Kilic,<br />
Leiter des <strong>GEW</strong>-Vorstandsbereichs Gewerkschaftliche Bildung und Mitgliederwerbung, im November<br />
anbietet. Foto: Seifert<br />
Für beide Seminare gilt:<br />
• Berücksichtigung nach der Reihenfolge<br />
der Eingänge<br />
• Veranstaltungsort: Bad Münster<br />
am Stein-Ebernburg, Evangelische<br />
Bildungsstätte<br />
• TeilnehmerInnenzahl jeweils<br />
maximal 18<br />
• Leitung: Mehmet Kiliç<br />
• Anmeldung an: Mehmet Kiliç<br />
(schriftlich) Bretzenheimer Straße<br />
63, 55545 Bad Kreuznach,<br />
Tel.& Fax: 0671/44009, eMail :<br />
MehmetKil@aol.com<br />
• Teilnehmerbeitrag je Seminar:<br />
30.- DM für <strong>GEW</strong>-Mitglieder,<br />
120.- DM für Nichtmitglieder<br />
26 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Tipps + Termine<br />
Klipperts Qualitätsmanagement konkret<br />
Dreh- und Angelpunkt des vom<br />
Land geförderten Pädagogischen<br />
Schulentwicklungs-Programms des<br />
EFWI (PSE) ist die systematische<br />
Reform der Unterrichtsarbeit mit<br />
der doppelten Zielsetzung, zum einen<br />
die SchülerInnen zeitgemäßer<br />
und effektiver als bisher zu qualifizieren<br />
(Stichwort: „Schlüsselqualifikationen“<br />
und „Eigenverantwortliches<br />
Arbeiten“) sowie zweitens<br />
durch die Kultivierung neuer Lernformen<br />
eine spürbare Entlastung<br />
und ein deutliches Mehr an Berufs-<br />
zufriedenheit für die verantwortlichen<br />
Lehrkräfte zu erreichen.<br />
Methodentraining, Kommunikationstraining,<br />
Teamentwicklung sowie<br />
die konsequente Förderung des eigenverantwortlichen<br />
Arbeitens und<br />
Lernens der SchülerInnen im alltäglichen<br />
Fachunterricht sind die besonderen<br />
Markenzeichen Pädagogischer<br />
Schulentwicklung. Zur Umsetzung<br />
dieses Reformkonzepts erhalten die<br />
Schulkollegien vielfältige Unterstützung:<br />
Training, Materialien, Vorträge<br />
und praktische Innovationsberatung.<br />
… bis er sich bei Klippert hatte schulen lassen !<br />
Videopaket gegen Rassismus und Gewalt<br />
Schulen, die das skizzierte Qualifizierungs-<br />
und Unterstützungsprogramm<br />
des EFWI in Anspruch nehmen<br />
und die damit verbundene Unterrichtsreform<br />
systematisch angehen<br />
möchten, müssen sich bis spätestens<br />
Ende März 2001 beim EFWI anmelden.<br />
Der Anmeldung beizufügen ist<br />
ein Bewerbungsschreiben, das Aufschluss<br />
darüber gibt,<br />
• was an der jeweiligen Schule in Sachen<br />
Unterrichtsentwicklung bereits<br />
läuft,<br />
• welche korrespondierenden Fortbildungsangebote<br />
des EFWI in den<br />
beiden letzten Jahren genutzt wurden,<br />
• wie hoch die Zustimmung und die<br />
Beteiligungsbereitschaft in puncto<br />
PSE im Kollegium sind,<br />
• wie es um die Rückendeckung seitens<br />
der Elternschaft bzw. der Betriebe<br />
steht und<br />
• wie die Chancen einer längerfristigen<br />
Umsetzung und Ausweitung des<br />
PSE-Programms eingeschätzt werden.<br />
Kontaktadresse: Erziehungswissenschaftliches<br />
Fort- und Weiterbildungsinstitut<br />
der Evangelischen Kirche<br />
in Rheinland-Pfalz, Luitpoldstr.<br />
8, Postfach 1264, 76829 Landau/Pf.<br />
Ob in Ludwighafen oder Simmern,<br />
Trier oder Bad Kreuznach. Viele<br />
SchülerInnen wollen einfach nicht<br />
mehr wegsehen, wenn andere gewalttätig<br />
oder diskriminierend werden,<br />
wollen zu einer anderen Einstellung<br />
anstiften und Initiativen ergreifen<br />
Wer, wenn nicht wir?<br />
Über das 1992 von der Ludwigshafener<br />
Grafikerin Silvia Izi ins Leben<br />
gerufene Ausstellungsprojekt mit<br />
Bildern und Objekten, in denen sich<br />
SchülerInnen mit Gewalt und Rasismus<br />
auseinandersetzen, haben wir<br />
bereits in der <strong>GEW</strong>-Zeitung 11/<br />
zur Verständigung der Kulturen.<br />
Aufgeschreckt durch die rechtsradikale<br />
Bandenkriminalität beginnen<br />
sich immer mehr Schulen dem Problem<br />
Ausländerfeindlichkeit und<br />
Gewalt zu stellen.<br />
Der Südwestrundfunk bietet dazu<br />
1998 berichtet. Die inzwischen<br />
bundesweit bekannte Wanderausstellung<br />
ist nun vom 4. bis<br />
27.10.2000 in der ehemaligen Bezirksregierung<br />
in Neustadt/Wstr.,<br />
Friedrich-Ebert-Str. 14, zu sehen.<br />
kh<br />
aus seiner Reihe „Beispiele machen<br />
Schule“ ein Videopaket mit drei Filmen<br />
an (jeweils 30 Min.), die besonders<br />
innovative und engagierte<br />
Schulaktivitäten gegen die Gewalt<br />
von rechts zeigen und zur Nachahmung<br />
anregen sollen.<br />
* „Wer, wenn nicht wir?“ - Schule<br />
ohne Rassismus<br />
* „Ach, du buntes Deutschland“ -<br />
Theater gegen Rassismus<br />
* Erziehung gegen Gewalt. Sozialarbeit<br />
in der Schule<br />
Das Videopaket kann für DM 50,00<br />
plus Porto mit Begleitkarten beim<br />
Landesmedienzentrum Rheinland-<br />
Pfalz in Koblenz, Tel. 0261/9702-0<br />
käuflich erworben werden.<br />
psw<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
27
Kreis + Region<br />
Kreis Westerwald<br />
Jung und Alt schütteln die Köpfe<br />
Der <strong>GEW</strong>-Kreisvorsitzende Erwin Wolf ehrte Peter Backes für 30 Jahre<br />
Mitgliedschaft<br />
Die <strong>GEW</strong>-Westerwald hatte zu seinem Sommerfest 2000 nach<br />
Alpenrod geladen. Zunächst genossen <strong>GEW</strong>-Mitglieder und Gäste<br />
die meisterliche Darbietung des „Kleinen Prinzen“ durch Petra<br />
Schuff vom Alpenroder Theaterhaus. Dann fand man sich zu Füßen<br />
das Aussichtsturms Gräbersberg für Gespräche und Gedankenaustausch<br />
über Schule und Arbeit ein.<br />
Das <strong>GEW</strong>-Fest sei traditionell ein Ort der Begegnung von Kolleginnen<br />
und Kollegen, welche im Schuldienst seien, und solchen,<br />
die den verdienten Ruhestand erreicht hätten „Die drin sind, sagen<br />
denen, was heute in der Schule los ist, die draußen sind, erzählen,<br />
was früher los war. Und beide schütteln die Köpfe“, sagte<br />
der Kreisvorsitzende Erwin Wolf.<br />
Aus Wirtschaft, Politik und Medien gebe es Breitseiten an Neid,<br />
Kritik, Häme und Vorurteilen über die Lehrer. Jedes gesellschaftliche<br />
Defizit (Gewalt allgemein, rechte Gewalt, Drogen, übermäßiger<br />
Medienkonsum, Unwissenheit in Sachen Wirtschaft, Mathematik,<br />
IT usw.) werde der Einfachheit halber den LehrerInnen<br />
angelastet, so Wolf. Die würden auch noch für den ausbleibenden<br />
Erfolg verantwortlich gemacht. In einem solchen Klima könnten<br />
die Kolleginnen und Kollegen immer weniger den Erwartungen<br />
an Schule gerecht werden.<br />
Kämen noch organisatorische Mängel aus Mainz und Trier hinzu,<br />
bedürfte es schon „Wunder“, damit Schule überhaupt funktionieren<br />
könne.<br />
Der katastrophale Lehrermangel z.B. an der Hauptschule in Bad<br />
Marienberg sei zum großen Teil hausgemacht gewesen. Denn ein<br />
Grund sei die Tatsache, dass in benachbarten Bundesländern volle<br />
Beamtenstellen angeboten würden und Bewerber aus diesem Grund<br />
dorthin abwanderten. Deswegen habe er angeregt, alle Landtagsabgeordneten<br />
aus dem Westerwald sollten dafür sorgen, dass die<br />
Zwangsteilzeit für die jungen Lehrkräfte verschwindet, teilte Wolf<br />
mit.<br />
Verschwinden sollte auch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />
in Trier, wenn sie nicht innerhalb kurzer Zeit die ihr zugedachten<br />
Aufgaben erfüllen könne, forderte Wolf.<br />
Der Kreisvorsitzende sagte, die heutige Lehrergeneration solle für<br />
das dankbar sein, was die Kolleginnen und Kollegen im Ruhestand<br />
geleistet hätten. Sie hätten die Weichen gestellt für die Bildungsgewerkschaft,<br />
wie die <strong>GEW</strong> sie heute sei, in der alle Bildungsarbeiter<br />
ihre gewerkschaftliche Vertretung hätten.<br />
Der Dank gelte insbesondere den Kolleginnen und Kollegen, welche<br />
seit langen Jahren treue Mitglieder der Gewerkschaft seien.<br />
Für 25jährige Mitgliedschaft wurden Rosemarie Leukel, Höhn;<br />
Ulla Hahn, Mudenbach; Bruno Schafmeister, Ransbach-Baumbach;<br />
Conrad Goerg, Montabaur; Bernd Holzmann, Hahn; Karola<br />
Ullrich, Buchertseifen; Angelika Todt, Unnau, geehrt.<br />
Seit 30 Jahren sind Renate Schwella, Bendorf; Maria Sturm,<br />
Herschbach; Peter Backes, Staudt und Gerd Luxem, Rennerod,<br />
Mitglied.<br />
40 Jahre ist Gerhard Matz, Bretthausen, in der Gewerkschaft.<br />
Besonderen Dank sprach Erwin Wolf den Mitgliedern aus, welche<br />
seit 50 Jahren in der <strong>GEW</strong> sind. Hans-Jürgen Rüffert, Rennerod;<br />
Kurt Strassheim, Höhn; Paul Majuntke, Gemünden, Gottfried<br />
Müller und Oswald Schaffrick, beide aus Bad Marienberg.<br />
ew<br />
Kreis Ludwigshafen-Speyer<br />
<strong>GEW</strong> vielfältig aktiv<br />
Mit zahlreichen Aktivitäten betrieb die <strong>GEW</strong> Ludwigshafen/Speyer<br />
im Vorfeld der ADD-Personalratswahlen einen inhaltlich orientierten<br />
Wahlkampf, der dann auch zu dem erhofften hervorragenden<br />
Wahlergebnis im Kreis führte.<br />
Die konkreten Nöte der KollegInnen griff eine Veranstaltung der<br />
auf Initiative von Helmut Thyssen landesweit durchgeführten<br />
„<strong>GEW</strong>-Infotage 2000“ auf. Dabei bewährte sich das Konzept, keine<br />
Referate zu halten, sondern die LehrerInnen in Einzelgesprächen<br />
zu beraten. Der Andrang war teils so groß, dass Nummern<br />
ausgegeben werden musste. Positiv war zudem das Interesse der<br />
Lokalpresse an der Veranstaltung. So konnte man im „Mannheimer<br />
Morgen“ eine Reportage über die „Sorgen der jungen und der<br />
alten Lehrer“ lesen.<br />
Überhaupt war die Öffentlichkeitsarbeit ein zentraler Bestandteil<br />
des Wahlkampfes: In Berichten, einer Sonderseite, einem Interview<br />
sowie in Presseerklärungen konnte die <strong>GEW</strong> zeigen, wie nahe,<br />
aktuell und kompetent sie an den Problemen im Schulwesen wirkt.<br />
Gut besucht war auch eine Diskussionsveranstaltung über „Perspektiven<br />
der Bildungspolitik“ mit PolitikerInnen, <strong>GEW</strong>-Vertretern<br />
und Eltern. Fast einhellig wurden dabei die Fehler und Versäumnisse<br />
der sozialliberalen Bildungspolitik in den letzten Jahren<br />
und speziell zu Schuljahresbeginn kritisiert. Die überwiegende Einmütigkeit<br />
rührte daher, dass auf Seiten der Regierungsparteien keine<br />
Vertreter der Koalition zu finden waren, da der SPD-Landtagskandidat<br />
Ramsauer derzeit noch Schuldezernent in Ludwigshafen<br />
ist und die FDP ihre stellvertretende Kreisvorsitzende Hirsch geschickt<br />
hatte. Während der gut vorbereitete SPD-Mann Ramsauer<br />
geschickt mit Beispielen aus anderen Bundesländern darauf hinwies,<br />
dass CDU-Bildungspolitik den <strong>GEW</strong>-Vorstellungen diametral<br />
entgegensteht, wurde das Auftreten der FPD-Frau Hirsch von<br />
den Anwesenden - gleich welcher politischer Couleur - fast schon<br />
als Affront gegenüber der <strong>GEW</strong> verstanden, da sie nur vorbereitete<br />
Statements ablas, die zudem akustisch fast unverständlich waren.<br />
gh<br />
28 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Das Allerletzte …<br />
… aus der FDP<br />
FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle hat die Kultusminister<br />
der Länder als „Schnarchnasen“ kritisiert. In der Sächsischen Zeitung<br />
forderte er die „Entmachtung einer völlig unfähigen Kultusministerkonferenz“.<br />
Das Einzige, was die Bürger mit ihr verbinde,<br />
sei die Frage, ob man Schifffahrt mit zwei oder drei „f“ schreibe.<br />
Die Minister leisteten sich hunderte Beamte, die über die Rechtschreibreform<br />
diskutierten. Aber sie bekämen es nicht hin, dass<br />
bundesweit das Abitur nach zwölf Schuljahren angeboten werde.<br />
„Bis auf zwei, drei Ausnahmen gehören die Kultusminister aus<br />
ihren Palästen gejagt“, wetterte er. Der rheinland-pfälzische Bildungsminister<br />
Jürgen Zöllner erwiderte auf Westerwelle: Wenn<br />
man dieses „politische Niveau betrachtet, muss man feststellen: In<br />
diesem speziellen Fall hat das deutsche Bildungssystem in der Tat<br />
versagt.“<br />
… aus Bayern<br />
Natur und<br />
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Kreis + Region<br />
Alle Lehrer in Bayern sollen sich einem „Verstehenstest“ in Bairisch,<br />
Fränkisch und Schwäbisch unterziehen. Diese „Sofortmaßnahme“<br />
zum Fortbestand der bayerischen Mundarten hat am 17.<br />
Juli der Vorsitzende des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte,<br />
Hans Triebel, gefordert. Der Verein hatte in der Vergangenheit<br />
mehrfach die „Diskriminierung“ der bayerischen Mundart in<br />
Kindergärten und Schulen beklagt.<br />
In einem Gespräch mit Kultusministerin Monika Hohlmeier<br />
(CSU) kamen beide Seiten überein, dass in Bayern weder Dialektsprecher<br />
noch „Zuagroasde“ (Zugereiste) auf Grund ihrer norddeutschen<br />
Aussprache diskriminiert werden dürften. Triebel überreichte<br />
Hohlmeier 100 000 Unterschriften, mit denen die Staatsregierung,<br />
der bayerische Landtag und die Bezirkstage aufgefordert<br />
werden, sich für den Erhalt der süddeutschen und schwäbischen<br />
Mundarten einzusetzen.<br />
Die Sprachpfleger befürchten, die Dialekte könnten immer mehr<br />
zurück gedrängt werden. Das Ministerium und der Förderverein<br />
bekräftigten, den Vorurteilen der „Nordhochdeutsch-Sprecher“<br />
gegenüber „Südhochdeutsch-Sprechern“ aktiv und positiv zu begegnen,<br />
teilte Triebel mit. dpa<br />
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<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
29
Schulgeist 1<br />
Auf den Hundt gekommen<br />
Kaum dass in Rheinland-Pfalz das neue<br />
Schuljahr begonnen hatte, konnten alle<br />
LehrerInnen zu ihrer Freude bundesweit<br />
in allen möglichen Blättern lesen, dass<br />
der Arbeitsgeberpräsident nun endlich<br />
die Lösung für ihr Imageproblem gefunden<br />
hat:<br />
„Wenn alle Lehrer auf zwei Wochen<br />
Ferien verzichten und sich in dieser Zeit<br />
aktiv fortbilden, wird sich ihr Image<br />
erheblich verbessern.“, ließ er verlauten.<br />
Ist das nicht nett von ihm, sich a) Sorgen<br />
ums Lehrerimage zu machen und<br />
b) offensichtlich nur die männlichen<br />
Pädagogen zu meinen? Zu gütig!<br />
Trotzdem hat der ungefragte Imageberater<br />
aber etwas vergessen: Wenn ich ’mal<br />
so zusammenzähle, wie viele Sams- und<br />
Sonntage ich für die Schule arbeite und<br />
an wie vielen Tagen mehr als acht Stunden<br />
Arbeit anfallen, empfinde ich meinen<br />
„dreimonatigen bezahlten Urlaub“<br />
(so Hundt im Online-SPIEGEL vom<br />
15. August) gar nicht mehr als ungerecht.<br />
Immerhin wird auch in der Industrie<br />
Nacht- und Wochenendarbeit<br />
höher berechnet, und wenn ich während<br />
der Schulzeit auf die 40 Stunden-Woche<br />
achten wollte, hätte ich oft wohl<br />
schon ab Donnerstag frei. Gut, ist auch<br />
in Ordnung. Fragt sich nur, ob mein<br />
Chef das auch so lustig fände wie ich,<br />
wenn ich, wie das in der Industrie vielfach<br />
möglich ist, Überstundenausgleich<br />
machte, beispielsweise für die Mathestunden<br />
in der ungeliebten 7a...Oder<br />
wenn jedesmal die Informatikstunden<br />
ausfallen müssten, damit ich den Physiktest<br />
von letzter Woche endlich fertig<br />
korrigiert kriege, ohne am Sonntag am<br />
Schreibtisch zu sitzen....<br />
A propos Informatik: Da ist dem drahtigen<br />
Dieter auch etwas zu eingefallen:<br />
Computerkurse in den Ferien. Tolle Idee!<br />
Aber ich habe jedesmal so meine Schwierigkeiten,<br />
mir den ganzen Kram bis zur<br />
nächsten Fortbildung zu merken, denn<br />
in meiner Schule steht bis heute nur eine<br />
manuelle Schreibmaschine im Büro,<br />
geschweige denn ein einziger Computer<br />
zur Benutzung für Kollegium und SchülerInnen<br />
zur Verfügung. Lieber Dieter,<br />
wer den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft<br />
fordert und nicht bereit ist,<br />
auch nur die Schnürsenkel für das Nationalteam<br />
zu stiften, ist einfach dämlich.<br />
Wie wäre statt dessen ein schlichter<br />
Aufruf an die Kollegen aus der Industrie,<br />
ihre regelmäßig ausgemusterten,<br />
weil abgeschriebenen, an sich aber noch<br />
völlig tauglichen Computer nicht für<br />
Geld an die Mitarbeiter zu verscherbeln,<br />
sondern für umme an die Schulen zu<br />
stiften? Erst denken, dann bellen, lieber<br />
Hundt!<br />
Und da naht schon der nächste folgenschwere<br />
dicke Hundt: „Im Zentrum der<br />
Fortbildung muss ein besserer Unterricht<br />
stehen, nicht der Selbsterfahrungskurs.“<br />
Stimmt auch irgendwie, aber wie viele<br />
LehrerInnen brauchen den einen popligen<br />
bewilligten Fortbildungstag, den sie<br />
mühevoll ergattert haben, um einfach<br />
'mal rauszukommen, den Tag in einem<br />
anderen Rahmen zu verbringen, sich im<br />
Kreis von KollegInnen in ähnlicher Lage<br />
auszukotzen! Und nebenbei, gerade die<br />
Industrie bietet ja in letzter Zeit verstärkt<br />
Selbsterfahrungskurse an. Wer hat<br />
denn angefangen mit dem „Tschakka!“-<br />
Schreien? Die LehrerInnen sicher nicht!<br />
Übrigens: Imageberater sollten unbedingt<br />
auch vor der eigenen Haustür kehren,<br />
bevor sie anderen an die Laterne<br />
pinkeln, lieber Hundt: Es ist schon echt<br />
peinlich, wenn gestandene Mannsbilder<br />
aus den Führungsetagen zum Zweck der<br />
Teamstärkung von meterhohen Baumstämmen<br />
hüpfen sollen und an schwindelnd<br />
hoch montierten Drahtseilen hangeln<br />
üben! Da gäbe es sicher ein paar<br />
adäquatere Tipps aus der LehrerInnenschaft!!!<br />
Das mit dem Tarzan-Gehabe<br />
dürfte ein paar Entwicklungsstufen vorbei<br />
sein, ehrlich!<br />
Betriebspraktika finde ich gar nicht so<br />
übel, Herr Hundt. Allerdings, aus den<br />
oben genannten Gründen, bitte nicht<br />
in der Ferienzeit. Außerdem: Wer sollte<br />
mich denn da betreuen? Sind doch alle<br />
mit ihren Kiddies verreist. Und jemand<br />
anderem nebenbei die Arbeit wegnehmen,<br />
wäre auch nicht fair. Aber ich<br />
hätte da einen Vorschlag zur Güte: Die<br />
Praktika werden im Tausch abgeleistet:<br />
Jede/r LehrerIn geht für zwei Wochen<br />
pro Jahr in einen Industriebetrieb und<br />
jede/r ManagerIn für zwei Wochen in<br />
die Schule. Leider ohne Vergünstigungen,<br />
so viel muss ’mal vorab feststehen:<br />
Alle Schularten und auch sämtliche<br />
Brennpunktschulen werden besetzt,<br />
sonst gibt es ja wieder so viel Unterrichtsausfall.<br />
Haha, ’mal sehen, wer sich am<br />
Ende besser amüsiert und wer schließlich<br />
urlaubsreifer ist. Der Erfahrungsaustausch<br />
könnte im Lehrerbildungszentrum<br />
stattfinden- oder womöglich<br />
doch lieber im noblen Tagungszentrum<br />
der Industrie?<br />
Möglicherweise merken auch einige<br />
ManagerInnen dabei, dass sie ganz fix<br />
liebend gern nur noch ManagerInnen<br />
sein möchten und nichts anderes. Außer<br />
natürlich, der Posten des Arbeitgeberpräsidenten<br />
wäre neu zu besetzen....<br />
Denn was für schlechte LehrerInnen<br />
gelten soll, muss auch für Arbeitgeberpräsidenten<br />
gelten.<br />
„Unterrichtsgarantien an den Schulen“<br />
betreffend habe ich begeistert von Ihnen<br />
gelesen, dass wir sie brauchen. Ist ja ganz<br />
neu! Sie werden doch nicht den Damen<br />
und Herren BildungsministerInnen auf<br />
die Füße treten wollen, Herr Hundt?<br />
Für die Ausfälle können die LehrerInnen<br />
nämlich gar nichts, wirklich! Aber<br />
vielleicht fällt Ihnen ja ein, was man<br />
da machen kann, wenn eine Lateinlehrerin<br />
mit voller Stelle sich den Arm<br />
bricht und als Ersatz ein Musiklehrer<br />
mit halber Stelle geschickt wird? Schließlich<br />
haben Sie auch schon darauf hingewiesen,<br />
dass bei der Auswahl (allerdings<br />
von Schulleitern, aber das macht<br />
nix, außerdem sind’s wieder nur Männer)<br />
„nicht das Parteibuch, sondern nur<br />
die Qualität“ entscheiden darf. Haben<br />
Sie sich schon bei der ADD Trier beworben?<br />
Die brauchen da ja wohl doch<br />
noch eine Menge Personal, zumal Ihre<br />
Kompetenz im pädagogischen Bereich<br />
dann endlich nur noch minimal überbesoldet<br />
wäre!<br />
Hundtsmiserablige Vorschläge, lieber<br />
Dieter! Aber es war damals halt recht<br />
heiß, und wer sein Fell zu lange in der<br />
Sonne braten lässt, kommt schon auf<br />
merkwürdige Ideen.<br />
Ein Leckerli gibt’s dafür jedenfalls nicht!<br />
Antje Fries<br />
30 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00
Vier Hauptkapitel sind jeweils von einem Basisbeitrag eingeleitet, in dem die<br />
grundsätzlichen Entwicklungen des National-sozialismus dargestellt werden.<br />
Erläutert und belegt in exemplarischen lokalen oder biografischen Studien behandelt der erste Band die Themen „Krise und<br />
Zerstörung der Weimarer Republik und die Anfänge des des Nationalsozialismus“, „Aufstieg des NS-Regimes und Errichtung<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung der Diktatur“, Rheinland-Pfalz „Inszenierung der 10/ Volksgemeinschaft 00<br />
und Alltagsleben unter dem Hakenkreuz“ und „Widerstand und Verfolgung“.<br />
31
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz<br />
Beilage zur E&W<br />
Schulgeist 2<br />
<strong>GEW</strong> Rheinland-Pfalz<br />
Neubrunnenstraße 8 · 55116 Mainz<br />
Telefon: 06131-28988-0 • FAX 06131-28988- 80<br />
E-mail: <strong>GEW</strong>@<strong>GEW</strong>-RLP.de<br />
Für Zwofünf im Pastell-<br />
Kostümchen mit stählernen<br />
Ellenbogen in die Schule ?<br />
In Form von jährlich einmaligen Leistungsprämien<br />
plant Bildungsminister<br />
Jürgen Zöllner die Stärkung des Leistungsgedankens<br />
auch an den öffentlichen<br />
Schulen in Rheinland-Pfalz....<br />
Frisch toscanagebräunt und gut erholt<br />
schleuderte Annemarie am ersten Schultag<br />
nach den großen Ferien ihre Tasche<br />
auf den fünften Stuhl von links zwischen<br />
die Sitzplätze der Kolleginnen Gemsauer<br />
und Mittelmann. Von gegenüber grinste<br />
bereits der Kollege Fischer, wie immer<br />
früh an Bord und mit FAZ-Lektüre beschäftigt.<br />
„Soweit alles beim Alten“, ging<br />
es Annemarie durch den Kopf. Auch die<br />
Tatsache, dass Kollege Herrlich wutschnaubend<br />
aus dem Sekretariat gestürmt<br />
kam und auf den schon am ersten Schultag<br />
erledigten Kopierer schimpfte, passte<br />
noch in die Reihe der Regelmäßigkeiten<br />
der letzten vierzehn Jahre, die Annemarie<br />
an diesem Ort verbracht hatte. Und<br />
selbst der Blick auf den Vertretungsplan<br />
erbrachte nur Altbekanntes: Kollege Backmeier<br />
fehlte wie immer die ersten drei<br />
Tage („Kinder, ihr könnt euch ja gar nicht<br />
vorstellen, welch’ widrige Winde mich<br />
und meine Yacht vom Landen in Brindisi<br />
abgehalten haben!“), Kollegin Martens<br />
schulte wie alljährlich eins ihrer Kinder<br />
ein und Kollege Rittmann hatte eben<br />
montags einfach Migräne.<br />
Dann aber fiel Annemaries Blick auf einen<br />
gelben Aushang unter der <strong>GEW</strong>-Leiste<br />
am Schwarzen Brett: „Leistungsprämien<br />
in Schulen“. Zwofünf am Ende des<br />
Schuljahres? Klasse! Endlich mal ein kleiner<br />
Ansporn!<br />
In der Pause lieferte das Thema dann<br />
auch schon ersten Gesprächsstoff neben<br />
dem üblichen „Na, hat’s auf Sylt wieder<br />
geregnet?“, „Hach, was gab’s schöne Männer<br />
auf Martinique!“ und „Nie wieder<br />
nehm ich meine Kinder mit in Urlaub!“.<br />
„Hammse schon gelesen?“, raunte Kollege<br />
Bach. „2500 Mark für fünf Prozent<br />
der Lehrer!“ Annemarie nickte und überlegte:<br />
Fünf Prozent von insgesamt siebzehn...<br />
Das wäre ja nicht ’mal eine/r...<br />
Na ja, mit Schulleitung inklusive könnte<br />
es rechnerisch aufgehen …<br />
„Aber ziemlich blöd, nur für Beamte!“<br />
brummelte Bach weiter. Annemarie rechnete<br />
erneut: Also fünf Prozent von nur<br />
noch neun. Die Chancen stiegen ins Unermessliche!<br />
„Was glaubense, wer das abkriegt?“, wisperte<br />
Bach von rechts in Annemaries Ohr.<br />
„Bestimmt wieder die Gemsauer, die gefällt<br />
dem Chef doch schon seit Jahren am<br />
besten mit ihren frisch gebügelten Pastell-<br />
Kostümchen!“ Da hatte er recht. Schließlich<br />
stand da noch dick und fett: „Die<br />
Schulleitung entscheidet.“ Die Gemsauer<br />
war die Vorzugsfrau im Kollegium.<br />
Aber selbst Kostümchen anschaffen und<br />
ein Jahr schleimen für lumpige Zwofünf,<br />
die dann auch noch vorher für Mode ausgegeben<br />
waren? Och nöö! Annemarie<br />
wollte sich schon wegdrehen, als Bach<br />
zischte: „Haha, möchte bloß wissen, welche<br />
‚herausragenden Leistungen‘ da prämiert<br />
werden!“ Herausragend benahm<br />
sich eigentlich niemand hier.<br />
„Da schlagen sich bestimmt ein paar Leute<br />
selbst vor!“, nuschelte Bach. Da musste<br />
Annemarie dann nicken. Fischer war<br />
schon seit Jahren stolz auf seine Mülltrennung,<br />
die er sogar den Putzfrauen nahegebracht<br />
hatte, Martens hatte ’mal mit<br />
einer Klasse eine Wand am städtischen<br />
Krankenhaus angemalt, Backmeier trainierte<br />
die Fußballmannschaft, die im regionalen<br />
Vergleich immerhin auf Tabellenplatz<br />
acht rangierte. Aber langte das<br />
für Zwofünf?<br />
„Ach nee, und für Teamleistungen ist mal<br />
wieder nix vorgesehen!“, entrüstete sich<br />
Bach. Annemarie konnte nicht anders,<br />
aber nun hatte sie den Verdacht, dass auch<br />
Bach scharf auf die Kohle war. Schließlich<br />
war er derjenige, der immer und<br />
überall in Teams arbeiten wollte, ob sich<br />
das nun anbot oder nicht, und der dann<br />
bestens delegieren konnte, um seinen eigenen<br />
Einsatz beim Mitbringen von Eistüten<br />
zu einer Mark aus der Eisdiele um<br />
die Ecke bewenden zu lassen. „Aber Herr<br />
Bach, für Teamarbeit haben wir doch gar<br />
keine Stundenzuweisungen mehr übrig“,<br />
flüsterte Annemarie vorsichtig nach<br />
rechts.<br />
„Warum ist das mit den Teilzeitleuten eigentlich<br />
nicht geklärt?“, dröhnte es plötzlich<br />
von links. Pfarrer Hammer gab vier<br />
Wochenstunden katholische Religion.<br />
„Das wäre natürlich die geniale Sparmaßnahme<br />
schlechthin!“, kicherte Bach<br />
von der anderen Seite: „Stellnse sich ma’<br />
vor, der Pfarrer wird zum Mitarbeiter<br />
des Jahres gekürt und das Geld dann<br />
umgerechnet auf seine Stundenzahl ausbezahlt.<br />
Bestimmt kommt kurz vor der<br />
Nominierung der Kandidaten eine geheime<br />
Dienstanweisung an die Chefs, dass<br />
es eine Aufstockung des Schuletats um einen<br />
Betrag X geben wird, wenn bevorzugt<br />
Leute mit Mini-Teilzeit vorgeschlagen<br />
werden. Und am Ende hat der Zöllner<br />
dann trotzdem noch gespart!“<br />
Als es schließlich zum Pausenende klingelte,<br />
fand sich Annemarie völlig verwirrt.<br />
Dann lieber in aller Ruhe Dienst schieben,<br />
als sich für Zwofünf brutto von nun<br />
an alljährlich Pastell-Kostümchen mit<br />
stählernen Ellbogen zulegen zu müssen!<br />
Die Lösung des Problems hatte dann aber<br />
Kollegin Sievers, Lehramtsanwärterin<br />
und damit leistungsprämienempfangsberechtigte<br />
Widerrufsbeamtin, bis zur<br />
Dienstbesprechung nach Schulschluss parat:<br />
Als der Chef von der „interessanten<br />
Neuerung“ als „Ansporn und Dank für<br />
alle engagierten Pädagogen“ berichtete,<br />
sprang sie auf und rief: „Also, Leute, ich<br />
schlage hiermit jetzt schon mich selbst vor<br />
und verspreche euch - notfalls auch schriftlich<br />
- dass ich den ganzen Zaster mit euch<br />
gemeinsam für eine Riesenfete ausgeben<br />
werde. Lasst uns die Kohle einfach zusammen<br />
versaufen, statt ein Jahr lang zu<br />
grübeln und zu kungeln, wer wohl der<br />
oder die Beste ist.<br />
Prost, Jürgen!“<br />
Antje Fries<br />
32 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00