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„Nun regt euch mal wieder ab!“<br />

Argumentationshilfe zum Thema Ökosteuer<br />

Seitdem der Benzinpreis die Marke<br />

von zwei Mark pro Liter überschritten<br />

hat, schlagen die Wellen hoch<br />

und wird insbesondere die Ökosteuer<br />

als böser Bube benannt, den es<br />

zu kippen gelte, sei es, indem man<br />

diese Steuer ganz abschafft oder wenigstens<br />

zeitweise aussetzt. Dabei<br />

gehen in der öffentlichen Debatte<br />

doch oft ein paar Dinge durcheinander.<br />

Zunächst sollte sich herumgesprochen<br />

haben, dass die aktuelle Benzinpreisentwicklung<br />

nur recht nachrangig<br />

durch die Ökosteuer bestimmt<br />

wird: Der Rohölpreis ist binnen<br />

Jahresfrist dramatisch gestiegen<br />

und verursacht wohl den größten<br />

Brocken beim Preisanstieg. Nun hatten<br />

wir in diesem Bereich schon<br />

1973 und 1979/80 dramatische<br />

Preisanstiege, und bei der Gestalt des<br />

Ölmarktes sind solche sprunghaften<br />

Entwicklungen nicht unverständlich.<br />

Nachdem etwa 20 Jahre lang der<br />

Ölpreis gesunken ist, ist der aktuelle<br />

Preissprung längerfristig zu relativieren.<br />

Jedenfalls wäre es töricht anzunehmen,<br />

dass ein knapper werdender<br />

Energieträger auch zukünftig<br />

immer billiger werden könnte.<br />

Eine weitere preistreibende Komponente<br />

ist der schlechte Außenwert<br />

des Euro. Da der Ölmarkt weitgehend<br />

in Dollar abgewickelt wird,<br />

schlägt der niedrige Wechselkurs direkt<br />

durch. Dies dürfte allerdings ein<br />

eher vorübergehendes Phänomen<br />

sein. Die Spitze ist wahrscheinlich<br />

schon überschritten, und mittelfristig<br />

rechen Währungsexperten überwiegend<br />

mit etwas günstigeren Euro-<br />

Kursen.<br />

Bleibt schließlich die Ökosteuer: Die<br />

dort festgelegten Jahresraten von<br />

0,06 Mark/Liter erhöhen sich unter<br />

Einschluss der Mehrwertsteuer auf<br />

rund 0,07 Mark. Bei einem mittleren<br />

PKW macht dies etwa 0,50 Mark<br />

je 100 km aus; bei einer durchschnittlichen<br />

Autonutzung kommen<br />

dabei pro Monat Mehrbelastungen<br />

in Höhe von fünf Mark heraus. Dies<br />

ist für sich genommen nicht so gewaltig<br />

- es entspricht etwa den Kosten<br />

von einer Schachtel Zigaretten<br />

oder einem Bier in der Kneipe.<br />

Allerdings wird die Ökosteuer nicht<br />

nur einmal in der beschriebenen<br />

Höhe erhoben, sondern jährlich um<br />

diesen Betrag erhöht. Über einen<br />

Zeitraum von vier Jahren, als einer<br />

Legislaturperiode, ergibt sich aus vier<br />

Raten der Ökosteuer eine Erhöhung<br />

der Treibstoffkosten um etwa zwei<br />

Mark je 100 Km. Auch dies ist gegenüber<br />

den Gesamtkosten der Autonutzung<br />

nachrangig: die variablen<br />

Kosten (je gefahrenen Kilometer)<br />

belaufen sich auf etwa 20 bis 60<br />

Mark je 100 km, die Vollkosten (unter<br />

Einschluss der Fahrzeugabschreibung)<br />

auf etwa 50 bis 200 Mark je<br />

100 km. Trotzdem wird deutlich,<br />

dass die Ökosteuer auf Dauer spürbar<br />

wird. Um diese zusätzliche Belastung<br />

zu vermeiden, reicht es allerdings<br />

aus, nach vier Jahren - was eine<br />

Schulen<br />

übliche Haltedauer für einen PKW<br />

darstellt - auf ein Fahrzeug umzusteigen,<br />

das pro 100 km einen Liter weniger<br />

verbraucht als das vorherige.<br />

Bei dem gegenwärtigen Durchschnittsverbrauch<br />

je PKW und dem<br />

technischen Potenzial, Autos mit viel<br />

niedrigerem Verbrauch zu bauen,<br />

kann ein Übergang zu verbrauchsärmeren<br />

Modellen in der Regel noch<br />

sehr lange Zeit die Ökosteuer kompensieren.<br />

Entsprechende Fahrzeugmodelle<br />

mit deutlich unterdurchschnittlichen<br />

Verbräuchen werden<br />

im Markt angeboten; bei steigender<br />

Nachfrage dürfte zudem die Bereitschaft<br />

der Autoindustrie steigen,<br />

noch sparsamere Modelle zu entwikkeln.<br />

Insgesamt muss man die Wirkung<br />

der Ökosteuer auf den Benzinpreis<br />

also als eine eher milde Anregung<br />

zum Spritsparen einstufen. Allerdings<br />

ist zu fragen, ob besondere<br />

Gruppen in der Bevölkerung vielleicht<br />

unzumutbar betroffen werden.<br />

Häufig herausgestellt werden Berufspendler,<br />

die (insbesondere im ländlichen<br />

Raum) auf das Auto angewiesen<br />

sind; auch hier ist insgesamt das<br />

Problem eher beschränkt, da der Verkehr<br />

von der und zur Arbeitsstelle<br />

nur 20 Prozent des PKW-Verkehrs<br />

ausmacht. Für die Berufspendler<br />

wird die Lage zudem dadurch entspannt,<br />

dass bei der Absetzbarkeit der<br />

Kosten für den Arbeitsweg nicht die<br />

niedrigen Grenzkosten eines kleinen<br />

Wagens zugrunde gelegt werden.<br />

Nun soll allerdings nicht grundsätzlich<br />

ausgeschlossen werden, dass andere<br />

Gruppen besonders belastet<br />

werden. Man denke z.B. an allein<br />

erziehende Mütter, die häufig bei<br />

geringem Einkommen komplizierte<br />

Zeit- und Wegeprogramme absolvieren<br />

müssen. Auch hier ist die absolute<br />

Höhe der Belastung in aller Regel<br />

nicht sehr bedeutend. Hier könnte<br />

die Politik, soweit dies aus sozialen<br />

Gründen erforderlich scheint,<br />

aber durch gezielte Förderung der<br />

betroffenen Familien besser entgegensteuern,<br />

etwa im Zuge der Kindergeldgestaltung,<br />

als dadurch, dass<br />

für alle Autofahren verbilligt wird.<br />

Karl Otto Schallaböck,<br />

Verkehrsexperte des Wuppertal-Instituts<br />

für Klima, Umwelt, Energie.<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />

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