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Biedermänner – Brandstifter – Feuerwehr<br />
- Von Rainer Probst -<br />
Nachdem Politik und Teile der Wirtschaft<br />
nach massivem Druck aus dem<br />
Ausland dazu gebracht wurden, die wenigen<br />
noch lebenden ehemaligen<br />
ZwangsarbeiterInnen mit schäbigen<br />
Almosen abzuspeisen, hat die Sorge um<br />
den „Standort Deutschland“ zu einem<br />
weiteren erstaunlichen Ergebnis geführt:<br />
Ein „Konsens der Demokraten“<br />
gegen Rechts formiert sich.<br />
Erfüllt sich plötzlich der Wunschtraum<br />
all derer, die seit Jahren und Jahrzehnten<br />
von dieser Gesellschaft, von diesem<br />
Staat und seinen Organen ein entschlossenes<br />
Vorgehen gegen die rechte<br />
Gewalt, gegen Ausländerhass und Antisemitismus<br />
eingefordert haben? Geplantes<br />
NPD-Verbot, Internetkontrolle,<br />
Aufklärung durch die Medien sowie<br />
härtere Strafandrohung könnten<br />
erfreuliche Auswirkungen dieser Kampagne<br />
sein. Auch wenn wir den (gutgemeinten)<br />
Spruch vom „nicht wegschauen.<br />
sondern hinsehen“ schon fast<br />
nicht mehr ertragen können, wollen<br />
wir ihn ernst nehmen und mal genauer<br />
hinsehen. Mehr oder weniger sachkundige,<br />
aber viele selbsternannte „Experten“<br />
nehmen tagtäglich in den Medien<br />
Stellung. Als Ursache rechter Gewalt<br />
von Jugendlichen werden wechselweise<br />
oder in unterschiedlicher Kombination<br />
das häusliche Umfeld, die Jugendarbeitslosigkeit‚<br />
die untergegangene<br />
DDR, fehlende Vorbilder und mangelnde<br />
Freizeitangebote dingfest gemacht.<br />
Bei all diesen Statements<br />
kommt irgendwann, meistens<br />
am Schluss, ein bedeutungsvoller<br />
Satz vor wie: „Hier ist<br />
vor allem Schule gefordert’.<br />
(Darüber wird später noch zu<br />
reden sein).<br />
Alle genannten Erklärungen<br />
haben gewiss etwas mit den<br />
Ursachen rechtsextremer Gewalt<br />
zu tun; sie stellen einen<br />
Teil der Wahrheit dar. Die<br />
Hauptursachen rechter Gewalt<br />
werden allerdings ver-<br />
schwiegen, nicht wahrgenommen oder<br />
verdrängt.<br />
Die Gewalt kommt aus<br />
der Mitte der Gesellschaft<br />
Kommentar: Rechte Gewalt<br />
Rainer Probst ist Gesamtschullehrer<br />
und Bildender Künstler. Das Bild<br />
auf der Titelseite entstand 1979, als<br />
die ersten „Skinheads“ (zunächst in<br />
England) mit Nazisymbolen auftraten.<br />
Der HPR-Vorsitzende: „Gerne<br />
würde ich es in der hintersten Ecke<br />
meines Ateliers stehen lassen, doch<br />
traurigerweise hat es seine Aktualität<br />
bis heute behalten.“<br />
Den Nährboden für die zunehmende<br />
rechte Gewalt bildet nach meiner Ansicht<br />
die gesamtgesellschaftliche Entwicklung,<br />
nämlich eine von Wirtschaft<br />
und Staat geforderte und geförderte<br />
Konkurrenz- und Ellenbogenmentalität,<br />
die sich durch den Standortnationalismus<br />
und den neoliberalen Wettbewerbswahn<br />
begründet. Das schon<br />
immer in der Bundesrepublik latent<br />
deutschnationale Denken ist seit Wiedervereinigung<br />
und Kosovokrieg salonfähig<br />
geworden, die nationalsozialistische<br />
Vergangenheit wird relativiert und<br />
somit verharmlost. Dies geschieht nicht<br />
am „rechten Rand“, sondern aus der<br />
Mitte und den Spitzen unserer Gesellschaft.<br />
Ich möchte dies an Hand einiger<br />
Beispiele deutlich machen:<br />
„Zurzeit geht ein Ruck durch dieses<br />
Land- und zwar ein Rechtsruck! Dies<br />
ist nicht verwunderlich, da unsere Politiker<br />
nur noch die Interessen von Ausländern,<br />
Asylsuchenden und so genannten<br />
Minderheiten vertreten.(...) Wir<br />
sind zum Spielball der amerikanischen<br />
und jüdischen Interessen geworden, die<br />
von uns Zahlungen verlangen. Das<br />
Maß ist voll.“<br />
Dies ist kein Zitat aus der „Nationalund<br />
Soldatenzeitung“ oder der „Jungen<br />
Welt“, sondern Inhalt eines Leserbriefes<br />
(kein Einzelfall), der am 19.<br />
August in der „Allgemeinen Zeitung -<br />
Rhein Main - Presse“ veröffentlicht<br />
wurde. Obwohl diese bürgerliche Tageszeitung<br />
mit zahlreichen Lokalausgaben<br />
eine der auflagenstärksten Zeitungen<br />
im südwestdeutschen Raum ist,<br />
wurde von mir keine Leserlnnenreak-<br />
Von der Gemeindeverwaltung angeordnete<br />
„Pflegearbeiten“ zerstörten jüdische Grabsteine.<br />
(Foto: Probst)<br />
<strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 10/ 00<br />
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