.Hallo wie gehts. Nr.4 - Dunlop
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.Hallo wie gehts. Nr.4 - Dunlop
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ERSTER: DER PLATZ MIT DER SCHÖNSTEN AUSSICHT.<br />
Wer einmal ganz oben war, weiß: Die Zielflagge als Erster zu sehen,<br />
bedeutet die Strecke auswendig zu kennen und auch bei 290 km/h nicht<br />
die Nerven zu verlieren. Man handelt instinktiv und verlässt sich ganz<br />
auf Wagen und Reifen. Und wer in der DTM fährt, hat auch allen Grund<br />
dazu. Denn <strong>Dunlop</strong> rüstet die DTM exklusiv mit Reifen aus. Rennreifen,<br />
seit Jahren im Motorsport getestet und weiter entwickelt. Immer mit<br />
derselben Überzeugung: Jeder Rekord kann gebrochen werden.<br />
DER BESTE PLATZ<br />
IST IMMER GANZ<br />
VORNE<br />
www.dunlop.de
Vorwort des Autors<br />
Helden vergisst<br />
man nicht …<br />
3<br />
Was macht eigentlich der Böhringer,<br />
der alte Greger oder der<br />
Linge? Solche Fragen, gestellt<br />
von Fans und Freunden, geisterten immer<br />
<strong>wie</strong>der durch die Gegend. Antworten<br />
wusste meist niemand, es sei denn,<br />
man machte sich gezielt ans Recherchieren.<br />
Aus dieser Ratlosigkeit heraus entstand<br />
vor gut vier Jahren die Idee, eine<br />
Serie über die Befindlichkeit unserer<br />
Rennsporthelden, Manager<br />
und Macher der 60er-, 70erund<br />
80er-Jahre dauerhaft zu<br />
platzieren. Mit kurzen, knackigen<br />
Texten und Fotos von<br />
damals und heute.<br />
Bei den Kollegen von<br />
«MOTORSPORT aktuell»<br />
habe ich für die Idee auf<br />
Anhieb viel Begeisterung<br />
vorgefunden – und schon<br />
war die Serie «<strong>Hallo</strong>, <strong>wie</strong><br />
geht’s?» geboren. Seit<br />
Januar 2000 sind exakt<br />
182 Folgen erschienen,<br />
in den beiden ersten Jahren begleitet<br />
von Bilstein, danach bis heute von Partner<br />
und Präsenter <strong>Dunlop</strong>. Der Hanauer<br />
Reifenhersteller passt mit seiner über<br />
100-jährigen Motorsporttradition so<strong>wie</strong>so<br />
bestens zu unseren Serienhelden,<br />
von denen viele ihre Siege und Meistertitel<br />
auf <strong>Dunlop</strong>s schwarzem Gold erzielt<br />
haben. Bereits seit letztem Jahr können<br />
übrigens alle «<strong>Hallo</strong>, <strong>wie</strong> geht’s?»-Folgen<br />
auch im Internet über die Homepage<br />
www.dunlop.de aufgerufen und<br />
heruntergeladen werden.<br />
Die unverändert gute Resonanz hat<br />
dafür gesorgt, dass die Serie bei<br />
den Fans fast schon Kultstatus hat<br />
und dank <strong>Dunlop</strong> und MSa nun ins fünfte<br />
Jahr durchstarten kann. <strong>Dunlop</strong> und<br />
MSa präsentieren überdies hiermit auch<br />
die vierte Auflage des beliebten Sonderdrucks<br />
mit allen bisher erschienenen<br />
182 Einzelbeiträgen.<br />
Trotz zeitraubender Kleinarbeit<br />
beim Recherchieren der Wohnorte<br />
und Telefonnummern so<strong>wie</strong> bei der<br />
Beschaffung alter und neuer Fotos ist<br />
der Spassfaktor für mich als Autor unverändert<br />
gross. Wenn man die meisten<br />
Karrieren derer selbst miterlebt hat, die<br />
man jetzt zu ihrer Befindlichkeit ausfragt,<br />
ist schon allein das Gespräch ein<br />
Erlebnis. Vergleichbar mit einer kurzen<br />
Reise in eine Rennsportzeit,<br />
die sicher nicht die schlechteste<br />
war. Der Motorsport hat mit und<br />
von den Helden von damals gut<br />
gelebt, verdammt gut sogar.<br />
Deshalb haben sie es auch<br />
nicht verdient, in Vergessenheit<br />
zu geraten.<br />
So ist diese Serie für<br />
mich im Laufe der<br />
Zeit auch zu einer<br />
Art Verpflichtung geworden,<br />
die Erinnerung an<br />
jene wach zu halten, die<br />
uns seinerzeit viel Freude<br />
auf und neben der Rennpiste bereitet<br />
haben. Zusammen mit unseren Partnern<br />
<strong>Dunlop</strong> und der Messe Essen wurde deshalb<br />
auch das jährliche «Klassentreffen»<br />
initiiert, zu dem alle vorgestellten<br />
ehemaligen PS-Fürsten am zweiten<br />
Samstag der Motorshow nun schon zum<br />
vierten Mal nach Essen kommen. Der<br />
Zuspruch ist ernorm, die Wiedersehensfreude<br />
gross. Vor allem bei denen, die<br />
sich 30 Jahre und länger aus den Augen<br />
verloren hatten. Allgemeiner Tenor:<br />
«Eine wunderbare Gelegenheit, wenigstens<br />
einmal im Jahr alte Freunde zu treffen.<br />
Und weitaus besser, als sich immer<br />
nur aus traurigem Anlass auf diversen<br />
Friedhöfen über den Weg zu laufen.»<br />
Fans, Freaks und Freunden von<br />
«<strong>Hallo</strong>, <strong>wie</strong> geht’s?» wünsche ich<br />
auch mit der vorliegenden 4. Auflage<br />
des Nostalgie-Booklets viel Spass.<br />
Rainer Braun
Inhaltsverzeichnis<br />
MSa-Jahrgang 2002<br />
Behrmann, Klaus: Höhen und Tiefen 98<br />
Beule-Mühren, Marion: Madame Courage 99<br />
Braun, Hans: Karriere im Käfer 100<br />
Bross, Helmut: Der Vau-Fighter 101<br />
Cassani, Manfred: Schrott und Siege 102<br />
Danco, Fritz: Der alte Fritz 103<br />
Dauer, Jochen: Power mit Dauer 104<br />
Dongus, Lothar: Der Fitness-Freak 105<br />
Engeman, Liane: Der blonde Engel 106<br />
Eppelein, Heinz: Der BMW-Pionier 107<br />
Eymann, Dr. Dieter: Zurück ins Leben 108<br />
Fischhaber, Toni: Tölzer Triumphator 109<br />
Fuchs, Heinz: Der Formel-Fuchs 110<br />
Hähn, Helmut: Ein Leben für Alfa 111<br />
Hardt, Dieter: Der Öl-Baron 112<br />
Hegels, Dieter: Der stille Meister 113<br />
Hero, Manfred: Manfred the Hero 114<br />
Huhn, Robert F.: Sieg für die Airline 115<br />
Klapproth, Günther: Der Perfektionist 116<br />
König, Kurt: Fränkisches Fahrtier 117<br />
Kremer, Erwin: Doppel-Jubiläum 118<br />
Leinenweber, Fritz: Porsche-Jünger 119<br />
Lins, Rudi: Der Gipfelstürmer 120<br />
Loos, Georg: Der Porsche-König 121<br />
Maas, Alfred: Chef-Zeitnehmer 122<br />
Mantzel, Wolf Dieter: Der Totgesagte 123<br />
Maring, Ernst: Pilot und Erbauer 124<br />
Mertel, Rainer: Der Ring-Kämpfer 125<br />
Mezger, Hans: Der Powermann 126<br />
Müller sr., Siegfried: Gentleman Driver 127<br />
Müller, Fritz: Der Mann mit Hut 128<br />
Ortner, Johann: Der Abarth-Bändiger 129<br />
Reisenbichler, Lili: Lili und die Machos130<br />
Schimpf, Eckhard: Herr der Moneten 131<br />
Schmarje, Christian: Der Mini-Mann 132<br />
Schneider, Gerhard: Frust statt Lust 133<br />
Stenzel, Reinhard: Jubel & Tragödien 134<br />
Stockmar, Jürgen: Quattro-Künstler 135<br />
van Lennep, Gijs: Hollands Bester 136<br />
v. Brauchitsch, Manfred †: Silberpfeil-Idol 137<br />
Waldhier, Franz: Der schöne Franz 138<br />
Walter, Heini: Schweizer Legende 139<br />
Waxenberger, Erich: Super-Stratege 140<br />
Weisheidinger, Johann: Untergrund-Mann 141<br />
Wendlinger sr., Karl: Ein Idol aus Tirol 142<br />
Wilcke, Wolfgang: Löwe von Zolder 143<br />
MSa-Jahrgang 2003<br />
Akersloot, Han: Spass und Spiele 144<br />
Becker, Heinz: Der Cup-Spezialist 145<br />
Besier, Günther: Ein flinker Kater 146<br />
Blank, Arthur: Mister Powerslide 147<br />
Braungart, Martin: Der Vordenker 148<br />
Christmann, Werner: Der Terminator 149<br />
Damler, Dieter: Das ZDF-Urgestein 150<br />
Eggenberger, Ruedi: Titel-Architekt 151<br />
Faltz, Rüdiger: Racer mit Herz 152<br />
Flohr, Wolfgang P.: Grosser Zampano 153<br />
Frère, Paul: Leben voller Autos 154<br />
Furtmayr, Ernst: Der Alleskönner 155<br />
Gäb, Hans Wilhelm: Der Sportmanager 156<br />
Gartmann, Dieter: Der Capri-Drifter 157<br />
Glotzbach, Dieter: <strong>Dunlop</strong>s Frontmann 158<br />
Haider, Sepp: Der Driftkönig 159<br />
Hetzer, Heidi: Berlins PS-Lady 160<br />
Heuser, Charlotte: Treue Toyota-Seele 161<br />
Kling, Alfred: Der DKW-Schwabe 162<br />
Koch, Gerhard: Flotter Spediteur 163<br />
König, Willy: Der Überflieger 164<br />
Konrad, Anton: Der Vau-Mann 165<br />
Linzen, Peter: Rallye-Botschafter 166<br />
Lotterschmid, Kurt: Der Dickschädel 167<br />
Lyding, Wilhelm: Macher & Mentor 168<br />
Noell, Alfred: Alis 7. Sinn 170<br />
Oebels, Hubert: Trips-Weggefährte 171<br />
Pauli, Peter: Ring-Zeitnehmer 172<br />
Piedade, Domingos: Multi-Manager 173<br />
Pon, Ben: Der Weinkönig 174<br />
Rosche, Paul: Der Nocken-Paule 175<br />
Ruch, Gerd: Mustang-Reiter 176<br />
Schoppe, Urban: Das Kraftpaket 177<br />
Schornstein, Dieter: Der Markentreue 178<br />
Seegers, Heinz: Der scharfe Hund 179<br />
Singer, Norbert: Porsche forever 180<br />
Steckkönig, Günter: Flotter Ingenieur 181<br />
Steinmetz, Klaus: Der Italien-Fan 182<br />
Stureson, Per: Stiller Schwede 183<br />
Teves, Thomas: Kekes Teamkollege 184<br />
von Bayern, Poldi: Prinz Vollgas 185<br />
von Gundlach, Horst: Mr. Unverwüstlich 186<br />
v. Hohenzollern, Ferfried: Prinz Vollgas II 187<br />
v. Kahlen, Sigismund: Der Sportpolitiker188<br />
Wallrabenstein, Günther: Bananenbieger 189<br />
Werner, Michael: Das ewige Talent 190
98<br />
laus Behrmann kann als einer der frü-<br />
Mercedes-Botschafter im Touren-<br />
Khen<br />
wagensport gelten. Zwischen 1960 und<br />
1971 wuchtete der Automobilkaufmann<br />
aus Norderstedt vor den Toren Hamburgs<br />
seine 220 SE, 300 SE und 300 SEL über die<br />
damals reichlich vorhandenen Flugplätze<br />
und Rallyepfade. Professionelle technische<br />
Vorbereitung, eine ausgeprägte Liebe<br />
zum Detail und seine fahrerischen Möglichkeiten<br />
liessen Behrmann eine Ausnahmeposition<br />
bei den Privatiers einnehmen.<br />
Technik-Transfer durch Mercedes-Mann<br />
Erich Waxenberger und den jungen Hans<br />
Werner Aufrecht sorgte auch dafür, dass<br />
Behrmann im 6,3-Liter-SEL schliesslich alles<br />
in Grund und Boden fuhr. Zuletzt donnerte<br />
der Autohausbesitzer sogar mit 7,2<br />
Liter Hubraum und annähernd 400 PS<br />
durch die Gegend. Nur zwei Punkte fehlten<br />
ihm 1966 zum Gewinn der Rundstrecken-Meisterschaft,<br />
und bei den 6 Stunden<br />
von Paul Ricard 1971, einem EM-Lauf,<br />
wurde er zusammen mit Jean-Pierre Jabouille<br />
und José Dolhem Gesamtvierter.<br />
Der Gesamtsieg bei der Sachs-Baltic-Rallye<br />
1965 und drei norddeutsche Meistertitel<br />
runden die Bilanz ab. Der Tod seiner<br />
Mutter und die daraus resultierenden geschäftlichen<br />
Verpflichtungen bewogen ihn<br />
Ende 1971, den Rennsport aufzugeben.<br />
Behrmann, Klaus (MSa 41/2002)<br />
Höhen und Tiefen<br />
Aus dem Hobby-Rennfahrer ist inzwischen<br />
ein Multi-Geschäftsmann geworden.<br />
Neben dem Mercedes-Autohaus zählen<br />
ein Hotel, mehrere Restaurants und<br />
ein Reiterhof zu seinem kleinen Imperium.<br />
Als Hobby leistet er sich eine Entenzucht<br />
mit ca. 50 verschiedenen Entenund<br />
Gänse-Arten. Mit Hilfe seiner Kinder<br />
Axel (43), Anette (40) und Anja (35)<br />
kümmert sich Behrmann (68) um alles<br />
selber, «sonst würd’s in meinem Leben ja<br />
langweilig».<br />
Dieses hatte für ihn und seine Frau<br />
Christel, mit der er seit 44 Jahren verheiratet<br />
ist, nicht nur Erfolg und Wohlstand<br />
parat: Um zwei Krebserkrankungen «mit<br />
Lebensmut und eisernem Willen» zu besiegen,<br />
musste er insgesamt acht Operationen<br />
über sich ergehen lassen. Und kaum<br />
war das geschafft, war seine Frau mit einer<br />
komplizierten Lungen-Operation an<br />
der Reihe. «Wir denken positiv und lassen<br />
uns nicht unterkriegen», lautet die Devise<br />
der beiden.<br />
Seinen 300 SEL im furchterregenden<br />
Look von ’71 hegt und pflegt er noch immer<br />
– trotz traumhafter Kaufofferten aus<br />
aller Welt. «Dieses Auto ist unverkäuflich»,<br />
tut Behrmann kund. «Es erinnert mich jeden<br />
Tag aufs Neue an die schönsten Jahre<br />
meiner Rennsportzeit.»<br />
Gegner besiegt: Behrmann 1971<br />
Krebs besiegt: Behrmann heute<br />
Optischer Leckerbissen: Behrmanns 300 SEL 7,2 V8 in Paul Ricard 1971
Beule-Mühren, Marion (MSa 48/2002)<br />
Madame Courage<br />
99<br />
arion Beule hatte schon als 14-Jährige<br />
Mim Kart gelernt, sich gegen die Macho-<br />
Männer durchzusetzen. Dass die Herren<br />
mit schneller weiblicher Konkurrenz nicht<br />
immer galant umspringen, gehört mit zu<br />
den ältesten Erkenntnissen des Rennsports.<br />
Mit Kampfstärke und guten<br />
Resultaten brachte es die Schwester der<br />
Kart-Spitzenfahrer Achim und Rainer «Zorro»<br />
Beule bis zum Junioren-WM-Kader der<br />
Nationalmannschaft. Dass sie ausgerechnet<br />
bei der Kart-Weltmeisterschaft 1980,<br />
wo sie nach zweitbester Trainingszeit aus<br />
der ersten Startreihe ins Rennen ging, von<br />
«irgendeinem wildgewordenen Kerl» an<br />
der ersten Ecke abgeschossen wurde, gehört<br />
zu den eher leidvollen Erfahrung aus<br />
dieser Zeit.<br />
Umso reizvoller schien ihr die Herausforderung,<br />
ab 1983 im Ford Fiesta Ladies<br />
Cup «mal nur gegen Frauen anzutreten».<br />
Die Damen-Rennserie befand sich gerade<br />
im zweiten Jahr, als die couragierte Kart-<br />
Pilotin die Fronten wechselte. Besonders<br />
gesittet ging’s allerdings auch hier nicht<br />
zu, denn die Akteurinnen droschen mit<br />
identischen Fiesta XR 2 Sport gnadenlos<br />
aufeinander ein. Obwohl die Werbefachfrau<br />
aus Hagen fast immer in der Spitzengruppe<br />
zu finden war, schaffte sie den<br />
Titelgewinn erst drei Jahre später. Langstreckenpokal<br />
und Formel Opel waren die<br />
nächsten Stationen, bevor Marion Beule<br />
gleichermassen Motivation und Fahrspass<br />
abhanden kamen. Deshalb zog sie 1991<br />
den Schlussstrich unter die Rennerei und<br />
heiratete wenig später mit dem Wegberger<br />
Automobilkaufmann Konrad Mühren jenen<br />
Mann, den ihr der bekannte Fussball-Manager<br />
Norbert Pflippen sieben Jahre zuvor<br />
beim Ladies-Cup-Lauf in Zolder erstmals<br />
vorgestellt hatte.<br />
Heute lebt die inzwischen 38 Jahre alte<br />
Ex-Rennfahrerin mit ihrem Ehegatten (der<br />
sein Autohaus verkauft hat und stattdessen<br />
Motor-Yachten vertreibt) unverändert<br />
in Wegberg bei Mönchengladbach und hat<br />
nahezu jeden Kontakt zum Rennsport verloren.<br />
Selbst die Fernsehübertragungen<br />
von der Formel 1 und der DTM schaut sie<br />
sich nur sehr unregelmässig an. Dafür engagiert<br />
sie sich im gemeinsamen Bootsgeschäft,<br />
pflegt mit Begeisterung den Garten<br />
und kümmert sich um Schäferhund<br />
«Farus». Seit ein paar Monaten hat sie mit<br />
regelmässigem Jogging angefangen, «weil<br />
man was für die Gesundheit tun muss, um<br />
mobil und fit zu bleiben». Und irgendwann,<br />
wenn es die Zeit erlaubt, würde sich<br />
Marion gerne der modernen Malerei widmen.<br />
«So richtig mit Farbe und Leinwand<br />
und vielen Klecksen.»<br />
Karriere mit Ford: Marion Beule 1983 Haushalt und Hund: Marion Beule 2002<br />
Frauenpower im Ladys-Cup: Marion Beule 1983 als eine von 20 Fiesta-Damen
100<br />
ans Braun war der wohl spektakulärste<br />
HVW-Käfer-Pilot der 60er-Jahre. Unverwechselbar<br />
seine ausserirdischen Drifts,<br />
leicht verwechselbar hingegen sein Name.<br />
Denn zu dieser Zeit tobten übrigens noch<br />
drei weitere, ziemlich erfolgreich rennende<br />
Brauns mit dem Vornamen Hans über die<br />
Rennstrecken: Einer aus Nürnberg im Mercedes<br />
220 SE, einer aus Wiesbaden im Alfa<br />
Romeo Giulia TI und einer aus Rüsselsheim<br />
im Glas 600.<br />
Keiner allerdings fuhr so brutal quer <strong>wie</strong><br />
der «Käfer-Braun» aus Lüftelberg bei<br />
Bonn. Der Design-Ingenieur mit beruflichen<br />
Stationen bei Ford, Porsche und bis<br />
zu seiner Pensionierung bei BMW bürstete<br />
mit seinem VW 1200 Standard und später<br />
mit dem Oettinger-VW-Okrasa 1500 auf der<br />
Rundstrecke, bei Bergrennen und Rallyes<br />
ganze Legionen prominenter Zeitgenossen<br />
ab und holte sich 1960 den ONS-Pokal für<br />
Ausweisfahrer.<br />
Als absolutes Highlight seiner Karriere<br />
gelten die beiden Gesamtsiege bei der<br />
Rallye Hanseat, wo er 1962 beispielsweise<br />
das Top-Trio Rudi Golderer (Mercedes 220<br />
SE), Bernhard Grab (Ford 17 M) und Günter<br />
Wallrabenstein (Porsche 1600 S) mit<br />
seinem 30-PS-Käfer auf die Plätze ver<strong>wie</strong>s.<br />
Auch am Steuer anderer Marken gehörte<br />
der Alleskönner immer zu den Besten. So<br />
Braun, Hans (MSa 06/2002)<br />
Karriere im Käfer<br />
erkämpfte er sich 1963 im NSU-Prinz bei<br />
der Tourenwagen-EM den Rang des Klassenprimus<br />
bis 600 ccm, gehörte im Ford<br />
12 M zusammen mit Jochen Neerpasch und<br />
dem amerikanischen Haudegen Bob Bondurand<br />
zur Kölner Werksmannschaft und<br />
steuerte für den Nürburgring-Rennstall<br />
von Willi Martini oft und erfolgreich einen<br />
700er-BMW.<br />
Heute lebt Hans Braun zusammen mit<br />
seiner Frau, mit der er seit 32 Jahren verheiratet<br />
ist, als umtriebiger Pensionär abwechselnd<br />
in München und auf der<br />
Kanareninsel Lanzarote, pflegt sein Hobby<br />
Astronomie, baut alle Ferrari-F1-Rennwagen<br />
ab Baujahr 1953 als 1:24-Modelle<br />
detailgenau nach und beteiligt sich seit<br />
25 Jahren mit sehr viel Engagement und<br />
Begeisterung an historischen Veranstaltungen.<br />
Dafür stehen dem inzwischen 66-<br />
Jährigen gleich vier kostbare Sportgeräte<br />
zur Verfügung: ein Porsche Coupé, ein<br />
Porsche Roadster, ein Stanguellini-Formel-Junior<br />
so<strong>wie</strong> eine Einzylinder-Moto<br />
Guzzi Falcone.<br />
Formel-1- und DTM-Übertragungen sind<br />
für den Ferrari- und Porsche-Fan absolutes<br />
Fernseh-Pflichtprogramm, ansonsten geniesst<br />
er das milde Klima der kanarischen<br />
Inseln und «freut sich über jeden Tag, den<br />
ich gesund erlebe».<br />
Wilder Drifter: Hans Braun 1963<br />
Stiller Geniesser: Braun heute<br />
Winker (Kreis) statt Blinker: Brauns gefürchteter Käfer 1960 in Action
elmut Bross und die wunderbar wilde<br />
HFormel-V-Zeit. Obwohl er mehr als 30<br />
Rennjahre erlebt hat und auch mit neuzeitlichen<br />
Formel- und Sportwagen reichlich<br />
Erfolg einfuhr, landet das Gespräch immer<br />
<strong>wie</strong>der dort, wo alles anfing. «Die Formel<br />
V war das Grösste, wir haben zu viert<br />
im Einzelzimmer gepennt, Kameradschaft<br />
und Spass waren alles. Dein Konkurrent<br />
war damals noch dein Freund, heute ist er<br />
dein Feind. Der Verfall dieser Werte ist erschreckend.»<br />
Bross wuchs Ende der 60er-Jahre mit der<br />
verrücktesten Renn-Clique aller Zeiten<br />
auf, seine Gegner hiessen Marko, Pankl,<br />
Schurti, Luyendyk, Trint & Co. Drei Titelgewinne<br />
in der Formel V 1300 und eine<br />
Meisterschaft in der 1,6-l-Super V machten<br />
ihn zu einem der erfolgreichsten Vertreter<br />
seiner Zunft. Jener «Komet», der<br />
ihm 1972 den Super-V-Titel bescherte, war<br />
übrigens eine Porsche-Konstruktion, die<br />
Weissacher Renningenieure für ihre Kumpels<br />
Günther Steckkönig und Eberhard<br />
Braun gebaut und mit Drehstab- statt Spiralfederung<br />
versehen hatten. «Es gab nur<br />
zwei Exemplare», erinnert sich Bross, «das<br />
Ding war ein echter Hammer.»<br />
Mehrfach trat der Formel-V-Frontmann<br />
auch mit einer Europa-Auswahl bei den berüchtigten<br />
Vergleichskämpfen gegen die<br />
Bross, Helmut (MSa 37/2002)<br />
Der Vau-Fighter<br />
101<br />
US-Boys in Daytona und Sebring an und<br />
kehrte einmal als Dritter und einmal als<br />
Fünfter zurück.<br />
Wundersamer Weise überstand Bross<br />
anders als manche Kollegen die V-Ära ohne<br />
grösseren Unfall, dafür erwischte es ihn<br />
1980 im Chevron-Formel 2 auf der Nordschleife<br />
gewaltig. «Wegen eines Felgenbruchs<br />
flog ich 400 Meter weit. Das Auto<br />
war platt, mir ist fast nichts passiert.»<br />
Lange startete der Veteran noch in der<br />
Interserie (einmal Meister, viermal Vize),<br />
bevor er seine aktive Laufbahn vor drei<br />
Jahren ausklingen liess und seinen Rennautobestand<br />
verkaufte. Noch hält der Herrenberger<br />
regelmässig Kontakt mit Schwaben-Spezi<br />
Roland Asch, ansonsten sitzt<br />
der 63-Jährige oft auf dem Rennrad und<br />
kämpft gegen die Pfunde. Vor allem findet<br />
er jetzt die Zeit, sich seiner Familie (Lebensgefährtin<br />
Petra, zwei Söhne, 14 und<br />
11, eine Tochter, 7) zu widmen. Nebenbei<br />
kümmert sich der Ex-Speditionskaufmann<br />
und -Ölgrosshändler um seine Vertriebsfirma<br />
für sportliches Autozubehör.<br />
Bis aufs Übergewicht fühlt sich Helmut<br />
Bross gesund und fit. Und er arbeitet «konsequent<br />
und gezielt» an der Realisierung<br />
eines lang gehegten Traums: «In ein paar<br />
Jahren will ich auf den Kanaren leben –<br />
bis zum Abwinken.»<br />
Racing und Spass: Bross 1969<br />
Rennrad und Kids: Bross heute<br />
Super-V-Nationencup Sebring 1971: Helmut Bross neben Polesitter Scott
102<br />
Cassani, Manfred (MSa 19/2002)<br />
Schrott und Siege<br />
anfred Cassani, Motorsport-Fan und<br />
MMarkisen-Hersteller aus München,<br />
leistete sich zwischen 1978 und 1980 den<br />
Luxus eines eigenen Rennstalls. Mit Toppiloten<br />
<strong>wie</strong> Manfred Winkelhock, Axel<br />
Plankenhorn, Hans Stuck, Manfred Schurti<br />
oder Christian Danner traten Cassani-<br />
Autos in der Formel-2-EM, der BMW-M1-<br />
Procar-Serie und der Deutschen Rennsport-Trophäe<br />
(DRT) an. Der Teamchef<br />
selbst, aus eigener aktiver Zeit als Hobby-<br />
Rennfahrer mit einigen Formel-V- und F3-<br />
Erfolgen gesegnet, erlebte oft genug ein<br />
Wechselbad der Gefühle. Mal produzierten<br />
Stuck und Winkelhock beim Procar-Rennen<br />
in Monaco Totalschäden, mal standen seine<br />
Piloten als Sieger auf dem Podium.<br />
Christian Danner, der als Talent-Import<br />
aus dem R5-Pokal bei Cassani 1980 sein<br />
erstes Profi-Jahr mit dem M1 in der DRT<br />
erlebte, ist voll des Lobes: «Der Cassani<br />
hat sein letztes Hemd verkauft, um das<br />
Auto schneller und seine Fahrer glücklich<br />
zu machen. Ohne ihn hätte es den Rennfahrer<br />
Danner nie gegeben.»<br />
Die grössten Erfolge feierte das Team<br />
mit Platz 3 beim Formel-2-EM-Lauf auf der<br />
Nürburgring-Nordschleife durch Winkelhock,<br />
dem Gewinn der Procar-Privatfahrerwertung<br />
durch Stuck so<strong>wie</strong> des DRT-Vizetitels<br />
durch Danner. Zum Nürburgring hatte<br />
Cassani ohnehin eine besondere Beziehung<br />
– resultierend aus einer vier Jahre<br />
andauernden Liaison mit der Chefin des<br />
bekannten Hotels und Restaurants «Pistenklause».<br />
Während dieser Zeit verlegte<br />
der Verliebte sogar seinen Wohnsitz nach<br />
Nürburg – für einen Verfechter bayerischer<br />
Lebensart vermutlich die Höchststrafe. Zumindest<br />
die Übernachtungsfrage war für<br />
das Team bei Eifel-Starts sinnvoll und kostensparend<br />
geklärt …<br />
Seit 20 Jahren lebt Cassani (56) <strong>wie</strong>der<br />
in München, ist seit 1986 bei Ehefrau Diana<br />
in festen Händen und produziert nach<br />
<strong>wie</strong> vor Markisen. Besonders stolz ist er<br />
auf seine Söhne Max (12) und Moritz (14).<br />
Der Jüngere ist auch daran schuld, dass<br />
das Lager der gefürchteten Rennfahrer-Väter<br />
Verstärkung bekommen hat. Denn Max<br />
gibt in der Bambini-Kart-Meisterschaft ordentlich<br />
Gas und gilt dort als eine Art<br />
Shooting-Star. «Der Junge hat wirklich Talent»,<br />
vermeldet der Herr Papa als Manager<br />
und Mechaniker in Personalunion,<br />
«deshalb möchte ich aus ihm einen guten<br />
Rennfahrer machen.» Danner zweifelt<br />
nicht daran, dass das Vorhaben gelingt:<br />
«Wenn der Bub wirklich gut ist und der<br />
Alte noch den gleichen Ehrgeiz <strong>wie</strong> früher<br />
hat, wird’s dem Junior an nix fehlen. Nur<br />
fahren muss er halt selbst.»<br />
Cassani: Da gab’s wohl Schrott …<br />
Stolzer Renn-Papa: Cassani heute<br />
Procar-Schlacht 1979 in Hockenheim: Stuck im Cassani-M1 im Dreck
Danco, Fritz (MSa 05/2002)<br />
Der alte Fritz<br />
103<br />
ritz Danco war in seiner mehr als 40-<br />
Fjährigen Reporterzeit beim Südwestfunk<br />
(früher SWF, heute SWR) «der Mann<br />
für den Motorsport». Mit Elan, Begeisterung<br />
und seiner unverwechselbar festen<br />
Stimme brachte der Radio- und TV-Journalist<br />
weit über 1000 Renn-Beiträge auf<br />
den Sender. Auch die ARD klinkte sich oft<br />
ein in seine Reportagen vom Nürburgring,<br />
von den Flugplatzrennen Trier und Mainz-<br />
Finthen, der Hunsrück-Rallye oder aus Hockenheim.<br />
Die Rennsportereignisse im<br />
Bundesland Rheinland-Pfalz und den angrenzenden<br />
Randgebieten waren Dancos<br />
Jagdrevier, der Nürburgring seine zweite<br />
Heimat.<br />
Wenn der grossgewachsene Mainzer<br />
atemlos, mit gehetztem Blick und<br />
schnellen Schrittes über den Rennplatz<br />
eilte, im Vorbeiflitzen ungeduldig Statements<br />
abfragte oder in der Pressestelle<br />
hektisch Informationen einsammelte, war<br />
jedem klar, was die Stunde geschlagen<br />
hatte – der Sendetermin rückte gnadenlos<br />
näher. «Fast immer wurde uns die Zeit zu<br />
knapp», erinnert sich der altgediente<br />
Reporter. «Es musste viel improvisiert werden,<br />
und die Beiträge wurden oft erst auf<br />
den letzten Drücker überspielt.»<br />
Inoffiziell schon seit 1996, endgültig<br />
aber erst seit 1998 ist der heute 70-jährige<br />
frühere Chefreporter des Mainzer SWR-<br />
Landesstudios in den wohlverdienten Ruhestand<br />
getreten. Es gab wirklich nichts,<br />
was der stämmige Mann nicht übertragen<br />
hätte: Formel-1-WM, Formel 2-EM, Deutsche<br />
Rennsport-Meisterschaft, Sportwagen-WM,<br />
DTM, Rallyes, Bergrennen.<br />
Auch ausserhalb seiner Paradedisziplin<br />
Motorsport meldet sich Fritz Danco in Funk<br />
und Fernsehen regelmässig zu Wort. Ob<br />
Bundesliga-Spiele des 1. FC Kaiserslautern,<br />
regionale Grossereignisse oder der<br />
Rosenmontagsumzug – der stämmige<br />
Mann aus Mainz galt im Sender als strapazierfähige<br />
Allzweckwaffe. «Es gibt eigentlich<br />
nichts, was ich nicht gemacht<br />
habe», blickt der Ruheständler zufrieden<br />
zurück, «aber die Rennerei hat mich immer<br />
besonders in ihren Bann gezogen.»<br />
Triumph und Tragik von Jochen Rindt,<br />
Rolf Stommelen und Stefan Bellof sind dem<br />
gestandenen Reporter besonders tief unter<br />
die Haut gegangen. Wenn Fritz Danco und<br />
seine Frau Brigitte, die seit 38 Jahren unerschütterlich<br />
an seiner Seite steht, zur<br />
Abwechslung mal nicht gerade auf Reisen<br />
sind oder mit dem Luxusliner «MS Akona»<br />
in der Karibik kreuzen, sitzt der «alte Fritz»<br />
zu Hause vor dem Fernseher und guckt<br />
Formel 1. «Denn das», lässt er wissen,<br />
«fasziniert mich immer noch.»<br />
Reporter mit Herz: Danco 1970<br />
Reisen statt rasten: Danco heute<br />
Infos von der Basis: Fritz Danco mit Jochen Mass 1990 am Nürburgring
104<br />
Dauer, Jochen (MSa 09/2002)<br />
Power mit Dauer<br />
ochen Dauer war schon immer Berufs-<br />
Ein Beisser, der auch bei<br />
Joptimist.<br />
strammem Gegenwind nie aufgab. Mit den<br />
abenteuerlichsten Finanzkonstruktionen<br />
zog er seine chronisch unterfinanzierten<br />
F3- und F2-Projekte durch, dito die Tourenwagenzeit<br />
im BMW und im Zakspeed-Ford-<br />
Capri Turbo so<strong>wie</strong> den Wechsel in die Sportwagenszene<br />
mit der Übernahme des Porsche-962-Bestands<br />
von John Fitzpatrick.<br />
Die Porsche-Starts markierten «die<br />
schönste und erfolgreichste Zeit meiner<br />
30-jährigen Rennlaufbahn». Die endete<br />
1990 nach mehr als 500 Starts und rund<br />
100 Siegen. Danach blieb Dauer als Teamchef<br />
und Geschäftsmann im Gespräch. So<br />
inszenierte er 1991 den Start der Grossfamilien<br />
Andretti und Unser auf seinen<br />
Autos bei den 24 Stunden in Daytona. Der<br />
Geniestreich wuchs sich freilich zum<br />
finanziellen Desaster aus. Wegen des<br />
Golfkriegs sprangen ihm fast alle US-<br />
Sponsoren kurz vorm Start ab und rissen<br />
ein Loch von fast zehn Millionen Dollar in<br />
die Rennkasse.<br />
Dauer wäre nicht Dauer, hätte er sich<br />
nicht auch aus dieser bedrohlichen Situation<br />
befreit. Schon bald überraschte er<br />
Freund und Feind mit einem neuen Coup:<br />
Seit 1992 lässt er in seiner Firma «Dauer<br />
Sportwagen GmbH» den von ihm heissgeliebten<br />
Porsche 962 als GT-Auto mit Strassenzulassung<br />
bauen. Sein «Dauer 962 Le<br />
Mans» in GT-Ausführung siegte 1994 nicht<br />
nur an der Sarthe, sondern wurde fortan<br />
auch für Ölscheichs und Königshäuser zum<br />
Objekt der Begierde.<br />
Elf der edlen Stücke zu je 900 000 Euro<br />
sind weltweit verkauft, allein drei hat der<br />
Sultan von Brunei. Der steinreiche Herrscher<br />
des Golfstaats übertrug dem Nürnberger<br />
Autobauer auch gleich den technischen<br />
Service des royalen Fuhrparks mit<br />
mehr als 3000 Luxuskarossen.<br />
Während die Rennkarriere des heute 50-<br />
jährigen Junggesellen seit 12 Jahren Vergangenheit<br />
ist, sieht der Tausendsassa geschäftlich<br />
noch viele Optionen. «Ein neues<br />
Grossprojekt steckt schon in der Pipeline,<br />
das wird ein Riesenknaller.» Abseits des<br />
Geschäfts mit den schnellen Autos hat<br />
Jochen Dauer ein neues Hobby entdeckt.<br />
Mit seinen vier Riesenschnauzern («alles<br />
Deckrüden») räumt er bei Hundeausstellungen<br />
gross ab. «Aber nicht in der Provinz,<br />
sondern auf EM- und WM-Niveau»,<br />
stellt Dauer klar.<br />
Unter die Rennerei hat er einen<br />
Schlusspunkt gesetzt – sogar auf den<br />
Besuch seines Heimrennens auf dem<br />
Norisring verzichtet er standhaft. «Was ich<br />
sehen will, sehe ich im Fernsehen.»<br />
Dauer 1979: Wilde F3-Jahre<br />
Heute: Wenn der Sultan ruft …<br />
«Meine schönste Zeit»: Jochen Dauer 1988 im geliebten Porsche 962
Dongus, Lothar (MSa 38/2002)<br />
Der Fitness-Freak<br />
105<br />
othar Dongus kann es in Sachen Fitness<br />
lund Kondition noch mit manch jüngerem<br />
Zeitgenosse locker aufnehmen. Immerhin<br />
wird der Stuttgarter demnächst 72. Was<br />
der Ex-Leiter der Porsche-Sportfahrerschule<br />
und Organisator zahlreicher Porsche-<br />
Sportevents (Golf, Tennis, Rad) abspult,<br />
würde dem einen oder anderen aktuellen<br />
Rennprofi zur Ehre gereichen. So sitzt er<br />
täglich auf dem Rennrad oder dem Mountainbike<br />
und spult so «mehrere 1000 Kilometer<br />
im Jahr» ab. Sollte es dennoch ein<br />
paar Stunden Leerlauf geben, wird schnell<br />
eine Runde Golf (Handicap 12) eingelegt.<br />
Das Tennisspielen musste er allerdings<br />
nach einer Meniskus-OP ebenso reduzieren<br />
<strong>wie</strong> das Skifahren.<br />
So konsequent, <strong>wie</strong> der Schwabe sein<br />
Idealgewicht von 70 Kilogramm pflegt,<br />
war er auch als Motorsportler. Ob Rallye,<br />
Berg- oder Rundstrecke – im Porsche 356<br />
war Dongus immer ein Siegkandidat. Vor<br />
allem der legendäre Porsche Super 90 trug<br />
ihn von Erfolg zu Erfolg. S90-Privatiers<br />
rückten Mitte der 60er in Kompaniestärke<br />
an und sorgten vor allem auf den zahlreichen<br />
Flugplatzkursen für Markenpokal-<br />
Feeling. Die Gegner von damals hiessen<br />
Dieter Glemser, Günther Schwarz oder Hans<br />
Wernle. Gelegentliche Ausflüge in die Formel<br />
V bescherten ihm 1965 den vielbeachteten<br />
Triumph im chaotischen Regenrennen<br />
auf der Stuttgarter Solitude und weitere<br />
Topresultate im badewannenähnlichen<br />
«Beach-Car» aus «Huschkes Formel-<br />
V-Wanderzirkus».<br />
Schliesslich beendete er 1969 seine aktive<br />
Zeit mit dem 2,4-Liter-911er, um sich<br />
den beruflichen Aufgaben bei Porsche zu<br />
widmen. So zählte Dongus 1985 zur Gründer-<br />
und Organisations-Truppe des 944-<br />
Turbo-Cup, aus dem schliesslich der Carrera-Cup<br />
hervorging.<br />
Trotz offiziellem Ruhestand war der leidenschaftliche<br />
Sportfreak bis vor ein paar<br />
Jahren mit einem Porsche-Beratervertrag<br />
ausgestattet. Seit er in Naples/Florida<br />
wohnt und nur noch im Sommer nach<br />
Deutschland kommt, sieht er die alten Porsche-Kumpels<br />
selten. Wenn er aber im Lande<br />
ist, zieht’s ihn zum Porsche-Carrera-Cup<br />
nach Hockenheim oder an den Nürburgring.<br />
Dort wird er stets mit grossem <strong>Hallo</strong><br />
und den Worten «Was siehst du unverschämt<br />
gut aus» begrüsst.<br />
Wie lautet das Erfolgsrezept des überzeugten<br />
Junggesellen für so viel Fitness,<br />
Elan und Gesundheit im fortgeschrittenen<br />
Alter? Dongus: «Ausgewogene Ernährung,<br />
immer in Bewegung bleiben, positive Lebenseinstellung<br />
und von allem nicht zu<br />
viel und nicht zu wenig.»<br />
Strahlender Sieger: Dongus 1965 Fit in Florida: Dongus mit 72<br />
Gewohntes Bild: Dongus führt die S90-Meute 1965 in Mainz-Finthen an
106<br />
iane Engeman erschien der rennenden<br />
LMännerwelt nur auf den ersten Blick als<br />
blonder Engel. Wer es auf der Piste mit ihr<br />
zu tun bekam, wurde rasch mit der Realität<br />
konfrontiert. Die Holländerin fackelte<br />
nicht lange, gab höllisch Gas und pflegte<br />
eine unnachgiebige Infight-Strategie. So<br />
galt sie in den acht Jahren ihrer Karriere<br />
(1966–1974) neben Christine Beckers als<br />
das Beste, was die Niederlande an Vollgas-<br />
Ladys jemals zu bieten hatten. Vor allem<br />
auf ihren Lieblingsstrecken Zandvoort und<br />
Spa-Francorchamps setzte Liane im Alfa<br />
GTA, Capri RS, Ford Escort RS und Abarth-<br />
Spider Sternstunden.<br />
Zuvor hatte sie schon die Monoposto-<br />
Klassen Formel Vau, Formel Ford und Formel<br />
3 mit Bravour gemeistert. So hielt sie<br />
in Thruxton sechs Monate lang den Formel-Ford-Rundenrekord,<br />
bevor ihn ein gewisser<br />
Brasilianer namens Emerson Fittipaldi<br />
unterbot. Am wohlsten aber fühlte<br />
sie sich im Tourenwagen. Im goldfarbenen<br />
Kent-Capri RS etwa kämpfte die hübsche<br />
Blondine mit Kalibern <strong>wie</strong> Stuck, Fritzinger<br />
und Joisten und holte sich 1972 im<br />
Premiererennen der DRM auf der Nordschleife<br />
hinter den drei Stars einen sensationellen<br />
vierten Platz. Von Alfa Romeo bekam<br />
sie einen Werksvertrag für die Tourenwagen-Europameisterschaft.<br />
Hochzeit,<br />
Engeman, Liane (MSa 39/2002)<br />
Der blonde Engel<br />
Schwangerschaft und die Geburt der Zwillinge<br />
setzten der Rennerei ein Ende.<br />
Inzwischen ist Liane Engeman (55) <strong>wie</strong>der<br />
Single und hat ihren Wohnsitz von<br />
niederländischen Haarlem ins spanische<br />
Marbella verlegt. Dort hilft sie den Kindern<br />
bei der täglichen Bewältigung des kaufmännischen<br />
Parts. Michael (28) ist Betreiber<br />
einer Grossraum-Disco (Fassungsvermögen:<br />
1500 Gäste), Eline nennt ein Boulevard-Café<br />
ihr Eigen. «Wir haben rund um<br />
die Uhr zu tun», vermeldet die Ex-Rennfahrerin.<br />
«Für Jet-Set und Faulenzen bleibt<br />
kaum Zeit.» Sogar ihr geliebtes Golfen<br />
musste sie aufgeben, nachdem ihre Schulter<br />
bei einem Autounfall arg in Mitleidenschaft<br />
gezogen wurde.<br />
Trotz eingeschränkter Bewegungsfreiheit<br />
fühlt sie sich topfit. Mit den Weggefährten<br />
aus alten Renntagen hat sie keinen<br />
Kontakt mehr, nur Ex-Ford-Teammanager<br />
Frans Lubin trifft sie gelegentlich.<br />
Aber im Fernsehen schaut sie sich von der<br />
Formel 1 bis zur DTM regelmässig die ganze<br />
Bandbreite des aktuellen Rennsports<br />
an. Am meisten fasziniert sie die Formel<br />
1. Sobald die Kids die Hilfe der Mutter in<br />
Marbella nicht mehr unbedingt brauchen,<br />
möchte Liane das Versäumte nachholen:<br />
«Viele Reisen unternehmen und meine<br />
Lieblings-Grands-Prix besuchen.»<br />
1970: Der hübsche Schein trügt Dame von Welt: Engeman heute<br />
Heimspiel in Zandvoort: Liane 1973 im rechtsgelenkten Ford Escort RS
einz Eppelein darf als gutes Stück<br />
HBMW-Sporthistorie gelten. Mit Alex<br />
von Falkenhausen und Paul Rosche gehörte<br />
der Diplomingenieur zu den Männern<br />
der ersten Sportstunde in München.<br />
Multitalent Eppelein, Motor- und Chassis-<br />
Konstrukteur, Leiter des Fahrwerksversuchs<br />
und Rennfahrer in Personalunion,<br />
pilotierte den legendären BMW 700 in der<br />
Berg-DM zu einem fürs Unternehmen damals<br />
enorm wichtigen Titelgewinn. Zehn<br />
Läufe, zehn Siege und zehn Mal Klassenbestzeit<br />
lautete die Bilanz.<br />
Etwa zur gleichen Zeit gab der leidenschaftliche<br />
Motorsportler den Anstoss für<br />
die Schaffung eines BMW-Sportpokals, der<br />
die erfolgreichsten Piloten der Weiss-<br />
Blauen jeweils am Saisonende mit Sachund<br />
Geldpreisen bedachte. Erster Gewinner<br />
war übrigens 1963 Dieter Quester – und<br />
den Sportpokal gibt es immer noch. Quester<br />
übrigens auch …<br />
Nachdem Eppelein 1964 mit dem 1800<br />
TI nochmals Deutscher Vizemeister am<br />
Berg wurde, löste er ein Versprechen ein,<br />
das er seiner Freundin Edith gegeben hatte:<br />
«Ich habe ihr gesagt, dass ich sofort<br />
aufhöre, wenn wir heiraten.» Beides geschah<br />
vor 37 Jahren.<br />
Gerne blickt der 73-jährige Pensionär<br />
auf seine 34 BMW-Jahre zurück. Nicht nur<br />
Eppelein, Heinz (MSa 11/2002)<br />
Der BMW-Pionier<br />
107<br />
der Sport (so gewann er mit Hubert Hahne<br />
im 2000 TI das 12-h-Rennen auf dem<br />
Nürburgring) hat ihn fasziniert, sondern<br />
vor allem die Technik. So absolvierte er bei<br />
Tests für den Fahrwerksversuch binnen drei<br />
Jahren rund 100 000 Nordschleifen-Kilometer.<br />
Seine grosse Liebe galt aber dem<br />
Berg. Dort mochte er den Schauinsland mit<br />
seinen 178 Kurven besonders. «Die ultimative<br />
Herausforderung für jeden Bergpiloten,<br />
der was auf sich hielt.»<br />
Heute betrachtet Eppelein das rennsportliche<br />
Treiben meist vor dem Fernseher<br />
daheim in Neufahrn bei München und verfolgt<br />
die Husarenritte seines alten<br />
Arbeitgebers in der Formel 1. Gerne würde<br />
sich der BMW-Pionier auch noch vor Ort im<br />
Fahrerlager umsehen, «aber dazu müsste<br />
mich schon einer einladen. Den Karten<br />
mag ich wirklich nicht mehr nachrennen.»<br />
Vielleicht hat bei BMW da ja mal jemand<br />
eine Idee …<br />
Ansonsten geniessen die Eppeleins das<br />
Leben, sind oft wochenlang mit ihrer<br />
Motoryacht im Mittelmeer unterwegs und<br />
freuen sich über die zwei Enkelkinder ihrer<br />
Tochter, die als Staatsanwältin arbeitet.<br />
Und der 33-jährige Sohn ist als Diplomingenieur<br />
in der BMW-Fahrwerkskonstruktion<br />
bereits in die Fussstapfen des Herrn<br />
Papa getreten.<br />
Damals: Unschlagbar am Berg<br />
Heute: Spass auf dem Wasser<br />
Zehn Läufe, zehn Siege: Berg-König Eppelein 1963 im Werks-BMW 700
108<br />
r. Dieter Eymann war einer der vielsei-<br />
Hobby-Rennfahrer der 60er-<br />
Dtigsten<br />
und 70er-Jahre. Bei Bergrennen eine sichere<br />
Bank, eine makellose Rundstrecken-<br />
Bilanz und obendrein blitzsaubere Rallye-<br />
Auftritte (u. a. 12 Monte-Starts und Dritter<br />
der Rallye-DM). Unvergessen seine wilden<br />
Ritte in einem der optisch schönsten<br />
Buckel-Volvo der damaligen Zeit, eindrucksvoll<br />
auch die Auftritte im 4,7-Liter-<br />
Mustang, den der Zahnarzt aus Pirmasens<br />
von Jacky Ickx übernommen hatte. Als er<br />
die Rennerei nach knapp 20 Jahren «mit<br />
reichlich Siegen und besten Erinnerungen»<br />
beendete, nahm er die nächste Herausforderung<br />
an.<br />
Ab 1980 verschrieb er sich der Sportfliegerei,<br />
wurde Deutscher Motorflugmeister<br />
und sah «die halbe Welt aus luftiger<br />
und faszinierender Perspektive». Nimmt<br />
man seine Rennfahrer-Jahre, die Zeit als<br />
Sportflieger und dazu die Motorrad-Exkursionen,<br />
dürfte Dieter Eymann der sportlichste<br />
und schnellste Dentist der Pfalz gewesen<br />
sein. Dass er dieses Prädikat nicht<br />
mehr vollumfänglich für sich in Anspruch<br />
nehmen kann, liegt an gesundheitlichen<br />
Schicksalsschlägen, die den heute fast 67-<br />
Jährigen in rascher Folge trafen. 1994 erlitt<br />
er binnen einer Woche vier schwere<br />
Schlaganfälle, kurz darauf mussten ihm in<br />
Eymann, Dr. Dieter (MSa 24/2002)<br />
Zurück ins Leben<br />
einer hochkomplizierten Herzoperation<br />
vier Bypässe gelegt werden.<br />
Mit reichlich Glück, guten Ärzten, eisernem<br />
Willen und dem Rückhalt durch seine<br />
zweite Frau Irene überlebte er den gesundheitlichen<br />
Supergau. Halbseitig gelähmt<br />
und an den Rollstuhl gefesselt, schaffte er<br />
über viele schlimme Monate in Rehabilitations-Zentren<br />
den beschwerlichen Weg<br />
zurück in ein einigermassen normales Leben.<br />
Heute steht und bewegt er sich auf<br />
seinen eigenen Füssen, treibt Sport, spielt<br />
trotz Restlähmung Golf und geht halbtags<br />
in seine Praxis, wo ihm ein Kollege assistierend<br />
zur Seite steht.<br />
Sogar seinen heissgeliebten 400-PS-<br />
Pontiac Firebird mit 5,7-Liter-Chevy-Alu-<br />
Motor bewegt er <strong>wie</strong>der selbst, allerdings<br />
geht’s nur noch mit Automatic. «Nicht übel<br />
für jemand, der medizinisch gesehen eigentlich<br />
seit acht Jahren tot sein müsste»,<br />
sagt Eymann stolz, «aber mit der Fliegerei<br />
und dem Motorrad fahren ist es leider<br />
vorbei.»<br />
Kontakt zum Rennsportgeschehen hält<br />
er über alte Kumpels <strong>wie</strong> Helle Bein oder<br />
Peter Linzen, am TV sind Formel 1 und NAS-<br />
CAR angesagt. «Mein Leben könnte<br />
schlimmer aussehen», sagt er fast dankbar,<br />
«ich geniesse jeden Tag, an dem ich<br />
mich frei bewegen kann.»<br />
Siegesserien: Eymann 1965<br />
Rückkehr ins Leben: Eymann heute<br />
Wunderschöner Buckel-Volvo 544: Eymann beim Wasgau-Bergrennen ’64
Fischhaber, Toni (MSa 40/2002)<br />
Tölzer Triumphator<br />
oni Fischhaber hat es in 28 Rennjahren<br />
T(1959–87) zu einem der erfolgreichsten<br />
bayerischen Motorsportler gebracht. Sechs<br />
Berg-Europameisterschaften, einen deutschen<br />
Berg-Titel und gut 200 Einzelsiege<br />
hat der kleine, zerbrechlich wirkende Mann<br />
aus Bad Tölz mit allen möglichen Tourenwagen,<br />
GT-Autos und Sportwagen errungen.<br />
Dabei fiel sein erster Antritt 1959 am<br />
Wallberg völlig frustrierend aus: Otto Sensburg,<br />
legendärer Rennleiter und Sportchef<br />
des ADAC Südbayern, liess den damals 18-<br />
Jährigen wegen seines jugendlichen Alters<br />
und der schmächtigen Statur erst gar nicht<br />
zum Start zu. Dass es ausgerechnet Sensburg<br />
war, der dem «kleinen Buben» in der<br />
Folge für seine Siege auf nahezu allen bayerischen<br />
Bergpisten jahrelang Siegerkränze<br />
umhängen musste, entbehrt nicht einer<br />
gewissen Komik.<br />
BMW 700, Alfa Zagato, Lotus-BMW, Abarth<br />
und die gesamte Porsche-Palette bis<br />
zum 8-Zylinder-Berg-Spider markierten<br />
Fischhabers glanzvolle Jahre am Berg und<br />
auf der Rundstrecke. Im Porsche-Werksteam<br />
wurde er Teamkollege von Gerhard<br />
Mitter, bei Abarth kämpfte er an der Seite<br />
von Hans Herrmann. Fischhaber erledigte<br />
alle Jobs mit Ruhe und Routine,<br />
machte wenig kaputt und sah fast immer<br />
das Ziel. Die wohl schönsten Rennen und<br />
109<br />
atemberaubendsten Duelle lieferte er sich<br />
aber Anfang der 60er als Privatier mit seinem<br />
Münchner Dauerrivalen und Freund<br />
Ernst Furtmayr. Was die zwei in ihren Alfa<br />
Zagato auf deutschen und österreichischen<br />
Flugplätzen aufführten, war oft so<br />
aufregend, dass gelegentlich die Begleiterinnen<br />
am Streckenrand in Ohnmacht fielen.<br />
Mit 48 beendete Fischhaber seine<br />
Laufbahn.<br />
Mit 62 sieht er fast ebenso jugendlich<br />
und spitzbübisch aus <strong>wie</strong> früher. Seit 1993<br />
zum zweitenmal verheiratet, drei erwachsene<br />
Töchter, drei Enkel. Statt auf der Piste<br />
gibt er rund um Bad Tölz geschäftlich<br />
Vollgas: Zwölf Mietobjekte mit mehr als 60<br />
Mietparteien, zwei Geschäftshäuser und<br />
acht verpachtete Gastronomie-Betriebe<br />
halten ihn auf Trab. Alte Kontakte gibt es<br />
nur noch zu Eckhard Schimpf und Mario<br />
Ketterer, sonst ist Rennsport Nebensache.<br />
Dafür spielt er Eishockey im Seniorenteam,<br />
war 14 Jahre Vorsitzender des EC Bad Tölz<br />
und steht seit acht Jahren in gleicher<br />
Funktion an der Spitze des örtlichen Konkurrenzklubs.<br />
Einmal im Monat trifft sich<br />
der gesamte Fischhaber-Clan in Kompaniestärke<br />
zum Essen. «Die Grossfamilie zusammenzuhalten<br />
und Gesundheit für alle,<br />
ist mein grösster Wunsch für die Zukunft»,<br />
sagt der Familienmensch.<br />
Grosse Rennen: Fischhaber 1965 Gute Geschäfte: Fischhaber 2002<br />
Erster Titel: Im BMW 700 wurde Fischhaber 1962 Deutscher Bergmeister
110<br />
Fuchs, Heinz (MSa 21/2002)<br />
Der Formel-Fuchs<br />
einz Fuchs und seine Formel-V-Autos<br />
Hzählten zwischen 1965 und 1975 zum<br />
Bild jeder Rennstrecke. Vor allem in der<br />
Anfangszeit der grossen deutschen V-Bewegung<br />
hatten die Monoposti des schwäbischen<br />
Rennwagenbauers ihre besten<br />
Auftritte. Zwar regierte auch mal das<br />
Chaos, und manch mutiger Fuchs-Pilot verzweifelte<br />
gelegentlich an der Technik des<br />
eigenwilligen Konstrukteurs. Aber trotzdem<br />
hatten die schlanken und formschönen<br />
Renner im Streit mit den Kaimann-,<br />
Olympic- und Austro-V-Werksteams die<br />
Nase oft genug vorne.<br />
Alles in allem rund 100 Siege erreichten<br />
Fuchs-Piloten in aller Welt. Helmut<br />
Bross, Werner und Roland Müller, der Belgier<br />
Willy Braillard und der Österreicher Lothar<br />
Schörg gehörten zum engeren Kader.<br />
Zu seinem Lieblingspiloten hatte der Chef<br />
Werner Müller erhoben: «Er war mein erster<br />
und bester Fahrer.» Rund 120 Formel V<br />
1300 und 50 Super V wurden bei Fuchs in<br />
Rutesheim bei Leonberg gebaut, dazu jede<br />
Menge Kits.<br />
Als der V-Boom Ende der 70er-Jahre<br />
nachliess und auch VW Interesse und Engagement<br />
zurückschraubte, beendete<br />
Heinz Fuchs das Kapitel ziemlich frustriert.<br />
Danach arbeitete er in der Präzisionsteilefertigung<br />
verstärkt mit der Porsche-Rennabteilung<br />
zusammen. Zusätzlich eröffnete<br />
er mit dem Slogan «Fuchs Powerbikes –<br />
Kompetenz auch auf zwei Rädern» neue<br />
Perspektiven durch Konstruktion und Bau<br />
hochwertiger Fahrräder mit handgeschweisstem<br />
Alurahmen.<br />
Noch heute baut Fuchs, mittlerweile 68<br />
und Pensionär, für alte Freunde und gute<br />
Kunden «das eine oder andere Rad nach<br />
deren speziellen Vorstellungen». Mit seinen<br />
Piloten aus der Formel-V-Zeit hat er<br />
kaum noch Kontakt, über den aktuellen<br />
Rennsport informiert er sich am TV. Manchmal<br />
setzt er sich auch in Hockenheim auf<br />
die Tribüne oder wandert unerkannt durchs<br />
Fahrerlager. Technik fasziniert ihn noch<br />
immer, er gilt als ausge<strong>wie</strong>sener Porscheund<br />
Oldtimer-Fan, liebt seinen 930 Turbo<br />
über alles.<br />
Gesundheitlich geht’s ihm «bis auf das<br />
übliche Zwicken in meiner Altersklasse<br />
ganz ordentlich». Vor kurzem hat ihn die<br />
ältere der zwei Töchter (33, 30) erstmals<br />
zum Opa gemacht – er selbst ist nach 25-<br />
jähriger Ehe seit 1987 geschieden. Als<br />
nächstes Ziel hat sich Fuchs die Restaurierung<br />
einiger seiner alten Formel V vorgenommen.<br />
Grosse Wünsche hat er nicht<br />
mehr: «Wenn ich meine Autos und Fahrräder<br />
um mich habe, geht’s mir gut. Mehr<br />
brauch’ ich nicht.»<br />
Kreativer Zeichner: Fuchs 1966<br />
Technik-Liebhaber: Fuchs heute<br />
Eigenwillig: Vollverkleideter Fuchs-Super V (Nr. 56) 1972 in Hockenheim
Hähn, Helmut (MSa 31/2002)<br />
Ein Leben für Alfa<br />
elmut Hähn ist mit fast 71 Jahren nicht<br />
Hnur Deutschlands ältester aktiver Alfa-<br />
Händler, sondern auch Ziehvater dreier<br />
grosser Renntalente. In den Alfa-Tourenwagen<br />
des Mannheimers starteten Gerd<br />
Schüler und Jochen Mass ihre Karrieren,<br />
später stiess auch Harald Ertl (starb ’81 bei<br />
einem Flugzeugabsturz) zur Hähn-Truppe.<br />
Alle drei gehörten zur jener wilden Mannheimer<br />
Clique der 60er-Jahre, die das Bergrennen<br />
Eberbach so<strong>wie</strong> alle Hockenheim-<br />
Events ihres örtlichen Motorsportclubs<br />
MHSTC quasi vor der Haustür zu ihrem alljährlichen<br />
Happening machten.<br />
Mit den Hähn-Giulia Super TI und GTA<br />
driftete Schüler regelmässig zu Klassensiegen,<br />
betreut von Mechaniker Mass. Der<br />
<strong>wie</strong>derum nervte seinen Chef so lange, bis<br />
er endlich selbst ans Lenkrad durfte und<br />
fortan Schrott und Siege in buntem Wechsel<br />
ablieferte. Noch heute bekommt Hähn<br />
glänzende Augen: «Der Schüler fuhr rund<br />
und abgeklärt, der Mass wild und risikoreich,<br />
der Ertl <strong>wie</strong> ein Wahnsinniger. Mit<br />
den Drei habe ich die schönste Zeit im<br />
Rennsport erlebt.»<br />
Auf rund 120 Einzelsiege kann der Teamchef<br />
zurückblicken, dazu einen Berg-Titel<br />
(Schüler auf der Giulia TI) und eine Vizemeisterschaft<br />
(Reinhard Stenzel/Alfa<br />
GTA). Oft und gerne zwängte sich der Chef<br />
111<br />
auch selbst in die Cockpits seiner Autos,<br />
aber als Tuner und Techniker war er eindeutig<br />
besser.<br />
Es geht ihm gut, er ist gesund, werkelt<br />
nach <strong>wie</strong> vor «von 8 bis 8 im Geschäft»,<br />
in dem er seit 1958 Alfa Romeo verkauft<br />
und repariert. Noch immer unterzieht der<br />
70-Jährige jedes Auto nach erfolgter Reparatur<br />
persönlich einer Probefahrt. Ehefrau<br />
Ilse, seit 50 Jahren an seiner Seite,<br />
erledigt die Buchhaltung, Tochter Elke<br />
(34) hilft ebenfalls mit. «Ohne meine beiden<br />
Mädels», stellt Hähn klar, «hätte ich<br />
das nicht so lange durchgehalten.» Die<br />
zwei Enkel (16, 11) sollen später mal das<br />
Geschäft übernehmen. Urlaub und Krankheiten<br />
bezeichnet das Mannheimer Original<br />
als Fremdwort, seine Hobbys bestehen<br />
aus drei A – «Alfa, Autos, Arbeit».<br />
In diesem Jahr schlendert der alte Herr<br />
<strong>wie</strong>der verstärkt durchs Fahrerlager: Er hat<br />
sich überreden lassen, nach langer Rennpause<br />
ein Auto im neuen Alfa-Romeo-147-<br />
Diesel-Cup einzusetzen. «Aber das ist<br />
nicht mehr meine Welt», stellt Helmut<br />
Hähn fest. «Das ist mir alles zu ernst, zu<br />
hektisch und zu unpersönlich geworden.»<br />
Einzig das grosse Alfa-Gästezelt lässt ihn<br />
strahlen: «Hier triffst du alte Freunde und<br />
kriegst auch noch was Gescheites zu essen<br />
und zu trinken.»<br />
Autos und Arbeit: Hähn 1968<br />
Autos und Arbeit: Hähn heute<br />
Heimspiel in Hockenheim: Harald Ert 1971 im Hähn-Alfa Romeo GTAM
112<br />
ieter Hardt war allein wegen seiner<br />
Dstattlichen Körpergrösse von knapp<br />
zwei Metern kaum zu übersehen. Und wer<br />
auf die begehrten Sponsorgelder des Öl-<br />
Multis Castrol scharf war, bekam es automatisch<br />
mit dem PR-Direktor des Unternehmens<br />
zu tun. Hardt erinnert sich gerne<br />
der Zeit, als die grosszügig ausgestatteten<br />
Renndienstbusse der führenden Mineralöl-Firmen<br />
<strong>wie</strong> Aral, elf, BP, Veedol,<br />
Caltex oder Shell die Fahrerlager <strong>wie</strong> eine<br />
Wagenburg einrahmten.<br />
Hardts Kundschaft der 70er- und 80er-<br />
Jahre gehörte zu den Top-Adressen der<br />
Branche – die Zakspeed-Escort in der<br />
Rennsport-Meisterschaft, die BMW-CSL-<br />
Coupés im Europa-Championat oder das<br />
Team Toyota Europe in der Rallye-WM.<br />
Volkswagen Motorsport war ein weiterer,<br />
langjähriger Castrol-Partner: Formel Super<br />
VW, Golf-GTI-Rallyeprogramm und alle VW-<br />
Markenpokale präsentierten sich mit dem<br />
Logo des Unternehmens.<br />
Als Hardt 1988 in die Vorstandsetage<br />
der Burmah Oil Holding (zu der auch Castrol<br />
und Veedol gehörten) aufrückte und<br />
mit der Neuausrichtung der Konzern-Strategien<br />
betraut wurde, bedeutete dies<br />
zwangsläufig den beruflichen Schlussstrich<br />
unter das Kapitel Motorsport.<br />
«Trotzdem bin ich ein Fan geblieben, weil<br />
Hardt, Dieter (MSa 27/2002)<br />
Der Öl-Baron<br />
ich dort nur Positives erlebt habe.» Zwar<br />
blieb Castrol, wenn auch eingeschränkt,<br />
weiter im Sport präsent, aber mit Hardts<br />
Abgang endete eine Ära.<br />
Mit einem Festabend in der Semper-<br />
Oper zu Dresden wurde der lebensfrohe<br />
Hamburger vor sechs Jahren mit 65 von<br />
seinem Arbeitgeber in den Ruhestand verabschiedet.<br />
Zeitgleich heiratete er «nach<br />
23-jähriger Probezeit» seine Lebensgefährtin<br />
Jutta. Inzwischen 71, erfreut sich<br />
Hardt nicht nur bester Gesundheit, sondern<br />
brilliert mit erstaunlichen Bestleistungen<br />
in der Leichtathletik-Seniorenklasse<br />
«M70». So unterbot er kürzlich mit<br />
11,83 Meter den elf Jahre alten Hamburg-<br />
Rekord im Kugelstossen, machte zum 28.<br />
Mal das Goldene Sportabzeichen, läuft die<br />
3000 Meter noch immer in 15 Minuten und<br />
die 100 Meter in 14,2 sec.<br />
Überdies engagiert sich der Musik- und<br />
Literatur-Liebhaber im Naturschutz leidenschaftlich<br />
für die Erhaltung von Störchen<br />
und Kranichen. Mit dem Motorsport<br />
verbindet er heute neben dem Fernsehgerät<br />
vor allem die Freundschaft zum ehemaligen<br />
Zakspeed-Chef Erich Zakowski.<br />
Nur zu gerne erinnert sich Hardt an gemeinsame<br />
Escort-Jahre: «Das war für mich<br />
menschlich und sportlich gesehen die<br />
schönste Zeit.»<br />
Ein echter Rennfreak: Hardt ’82<br />
Fit und fesch: Dieter Hardt heute<br />
Farben des Erfolgs: Hans Heyers Zakspeed-Escort aus dem Jahre 1976
Hegels, Dieter (MSa 32/2002)<br />
Der stille Meister<br />
113<br />
ieter Hegels zählte zu den eher Stillen,<br />
DUnauffälligen. Nach drei Motorradsport-Jahren<br />
stieg der Rheinländer 1966<br />
um und trat als Privatier erst im VW Käfer,<br />
dann mit einem Simca und schliesslich vorzugsweise<br />
mit selbstpräparierten BMW-<br />
Tourenwagen an. Und als die Rivalen im<br />
Rundstrecken-Pokal 1970 langsam begriffen,<br />
dass der Kfz-Meister aus Ratingen mit<br />
dem Alpina-BMW auf Titelkurs fuhr, war’s<br />
zu spät. Hegels sicherte sich als Nachfolger<br />
Dieter Glemsers mit der höchsten<br />
Punktzahl in der 1600er-Klasse den Titel,<br />
ohne dass die gelackmeierten Werkspiloten<br />
anderer Hubraumklassen beim Finale<br />
in Hockenheim hätten kontern können.<br />
«Für mich eine tiefe Genugtuung», erinnert<br />
sich der BMW-Mann, «weil mich keiner<br />
so richtig auf der Rechnung hatte.»<br />
Nach dem Triumph stand der BMW-Privatfahrer<br />
auch in den Oberligen Rennsport-Meisterschaft<br />
und Tourenwagen-EM<br />
seinen Mann, erreichte achtbare Resultate<br />
und brachte so manchen Star in Verlegenheit.<br />
Weil seine BMW-Werkstatt mit angeschlossenem<br />
Tuning-Betrieb ihm immer<br />
weniger Zeit für die Rennerei liess, beendete<br />
Hegels 1984 schweren Herzens seine<br />
Laufbahn.<br />
Ironie des Schicksals: Seinen bislang<br />
einzigen bösen Unfall hatte der 62-Jährige<br />
nicht auf der Rennstrecke, sondern fast<br />
vor der Haustür. Im Februar 2002 krachte<br />
er «ohne Vorwarnung auf Blitzeis» mit einem<br />
BMW 318 breitseits gegen einen<br />
Baum. «Ich konnte mich nicht rühren, war<br />
eingeklemmt und musste aus dem Auto<br />
rausgeschnitten werden.» Per Hubschrauber<br />
wurde er in die Klinik geflogen, wo man<br />
neben bösen Prellungen zwei gebrochene<br />
Rückenwirbel diagnostizierte. Fast zwei<br />
Monate lag er im Spital, es folgten eine<br />
lang<strong>wie</strong>rige Rehabilitation und immer <strong>wie</strong>der<br />
Arztbesuche.<br />
Die Tuning-Werkstatt, als Einmann-Betrieb<br />
voll auf ihn fixiert, musste während<br />
der Rekonvaleszenz schliessen. «Das waren<br />
bittere Wochen, sowohl vom Heilungsverlauf<br />
her <strong>wie</strong> auch finanziell.» Dabei hatte<br />
er Glück – der Horrorcrash hätte viel übler<br />
ausgehen können.<br />
Aber schon schmiedet er <strong>wie</strong>der benzingeschwängerte<br />
Pläne. So möchte Hegels,<br />
seit 37 Jahren mit Marlies verheiratet und<br />
kinderlos, einen 70er-Chevy Camaro für<br />
den Einsatz im historischen Sport aufbauen.<br />
Auch für den aktuellen Rennsport interessiert<br />
er sich unverändert, am Fernseher<br />
gibt er sich «das volle Programm von<br />
Formel 1 über NASCAR, V8STAR und DTM».<br />
Und wenn noch Zeit bleibt, frönt er seinem<br />
Hobby als Sportschütze.<br />
In stiller Freude: Hegels 1970 Glück im Unglück: Hegels 2002<br />
Der Meister-Privatier: Hegels 1970 auf Siegesfahrt um die Nordschleife
114<br />
Hero, Manfred (MSa 33/2002)<br />
Manfred the Hero<br />
anfred Hero war zumindest für seine<br />
Msaarländischen Fans in dem Moment<br />
ein echter Hero, als ihm 1982 bei der zu<br />
DM und EM zählenden «Saarland-Rallye»<br />
ein Sieg über den grossen Walter Röhrl im<br />
Lancia 037 gelang. Diesen Triumph über<br />
den Topstar kostete der Porsche-Pilot aus<br />
<strong>wie</strong> kaum einen anderen und bezeichnet<br />
ihn noch heute «als das Grösste meiner<br />
Karriere».<br />
Fast 20 Jahre lang donnerte der Kfz-<br />
Meister aus Schmelz als Privatier über<br />
Deutschlands Rallyepfade, schrammte<br />
zweimal knapp am Gewinn des DM-Titels<br />
vorbei und erkämpfte sich bei der «Monte»<br />
sogar die Position des besten deutschen<br />
Teilnehmers. Mit Porsche 911, Opel<br />
Manta 400, Lancia Delta Integrale und<br />
BMW M3 so<strong>wie</strong> den Co-Piloten Klaus Hopfe,<br />
Dietmar Müller und Guido Horsch erlebte<br />
Hero zwischen 1967 und 1990 nahezu<br />
alle Höhen und Tiefen. Zu den Highlights<br />
gehörte der oben beschriebene Sieg über<br />
Röhrl, zu den Tiefen zählten drei Totalschäden<br />
(zwei Porsche, ein Manta) und die<br />
verlorene Meisterschaft 1981. Als Tabellenführer<br />
kam er zum Finale nach Straubing,<br />
wo ein Getriebeschaden alle Titelhoffnungen<br />
zerschlug.<br />
Aufgehört hat er schliesslich, weil die<br />
Kluft zwischen Privat- und Werksfahrer immer<br />
grösser wurde. «Wenn mir Leute <strong>wie</strong><br />
Winfried Matter nicht geholfen hätten,<br />
wäre viel früher Ende gewesen.» Stattdessen<br />
kümmerte er sich verstärkt um seine<br />
Porsche-Werkstatt und die Betreuung der<br />
Rallyekunden.<br />
Inzwischen hat der 53-Jährige mit grossem<br />
Erfolg ein weiteres Geschäftsfeld erschlossen.<br />
Am Ufer der Moselgemeinden<br />
Minheim und Klüsserath betreibt er zwei<br />
Wohnmobil-Parks mit insgesamt 470 Stellplätzen.<br />
Beide Areale sind vom ADAC bereits<br />
mehrfach ausgezeichnet worden und<br />
liegen im Einzugsbereich einiger Sonderprüfungen,<br />
die beim WM-Lauf im August<br />
gefahren werden. «Das wird ein Riesenfest»,<br />
schwelgt Hero in Vorfreude auf den<br />
deutschen Rallye-Gipfel. «Wir werden keine<br />
Minute versäumen.»<br />
Wir – das sind seine Frau Anny, mit der<br />
er seit 32 Jahren verheiratet ist, und sein<br />
30-jähriger Sohn Marco, der als Rechtsanwalt<br />
arbeitet. Zweimal pro Jahr gönnen<br />
sich Vater und Sohn eine gemeinsame Reise:<br />
Im Wohnmobil geht’s zur Rallye Monte<br />
Carlo und zur Tour de France. Denn das<br />
Rennrad ist Heros zweite grosse Passion.<br />
Spätestens mit 60 soll beruflich Schluss<br />
sein, «dann machen wir eine Europatour<br />
im Wohnmobil – und hinten drauf natürlich<br />
das Rennrad».<br />
Knapp am Titel vorbei: Hero 1981<br />
WM-Lauf-Vorfreude: Hero heute<br />
Echtes Prachtstück: Manfred Heros 3,3-Liter-Turbo-Porsche anno 1983
Huhn, Robert F. (MSa 42/2002)<br />
Sieg für die Airline<br />
obert F. Huhn gelang vor gut 40 Jah-<br />
worum ihn heute jeder Teamchef<br />
Rren,<br />
beneiden würde: Der Hobbypilot konnte<br />
die Deutsche Lufthansa als Sponsor begeistern.<br />
Der Hotelkaufmann aus Oberwinter<br />
bei Bonn, selbst im Flugunternehmen<br />
als Manager tätig und für Aufbau und Perfektion<br />
des Bord-Service zuständig, konnte<br />
im Juli 1961 voller Stolz die «Scuderia<br />
Lufthansa» samt Bewerberlizenz als eingetragenen<br />
Verein präsentieren. «Ein hartes<br />
Stück Überzeugungsarbeit», erinnert<br />
sich der erfolgreiche Porsche-Pilot und Geschäftsführer<br />
der Scuderia. «Das Top-Management<br />
stand der Idee zunächst sehr<br />
skeptisch gegenüber.»<br />
Dank der Siege von Huhn, Hans Werle,<br />
Hans Dieter Dechent und Günther Schwarz<br />
avancierte die Lufthansa-Truppe bald zur<br />
erfolgreichsten deutschen Privatrenngemeinschaft<br />
der 60er-Jahre. Dazu kamen<br />
Gastfahrer vom Schlage eines Reinhold<br />
Joest, Udo Schütz oder Rolf Stommelen.<br />
Die Kranich-Männer bevorzugten durchweg<br />
Porsche – vom Super 90 über den legendären<br />
Carrera 1,6 bis zum 906 und 910<br />
war alles dabei, was die Stuttgarter so im<br />
Angebot hatten.<br />
Huhn hatte seine besten Jahre im Porsche<br />
914/6 und 356er-Carrera. Für den<br />
«persönlich wertvollsten Sieg» beim GT-<br />
115<br />
Rennen im Rahmen des Deutschland-GP<br />
1963 auf der Nordschleife hängte ihm sogar<br />
der grosse Juan Manuel Fangio den<br />
Kranz um den Hals. 1972 wurde das Kapitel<br />
«Scuderia Lufthansa» geschlossen, da<br />
sich die meisten Gründungs- und Stammfahrer<br />
vom aktiven Sport zurückzogen. 62<br />
Siege, 84 zweite und 50 dritte Plätze aus<br />
280 Starts hatten die Lufthansa-Piloten<br />
bis dahin erreicht.<br />
Mit Gattin Inge, mit der er seit 45 Jahren<br />
verheiratet ist, lebt Huhn als Ruheständler<br />
in seiner Heimatstadt Oberwinter.<br />
Langeweile ist für den jugendlich wirkenden<br />
70-Jährigen ein Fremdwort. Die Pflege<br />
seiner Oldtimer, Gartenarbeit, Wanderungen<br />
durchs Siebengebirge und Reisen<br />
halten ihn auf Trab. Die beiden Töchter<br />
(41, 40) arbeiten als Stewardessen – natürlich<br />
bei der Lufthansa. Sein Sohn (39)<br />
ist bei DaimlerChrysler ins Smart-Programm<br />
eingebunden.<br />
Seinen geliebten Nürburgring, auf dem<br />
er in 25 Jahren rund 60 000 km abgespult<br />
hat, besucht er nach <strong>wie</strong> vor gerne, wenngleich<br />
der aktuelle Rennsport hauptsächlich<br />
vorm TV-Gerät stattfindet. Mit seinen<br />
Mannheimer Ex-Weggefährten Werle und<br />
Dorner pflegt er regelmässig Kontakt. Gesundheitlich<br />
geht’s ihm prima. «Dafür<br />
muss man in meinem Alter dankbar sein.»<br />
Respektabler Raser: Huhn 1967 Rüstiger Rentner: Huhn 2002<br />
Im Dienste des Kranichs: Huhn im 914/6 beim 1000-km-Rennen 1970
116<br />
ünther Klapproth hatte einen guten<br />
GGrund, als Copilot dem heissen Rallye-<br />
Sitz adieu zu sagen: «14 Jahre und 168<br />
Rallyes ohne Unfall waren genug – man<br />
muss es ja nicht übertreiben.» Der Hannoveraner<br />
war bei vielen Rallyestars der<br />
ruhende Pol im Cockpit, galt als geradezu<br />
pedantischer Perfektionist in Vorbereitung<br />
und Handling der Fahrtunterlagen. Mit<br />
sicherer Ansage dirigierte er seine Chauffeure<br />
zu rund 70 Goldmedaillen, 18 Gesamt-<br />
und 32 Klassensiegen.<br />
Besonders gerne und lange fuhr er an<br />
der Seite von Herbert «Ernie» Kleint. Die<br />
beiden wurden in den 60er-Jahren vor<br />
allem im Ford-Werksteam zur festen Grösse.<br />
Unvergessen sind die Monte-Starts im<br />
schwachbrüstigen Taunus 12M, die Marathon-Fahrt<br />
London–Sydney im biederen<br />
Ford 20M RS oder der Gesamtsieg bei der<br />
Tour d’Europe 1970. Umso betroffener war<br />
Klapproth, als sein Freund und Weggefährte<br />
1989 beim Absturz seines Privatflugzeugs<br />
ums Leben kam.<br />
Um diese Zeit war Kleints Ex-Co schon<br />
fast 15 Jahre Rennsekretär des ADAC Niedersachsen<br />
und wachte dort als Chef-<br />
Administrator über die Durchführung der<br />
hauseigenen Motorsport-Events mit dem<br />
traditionsreichen Flugplatzrennen Wunstorf<br />
als Saisonhighlight. «Trotz ständiger<br />
Klapproth, Günther (MSa 07/2002)<br />
Der Perfektionist<br />
Sicherheitsdebatten und Anfeindungen<br />
durch Naturschutzverbände, hatten wir vor<br />
allem während der grossen DTM-Ära eine<br />
wunderbare Zeit», resümiert Klapproth.<br />
Als sich 1998 in Wunstorf nach der 34.<br />
Auflage letztmals die Zielflagge senkte,<br />
fiel auch dem altgedienten ADAC-Mann der<br />
Abschied schwer. «Wunstorf wird es leider<br />
nie mehr geben, das war einfach nicht<br />
mehr bezahlbar.»<br />
Seit Juli 2001 ist Klapproth Rentner.<br />
Sein Lebensmittelpunkt sind jetzt die<br />
Familie so<strong>wie</strong> «Tessa». Mit dem Rauhaardackel,<br />
der jüngst die Begleithundprüfung<br />
bestanden hat, unternimmt er Streifzüge<br />
durch die Umgebung. Herr und Tier sind<br />
schliesslich auf Materialsuche für ein<br />
heimatkundliches Buch. Titel: «Gedenksteine<br />
im Deister» (bewaldeter Höhenzug<br />
westlich von Hannover).<br />
Trotzdem kommt der Motorsport nicht<br />
zu kurz; die Rallye-WM und die Formel 1<br />
sind TV-mässig die Favoriten. Dazu gibt’s<br />
pro Jahr zwei bis drei DTM-Besuche und<br />
den Grand Prix in Hockenheim. Verblüffend<br />
die Aussage des 65-Jährigen zum Thema<br />
Gesundheit: «Ich habe noch nie eine<br />
Arztpraxis von innen gesehen, habe keinen<br />
Hausarzt und fühle mich noch immer<br />
gesund und fit.» Der Traum einer jeden<br />
Krankenkasse…<br />
Siege mit Kleint: Klapproth 1969<br />
Spass mit Hund: Klapproth heute<br />
Dream-Team: Klapproth (l.) und Kleint im Ford 12M bei der Monte 1966
König, Kurt (MSa 08/2002)<br />
Fränkisches Fahrtier<br />
urt König zählte in den 20 Jahren seiner<br />
KRennkarriere zu den originellsten Erscheinungen<br />
der Szene. Als klassischer<br />
Privatfahrer präsentierte sich der schwergewichtige<br />
Riese mit dem schütteren<br />
Haupthaar stets locker und lustig. Sein<br />
Markenzeichen war die glimmende Zigarette,<br />
auf der Piste gab er sich unnachgiebig,<br />
schnell und kampfstark. «Ein Fahrtier der<br />
besonderen Sorte», so porträtierte ihn<br />
früher mal ein Kollege.<br />
Nach ersten Erfolgen am Berg und einigen<br />
Jahren im VW-Golf-Cup setzte sich<br />
der Lange aus dem fränkischen Schwabach<br />
vornehmlich mit BMW-Tourenwagen in<br />
Szene. Schon in der alten DRM machte er<br />
im selbst präparierten M1 den Stucks,<br />
Questers und Henzlers das Leben schwer.<br />
In der DTM der 80er-Jahre zählte er zum<br />
unverzichtbaren Inventar der Privatiers,<br />
drosch meist sponsorlose 635 CSi-Coupé<br />
und M3 durchs Feld, sammelte bei 111<br />
Starts knapp 500 DTM-Punkte und schloss<br />
1986 inmitten aller Werkspiloten als<br />
Gesamt-Dritter ab.<br />
Neben dem Prädikat des besten Zweiliter-Fahrers<br />
in der Tourenwagen-EM 1978<br />
und dem Vizetitel in der Rennsport-<br />
Trophäe 1981 freute sich König vor allem<br />
1982 über den M1-Klassensieg beim 1000-<br />
km-Rennen auf dem Nürburgring.<br />
117<br />
Da seine Hausmarke BMW das DTM-Engagement<br />
1992 stoppte, verabschiedete<br />
sich König aus dem Rennsport. Dafür kniete<br />
er sich gemeinsam mit Bruder Uwe in<br />
die Führung des BMW-Autohauses mit rund<br />
50 Mitarbeitern. Das Sportgeschehen in<br />
aller Welt hat er aber nie aus den Augen<br />
verloren. Im Fernsehen wird «alles verschlungen,<br />
was an Racing über den Bildschirm<br />
geht». Bis zu drei F1-GP pro Saison<br />
gönnt er sich ebenso <strong>wie</strong> den jährlichen<br />
Pflichtbesuch am Norisring, «um alte<br />
Freunde zu treffen».<br />
Auch bei der Top-10-Rennserie ist er<br />
neuerdings häufiger präsent, um nach<br />
seinem Schützling Daniel la Rosa (16) zu<br />
sehen. Der Nachwuchsmann steigt von der<br />
Formel König in die Formel VW auf und wird<br />
von dem Ex-DTM-Piloten gefördert. «Mit<br />
dem Jungen möchte ich erreichen, was mir<br />
selbst versagt blieb – einen Meistertitel.»<br />
Auch aus dem Privatleben meldet der<br />
heute 48-Jährige nur Erfreuliches: «Seit<br />
acht Jahren bin ich verheiratet, meine Familie<br />
mit den zwei Kids (4 und 5) ist mein<br />
grösstes Glück.» Hin und <strong>wie</strong>der gönnt er<br />
sich eine Auszeit mit Powerboot-Fahren<br />
vor Mallorca, fühlt sich ansonsten «sehr<br />
gesund, aber mit 110 kg leicht übergewichtig».<br />
Und die Zigarette schmeckt ihm<br />
noch immer …<br />
Treuer BMW-Kunde: König 1989<br />
Spass im Powerboat: König heute<br />
Schrecken der sogenannten Superstars: Kurt König 1984 im BMW M1
118<br />
rwin Kremer kann sich 2002 gleich auf<br />
Ezwei Geburtstage freuen – er selbst wird<br />
im Juni 65, und sein berühmter Rennstall<br />
feiert im Oktober 40-jähriges Bestehen.<br />
«Leider sind wir ja in Deutschland fast in<br />
Vergessenheit geraten», bedauert er mit<br />
dem selben Dackelblick, mit dem er schon<br />
vor 30 Jahren die Gesprächspartner fixierte,<br />
wenn’s ums Geld ging. Und schiebt trotzig<br />
hinterher, dass «es uns noch gibt».<br />
Allerdings ist im Gegensatz zu den<br />
Glanzzeiten des Kölner Teams vieles nicht<br />
mehr so, <strong>wie</strong>’s mal war. Bruder Manfred<br />
(62), als Techniker und Tüftler eine der<br />
tragenden Säulen der Kremer-Erfolgsstory,<br />
hat sich 1998 in den Ruhestand verabschiedet<br />
und lebt nun in Spanien. Und<br />
statt der Traditionsmarke Porsche rennt<br />
seit drei Jahren ein Lola B98-Roush unter<br />
Kremer-Flagge – «Trotzreaktion gegenüber<br />
gewissen Porsche-Entscheidungen».<br />
Dabei haben die Kremer-Brothers mit<br />
Porsche 35 Jahre lang gut gelebt und eine<br />
sensationelle Erfolgsbilanz hingelegt:<br />
Porsche-Cup-Rekordsieger (11 Mal), je vier<br />
Europa- und Interserie-Titel, Deutsche<br />
Rennsportmeisterschaft, Erfolge bei den<br />
24-Stunden-Klassikern in Le Mans, Daytona<br />
und Spa. Dazu 30 Le-Mans-Teilnahmen<br />
in Folge (1970 bis 1999). Mehr als 300<br />
Fahrer aus aller Welt sassen bis heute in<br />
Kremer, Erwin (MSa 15/2002)<br />
Doppel-Jubiläum<br />
den Cockpits der Kremer-Rennwagen. Aber<br />
es gab auch traurige Momente – Manfred<br />
Winkelhock (Mosport 1985) und Jo Gartner<br />
(Le Mans 1986) starben in den Porsche 962<br />
aus Köln, Kris Nissen wäre 1988 in Fuji<br />
beinahe verbrannt.<br />
Erwin Kremer, selbst zehn Jahre lang mit<br />
dem 911er erfolgreich und 1971 sogar<br />
Porsche-Cup-Gewinner, ärgerte das Porsche-Werksteam<br />
oft genug mit revolutionären<br />
Eigenentwicklungen. Dazu gehörte<br />
auch der 935 K3, mit dem Klaus Ludwig<br />
1979 in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft<br />
alles in Grund und Boden fuhr.<br />
Unvergessen sind die Pisten- und Wortgefechte<br />
der 70er-Jahre mit dem konkurrierenden<br />
Kölner Porsche-Stall von<br />
Georg Loos. Man jagte sich die Fahrer ab,<br />
Beschimpfungen, üble Nachrede und<br />
Gerichtstermine garnierten die wilden<br />
Jahre, über die Kremer sagt: «Eine harte,<br />
aber schöne Zeit. Manchmal wünsche ich<br />
mir, die Uhr zurückdrehen zu können.»<br />
Demnächst denkt auch der alte Fahrensmann<br />
daran, kürzer zu treten und das<br />
Leben zu geniessen. Mit Gattin Christine<br />
(40 Jahre verheiratet, kinderlos) erholt er<br />
sich immer öfter auf der Kanareninsel<br />
Fuerteventura. «Wir haben dort ein Häuschen,<br />
das auch mal unser Altersruhesitz<br />
werden soll.»<br />
Tolles Haardesign: Kremer 1969<br />
«Es gibt uns noch»: Kremer heute<br />
Siegesserie mit Eigenentwicklung: 1979/80 räumte der 935 K3 alles ab
Leinenweber, Fritz (MSa 20/2002)<br />
Der Porsche-Jünger<br />
ritz Leinenweber war 15 Jahre lang ei-<br />
der treuesten Porsche-Kunden im<br />
Fner<br />
Rennsport. So erzielte er seine rund 90 Siege<br />
ausschliesslich mit Stuttgarter Prachtexemplaren<br />
<strong>wie</strong> 356 B und 911, Spyder RSK<br />
und Abarth-Carrera, 904 GTS, Carrera 906<br />
und Carrera 910. Wo immer der Herrenfahrer<br />
aus dem pfälzischen Pirmasens zwischen<br />
1956 und 1970 antrat, hatten die<br />
Gegner nichts zu lachen. Siege waren die<br />
Norm, zweite Plätze ein Grund zum Lamentieren<br />
und dritte eine mittlere Katastrophe.<br />
Die Gegner hiessen Rolf Stommelen,<br />
Reinhold Joest, Ben Pon oder Joakim Bonnier;<br />
wunderbare Flugplatzkurse <strong>wie</strong> Trier,<br />
Pferdsfeld, Erbenheim oder Innsbruck sahen<br />
Leinenweber-Festspiele.<br />
In seinen Anfangsjahren musste er<br />
manchmal unter Pseudonym antreten, weil<br />
die Wolfsburger VW-Manager ihm den Entzug<br />
der VW-Vertretung androhten, falls er<br />
sich weiter am Rennsport beteiligt. Einen<br />
seiner wertvollsten Erfolge erzielte der<br />
Pfälzer 1961 im Abarth-Carrera beim GT-<br />
Lauf im Rahmen des F1-GP auf der Nordschleife:<br />
Sieg und Rundenrekord, dazu Pokal<br />
und Kranz aus der Hand von Prof. Ferry<br />
Porsche. «Das war ein Riesenerlebnis»,<br />
schwärmt Leinenweber. «Davon zehrt man<br />
ein ganzes Rennfahrerleben.» Obwohl er<br />
seine Einsätze immer häufiger an den Berg<br />
119<br />
verlagerte, blieben die Auftritte im geliebten<br />
Paris-Montlhéry jährliches Pflichtprogramm.<br />
Allein hier feierte der Porsche-Pilot<br />
15 Siege. 1972, exakt an seinem 40.<br />
Geburtstag, hängte Fritz Leinenweber den<br />
Helm an den Nagel.<br />
Offiziell ist der mittlerweile 70-jährige<br />
Ingenieur schon seit fünf Jahren Rentner,<br />
das Autohaus (15 Jahre VW, danach noch<br />
weitere 15 Jahre Renault) ist längst verkauft.<br />
Die zwei Söhne (46, 40) haben solide<br />
Existenzen (Rechtsanwaltskanzlei,<br />
Automobilhandel). Trotzdem sitzt er weiter<br />
unverdrossen in seinem Pirmasenser<br />
Kfz-Sachverständigen-Büro, das Schadens-<br />
und Schätzgutachten für Versicherungen<br />
erstellt.<br />
Gutes Essen, ein ordentlicher Tropfen<br />
Pfälzer Wein und Wanderungen durchs heimatliche<br />
Gelände stehen heute für Leinenweber<br />
im Vordergrund. Zwar plagen ihn Arthrose,<br />
Bandscheiben- und Wirbelsäulen-<br />
Probleme, aber deshalb mag er weder auf<br />
Bewegung verzichten noch wehklagen:<br />
«Wenn ich morgens aufwache und es<br />
zwickt nicht an einer neuen Stelle, bin ich<br />
schon zufrieden.» Neuerdings lässt auch<br />
das Gehör nach, was bei seiner Gattin Marion,<br />
mit der er seit 47 Jahren verheiratet<br />
ist, den Verdacht nährt, «dass er nur noch<br />
hört, was er hören will …».<br />
Porsche-Star: Leinenweber 1962<br />
Manchmal zwickt’s: Fritz L. heute<br />
Lieblingsstrecke: Leinenweber-Sieg 1969 in Montlhéry auf Porsche 910
120<br />
Lins, Rudi (MSa 43/2002)<br />
Der Gipfelstürmer<br />
udi Lins war für die kleine Motorsport-<br />
Österreich in seinen besten Jah-<br />
Rnation<br />
ren ein Aushängeschild <strong>wie</strong> Helmut Marko,<br />
Dieter Quester oder Jo Gartner. Teils<br />
als Privat-, teils als Werksfahrer sammelte<br />
er zwischen 1965 und 1971 mit allen<br />
erdenklichen Porsche-Typen speziell am<br />
Berg Erfolge. Im legendären Carrera 6 driftete<br />
der Vorarlberger 1967 zum Berg-EM-<br />
Titel, im Carrera 10 wurde er ein Jahr später<br />
im selben Championat Vizemeister.<br />
Gleich viermal in Folge sicherte sich der<br />
stets still und bescheiden auftretende Porsche-Sportler<br />
die österreichische Staatsmeisterschaft.<br />
Dabei war Lins nicht nur am Berg<br />
schnell: Auch in Le Mans, bei der Targa Florio<br />
und anderen Langstrecken-Klassikern<br />
der Sportwagen-WM zählte der Kfz-Meister<br />
aus Bludenz mit Partnern <strong>wie</strong> Marko,<br />
Gerard Larrousse, Vic Elford oder Dick Attwood<br />
zu den Besten. Die Porsche-Renngeneräle<br />
Huschke von Hanstein (für Stuttgart)<br />
und Ferdinand Piëch (für Porsche<br />
Austria) schätzten vor allem die Ruhe und<br />
Zuverlässigkeit des Österreichers.<br />
Mit einem letzten Start in seinem Lieblings-Porsche,<br />
dem 910, verabschiedete<br />
sich Rudi Lins beim 1000-km-Rennen auf<br />
dem Nürburgring 1971 vom aktiven Sport.<br />
Um sich gleich der nächsten Herausforderung<br />
zu stellen: Zusammen mit Freund und<br />
Landsmann Gerhard Plattner und vorzugsweise<br />
in Porsche- und VW-Automobilen<br />
brach er zu immer neuen Extrem-Weltrekordfahrten<br />
auf. Ob Weltumrundung, Sahara-Durchquerung<br />
oder Polarkreis-Rundreise<br />
– am Ende blieben nur wenige Länder,<br />
die von den Abenteurern nicht durchquert<br />
wurden.<br />
Gattin Christine, zwei Söhne (32, 22),<br />
zwei Töchter (31, 28) und die 65 Mitarbeiter<br />
der beiden Lins-Autohäuser in Bludenz<br />
und Schruns (Porsche, VW, Audi,<br />
Seat) freuen sich jetzt über die permanente<br />
Anwesenheit des Chefs, der das Tagesgeschäft<br />
zusammen mit seinem jüngeren<br />
Bruder Fritz erledigt. Rennverläufe und Ergebnisse<br />
des aktuellen Sportgeschehens<br />
verfolgt der Hobby-Golfer (Handicap 28)<br />
in den Printmedien und, wenn noch Zeit<br />
bleibt, als TV-Zuschauer.<br />
Persönlich hat er sich seit seinem Rücktritt<br />
an keiner Rennstrecke mehr sehen lassen,<br />
«weil mir dazu einfach die Zeit fehlt».<br />
Auch die alten Weggefährten sieht er kaum<br />
noch, bestenfalls trifft er den einen oder<br />
anderen zufällig beim Skilaufen. Geschäftlich<br />
geht es Lins bestens, auch gesundheitlich<br />
kann er nicht klagen. Nur die Haare<br />
sind ihm im Laufe der Zeit ein wenig<br />
abhanden gekommen.<br />
Siege gefeiert: Rudi Lins 1969<br />
Haare gelassen: Rudi Lins heute<br />
Mit jedem Porsche schnell: Lins 1970 im Werks-908 am Nürburgring
Loos, Georg (MSa 10/2002)<br />
Der Porsche-König<br />
eorg Loos und sein Porsche-Rennstall<br />
Gsorgten immer für Gesprächsstoff. Sei<br />
es durch sportlichen Erfolg, Dauerzoff mit<br />
dem Kölner Lokalrivalen Kremer oder<br />
feuchtfröhliche Feste nach gewonnenen<br />
Rennschlachten. Gierig zückten Journalisten<br />
ihre Notizblöcke, um die neusten Loos-<br />
Storys ins Blatt zu heben. Am Steuer von<br />
Ferrari-, Porsche- und McLaren-Sportwagen<br />
sammelte der Immobilien-Kaufmann<br />
von 1967 bis 1973 zunächst selbst Erfolge,<br />
ehe er sein eigenes Team «Gelo Racing»<br />
gründete und bis zu drei Porsche 935 Turbo<br />
einsetzte.<br />
DRM, Le Mans und Sportwagen-WM<br />
waren seine Spielplätze, zu denen er nicht<br />
selten mit dem eigenen Heli einschwebte.<br />
Auf dem Fahrermarkt bediente er sich nur<br />
vom Feinsten; Topstars <strong>wie</strong> Rolf Stommelen,<br />
Toine Hezemans, Klaus Ludwig, Derek<br />
Bell und John Fitzpatrick gewannen mit<br />
seinen Autos bis auf Le Mans fast alle<br />
wichtigen Rennen. So beendete die Loos-<br />
Truppe als einziges Privatteam der Welt<br />
drei Mal das 1000-km-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife<br />
als Gesamtsieger.<br />
Und Stommelen sicherte Loos in einem<br />
hochdramatischen Finale gegen Kremer-<br />
Mann Bob Wollek 1977 den Titel in der<br />
Deutschen Rennsport-Meisterschaft. Zum<br />
Showdown der verfeindeten Kölner Teams<br />
121<br />
pilgerten trotz strömenden Regens 30 000<br />
Fans an die Betonschleife des Rings.<br />
Die Loos-Piloten verdienten gutes Geld,<br />
mussten sich aber dem Diktat des Teamchefs<br />
bedingungslos unterwerfen. So ging<br />
keiner ins Training, bevor der Boss nicht<br />
persönlich vor Ort das Kommando übernahm.<br />
Und die Teilnahme an der abendlichen<br />
Siegesfeier war so<strong>wie</strong>so Pflicht. Wer<br />
nicht parierte, flog raus.<br />
Ab Mitte der 80er-Jahre wurde es sportlich<br />
still um die schillernde Figur Georg<br />
Loos. Dafür machten wilde Gerüchte über<br />
finanzielle Probleme die Runde. Erst vor<br />
zwei Jahren prangte auf der Titelseite des<br />
«Kölner Express» die Schlagzeile «Porsche-König<br />
auf der Flucht». Loos, inzwischen<br />
58 Jahre alt und Privatier mit<br />
Wohnsitzen in Deutschland und der<br />
Schweiz, mag über solche Latrinenparolen<br />
nur müde lächeln. «Alles kompletter<br />
Unsinn, ich kann in Köln oder sonst wo auf<br />
der Welt unbehelligt mein Bier trinken.»<br />
Der Kontakt zum Rennsport ist abgerissen,<br />
nur mit seinem alten Kölner Kumpel<br />
Rüdiger «Meck» Hagen trifft er sich noch<br />
regelmässig. Von der Lebensqualität im<br />
Alter hat Loos klare Vorstellungen: «Ein<br />
Platz an der Sonne, faulenzen, Blick aufs<br />
Meer, und im Hafen-Bistro mit den Einheimischen<br />
gemütlich beim Rotwein sitzen.»<br />
Ein Chef mit Macken: Loos 1978<br />
Sonne und Meer: Loos heute<br />
Nürburgring 1977: Tim Schenken im Loos-935 auf dem Weg zum Sieg
122<br />
Maas, Alfred (MSa 16/2002)<br />
Chef-Zeitnehmer<br />
lfred Maas und seine engagierte Trup-<br />
von der Frankfurter «Sport Zeitmess<br />
Ape<br />
GmbH» haben im deutschen Motorsport<br />
zweifellos einen Wendepunkt markiert.<br />
Mitte der 70er-Jahre etablierten sie die<br />
vollelektronische Zeitnahme. Zur Freude<br />
von Veranstaltern, Fahrern, Boxencrews<br />
und Journalisten hatte das stundenlange<br />
Warten auf hand- oder maschinengeschriebene<br />
Renn- und Trainingsresultate<br />
ein Ende.<br />
Riesige Mengen an Durchlaufdaten auf<br />
meterlangen Listen, manuelle Rechenverfahren<br />
und mühsames Herausfiltern der<br />
Rundenzeiten durch Subtrahieren der Differenzwerte<br />
aus jeweils zwei Durchlaufzeiten<br />
ersetzten Computer, Bildschirme und<br />
blitzschnelle Ausdrucke. Einer, der damals<br />
schon zur Maas-Mannschaft gehörte, ist<br />
der heutige DTM-Zeitnahmechef Alex Tischer.<br />
«Bevor die Computer bei uns Einzug<br />
hielten, haben wir oft bis in die Nacht<br />
hinein gerechnet. Es war die Hölle.»<br />
Während Maas nach 27 Zeitnehmer-Jahren<br />
dem Motorsport aus privaten Gründen<br />
1987 adieu sagte, erlebte Tischer in der<br />
Folge die rasante Entwicklung der elektronischen<br />
Zeitmess-Systeme hautnah. Vor<br />
allem das Kölner Unternehmen WIGE Media<br />
AG profilierte sich mit immer perfekterer<br />
Technik als internationaler Marktführer.<br />
Längst gelten die WIGE-Spezialprogramme<br />
nicht nur an den Rennstrecken,<br />
sondern auch bei anderen Sport-Events<br />
weltweit als Massstab.<br />
Zeitnahme-Pionier Maas, zwischendurch<br />
auch als Gastronom tätig, ist heute<br />
67 Jahre alt und lebt als Rentner-Single in<br />
Frankfurt. Zwei gescheiterte Ehen mit insgesamt<br />
acht Kindern und eine Bypass-Operation<br />
am offenen Herzen haben sein Leben<br />
nicht leichter gemacht. Mit viel Begeisterung<br />
hat er sich der Öl- und Aquarell-Malerei<br />
zugewandt. «Das Malen ist so<br />
ruhig und friedlich, daraus schöpfe ich<br />
Kraft und Zufriedenheit.» Rund 25 Bilder<br />
hat er verkauft, viele aber auch einfach<br />
verschenkt.<br />
Obwohl er seit 15 Jahren keine Rennstrecke<br />
mehr betreten hat, sind Interesse<br />
und Kontakt zum Motorsport immer noch<br />
da. Via Fernsehen und Telefonate mit seinem<br />
Bruder Helmut, der beim ADAC München<br />
als Betreuer der Ressorts Automobilsport<br />
und Kart wirkt, informiert er sich<br />
über den aktuellen Stand der Dinge. Demnächst<br />
plant Alfred Maas das hektische<br />
Frankfurt zu verlassen: «Ich will mir einen<br />
ruhigen Platz fürs Alter suchen und ein<br />
letztes Mal in diesem Leben umziehen.<br />
Vielleicht nach Münster, wo ich geboren<br />
und aufgewachsen bin.»<br />
Jung-Zeitnehmer: Maas 1962<br />
Hobby-Maler: Alfred Maas heute<br />
Bitte ein Pils: Alfred Maas 1989 als Gastwirt in seiner Frankfurter Kneipe
olf Dieter Mantzel galt in den 60ern<br />
Wam Steuer infernalisch schneller DKW-<br />
F11 und F12 als klassischer Albtraum aller<br />
Tourenwagenpiloten. Vorzugsweise die<br />
Herrschaften in den grossen Hubraumklassen<br />
sahen des Öfteren nicht so gut aus,<br />
wenn Mantzel im selbstgetunten 100-PS-<br />
DKW doppelt und dreifach so starke Jaguar,<br />
Mercedes und Alfa in Verlegenheit brachte.<br />
Nase und Ohr des Betrachters am Pistenrand<br />
wurden derweil arg strapaziert, denn<br />
der Dreizylinder-Zweitaktmotor stank und<br />
lärmte bestialisch.<br />
An die 100 Siege gelangen dem stillen<br />
Kfz-Meister am Berg und auf der Rundstrecke.<br />
Titelgewinne waren für ihn zweitrangig:<br />
«Ich bin immer da gestartet, wo<br />
ordentlich Konkurrenz war und ich die<br />
Grossen so richtig ärgern konnte.» Den<br />
Bergparcours von Eberbach und die<br />
Nordschleife erhob er zu seinen Lieblings-<br />
Rennstrecken.<br />
Als Mantzel sich jedoch bei einem Ausflug<br />
in die Formel 3 mit seinem Lola-DKW<br />
auf der Nürburgring-Südschleife überschlug<br />
und der Monoposto kopfüber auf<br />
einen Baumstumpf krachte, war Schluss<br />
mit Lustig. Der Unfall war so horrormässig,<br />
dass kurz darauf via Radio der Tod des<br />
Rennfahrers aus dem badischen Oftersheim<br />
vermeldet wurde. «Daher staunte<br />
Mantzel, Wolf Dieter (MSa 14/2002)<br />
Der Totgesagte<br />
123<br />
meine Familie nicht schlecht, als ich am<br />
Abend in der Tür stand», schmunzelt er<br />
noch heute. «Die dachten, ein Geist sei<br />
erschienen. Wäre ich jedoch vor dem Aufprall<br />
nicht aus dem Cockpit geflogen und<br />
ziemlich weich gelandet, hätte ich keine<br />
Chance gehabt.»<br />
Im späteren Berufsleben machte sich<br />
Mantzel zusammen mit Partner Helmut<br />
Kissling einen Namen als Opel-Tuner. Ab<br />
1983 gingen beide getrennte Wege;<br />
Mantzel konzentrierte sich in Oberhausen<br />
aufs Strassentuning, während Kissling im<br />
Rennsport blieb. Bis vor sechs Jahren trat<br />
der Ex-DKW-Supermann mit seinem kreischenden<br />
Zweitakter noch gelegentlich bei<br />
historischen Rennen an, heute erlebt er<br />
als interessierter Betrachter Formel 1, DTM<br />
und DTC vor dem Fernseher und simuliert<br />
das eine oder andere Rennen auf der<br />
Playstation.<br />
Seit ein HWS-Syndrom den 61-Jährigen<br />
zur Aufgabe des intensiv betriebenen Radsports<br />
zwang, ist er oft zu Fuss mit seinem<br />
Schäferhund unterwegs. Überhaupt sind<br />
Hunde eins seiner grossen Hobbys, dazu<br />
natürlich die Familie. Ehefrau Irmi ist seit<br />
30 Jahren an seiner Seite. Mantzels Fazit:<br />
«Dafür, dass man mich schon mal für tot<br />
erklärt hat, geht’s mir ganz gut. Ich hoffe,<br />
das bleibt auch noch lange so.»<br />
Mantzel 1964: Nichts als Siege<br />
Heute: Totgesagte leben länger<br />
Der Albtraum der «Grossen»: Mantzels unschlagbarer DKW F12 von 1964
124<br />
rnst Maring gilt als erster offizieller Ti-<br />
in der jüngeren Geschichte der<br />
Etelträger<br />
Deutschen Formel-3-Meisterschaft. Mit<br />
seiner Eigenkonstruktion Maco (Ma für<br />
Maring, co für Construction) mit Toyota-<br />
Motor errang der Braunschweiger ’75 als<br />
39-Jähriger (!) das Championat durch regelmässige<br />
Zielankünfte. Seine Maco-<br />
Rennwagen machten überall eine gute<br />
Figur – neben der F3 auch in der Formel<br />
Super VW und sogar in der Formel 2.<br />
Insgesamt 23 Chassis baute und verkaufte<br />
Maring zwischen 1969 und 1982. Prominente<br />
Piloten <strong>wie</strong> Marc Surer, Arie Luyendyk<br />
oder Giorgio Francia zählten zu seinen<br />
Kunden. Neben seiner Lieblingskategorie<br />
Formel 3 trat der Chef natürlich auch als<br />
Chauffeur in den Disziplinen Formel 2 und<br />
Super VW an.<br />
So sammelten die Maco-Rennwagen am<br />
Berg und auf der Rundstrecke viel Erfolg<br />
und Anerkennung. «Marc Surer hat mir<br />
sogar ein Dankschreiben geschickt», erzählt<br />
Maring stolz. Für die deutsche Fangemeinde<br />
ist der Mann ein echtes Urgestein<br />
aus der Frühzeit der F3, die damals<br />
noch mit einem Saisonetat von rund<br />
75 000 Euro zu bewältigen war. «Ernst hat<br />
grundsolide Autos gebaut und mit wenig<br />
Aufwand viel erreicht», weiss sein Titelnachfolger<br />
Bertram Schäfer. «Ausserdem<br />
Maring, Ernst (MSa 29/2002)<br />
Pilot und Erbauer<br />
war er ein fairer und angenehmer Zeitgenosse.»<br />
Da dem kühlen Rechner aber mit<br />
der Zeit alles zu teuer wurde, beendete er<br />
1982 seine Rennfahrer- und Konstrukteurs-Laufbahn.<br />
Heute ist Maring 66 Jahre alt und führt<br />
zusammen mit Ehefrau Marion noch immer<br />
seinen Neuwagen- und Reparaturbetrieb.<br />
Mit Alfa Romeo arbeitet er unverändert zusammen,<br />
von Jaguar hat er sich letztes<br />
Jahr verabschiedet. «Allerdings», gibt er<br />
zu, «würde ich das Autohaus gerne verkaufen,<br />
wenn sich ein ernsthafter Interessent<br />
findet.» Denn in absehbarer Zeit<br />
möchte er sich aus der Hektik des Tagesgeschäfts<br />
zurückziehen und in erster Linie<br />
drei Dinge tun: «Endlich mal Urlaub<br />
machen, viel reisen und einige Formel-1-<br />
Rennen besuchen.»<br />
Mit Joggen und Wandern hält er sich fit,<br />
eine Bandscheiben-Operation vor vier<br />
Jahren hat er gut überstanden und fühlt<br />
sich auch ansonsten gesund und munter.<br />
Mit der «Braunschweiger PS-Fraktion» Kurt<br />
Ahrens und Eckhard Schimpf erörtert er<br />
noch regelmässig die aktuelle Lage im<br />
Rennsport. Dazu versäumt er keine Formel-<br />
3-Übertragung im DSF. Sein Urteil über<br />
seine Nachfolger: «Spannende Rennen,<br />
tolle Fahrer, technisch hochwertige Autos<br />
– aber alles viel zu teuer.»<br />
F3-Titel mit 39: Maring 1975<br />
F3-Fan mit 66: Maring heute<br />
Hier fährt der Chef: Maring im Maco-Toyota auf dem Weg zum F3-Titel
Mertel, Rainer (MSa 04/2002)<br />
Der Ring-Kämpfer<br />
ainer Mertel gerät ins Schwärmen, wenn<br />
Rman ihn auf seine Zeit als Direktor des<br />
Nürburgrings (1984–1994) anspricht.<br />
«Obwohl ich erst nie in die Eifel wollte,<br />
habe ich hier die besten zehn Jahre meines<br />
Lebens verbracht. Ich möchte keine Minute<br />
missen.» Der Ex-Chef der Eifelrennstrecke,<br />
unter dessen Aufsicht als Ministerialrat<br />
des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums<br />
in Mainz der Umbau in einen hochmodernen<br />
Grand-Prix-Kurs ablief, hat noch<br />
immer Blickkontakt auf die Höhenzüge<br />
seiner alten Wirkungsstätte.<br />
Im Kurort Bad Neuenahr, am Fusse der<br />
Eifel, leitet Mertel als Vorstand der «AG<br />
Bad Neuenahr» den Kur-, Gesundheitsund<br />
Bäderbetrieb. In seinen Verantwortungsbereich<br />
fallen auch die Ahr-Thermen,<br />
das Steigenberger-Kurhotel und kulturelle<br />
Einrichtungen <strong>wie</strong> Theater und Fachklinik.<br />
Seinen Vertrag am Ring hat er auf eigenen<br />
Wunsch nicht mehr verlängert, Nachfolger<br />
wurde Dr. Walter Kafitz. «Ich habe<br />
die Rennstrecke auch in sch<strong>wie</strong>rigem<br />
Fahrwasser am Leben erhalten», blickt<br />
Mertel zurück, «und bei meinem Abschied<br />
ein gesundes Unternehmen übergeben.»<br />
Die Tatsache, dass der Eifelkurs vor<br />
allem durch die dauerhafte Präsenz der<br />
Formel 1 heute besser denn je dasteht,<br />
ringt ihm Respekt und Freude ab. «Wenn<br />
125<br />
es dem Ring gut geht, wenn er blüht und<br />
gedeiht, dann ist das ein Segen für die<br />
Region und den deutschen Motorsport.<br />
Alles andere wäre ein einfach nur schade.»<br />
Dass es Mertel in seiner Amtsperiode<br />
nicht geglückt ist, die Formel 1 nach den<br />
beiden ersten Gastspielen 1984 und 1985<br />
dauerhaft auf dem neuen Ring zu halten,<br />
hatte «ausschliesslich kaufmännische<br />
Gründe. Im Interesse unserer Werbepartner<br />
blieb mir keine andere Wahl. Bernie<br />
Ecclestone hat Forderungen gestellt, auf<br />
die ich mich damals beim besten Willen<br />
nicht einlassen konnte.»<br />
Noch heute hat er Kontakt zu seiner<br />
alten Ring-Crew, schaut sich alle wichtigen<br />
Rennsport-Events im TV an. Aber privat<br />
gibt es andere Schwerpunkte – Lesen,<br />
Kunst und Kultur bestimmen die Freizeit<br />
des Mannes, der einmal Deutschlands traditionsreichste<br />
Rennstrecke dirigiert hat.<br />
Sogar ein kleines Kunstmuseum mit Bildern<br />
und Grafiken nennt er sein Eigen. Der<br />
56-Jährige lebt in Bad Breisig, ist seit 33<br />
Jahren verheiratet und fühlt sich «gesundheitlich<br />
und jobmässig» pudelwohl.<br />
Ein Ziel hat Mertel sich für die nächsten<br />
Jahre gesetzt: «Ich will den Laden aufmöbeln<br />
und Bad Neuenahr zum führenden<br />
Kurbadort Deutschlands machen. Dafür<br />
werde ich arbeiten und kämpfen.»<br />
Der King am Ring: Mertel 1986 Kurbad-Chef: Rainer Mertel 2001<br />
Schöne Zeit in der Eifel: Mertel mit Lauda und Ex-BMW-Sportchef Flohr
126<br />
Mezger, Hans (MSa 13/2002)<br />
Der Power-Mann<br />
ans Mezger ist genau der Richtige für<br />
HFolge 100 von «<strong>Hallo</strong>, <strong>wie</strong> geht’s?».<br />
Rekordverdächtig ist er so<strong>wie</strong>so: Von 1962<br />
bis 1993 hat der einstige Motoren-Konstrukteur<br />
für Porsche alle Renntriebwerke<br />
erdacht, entwickelt und mit seinem Team<br />
gebaut. Vom ersten 2-Liter-Aggregat im<br />
Elfer über den kernigen 8-Zylinder im 907<br />
und 908, vom 12-Zylinder-1100-PS-Turbo-<br />
Ungetüm im 917er-CanAm über den unverwüstlichen<br />
6-Zylinder-Turbo im 956/962,<br />
von der 700 PS-Indy-Maschine bis zum<br />
TAG-Turbo-F1-Kraftpaket.<br />
Mezgers Motoren brachten Porsche in<br />
diesem Zeitraum fünf Marken- und Team-<br />
WM-Titel, fünf Fahrer-Weltmeisterschaften,<br />
43 Siege in WM-Läufen, sechs Le<br />
Mans-Siege, vier IMSA-Titel und 52 IMSA-<br />
Einzelerfolge. Phasenweise zeichnete der<br />
Diplom-Ingenieur sogar für die Entwicklung<br />
der Chassis verantwortlich. Jede seiner<br />
Kreationen war gut genug für mindestens<br />
einen Titelgewinn.<br />
Der grösste Geniestreich gelang ihm mit<br />
dem für TAG und McLaren gebauten Porsche-F1-Turbo-Motor,<br />
der im ersten vollen<br />
Jahr (1984) 12 von 16 Grands Prix gewann,<br />
mit Niki Lauda (1984) und Alain Prost (’85/<br />
’86) drei Weltmeisterschaften und 25 GP-<br />
Siege einfuhr. Damit wurde Mezger endgültig<br />
zur Legende. Überhäuft mit internationalen<br />
Auszeichnungen <strong>wie</strong> «Trofeo<br />
Colin Chapman», «Casco d’Oro» oder «Fürst<br />
Metternich Preis», trat er 1993 von der<br />
Rennsport-Bühne ab.<br />
Als persönlich wertvollste Erfolge nennt<br />
Mezger die Premierensiege des 917ers<br />
1970 in Le Mans und des TAG-F1-Motors<br />
’84 in Rio. Als grösste Enttäuschung empfand<br />
er die unrühmliche F1-Partnerschaft<br />
1991 mit Arrows. «Das hatte dieser wundervolle<br />
Motor nicht verdient.»<br />
Gesund, munter und bester Dinge verbringt<br />
Mezger in Freiberg bei Ludwigsburg<br />
seine Tage als Pensionär, pflegt neben dem<br />
Familienleben (seit 44 Jahren verheiratet,<br />
eine Tochter, 42, ein Sohn, 38) vor allem<br />
seine Hobbys Musik und Malerei. Von Kollegen<br />
wird der inzwischen 72 Jahre alte<br />
Experte gerne mal telefonisch oder auch<br />
schriftlich um Rat gefragt, ausserdem<br />
erreichen ihn regelmässig Einladungen als<br />
Referent für Fachseminare.<br />
Der Motorsport hat ihn nicht losgelassen,<br />
«die Faszination ist noch immer da».<br />
So versäumt er keinen Grand Prix am<br />
Fernseher, wo er sich bevorzugt auch über<br />
Wintersport und Leichtathletik informiert.<br />
Und gerne würde er mal ein Buch<br />
schreiben. Titel: «Motorenentwicklung im<br />
Rennsport». Diesem Mann wird’s mit<br />
Sicherheit niemals langweilig.<br />
Titel und Triebwerke: Mezger ’70<br />
Musik und Malerei: Mezger heute<br />
Mezgers Meisterstück: Der 1,5-l-V6 Turbo von 1984 im Lauda-McLaren
Müller, Siegfried sr. (MSa 49/2002)<br />
Gentlemen-Driver<br />
iggi Müller kam über den Motorrad-Ge-<br />
in den frühen 60er-Jahren<br />
Sländesport<br />
zur Rallye und auf die Rundstrecke. Nach<br />
Lehrjahren im Mini Cooper, im Alfa GTA und<br />
im Capri RS wechselte der Geschäftsmann<br />
aus Hagen ins Lager der BMW-Privatfahrer<br />
und wählte als vorrangiges Einsatzgebiet<br />
die Tourenwagen-EM. Dort präsentierte er<br />
sich am Steuer eines Alpina CSL Coupé mit<br />
allen Merkmalen eines klassischen Herrenfahrers.<br />
Was nichts anderes hiess als Spass<br />
so<strong>wie</strong> Geselligkeit – und Siege nicht um<br />
jeden Preis. Der schlaue Rheinländer holte<br />
sich Alain Peltier ins Auto und errang mit<br />
dem belgischen Profi 1975 den EM-Titel<br />
und dazu den BMW-Sportpokal.<br />
1981, als Sohn Siggi jr. längst erfolgreicher<br />
Nachwuchsrennfahrer war, beendete<br />
Müller sr. seine aktive Zeit. Allerdings<br />
nicht, ohne sein letztes Rennen, einen EM-<br />
Lauf in Zolder, zusammen mit den Junior<br />
zu fahren. «Leider», klagt der Senior, «hat<br />
mein talentierter Herr Nachwuchsrennfahrer<br />
den Escort RS kurz vor Schluss rausgefeuert.»<br />
Als persönliche Highlights bleiben<br />
neben dem EM-Titel drei Brünn-Siege<br />
und 110 Einzelerfolge in bester Erinnerung.<br />
Dass Sohn Siggi 1980 ebenfalls Tourenwagen-Europameister<br />
wurde und heute<br />
vielbeschäftigter Rennstallbesitzer (F3,<br />
F3000) ist, sei nur am Rande erwähnt.<br />
127<br />
Seit 1987 lebt der mittlerweile 71-<br />
Jährige «ohne motorsportlichen Rückfall»<br />
in Kressbronn am Bodensee im Ruhestand.<br />
Seine Firmenanteile an einem Unternehmen<br />
für Elektrotechnik hat Müller verkauft,<br />
«um wirklich nur noch Privatmann<br />
zu sein.» Aber ganz ohne Challenge geht<br />
es bei ihm doch nicht – Hochseefischen<br />
heisst sein neues Hobby. Der bislang grösste<br />
Fang war ein «Blue Marlin», den er nach<br />
90-minütigem Kampf ins Boot zog. Auf<br />
dem Bodensee wirft er überdies dreimal<br />
pro Woche die Angel nach Barschen aus.<br />
Und schliesslich muss er auch noch seine<br />
Forellenzucht (drei Teiche mit je 5000<br />
Jungfischen) pflegen. «Langeweile ist für<br />
mich ein Fremdwort», vermeldet der umtriebige<br />
Pensionär, «und im Winter ist<br />
Skilaufen angesagt, die Alpen sind ja<br />
gleich nebenan.»<br />
Über die Geschehnisse im aktuellen<br />
Rennsport hält ihn sein Sohn auf dem<br />
Laufenden. Der konnte erst kürzlich berichten,<br />
dass nun auch die dritte Müller-<br />
Generation auf der Piste rumtobt. Der 19-<br />
jährige Siggi Müller jr. jr., bisher in der<br />
JvO-Kart-Serie unterwegs, absolvierte<br />
Anfang September sein Debütrennen in der<br />
Formel König. «Schneller Sohn, schneller<br />
Enkel – da freut sich jeder Renn-Opa»,<br />
schmunzelt der alte Müller am Bodensee.<br />
Grosse Siege: Siggi Müller 1975 Dicke Fische: Siggi Müller 2002<br />
Im BMW CSL Coupé zum EM-Titel: Müller/Peltier 1975 auf dem Nürburgring
128<br />
ritz Müller und sein unübersehbares<br />
FMarkenzeichen, der schwarze Cowboyhut.<br />
Ohne war Müller nicht Müller, zumindest<br />
nicht an der Rennstrecke. Ursprünglich<br />
als Schutz vor Kopfgrippe gedacht,<br />
wenn er mit verschwitzten Haaren aus<br />
seinem BMW oder Porsche kletterte, gehörte<br />
die Texaner-Kopfbedeckung seit<br />
1977 zu seinem Outfit. Als das gute Stück<br />
bei einer wilden Party nach einem Avus-<br />
Rennen zu Bruch ging, schenkte ihm ein<br />
rennbegeisterter Ami gleich Ersatz. Der<br />
Hut ist noch immer da, auch sieben Jahre<br />
nach dem letzten Rennen zaubert ihn der<br />
Weissbierbrauer aus Pfaffenhofen mit<br />
schnellem Griff hervor.<br />
In seinen 21 aktiven Jahren (1974–<br />
1995) war Müller ein stets froh gelaunter<br />
Hobby-Pilot, der im BMW 635 CSi Coupé<br />
zum Stammpersonal der DTM gehörte. Die<br />
ganz grosse Nummer gelang ihm allerdings<br />
im Langstreckensport: Beim 24-h-Klassiker<br />
auf dem Nürburgring schaffte er zusammen<br />
mit Herbert Hechler im Porsche<br />
Carrera den bislang einzigen Hattrick – drei<br />
Gesamtsiege hintereinander (1977–79).<br />
Einen vierten legte er 1981 im Döring/<br />
Gartmann-Ford Capri nach. Zwar zogen im<br />
Laufe der Jahre der Belgier Marc Duez und<br />
Peter Zakowski mit ebenfalls je vier Siegen<br />
gleich, aber der Hattrick gelang nicht. Falls<br />
Müller, Fritz (MSa 44/2002)<br />
Der Mann mit Hut<br />
Zakowski allerdings auch 2003 <strong>wie</strong>der gewinnt,<br />
wäre der Rekord geknackt.<br />
Heute kümmert sich der 61-jährige<br />
Müller nur noch um Gattin Tanja, die 17-<br />
jährige Tochter und den 15-jährigen Sohn<br />
so<strong>wie</strong> das Geschäft. Das Weissbier bei<br />
«Müllerbräu» wird nach alter bayerischer<br />
Tradition gebraut, mit 40 Mitarbeitern<br />
schafft der 1775 gegründete Familienbetrieb<br />
einen Ausstoss von gut 20 000 Litern<br />
täglich. Müllers Weissbierkundschaft<br />
findet sich hauptsächlich im regionalen<br />
Bereich und in Italien. Nach den Vorstellungen<br />
des Firmenoberhaupts soll sein<br />
Sohnemann irgendwann das Unternehmen<br />
führen, «sofern er sich dafür überhaupt<br />
interessiert – momentan allerdings tobt er<br />
voll Begeisterung mit unseren Autos durch<br />
den Hof.»<br />
Die Rennerei verfolgt Fritz Müller noch<br />
immer gerne am Fernseher, vor allem DTM,<br />
Formel 1 und NASCAR lässt er sich nicht<br />
entgehen. Überdies pflegt er regelmässig<br />
Kontakt mit der Münchner Renn-Clique.<br />
Und einmal pro Jahr erscheint er persönlich<br />
vor Ort, mal am Noris-, mal am Nürburgring.<br />
Dann aber nie ohne Hut. Sonst<br />
würde ihn ja auch keiner erkennen. Zumal<br />
er letztes Jahr mit dem Rauchen aufgehört<br />
und danach punkto Körpergewicht ganz<br />
ordentlich zugelegt hat.<br />
1981: Müller mit Markenzeichen 2002: So sieht er ohne Hut aus<br />
Hoch das Bein: Müllers CSi-Coupé 1987 beim DTM-Lauf Mainz-Finthen
Ortner, Johann (MSa 52/2002)<br />
Der Abarth-Bändiger<br />
129<br />
ohann Ortner hat als Rennfahrer ein<br />
JStück österreichischer Motorsportgeschichte<br />
mitgeschrieben. Mit dem Steyr-<br />
Puch-Pistenfloh 650 TR eilte er ab 1958<br />
bei Rallyes und Rennen von Sieg zu Sieg,<br />
danach gewann er als Werkspilot mit den<br />
Sportwagen des exzentrischen Wieners<br />
Carlo Abarth zwei Europa-Bergtitel und<br />
vier österreichische Staatsmeisterschaften.<br />
Der gross gewachsene, strapazierfähige<br />
Kfz-Meister aus Villach war wohl auch<br />
der einzige Rennfahrer, der mit Abarth<br />
acht Jahre lang offenbar problemlos zurechtkam.<br />
Viel länger als jeder andere<br />
Kollege ertrug er Abarths Wutanfälle, wenn<br />
ein Streckenrekord knapp verfehlt wurde<br />
oder einer der roten Renner als Schrotthaufen<br />
neben der Piste endete. Und Ortner<br />
brachte seinen Chef oft genug in Rage: Mal<br />
feuerte er sein feuerrotes Spielmobil in<br />
den Wald, mal rollte er zu spät zum Start<br />
und vergab damit einen schon sicher geglaubten<br />
Sieg.<br />
So<strong>wie</strong>so waren grundsätzlich die Fahrer<br />
schuld, wenn Abarth-Werksautos nicht gewannen.<br />
«Und damit hatte der Alte», so<br />
Ortners späte Einsicht, «eigentlich sogar<br />
meist recht.» Anderseits sparte der strenge<br />
Teamchef, der auch an der Rennstrecke nur<br />
im piekfeinen Outfit, hellen Schweinslederhandschuhen<br />
und mit exakt gescheiteltem<br />
Haupthaar auftrat, auch nicht mit Lob.<br />
Etwa dann, wenn Ortner bei einer Veranstaltung<br />
gleich mit drei verschiedenen<br />
Abarths in drei Kategorien antrat und auch<br />
dreimal siegte. «Disziplin und Erfolg waren<br />
bei ihm alles», erinnert sich sein treuester<br />
Angestellter. «Abarth liebte zuerst seine<br />
Autos, dann sich selbst und danach seine<br />
Fahrer. Trotzdem habe ich viel bei ihm gelernt.»<br />
Als Abarth seinen Turiner Rennstall<br />
1971 auflöste, beendet auch Ortner mit 36<br />
Jahren seine Karriere und eröffnete in<br />
Villach eine Alfa-Romeo-Vertretung.<br />
Seit 1995 lebt der 67-Jährige Pensionär<br />
in Pörtschach am Wörthersee. Ehefrau<br />
Irmtraud führt noch das Autohaus in<br />
Villach, der 27-jährige Sohn leitet eine<br />
zweite Ortner-Firma, die Sportboote vertreibt.<br />
Das aktuelle Rennsportgeschehen<br />
interessiert den ehemaligen Abarth-Star<br />
nur noch am Rande, selbst die Wegbegleiter<br />
aus alten Renntagen hat er aus den<br />
Augen verloren. Stattdessen pflegt er neue<br />
Hobbys: Motorbootfahren und Fliegen. Nur<br />
mit dem Tennispielen klappt’s nicht mehr<br />
so richtig, weil der Meniskus Ärger macht.<br />
In Ortners Hinterkopf gibt es noch einen<br />
Traum, den er sich in naher Zukunft gerne<br />
erfüllen möchte: «Ein Winterquartier in der<br />
Karibik oder auf den Bahamas wäre erstrebenswert.<br />
Wir arbeiten dran.»<br />
Furchtloser Abarth-Pilot: Ortner 1967 Nur Fliegen ist schöner: Ortner 2002<br />
Wilde Jahre: Ortner im Abarth-Prototyp 1968 beim 500-km-Rennen Nürburgring
130<br />
Reisenbichler, Lili (MSa 18/2002)<br />
Lili und die Machos<br />
ili Reisenbichler galt im Rennsport der<br />
L70er-Jahre als Frontfrau. Mit Mut und<br />
Selbstvertrauen trat die geborene Slowenin<br />
von 1974 bis 1987 in fast allen Tourenwagen-Kategorien<br />
an. Die Dame mit<br />
dem rollenden R, der rauchig-verruchten<br />
Stimme und dem gewinnenden Lächeln<br />
liess sich weder von abschätzigen Männerblicken<br />
noch fiskalischen Rückschlägen<br />
beirren. Ihrem Gatten, einem Mercedes-<br />
Ingenieur, gab sie wegen des Rennsports<br />
den Laufpass, Löcher im Rennbudget besserte<br />
sie mit allerlei lukrativen Nebenjobs<br />
auf, und mit ihrem entwaffnenden Lächeln<br />
knackte sie so manche Sponsorenkasse.<br />
Und das alles schaffte die Wormserin<br />
ohne Luder-Liga, ohne Bett-Episoden.<br />
«Obwohl es genügend Offerten gab, habe<br />
ich meinen Sport stets mit weisser Weste<br />
betrieben.» Im NSU TT, Audi 50 und der<br />
Ford-Palette vom 1,3- bis zum 2-Liter-Escort<br />
fuhr sie auf der Rundstrecke und am<br />
Berg, in der DRT, DRM und in der EM. Krönung<br />
waren die Einsätze im BMW M1 und<br />
im Zakspeed-Turbo-Capri so<strong>wie</strong> ein Ford-<br />
Werksvertrag.<br />
Besonders stolz ist die gelernte Fotografin<br />
auf ihren Klassensieg 1981 beim<br />
1000-km-Rennen auf der Nürburgring-<br />
Nordschleife, wo sie sich mit Dieter Selzer<br />
einen Escort 2000 RS teilte. Ungern erinnert<br />
sich Lili hingegen an den sechsfachen<br />
Überschlag 1979 in Zandvoort: Im Kampf<br />
um Platz 2 drängte sie ein Konkurrent auf<br />
den letzten Metern brutal ins Gras, worauf<br />
ihr Audi 50 aufstieg und kopfüber durchs<br />
Ziel polterte. «Damals gab es viele Machos»,<br />
lächelt sie. «Die haben nur schwer<br />
verdaut, dass ich auch mal besser war als<br />
sie.» Ganz abgesehen davon, dass die<br />
schnelle Lady auch PR-mässig die Nase oft<br />
genug weit vorne hatte.<br />
Seit 1986 lebt die 53-Jährige als Single<br />
(«bin aber noch zu haben, wenn der Richtige<br />
kommt») in Kirchheim vor den Toren<br />
Münchens, besitzt eine eigene Immobilien-Firma,<br />
eine Film- und Video-Produktion<br />
und ist nebenbei auch Vorstandsmitglied<br />
der «Münchner Motor Presse». Sie<br />
spricht sechs Sprachen, schreibt und fotografiert<br />
für Lifestyle-Magazine und hat sogar<br />
noch genügend Zeit für ihre Hobbys<br />
Golf (Handicap 23), Tennis, Motorradfahren<br />
und Skilaufen. Als nächstes würde sie<br />
ganz gerne ihren Pilotenschein für Sportflugzeuge<br />
machen, «weil ich unheimlich<br />
gerne fliege».<br />
Ansonsten weiss die überzeugte MSa-<br />
Leserin nur Erfreuliches zu berichten: «Mir<br />
geht’s richtig gut, ich geniesse das Leben<br />
in vollen Zügen, bin total happy und rundum<br />
zufrieden.»<br />
Schnelle Lady: Reisenbichler 1981<br />
Elegante Lady: Reisenbichler heute<br />
Karriere-Highlight: Reisenbichler 1982 im 700-PS-Zakspeed-Capri Turbo
Schimpf, Eckhard (MSa 26/2002)<br />
Herr der Moneten<br />
ckhard Schimpf war für jeden Rennfah-<br />
ein besonders begehrter Gesprächs-<br />
Erer<br />
partner. Der Braunschweiger Journalist,<br />
Cousin von Jägermeister-Chef Günther<br />
Mast, platzierte 30 Jahre lang die Sponsorgelder<br />
des Kräuterlikör-Herstellers aus<br />
Wolfenbüttel bei siegfähigen Piloten und<br />
Rennställen. «Da brauchte man schon ein<br />
bisschen Durchblick», erinnert sich<br />
Schimpf an zähe Verhandlungen, «sonst<br />
wurde man gnadenlos über den Tisch gezogen.<br />
Täglich hing die Rennprominenz<br />
am Telefon, und alle wollten Kohle.»<br />
Hilfreich im Umgang mit der trickreichen<br />
Klientel war für Schimpf auch, dass<br />
er als Hobby-Pilot mit Porsche und BMW<br />
über 20 Jahre bei Rennen und Rallyes flott<br />
und erfolgreich unterwegs war. Kaum ein<br />
Sponsor-Repräsentant war so dicht am Geschehen<br />
<strong>wie</strong> der Jägermeister-Mann, dessen<br />
Taktik stets lautete: «Je länger du wartest,<br />
desto preiswerter kannst du am Ende<br />
abschliessen.» So trieb er seine Verhandlungspartner<br />
zwar regelmässig zur Verzweiflung,<br />
bekam aber seine Wunschkandidaten<br />
oft genug für die Hälfte der anfangs<br />
aufgerufenen Summe.<br />
Schriftzug, Hirschgeweih und die Jägermeister-Hausfarbe<br />
Orange prangten auf<br />
Hans-Joachim Stucks March-Formel-1-<br />
und Formel-2-Rennwagen ebenso <strong>wie</strong> auf<br />
131<br />
Niki Laudas Alpina-BMW. Dazu kamen die<br />
Kremer-Porsche 935 von Rolf Stommelen,<br />
John Fitzpatrick und Bob Wollek, der C100-<br />
Ford von Klaus Ludwig, der BMW 320 von<br />
Markus Höttinger, das BMW-Coupé von<br />
Harald Grohs oder der Brun-Porsche 956<br />
von Stefan Bellof. Alles in allem rund 120<br />
Fahrer und Teams. Das vorerst letzte Jägermeister-Engagement<br />
gab es 2000 im<br />
ersten Jahr der neuen DTM mit Eric Helary<br />
im Opel. Schimpf: «Seither machen wir<br />
Pause und beobachten den Markt. Eine<br />
Rückkehr will ich nicht ausschliessen.»<br />
Obwohl er im Juli 64 wird, ist der Ruhestand<br />
kein Thema. Als stellvertretender<br />
Chefredakteur der «Braunschweiger Zeitung»<br />
(der er seit 1958 angehört) schreibt<br />
er politische so<strong>wie</strong> regionale Leitartikel<br />
und hat sich auch als Buchautor einen Namen<br />
gemacht. Zehn Titel sind bisher erschienen,<br />
darunter der Bestseller «Klinter<br />
Kater» (ein Braunschweig-Sachbuch mit<br />
mehr als 100 000 verkauften Exemplaren).<br />
Seit 39 Jahren ist er mit seiner Jugendliebe<br />
Heidi verheiratet, Sohn Oliver (38) arbeitete<br />
sich beim Helmhersteller Schuberth<br />
bis zum Entwicklungschef empor. Für<br />
die Zukunft wünscht sich «Ecki» mehr Zeit<br />
für die Bücher, die er noch schreiben<br />
möchte. «Denn auch Bücher können Freunde<br />
fürs Leben sein.»<br />
«Alle wollten Kohle»: Schimpf ’74<br />
Politik und Bücher: Schimpf heute<br />
Glanzvolle Jägermeister-Jahre: Stucks March 1974 beim Deutschland-GP
132<br />
hristian Schmarje hat keine guten Erin-<br />
an jenen September-Sonntag<br />
Cnerungen<br />
1968, an dem in Hockenheim die Titelentscheidung<br />
im Deutschen Rundstrecken-<br />
Championat anstand. Mit seinem Mini<br />
Cooper S hatte der Hamburger bis dahin<br />
in der sonst von Alfa GTA Junior und NSU<br />
TT beherrschten 1,3-Liter-Klasse nur Siege<br />
erzielt. Eine Etage höher, bei den<br />
1600ern, war der Berliner Herbert Schultze<br />
im Alfa GTA ebenfalls ungeschlagen. So<br />
lagen beide vor dem Finale punktgleich an<br />
der Tabellenspitze, andere Titelkandidaten<br />
gab es nicht mehr.<br />
Dass dem Mini-Mann die Meisterparty<br />
verhagelt wurde, lag am Auftauchen einer<br />
ganzen Armada von Werks-Alfa. Die wundersame<br />
Vermehrung hatte der damalige<br />
Alfa-Deutschland-Chef de Bona arrangiert.<br />
Ziel der Aktion: Schmarje sollte bei den<br />
1300ern von einem Alfa besiegt werden,<br />
damit Schultze mit einem weiteren Erfolg<br />
bei den 1600ern den dritten Titel in Folge<br />
einfährt. Dem untadeligen Sportsmann<br />
aus Berlin, der 1971 tödlich verunglückte,<br />
war das Szenario damals übrigens eher<br />
peinlich.<br />
Das Motodrom glich einem Hexenkessel,<br />
als der Mini brutal in die Zange genommen<br />
wurde und dabei zwei Alfa aufs Dach purzelten.<br />
Trotzdem verlor Schmarje sowohl<br />
Schmarje, Christian (MSa 23/2002)<br />
Der Mini-Mann<br />
Endlauf als auch Titel an die Alfa-Konkurrenz.<br />
«Es war so ziemlich das Deprimierendste,<br />
was ich in zehn Jahren Rennsport<br />
erlebt habe.»<br />
Später sah man Schmarje noch in einem<br />
2-Liter-Escort BDA im Clinch mit Stuck,<br />
Mass, Ertl & Co., bevor er 1972 aufhörte.<br />
«Meine Schwester war bei einem Verkehrsunfall<br />
ums Leben gekommen», begründet<br />
der stille Norddeutsche. «Ich habe das als<br />
Wink des Schicksals verstanden und einen<br />
radikalen Schlussstrich gezogen.»<br />
Er übersiedelte auf die Insel Sylt, baute<br />
sich im 1200-Seelen-Örtchen Morsum<br />
ein Häuschen und möchte hier auch den<br />
Rest seines Lebens verbringen. Tochter<br />
Clarissa (27) erinnert den heute 62-Jährigen<br />
an eine kurze Ehe-Episode, die er rasch<br />
<strong>wie</strong>der beendete, «weil ich mich eingeengt<br />
fühlte».<br />
Bis 1990 war Schmarje Mitinhaber des<br />
Kampener Szene-Lokals «Pony». Dort regelte<br />
er das Kaufmännische, verschwand<br />
aber regelmässig, wenn abends die ersten<br />
Gäste anrückten, «weil ich den Promi-<br />
Rummel nicht mochte». Stattdessen verbrachte<br />
er die Zeit mit seinen Hobbys Golf<br />
(Handicap 11), Aquarell-Malerei und dem<br />
alten Jaguar MK 2. «Mir geht’s prächtig,<br />
ich bin kerngesund und fühle mich als<br />
Rentner-Single unverschämt gut.»<br />
Dauersieger: Schmarje 1968<br />
Rentner-Single: Schmarje heute<br />
Kleines Auto, grosse Siege: Schmarje im fast unschlagbaren Mini Cooper S
Schneider, Gerhard (MSa 36/2002)<br />
Frust statt Lust<br />
133<br />
erhard Schneider überlegt keine Sekun-<br />
um auf die Frage zu antworten, mit<br />
Gde,<br />
welchen seiner vielen Top-Piloten er die<br />
schönste Zeit im Rennsport verbracht hat:<br />
«Markus Höttinger und Hans-Georg Bürger.<br />
Das waren richtig gute Jungs, für mich fast<br />
<strong>wie</strong> Söhne.» Beide verunglückten 1980 innerhalb<br />
von drei Monaten in der Formel 2<br />
tödlich. Beide fuhren im GS-Sport-Rennstall<br />
des Freiburger Geschäftsmanns BMW-<br />
320-Tourenwagen in der DRM so<strong>wie</strong> BMW<br />
M1 in der Procar-Serie.<br />
Das GS-Team galt von 1970 bis 1981 als<br />
feste Grösse im deutschen Rennsport. Tourenwagenstars<br />
<strong>wie</strong> Dieter Basche, Hans<br />
Stuck, Albrecht Krebs oder Jörg Obermoser<br />
siegten mit Schneiders BMW 2002 und<br />
320. Hans Heyer führte das GS-Lancia-Projekt<br />
auf Anhieb zum DRM-Titelgewinn.<br />
Stuck und Nelson Piquet gewannen mit einem<br />
GS-BMW-M1-Prototyp 1981 das 1000-<br />
Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring.<br />
Solide Sponsoren <strong>wie</strong> BASF, Fruit of the<br />
Loom, Warsteiner oder Jägermeister sorgten<br />
für eine gesunde wirtschaftliche Basis<br />
des Rennstalls.<br />
Dennoch musste das Team verkauft werden,<br />
als Schneiders Imperium (BMW-Autohaus<br />
mit Tuningbetrieb, Autovermietung,<br />
Winnebago-Wohnmobile, Sportartikelvertrieb)<br />
Anfang der 80er-Jahre in finanzielle<br />
Schieflage geriet. Der heute 66-Jährige<br />
stand vor einem Scherbenhaufen und<br />
tauchte frustriert in die Türkei ab. Selbst<br />
engste Wegbegleiter <strong>wie</strong> der Freiburger<br />
Rennfahrer Mario Ketterer wussten jahrelang<br />
nicht, wo sich der ehemalige Rennstallbesitzer<br />
und Vorstand des Fussballclubs<br />
FC Freiburg aufhielt.<br />
Inzwischen ist Schneider <strong>wie</strong>der in seiner<br />
Heimatstadt gelandet, lebt dort still<br />
und zurückgezogen als Pensionär mit seiner<br />
zweiten Frau Serife und Tochter Jasmin<br />
(16). Es geht ihm «den Umständen<br />
entsprechend gut, nur der Blutdruck ist ein<br />
bisschen hoch». Selbstkritisch steht er zu<br />
Fehlern. Aber er stellt auch klar: «Ich war<br />
zu gutgläubig für das Haifischbecken<br />
Rennsport, man hat mich zuletzt schamlos<br />
ausgenutzt.»<br />
So ist er tief enttäuscht von seinen Ex-<br />
Piloten: «Einige haben sich sehr schlecht<br />
benommen, als es zu Ende ging. Was ich<br />
da erlebt habe, war ernüchternd.» Die weit<br />
über 100 Siege seiner Autos sind für ihn<br />
ebenso passé <strong>wie</strong> der Rennsport an sich.<br />
Bestenfalls sieht er sich mal F1 oder DTM<br />
im TV an. «Das Thema ist erledigt, ich habe<br />
einen hohen Preis bezahlt und weiss jetzt,<br />
was ich mit dem Rest meines Lebens anzufangen<br />
habe. Alles, was mit Autos zu tun<br />
hat, gehört sicher nicht dazu.»<br />
Siege am Laufmeter: Schneider 1971 Lebt zurückgezogen: Schneider 2002<br />
«Er war für mich <strong>wie</strong> ein Sohn»: Schneider 1980 mit Hans-Georg Bürger
134<br />
einhard Stenzel zählte zu den Porsche-<br />
RPiloten, die in den 60er- und 70er-Jahren<br />
die Szene aufmischten. Kaum ein Bergoder<br />
Flugplatzrennen, das der Münchner<br />
Hoteliersohn nicht zumindest als Klassensieger<br />
verliess. Zwischendrin gab’s ein<br />
mehrjähriges Engagement als Werkspilot<br />
für Alfa Romeo Deutschland. Die GTA wurden<br />
von AutoDelta angeliefert und vom<br />
Mannheimer Alfa-Händler Helmut Hähn<br />
betreut. Zu den Highlights aus den Alfa-<br />
Jahren zählt der Gesamtsieg mit Partner<br />
Herbert Schultze im GTA 1300 beim verregneten<br />
300-km-Rennen 1971 auf der<br />
Nürburgring-Nordschleife.<br />
Als Schultze vier Monate später beim GP<br />
Tourenwagen tödlich verunglückte, stoppte<br />
Alfa Deutschland die Werkseinsätze. Mit<br />
dem Beginn der DRM-Ära erschien der stets<br />
fröhliche Bayer im eigenen Carrera und<br />
brachte die Werksteams von Ford und BMW<br />
öfter ins Grübeln. Sein sensationeller Gesamtsieg<br />
beim DRM-Finale ’73 öffnete die<br />
Tür zum Reutlinger Porsche-Profiteam<br />
«Max Moritz». Dort blieb er bis zum Laufbahnende<br />
1977 und sicherte sich mit 241<br />
Meisterschaftspunkten, 427 Führungskilometern<br />
und 147 Führungsrunden Platz 15<br />
der ewigen DRM-Bestenliste.<br />
An die 200 Siege hat Stenzel in 18 Jahren<br />
zusammengefahren, «aber zum Schluss<br />
Stenzel, Reinhard (MSa 22/2002)<br />
Jubel & Tragödien<br />
wollte ich nicht mehr, weil Stress und<br />
Druck zu gross wurden». Auf der Liste der<br />
Negativ-Erinnerungen steht neben dem<br />
Tod Schultzes ein dreiwöchiger Klinik-Aufenthalt<br />
in Freiburg, nachdem er den Elfer<br />
am Schauinsland mit dem Dach voraus an<br />
einen Baum gefeuert hatte.<br />
Geschäftlich kämpfte sich der jetzt 61-<br />
Jährige genauso konsequent vor <strong>wie</strong> im<br />
Motorsport. Das Hotel in München ist seit<br />
1980 verkauft, dafür stieg er in den Immobilien-Markt<br />
ein und erzielt heute mit<br />
seinem Vermögensverwaltungs- und Bauträger-Unternehmen<br />
«Stewoh» glänzende<br />
Bilanzen.<br />
Einmal im Jahr geht’s an den Norisring,<br />
ansonsten finden Formel 1, NASCAR und<br />
DTM vor dem Fernsehbildschirm statt. Zum<br />
Freizeitprogramm gehören Golf (Handicap<br />
11), Mountainbike und Rennrad plus viermal<br />
pro Woche Fitnessstudio. «Mit 73 kg<br />
habe ich fast noch mein altes Kampfgewicht»,<br />
erzählt er stolz, «und meine Frau<br />
ist auch noch dieselbe.» Mit Peggy ist er<br />
seit 1968 verheiratet, die Söhne (33, 31)<br />
unterstützen ihn in der Firma. Trotz zweier<br />
Bandscheiben-Operationen ist Stenzel<br />
mit sich und der Welt zufrieden: «Ich hab’<br />
eine gesunde Familie und ein schönes<br />
Häuschen am Englischen Garten. Mehr<br />
brauch’ ich wirklich nicht.»<br />
1973: Rennfahrer Stenzel (32) 2002: Kaufmann Stenzel (61)<br />
Schrieb im Carrera DRM-Geschichte: Reinhard Stenzel 1976 in Diepholz
ürgen Stockmar kann diebische Freude<br />
Jnicht verhehlen, wenn die Rede auf die<br />
alte DTM kommt. Dem einstigen Leiter der<br />
Technischen Entwicklung bei Audi fällt da<br />
auf Anhieb der V8 quattro ein. «Erst haben<br />
uns alle wegen des bulligen Autos ausgelacht»,<br />
schmunzelt der leidenschaftliche<br />
Techniker. «Aber als Stuck dann 1990 im<br />
ersten Anlauf den DTM-Titel geholt hat,<br />
war das ein ganz persönlicher Triumph.»<br />
Auch als Allrad-Fan Stockmar ab 1994 bei<br />
Opel das Vorstandsressort Technische Entwicklung<br />
übernahm und damit in Rüsselsheim<br />
die Motorsportrichtung vorgab, trieb<br />
er unbeirrt die Renneinsätze des Sorgenkinds<br />
Calibra voran.<br />
Erneut musste er so manchen Spott über<br />
sich ergehen lassen. Der Gewinn des ITC-<br />
Titels 1996 durch Manuel Reuter bestätigte<br />
ihn abermals in seiner Überzeugung,<br />
«dass man mit dem Allrad-Konzept letztlich<br />
nur gewinnen konnte». Der findige<br />
Diplom-Ingenieur setzte seine Ideen und<br />
Visionen stets konsequent um. So verpasste<br />
er als junger Versuchsingenieur des<br />
Neusser Vergaser-Unternehmens Solex<br />
Ende der 60er-Jahre dem Koepchen-BMW<br />
2002 von Hans-Joachim Stuck eine revolutionäre<br />
Vergasertechnik, die den 18-<br />
Jährigen prompt zum Dauersieger machte.<br />
Nächster Geniestreich war der Bau eines<br />
Stockmar, Jürgen (MSa 1–3/2002)<br />
Quattro-Künstler<br />
135<br />
eigenen Sportwagens. Die Stockmar-Kreation<br />
«REX» verfügte über einen 2-Liter-<br />
Ford-Cosworth-Motor und erreichte mit<br />
Harald Ertl immerhin zwei Siege. Gelegentlich<br />
griff der Renn-Freak auch mal<br />
selbst ins Lenkrad, so etwa beim berühmtberüchtigten<br />
«Akademischen» in Hockenheim.<br />
Aktenkundig wurde er dort vor allem<br />
durch eine Punktlandung im 700-PS-IMSA-<br />
Audi auf der Leitschiene …<br />
Mittlerweile klappt die Rennerei des<br />
heute knapp 60-Jährigen, der auch als<br />
Entwicklungsvorstand bei Steyr-Daimler-<br />
Puch und Chefredakteur der Kölner «Auto<br />
Zeitung» wirkte, wesentlich besser. In der<br />
Ferrari-Challenge und in der GTP-Serie gelangen<br />
ihm in Spa und Mugello zwei Siege.<br />
«Darauf bin ich richtig stolz. Endlich habe<br />
ich Zeit, Rennautos ohne Stress zu bewegen.»<br />
Stockmar lebt mit seiner Familie in<br />
Ingolstadt, unter der Woche schätzt man<br />
seine Dienste im Vorstand des Zulieferers<br />
«Magna International» in Oberwaltersdorf<br />
bei Wien.<br />
Nach <strong>wie</strong> vor verfolgt er vor dem TV-<br />
Bildschirm die wichtigsten Rennevents.<br />
Seine persönliche Hitliste: «Die Formel 1<br />
gefällt mir am besten, die DTM ist gut, aber<br />
die Schneider-Mercedes-Dominanz ziemlich<br />
deprimierend. Und aus der urigen V8-<br />
STAR kann was wirklich Gutes werden.»<br />
Fan und Freak: Stockmar 1973<br />
Karriere-Mann: Stockmar heute<br />
Techniker mit Visionen: 1972 baute Stockmar seinen eigenen Sportwagen
136<br />
ijs van Lennep brach ’66 <strong>wie</strong> ein Don-<br />
ins Rennsport-Oberhaus ein.<br />
Gnerschlag<br />
Als Frischimport aus der 50-PS-Formel V<br />
setzte ihn Förderer und Freund Ben Pon in<br />
einen seiner 250-PS-Carrera 6. Das<br />
schmächtige Bürschlein aus Bloemendaal<br />
bei Zandvoort lernte rasch – so rasch, dass<br />
er schon nach ein paar Monaten Österreichs<br />
Nationalidol Jochen Rindt auf dessen<br />
Heimterrain in Wien-Aspern nach mitreissendem<br />
Zweikampf niederrang, mit<br />
gleichen Waffen notabene.<br />
Das war sein Durchbruch, der schnellste<br />
Holländer aller Zeiten hatte vor nichts<br />
und niemand mehr Respekt. Bis ihn 1967<br />
in Spa der einzige Highspeed-Crash ereilte:<br />
Als sich die Heckverkleidung löste, hob<br />
der Carrera 6 ab. «Mein Glück war», erinnert<br />
sich van Lennep, «dass es damals noch<br />
keine Gurte gab und ich beim ersten Aufprall<br />
aus dem Cockpit ins Gelände geflogen<br />
bin. Jo Siffert fand mich, ohne Hose,<br />
ohne Schuhe. Das Wrack lag 200 Meter weiter.»<br />
Ein Handbruch und schwere Prellungen<br />
erzwangen zwei Monate Pause, bevor<br />
sich der Shooting-Star in alter Form zurückmeldete.<br />
Nach weiteren Siegeszügen (auch in<br />
Formel 5000 und F3) stiess er zum Porsche-Werksteam,<br />
siegte 1971 mit Helmut<br />
Marko im 917er in Le Mans und beendete<br />
van Lennep, Gijs (MSa 45/2002)<br />
Hollands Bester<br />
mit einem zweiten LM-Sieg (im 936 mit<br />
Ickx) 1976 seine Traumkarriere. Der ’71er-<br />
Siegerschnitt (5335,313 km, 222,304<br />
km/h) bleibt wegen diverser Kursumbauten<br />
wohl ein Rekord für die Ewigkeit. Sogar<br />
acht Starts in der Formel 1 und zwei<br />
WM-Punkte waren ihm vergönnt.<br />
«Ohne Ben Pon», gibt van Lennep zu,<br />
«hätte es mich als Rennfahrer wohl nie gegeben.<br />
Denn ich hatte nichts ausser meinem<br />
Talent.» Aufgehört hat er, «weil ich<br />
im Leben noch was anderes tun und den<br />
rechtzeitigen Absprung nicht verpassen<br />
wollte. Der zweite Le-Mans-Sieg war der<br />
richtige Zeitpunkt.»<br />
Beruflich und privat geht’s dem 60-Jährigen<br />
heute prächtig, in Holland leitet er<br />
das Fahrsicherheitstraining für Audi und<br />
Porsche. Zuvor war er ins Fahrer-Coaching<br />
des Citroën- und Golf-GTI-Cups involviert.<br />
«Durch meine Nachwuchsarbeit in Holland<br />
habe ich rund 200 Jungs im Rennsport etabliert»,<br />
sagt er stolz. Seit 25 Jahren ist<br />
der Kleinwild-Jäger und Hobby-Golfer<br />
(Handicap 12,6) mit Jenny verheiratet,<br />
Kinder gibt es keine. Beide leben in Blaricum<br />
in der Provinz Utrecht und sind<br />
wunschlos glücklich. «Fast», ergänzt van<br />
Lennep, «ich würde gern noch besser Golf<br />
spielen und mal die historische Rallye<br />
Monte Carlo fahren.»<br />
A star was born: van Lennep 1966 Noch immer Idol: van Lennep 2002<br />
Rekordfahrt in Le Mans 1971: Der Porsche 917 von Marko/van Lennep
von Brauchitsch, Manfred † 2003 (MSa 17/2002)<br />
Das Silberpfeil-Idol<br />
anfred von Brauchitsch, im August<br />
M1905 in Hamburg geboren, ist einer<br />
der wenigen noch lebenden deutschen<br />
Vorkriegsrennfahrer. Nur gut zehn Jahre<br />
dauerte seine wilde, mit Höhen und Tiefen<br />
durchsetzte Zeit unter Mercedes-Rennleiter<br />
Alfred Neubauer, bevor der Kriegsausbruch<br />
1939 seine Karriere und alle Mercedes-Renneinsätze<br />
beendete. Bis dahin<br />
hatte der ungestüme von Brauchitsch erst<br />
als Mercedes-Privatier, schon bald aber als<br />
-Werkspilot 14 GP-Siege eingefahren und<br />
45 Mal auf dem Podest gestanden. Überhaupt<br />
ist der Begriff «Silberpfeil» und die<br />
oft zitierte Geschichte, <strong>wie</strong> es dazu kam,<br />
eng mit seinem Namen verbunden.<br />
Denn er war es, der 1934 beim Eifelrennen<br />
auf dem Nürburgring mit dem ersten<br />
Sieg des nicht mehr weissen, sondern aus<br />
Gewichtsgründen bis aufs silbergraue<br />
Blech vom Lack befreiten W25-GP-Renners<br />
(3,3-Liter-V8-Kompressor, 315 PS) die Legende<br />
vom Silberpfeil begründete. Wohl<br />
deshalb pflegen die Stuttgarter den Kontakt<br />
zu dem alten Herrn mit besonders viel<br />
Hingabe. So fehlte er bis vor zwei Jahren<br />
kaum bei einer Motorsport-Schlussfeier<br />
des Unternehmens und war oft Gast bei<br />
Historic-Events.<br />
Das Reisen allerdings fällt ihm zunehmend<br />
schwerer, nur selten verlässt der fast<br />
137<br />
97-Jährige sein Haus in Gräfenwarth bei<br />
Schleiz. Nach drei schweren Operationen<br />
wacht seine Frau Liselotte streng darüber,<br />
dass sich ihr Liebster nicht zu viel zumutet.<br />
So lässt die Chefin im Hause von Brauchitsch<br />
heute kaum noch jemand an das<br />
einstige Rennidol ran, «weil er keinen<br />
Rummel und keine Interviews mehr<br />
braucht und in Ruhe leben soll».<br />
Trotzdem lässt es sich der Mann, der<br />
vom SSKL und W25 über den W125 bis hin<br />
zum W154 in fast allen Vorkriegs-Mercedes-Grand-Prix-Autos<br />
gesiegt hat, nicht<br />
nehmen, auch die moderne Formel 1 vor<br />
dem Fernsehgerät zu verfolgen. Neben<br />
dem Abschneiden der modernen Silberpfeile<br />
von McLaren-Mercedes interessiert<br />
sich von Brauchitsch noch immer fürs regionale<br />
Tagesgeschehen, politische Strömungen<br />
und Weltereignisse. «Er ist da voll<br />
auf der Höhe», weiss Daimler-Museumschef<br />
Gerrit von Pein, der als einer der wenigen<br />
Privilegierten noch regelmässig<br />
Kontakt zu ihm hat.<br />
Sein letztes Rennen fuhr von Brauchitsch<br />
übrigens in Belgrad und ist noch<br />
heute sauer, dass er durch «eigene Dummheit»<br />
nur Zweiter hinter dem Italiener Tazio<br />
Nuvolari im Auto Union wurde. An jenem<br />
3. September 1939 nahm das Unheil<br />
des 2. Weltkriegs seinen Lauf …<br />
Ungestüm: Von Brauchitsch 1936<br />
Heute: Mit 96 voll auf der Höhe<br />
Sein letztes Rennen: Von Brauchitsch im 12-Zylinder-W154 mit 500 PS
138<br />
ranz Waldhier verband schon immer ger-<br />
das Angenehme mit dem Nützlichen.<br />
Fne<br />
Als er 1974 von seinem damaligen Arbeitgeber<br />
Audi zu einem fünfjährigen Griechenland-Aufenthalt<br />
abkommandiert wurde,<br />
nutzte er die Gelegenheit zur Fortsetzung<br />
einer erfolgreichen Rennlaufbahn.<br />
Mit seinem Audi 50 rasierte er die griechischen<br />
Sportsfreunde am Berg nach Belieben.<br />
Zuvor hatte Waldhier im NSU-TTS<br />
schon hierzulande ordentlich abgeräumt.<br />
Klassengegner <strong>wie</strong> Willi Bergmeister, Joe<br />
Weber oder Thomas Ammerschläger mussten<br />
oft grimmig miterleben, <strong>wie</strong> ihnen der<br />
«schöne Franz» die Siege vor der Nase wegschnappte.<br />
Seine Erfolgsserie gipfelte 1971 im Gewinn<br />
der Berg-DM in der Kategorie Spezial-Tourenwagen.<br />
Überdies holte er sich im<br />
selben Jahr den NSU-Sportpokal. Zwar<br />
fühlte er sich auf Bergstrecken <strong>wie</strong> Rossfeld,<br />
Schauinsland oder Eberbach am<br />
wohlsten, was ihn aber nicht davon abhielt,<br />
den TTS auch auf der Nordschleife<br />
fliegen zu lassen. So sprengten er und Sigi<br />
Spiess 1972 beim 6-h-EM-Lauf bei den<br />
1300ern die Werksteams von Autodelta<br />
(Alfa) und Trivellato (Fiat). Die Underdogs<br />
belegten als beste Privatiers neben Klassenrang<br />
3 einen vielbeachteten zehnten<br />
Platz im Gesamtklassement.<br />
Waldhier, Franz (MSa 25/2002)<br />
Der schöne Franz<br />
Ab 1980 fand Waldhier in der Münchner<br />
BMW-Zentrale beruflich eine neue und<br />
endgültige Heimat. Als Vertriebsleiter für<br />
das M1-Geschäft, im Marketing, in der Motorsport-Kommunikation<br />
und sogar als<br />
kurzzeitiger Interims-Einsatzleiter der<br />
BMW-Streitmacht des DTM-Jahres 1989<br />
hat er auch im Sport-Management Duftmarken<br />
hinterlassen.<br />
Offiziell lebt der leidenschaftliche Golfer,<br />
Ski- und Mountainbike-Fahrer seit April<br />
letzten Jahres in Olching bei München<br />
schon im Ruhestand, «aber mit 63», so<br />
Waldhier, «kannst du doch den Tag nicht<br />
nur mit Faulenzen verbringen». Also steht<br />
er BMW weiter als Freier Mitarbeiter zur<br />
Verfügung und begleitet Händler- und Formel-1-Events<br />
als Moderator des VIP-Programms.<br />
Nebenbei kümmert er sich noch<br />
um seinen langjährigen Schützling Alexander<br />
«Sandy» Grau.<br />
Dass Waldhier, seit 1965 mit seiner Frau<br />
Jutta verheiratet, auch im fortgeschrittenen<br />
Alter topfit ist, belegt die Tatsache,<br />
dass er noch vor einigen Jahren alle<br />
Pflichtdisziplinen fürs DLV-Sportabzeichen<br />
erfüllt hat. Besonders stolz ist er,<br />
wenn sich die Leute beim Alter in die<br />
freundliche Richtung verschätzen. «Alles<br />
unter 60 ist ein Kompliment, das ich immer<br />
gerne annehme.»<br />
Am Berg gefürchtet: Waldhier ’72 Flotter Sechziger: Waldhier 2002<br />
Galafahrt am Ring: Waldhier/Spiess mischten 1972 im NSU die Alfa auf
Walter, Heini (MSa 46/2002)<br />
Schweizer Legende<br />
eini Walter erreichte in den 20 Jahren<br />
Hseiner Rennfahrerzeit in diversen<br />
Sportwagen zwischen 1947 und 1967 so<br />
viele Siege und absolvierte so viele Starts,<br />
dass er irgendwann mal aufgehört hat zu<br />
zählen. Das übernahm sein Freund und Fan<br />
Remo Bader umso genauer mit dem Buch<br />
«Heini Walter – eine Schweizer Rennfahrerlegende».<br />
Nach Anfängen mit Bugatti und BMW<br />
begleitete die Marke Porsche den gelernten<br />
Fahrrad- und Motorrad-Mechaniker aus<br />
Aesch bei Basel ab 1955 fast durchgängig,<br />
nur kurz ging er später noch mal fremd mit<br />
Ferrari. Gleichermassen schnell in allen<br />
Disziplinen, liebte er den Kampf am und<br />
gegen den Berg mehr als jedes Rundstreckenrennen.<br />
So brachten ihm seine Siege<br />
am Rossfeld, Gaisberg, Mont Ventoux,<br />
Schauinsland, Timmelsjoch oder in Sestriere<br />
gleich drei Europa-Championate und<br />
fünfmal in Folge den Titel des Schweizer<br />
Sportwagenmeisters ein.<br />
Die herausragenden Autos beim Einsammeln<br />
der Titel waren dabei die Porsche-Typen<br />
RS, RSK und 904 GTS. Geradezu «diebische<br />
Freude» empfand der Sportwagen-<br />
Hero 1959 ob der Tatsache, dass er als<br />
Schweizer den Titel «Int. Deutscher Rennsportmeister»<br />
errang. Seine Gegner waren<br />
immerhin so schwere Kaliber <strong>wie</strong> Edgar<br />
139<br />
Barth, Gerhard Mitter, Hans Herrmann oder<br />
Wolfgang Graf Berghe von Trips.<br />
Sogar der Traum von einem Formel-1-<br />
Einsatz erfüllte sich für den eidgenössischen<br />
Tausendsassa: Im 4-Zylinder-Porsche<br />
der Scuderia Filipinetti qualifizierte<br />
sich Walter beim Grossen Preis von<br />
Deutschland 1962 für die vierte Startreihe<br />
neben den Ferrari-Piloten Baghetti und<br />
Phil Hill und erreichte im strömenden Regen<br />
einen achtbaren 14. Platz.<br />
Sein letztes Rennen fuhr der Schweizer<br />
Rekordmeister im Oktober 1967 beim Nationenpreis<br />
in Hockenheim im Porsche 910<br />
– Platz 2 war sein Abschied von der Rennsportbühne.<br />
Fortan kümmerte sich Walter<br />
vor allem um sein Restaurant in seinem<br />
Heimatort Aesch. Der 75-Jährige ist bis<br />
heute überzeugter Junggeselle, freut sich<br />
über jeden Kontakt mit seinen ehemaligen<br />
Kollegen und besucht gerne mal den einen<br />
oder anderen Oldtimer-Event. Vor dem<br />
Fernsehgerät verfolgt er regelmässig die<br />
Sportwagenrennen der American Le Mans<br />
Series und die DTM-Läufe.<br />
Eine Darmoperation vor 12 Jahren hat<br />
er gut überstanden, fühlt sich längst <strong>wie</strong>der<br />
gesund und fit. «Viel Bewegung, häufige<br />
Spaziergänge und wenig Alkohol»,<br />
lautete sein ganz persönliches Rezept für<br />
ein langes Leben.<br />
Schnelles Leben: Walter 1961<br />
Normales Leben: Walter heute<br />
Sein Lieblingsberg: Heini Walter 1961 im Porsche RSK am Schauinsland
140<br />
rich Waxenberger eilte ein Ruf <strong>wie</strong> Don-<br />
voraus. Als Einsatzleiter von<br />
Enerhall<br />
Mercedes in den Rallye-WM-Jahren 1978<br />
bis 1980 gelangen ihm mit Stars <strong>wie</strong> Hannu<br />
Mikkola oder Björn Waldegaard Erfolge, vor<br />
denen sich die versammelte PS-Zunft ehrfurchtsvoll<br />
verneigte.<br />
Der gebürtige Bayer, seit 1954 als Versuchsingenieur<br />
bei Mercedes in Diensten,<br />
dirigierte seine schweren 450 SLC <strong>wie</strong> ein<br />
Feldherr und packte am Servicepoint auch<br />
selbst mit an, wenn Not am Auto war. Seine<br />
Truppe führte er «mit Kompetenz und<br />
Menschlichkeit», sagt Ex-Weltmeister Waldegaard,<br />
seine Rallye-Autos waren rollende<br />
Mess- und Versuchslabore. «Wir haben<br />
damals alles probiert, was technisch machbar<br />
war», schwärmt Waxenberger, «sogar<br />
die Premiere der Telemetrie mit Helikopter-Relaisstation<br />
ist uns bei der Safari-Rallye<br />
gelungen.»<br />
Die knüppelharte Bandama-Rallye (Elfenbeinküste)<br />
beendeten seine 450 SLC<br />
auf den Plätzen 1 bis 4, obwohl ihm hausintern<br />
ein Startverzicht nahe gelegt wurde,<br />
weil man im afrikanischen Busch keine<br />
Siegchance für die V8-Coupés sah. Aber<br />
gerade solche Herausforderungen machten<br />
ihn erst richtig heiss. «An diesem Mann»,<br />
schrieb Herbert Völker 1980, «ist ein Ferrari-Rennleiter<br />
verloren gegangen.»<br />
Waxenberger, Erich (MSa 28/2002)<br />
Der Super-Stratege<br />
Konstrukteur, Techniker und Rennfahrer<br />
mit jeder Faser seiner kräftigen Statur,<br />
zwängte sich Rundstrecken-Fan Waxenberger<br />
gern auch mal selbst ins Cockpit, obwohl<br />
ihm das offiziell untersagt war. 1968<br />
wuchtete er beim 6-Stunden-Rennen von<br />
Macau einen rechtsgesteuerten 300 SEL<br />
6.3 des Mercedes-Importeurs von Hongkong<br />
zum Sieg, nachdem der einheimische<br />
Chauffeur kurzfristig ersetzt werden musste.<br />
Auf dem Höhepunkt der Rallye-Erfolgsserie<br />
beschloss Mercedes Ende der Saison<br />
1980 aus Kapazitätsgründen das Ende aller<br />
Sportaktivitäten. Waxenberger ging als<br />
Abteilungsleiter «Vorentwicklung und Versuch»<br />
16 Jahre später mit 65 in den Ruhestand.<br />
Seitdem pendelt der begeisterte Skiläufer<br />
und Segler mit seiner Frau Ute, mit der<br />
er seit 44 Jahren verheiratet ist und zwei<br />
Zwillingstöchter so<strong>wie</strong> fünf Enkel hat, zwischen<br />
dem schwäbischen Heimatort Neuhausen<br />
(Frühjahr), Segelschiff auf dem<br />
Bodensee (Sommer) und Winterquartier in<br />
Klosters-Davos. Den Motorsport verfolgt<br />
der heute 71-Jährige noch immer sehr genau:<br />
«Nie hätte ich geglaubt, dass sich<br />
Mercedes so für den Sport öffnen und mit<br />
Niederlagen so locker umgehen würde.<br />
Wenn wir mal verloren haben, gab’s im Vorstand<br />
gleich eine Krisensitzung.»<br />
1980: Rallyechef und Rennfahrer 2002: Hobbysegler im Ruhestand<br />
Bandama-Rallye: Wenns sein musste, packte Waxenberger selbst mit an
Weisheidinger, Johann (MSa 35/2002)<br />
Untergrund-Mann<br />
ohann Weisheidinger gehörte zu den<br />
Jurigsten Typen, die in den 70er-Jahren<br />
am Berg und auf der Rundstrecke erstklassige<br />
Unterhaltung boten. Der gebürtige<br />
Österreicher, von Freunden nur «Wastl» genannt,<br />
gilt als einer der frühen Vorkämpfer<br />
in Sachen Opel-Motorsport. Obwohl er<br />
bis 1971 bei Opel in der Fahrzeug-Konstruktion<br />
arbeitete und noch immer in Rüsselsheim<br />
wohnt, blieb er stets ein lupenreiner<br />
Privatfahrer. Seine Darbietungen<br />
fielen in eine Zeit, in der sich Opel mit offiziellen<br />
Motorsporteinsätzen noch ziemlich<br />
schwer tat. Die Rüsselsheimer Sport-<br />
Clique lebte ihre Begeisterung damals<br />
mehr im Untergrund aus.<br />
Umso bemerkenswerter, <strong>wie</strong> «Wastl» mit<br />
den schweren Limousinen Commodore 2.8<br />
GSE und Monza-Coupé seine ganz persönlichen<br />
Grenzbereiche der Fahrphysik zelebrierte<br />
und 1976 sogar Deutscher Rundstreckenmeister<br />
wurde. Sein Kumpel Dietmar<br />
Hackner, Opel-Versuchsingenieur und<br />
Partner bei den Langstreckenrennen, sorgte<br />
dafür, dass so manches Ersatzteil auf<br />
unkompliziertem Weg in die Renn-Coupés<br />
gelangte. Auch der heutige Formel-3-Präsident<br />
Helmut «Helle» Bein, damals Opel-<br />
Sportbeauftragter mit Mini-Etat, zählte zu<br />
Wastls Sympathisanten und öffnete so<br />
manch inoffizielle Tür.<br />
141<br />
Notgedrungen arbeitete Weisheidinger<br />
mit Minimal-Aufwand. 25 000 Euro pro<br />
Saison mussten reichen. Herrlich seine Erinnerungen<br />
an die 24 Stunden von Spa-<br />
Francorchamps 1979: «Da sind der Hackner<br />
und ich mit einer Kiste Ersatzteile hingefahren<br />
und haben den Monza mal eben<br />
auf Gesamtrang 3 geprügelt.» Und dann<br />
wettert er gleich noch über die Zustände<br />
im Rennsport heute: «Schlimm, dass man<br />
nur noch mit Rechtsanwalt, Therapeut und<br />
Manager im Schlepptau fahren kann.»<br />
Wastl W. pur – er hat schon immer laut gesagt,<br />
was andere nur leise dachten.<br />
Der 57-Jährige, seit 27 Jahren mit Renate<br />
verheiratet, eine Tochter (23), ein<br />
Sohn (17), ist leitender Kfz-Sachverständiger<br />
bei der Allianz. Seit Ende seiner<br />
sportlichen Laufbahn 1985 hat er keine<br />
Rennstrecke mehr besucht, konsumiert<br />
aber alles vor dem Fernsehbildschirm. Seine<br />
persönliche Hitliste: Motorrad-WM<br />
(«bin ein absoluter Rossi-Fan»), Formel 1,<br />
DTC, V8STAR, DTM. Grosses Hobby sind vier<br />
historische Motorräder (Kawasaki Z 900,<br />
250er-BMW, zwei 250er-Adler) und ein 30<br />
Jahre alter Opel GT 1900. Wenn dann noch<br />
Zeit bleibt, begleitet er die Tochter zu Reitturnieren.<br />
«Dass ich mal mit dem Pferdeanhänger<br />
durch die Gegend gondeln würde,<br />
hätte ich auch nie gedacht.»<br />
1976: Opel-Fan Weisheidinger 2002: Rossi-Fan Weisheidinger<br />
Herrliche Zeiten: Wastls Commodore GSE 1976 vor Karl Mauers Escort
142<br />
arl Wendlinger war in den 60er- und<br />
K70er-Jahren im österreichischen Tourenwagensport<br />
eine sichere Bank. So etwa<br />
eine gute Mischung aus Hans Heyer und<br />
Dieter Glemser – trickreich, schnell, stark<br />
im Nahkampf und abonniert auf Meistertitel.<br />
Mehr als 100 Mal stand der Kfz-Meister<br />
aus Kufstein unterm Lorbeerkranz und<br />
räumte im Steyr-Puch 650 TR, Abarth 1000<br />
TC und Alfa GTA vier ÖM-Titel ab.<br />
Auch den internationalen Vergleich<br />
brauchte der populäre Tiroler nicht zu<br />
scheuen. Wenn er bei den Tourenwagen-<br />
EM-Läufen in Monza, Brünn oder Spa im<br />
selbst präparierten GTA die Alfa-Werksclique<br />
aus Milano aufmischte, guckten selbst<br />
hartgesottene Typen <strong>wie</strong> Andrea de Adamich,<br />
Theodore Zeccoli oder Ignazio Giunti<br />
am Ende recht konsterniert. Sogar der<br />
spätere Formel-1-Superstar Gerhard Berger<br />
musste in besten Alfasud-Cup-Tagen<br />
erkennen, dass Landsmann Wendlinger ein<br />
verdammt harter Brocken war.<br />
Auch bei den Ausflügen in die Formel<br />
Super V rang das Allround-Talent seinen<br />
Gegnern Respekt ab. Drei Jahre tobte er<br />
mit Kurt Bergmanns Kaimann-Truppe über<br />
Europas Rennstrecken. Noch heute bescheinigt<br />
Konkurrent Manfred Trint: «Er<br />
war verdammt schnell, obwohl sein Kaimann<br />
damals gegen unsere ATS-Lola kaum<br />
Wendlinger, Karl sr. (MSa 47/2002)<br />
Ein Idol aus Tirol<br />
Chancen hatte.» Wendlinger selbst erinnert<br />
sich vor allem gerne an die Flugplatzrennen<br />
Innsbruck, Klagenfurt, Aspern und<br />
Tulln: «Das war die absolut schönste Zeit<br />
mit dem meisten Spass und der besten Atmosphäre.»<br />
Als Sohnemann Karl 1984 als 16-Jähriger<br />
mit Kartfahren begann, beendete der<br />
Vater seine aktive Karriere und kümmerte<br />
sich fortan um die Betreuung seines hoffnungsvollen<br />
Juniors, der anfangs mit Begeisterung<br />
in Gerhard Bergers abgelegten<br />
Rennoveralls antrat. Die väterliche Begleitung<br />
endete nach der Formel-Ford- und<br />
Formel-3-Zeit. Dr. Helmut Marko übernahm<br />
das Management, der Senior konnte sich<br />
<strong>wie</strong>der vorrangig um sein Autohaus (Alfa,<br />
Peugeot) kümmern.<br />
Weil Karli jr. kein Interesse an der Übernahme<br />
des väterlichen Autohandels zeigt,<br />
soll das Geschäft verkauft oder verpachtet<br />
werden. Denn für 2004 strebt der heute<br />
knapp 60-Jährige Wendlinger den Ruhestand<br />
an, um zusammen mit seiner Frau<br />
Waltraud vor allem viele Reisen zu unternehmen<br />
und seine Hobbys Ski- und Radfahren<br />
zu pflegen.<br />
Dafür, dass die Verbindung zur Rennerei<br />
nicht abreisst, sorgen neben dem Junior<br />
auch die Herren Berger und Stuck, die<br />
im Tiroler Umfeld zu Hause sind.<br />
Siegabonnement: Wendlinger ’70<br />
Heute rast der Sohn: Wendlinger<br />
Umtriebe im Alfasud: Wendlinger (vorne) balgt sich mit Berger und Co.
olfgang Wilcke und seine Zolder-Para-<br />
«Bergischer Löwe» –<br />
Wdeveranstaltung<br />
stets ein geschichtsträchtiges Ereignis im<br />
deutschen Motorsport. 25 Mal dirigierte<br />
der Solinger seit 1969 im Stil eines Kolonialherrn<br />
den alljährlichen Saisonstart der<br />
DRM und DTM auf dem Traditionskurs nahe<br />
Hasselt.<br />
Alle hatten Respekt vor ihm – die trägen<br />
belgischen Funktionäre genauso <strong>wie</strong><br />
die Piloten. Berühmt-berüchtigt seine<br />
Fahrerbesprechungen: Wenn der «Löwe<br />
von Zolder» die Vollgas-Gemeinde in gefährlicher<br />
Stimmlage mit seinen Durchführungs-<br />
und Sonderbestimmungen konfrontierte,<br />
waren Einsicht und Wohlverhalten<br />
empfehlenswert. Wer dennoch aufbegehrte<br />
oder gar eine Diskussion um Sachfragen<br />
anzuzetteln wagte, wurde vom Ober-Löwen<br />
in der Regel barsch abgebürstet und<br />
gab für den Rest des Wochenendes garantiert<br />
Ruhe.<br />
Lange blieb der Saisonstart in Zolder<br />
eine Festung im deutschen Rennkalender.<br />
Als ’95 aber erstmals kein DTM- und F3-<br />
Prädikat an den «Motorsportverband Bergischer<br />
Löwe im AvD» vergeben wurde, bekam<br />
das Traditionsrennen einen Knacks.<br />
Überdies musste Wilcke die Rennleiterfunktion<br />
aus gesundheitlichen Gründen<br />
1996 an seine Tochter abgeben, die ihrem<br />
Wilcke, Wolfgang (MSa 34/2002)<br />
Löwe von Zolder<br />
143<br />
Vater bis dahin als Stellvertreterin zur Seite<br />
gestanden hatte. Im April 2002 startete<br />
Dr. phil. Karin Wilcke, im Hauptberuf Literatur-Dozentin<br />
an der Uni Düsseldorf,<br />
die 33. Auflage des «Bergischen Löwen».<br />
Vor spärlicher Kulisse fuhren Benelux-<br />
Rennserien und Youngtimer-Trophy. Die<br />
Zukunft der Veranstaltung, die in ihren<br />
besten Zeiten bis zu 80 000 Zuschauer sah,<br />
ist mangels wirtschaftlicher und sportlicher<br />
Perspektiven eher ungewiss.<br />
Der fast 73-jährige Wilcke, selbst viele<br />
Jahre aktiver Rallyefahrer und 1981 Gewinner<br />
des ONS-Senioren-Cups, lebt heute<br />
als Pensionär in seiner Heimatstadt Solingen.<br />
Die letzten Jahre waren von<br />
Schicksalsschlägen geprägt: Erst starb seine<br />
Frau Charlotte, mit der er seit 1957 verheiratet<br />
war. Dann trafen ihn ein Herzinfarkt<br />
und zwei Schlaganfälle. «Aber das<br />
wirft mich nicht um», trotzt der Ober-Löwe.<br />
«So schnell lässt sich ein Wilcke nicht<br />
aus dem Verkehr ziehen.»<br />
Die beiden Töchter, ausser Karin (44)<br />
noch Gabriele (43), sehen den Unternehmungsgeist<br />
des angeschlagenen Familienoberhaupts<br />
mit Sorge und mahnen eindringlich<br />
zu ruhigerer Gangart. «Aber eigentlich»,<br />
so Karin resignierend, «ist es<br />
<strong>wie</strong> all die Jahre in Zolder – er duldet keinen<br />
Widerspruch.»<br />
Autoritätsperson: Wilcke 1977<br />
Herz macht Sorgen: Wilcke heute<br />
Immer Flagge zeigen: Zolder-Rennleiter Wilcke 1979 in typischer Pose
144<br />
Akersloot, Han (MSa 31/2003)<br />
Spass und Spiele<br />
an Akersloot nahm das Rennfahrerle-<br />
so <strong>wie</strong> es gerade kam: Siege nicht<br />
Hben<br />
um jeden Preis, Spass auf jeden Fall. Im<br />
Verbund mit Ford-Weggefährte Ernst Berg<br />
und Manager Frans Lubin funktionierte der<br />
vierfache holländische Tourenwagen-<br />
Champion (1970 im Alfa GTA, 71/72/73 in<br />
Ford Escort und Capri RS) jedes Fahrerlager<br />
in eine «Spass- und Spiele-Arena» um.<br />
Während sich die erfolgsbesessene Konkurrenz<br />
mit Fitness abmühte und früh zu<br />
Bett ging, liess es die holländische Spass-<br />
Fraktion erst richtig krachen. Im Nobelclub<br />
«Jimmy’z» in Monaco galten sie als<br />
die wildesten und besten Tänzer, keine<br />
Disco war vor ihnen sicher. «Wir hatten<br />
eine wunderbare Zeit», erinnert sich der<br />
fröhliche Blondschopf. «Vor allem die Rennen<br />
mit Ford waren ein Traum.»<br />
Trotz aller Blödeleien stand Akersloot<br />
jedoch immer seinen Mann, wenns auf der<br />
Piste ernst wurde. In der Tourenwagen-EM<br />
der 70er-Jahre teilte er sich das Cockpit<br />
bisweilen mit Top-Partnern <strong>wie</strong> John Fitzpatrick,<br />
Tom Walkinshaw oder Gerry Birrell.<br />
Werkseinsätze mit Teamchefs <strong>wie</strong> Carlo<br />
Chiti (Alfa) oder Jochen Neerpasch und<br />
Mike Kranefuss (Ford) genoss er ebenso<br />
<strong>wie</strong> die Starts im holländischen Frami-<br />
Team. Für das Ende seiner Laufbahn sorgten<br />
1975 die Hochzeit mit Corinna so<strong>wie</strong><br />
das Angebot, Marketing- und Sportdirektor<br />
von Renault Holland zu werden.<br />
Zwölf Jahre blieb er bei Renault, erlebte<br />
die verrückten R5-Pokal-Jahre, freute<br />
sich über eine starke Holland-Equipe im<br />
Europacup und dirigierte Jan Lammers<br />
trickreich zu zwei Titelgewinnen. Und gelegentlich<br />
durfte er auch noch seinen alten<br />
Kumpel Berg, inzwischen auch im R5-<br />
Cup gelandet, nach dessen nächtlichen Eskapaden<br />
bei der monegassischen Polizei<br />
auslösen. Einem siebenjährigen Intermezzo<br />
bei Lancia folgte der Ruf von Alfa Romeo<br />
Holland, wo er seit 1993 als Verkaufsdirektor<br />
amtiert.<br />
Mehr als Rennsport interessieren den<br />
mittlerweile 58-Jährigen aus Aerdenhout<br />
vor den Toren Zandvoorts heute vor allem<br />
Golf (Handicap 15) und Fussball («ich bin<br />
ein grosser Fan von Ajax Amsterdam»).<br />
Sein 19-jähriger Sohn ist auf dem Weg zum<br />
Golf-Profi, während die beiden Töchter<br />
(25, 22) Medizin und Jura studieren. Gelegentlich<br />
fährt der ehemalige Tourenwagen-Star<br />
noch historische Rallyes mit seinem<br />
58er-Alfa Spider oder ist Instruktor<br />
bei Fahrerlehrgängen für Alfa-Kunden.<br />
Für die Zukunft hat sich Akersloot vorgenommen,<br />
«möglichst viele junge Leute<br />
zum Golfsport zu bringen und sie als Promoter<br />
zu unterstützen».<br />
Siege mit Ford: Akersloot 1971<br />
Spass mit Golf: Akersloot heute<br />
Auf Titelkurs: Akersloot im rechtsgesteuerten Escort 1972 in Zandvoort
Becker, Heinz (MSa 43/2003)<br />
Der Cup-Spezialist<br />
einz Becker genoss als Renault-Cup-<br />
HFrontrunner das Privileg des grössten<br />
Schlitzohrs im Feld. Ob nationaler R5-Pokal,<br />
R5-Turbo-, Alpine-V6- oder R21-Turbo-Europacup<br />
– der Hagener brachte in<br />
den 80er-Jahren Gegner und Kommissare<br />
gleichermassen ins Grübeln. Dabei beteuert<br />
der Schlaufuchs, «dass ich nie wegen<br />
eines faulen Autos disqualifiziert worden<br />
bin». Unvergessen bleibt für die deutsche<br />
Renault-Cup-Führung der Becker-Auftritt<br />
des Jahres 1983, als er zum Entsetzen der<br />
völlig genervten Chefetage ein Rennen<br />
nach dem anderen gewann. «Obwohl wir<br />
das Auto mehrmals in alle Einzelteile zerlegt<br />
haben», so Technikchef Weishaupt,<br />
«fand sich absolut nichts. Ich hätte echt<br />
gerne gewusst, <strong>wie</strong> er uns geleimt hat.»<br />
Becker, der die peniblen Kontrollen zumeist<br />
grinsend verfolgte, kommt aus einem<br />
Umfeld, dem Cleverness und Einfallsreichtum<br />
keineswegs fremd sind: Viele<br />
Jahre Kartsport, Nationalmannschaft mit<br />
Hans Heyer, viermal Europameister, an die<br />
70 Siege. Trotz der beiden deutschen R5-<br />
Titel 1982/83 fand er den meisten Spass<br />
im Europacup. «Da ging’s richtig rund»,<br />
schwärmt der Monaco-Sieger 1988. «Anders<br />
als im deutschen Cup war da fast jedes<br />
Auto faul. Die Schlimmsten waren übrigens<br />
Heyer, Schütz und Strycek.»<br />
145<br />
1991 gönnte sich Hobby-Pilot Becker<br />
noch eine DTM-Saison im eigenen Ford<br />
Mustang, allerdings geriet das Projekt zum<br />
technischen Fiasko. «Das war Frust pur, ich<br />
kam kaum zum Fahren, weil der Motor nur<br />
rumkotzte. Wir sind da wohl zu blauäugig<br />
rangegangen.» Mit 45 beendete der Unternehmer<br />
(«Märkische Transportbeton<br />
GmbH», fünf Betonwerke, 50 Silo-LKW,<br />
Meierling Anhängerbau, Kartbahn Hagen,<br />
weitere Firmen-Beteiligungen) seine Pisten-Präsenz.<br />
Zehn Jahre später tritt Becker kürzer,<br />
zumal verengte Herzkranzgefässe und<br />
Bluthochdruck nach Auszeiten verlangen.<br />
So legen er und Frau Ilse öfter mal Kurzurlaube<br />
im Haus an der Ostsee ein. Sohn<br />
Michael (29) ist in den Betrieb eingestiegen,<br />
nachdem die eigene Rennkarriere<br />
(Kart, Formel König, F3, DTC) nicht nach<br />
Wunsch verlief. Tochter Nicole (34) ist<br />
Hausfrau und Mutter, die den Eltern bereits<br />
ein Enkelkind (3) bescherte.<br />
In MSa und am TV informiert sich der<br />
Ex-Meister regelmässig über das aktuelle<br />
Renngeschehen, aber bis auf die alten<br />
Weggefährten Rolf Rummel und Hans Heyer<br />
gibt es kaum Szene-Kontakte. Zukunftspläne?<br />
«Gesund bleiben und den Betrieb<br />
irgendwann in gutem Zustand an meinen<br />
Nachfolger übergeben.»<br />
Harter R5-Fighter: Becker 1981<br />
Multiunternehmer: Becker heute<br />
Auch Überflieger stolpern mal: Dreifacher Becker-Salto 1982 in Zolder
146<br />
Besier, Günther (MSa 07/2003)<br />
Ein flinker Kater<br />
ünther Besier gehört zu jener legendä-<br />
Wiesbadener Rennfahrer-Clique, die<br />
Gren<br />
dem Motorsport speziell in den 50er- und<br />
60er-Jahren durch Engagement und Erfolge<br />
auch in der hessischen Landeshauptstadt<br />
zu gesellschaftlicher Akzeptanz verhalf:<br />
Zusammen mit schillernden Typen<br />
<strong>wie</strong> Peter Lindner, Egon Vomfell, Leopold<br />
von Zedlitz, Horst Wilhelm oder Hans Wehner<br />
beteiligte sich der Rennfan am Aufbau<br />
der beiden grossen Wiesbadener AvD-Clubs<br />
«HMSC» und «WAC», die sich mit ihren<br />
Flugplatzrennen in Mainz-Finthen, Pferdsfeld<br />
und Erbenheim, dem Taunus-Bergrennen<br />
Lorch oder der Rallye Wiesbaden einen<br />
guten Namen machten.<br />
Wegen eines deftigen Abflugs am Nürburgring<br />
und daraus resultierender Endlos-<br />
Diskussion mit der Familie startete Besier<br />
bald nur noch unter dem Pseudonym «Hans<br />
Kater». Dies geschah allerdings auch mit<br />
Rücksicht auf seinen Unternehmer-Status<br />
(mehrere Foto-Fachgeschäfte in Wiesbaden<br />
und Mainz).<br />
Seinen ersten Sieg errang Besier 1956<br />
im BMW 502 V8 am Berg, danach folgten<br />
seine wildesten Jahre im BMW 700. Kaum<br />
weniger gesittet trieb es der fröhliche Hesse<br />
vorzugsweise am Steuer von diversen<br />
Leichtbau-Carreras und 911 aus dem Hause<br />
Porsche. Fast wäre er als GT-Dauersieger<br />
mit dem 911 gar Rundstrecken-Champion<br />
geworden – nur Udo Schütz im Carrera<br />
6 vereitelte beim Finallauf 1966 den<br />
Titelgewinn. Sein letztes Rennen bestritt<br />
Besier ein Jahr später im 911 S mit Sepp<br />
Greger als Partner in Sebring. Danach hatte<br />
der Aufbau seines innovativen Farbbild-<br />
Projekts «Meisterfoto» mit eigenen Grosslaboren<br />
Vorrang.<br />
Nach einer komplizierten Herzoperation<br />
mit fünf Bypässen musste Besier ab<br />
1992 vieles ruhiger angehen lassen. Bei<br />
dieser Gelegenheit aktivierte der passionierte<br />
Hochwild-Jäger seine Liebe zum Automobilsport<br />
erneut und ist seit Jahren regelmässiger<br />
Teilnehmer bei grossen Oldtimer-Events.<br />
Mit seinen beiden Schmuckstücken,<br />
einem Mercedes 300 SL und einem<br />
Porsche Speedster, erscheint der heute<br />
68-Jährige besonders gerne bei der Mille<br />
Miglia und der Alpenfahrt.<br />
Seit vier Jahren lebt der Jagdkumpel<br />
von Ex-<strong>Dunlop</strong>-Rennchef Gerhard Weber<br />
im Ruhestand, die Fotogeschäfte hat Sohn<br />
Michael (37) übernommen. Der zwei Jahre<br />
ältere Stefan ist Fotograf in den USA,<br />
die 18-jährige Tochter steht vor dem Abitur.<br />
Einen persönlichen Traum möchte Besier<br />
in naher Zukunft realisieren: «Ein Start<br />
bei der historischen Carrera Panamericana<br />
in Mexiko – das wäre das Allergrösste.»<br />
Elan und Erfolge: Besier 1961 Jagd und Oldtimer: Besier 2003<br />
Ehrenrunde nach dem Sieg: Der heisse Kater 1966 im 911 am Norisring
Blank, Arthur (MSa 33/2003)<br />
Mister Powerslide<br />
147<br />
rthur Blank hat dem Motorsport, spe-<br />
in der Schweiz, zwischen 1959 und<br />
Aziell<br />
1976 so einiges gegeben: Siege als Pilot<br />
aller möglichen Touren-, GT- und Sportwagen,<br />
wilde Ritte im Lotus-Cortina, drei<br />
Meistertitel, eine eigene Creation des VW-<br />
Käfers (Blank RS).<br />
Und vor allem den MSa-Vorläufer Powerslide.<br />
Der Monatstitel galt für damalige<br />
Verhältnisse als Premium-Magazin: Hochglanzformat,<br />
faszinierende Fotos, tolle<br />
Storys, Top-Autoren. Das erste Heft kam<br />
Anfang 1963 unter der Regie von Blank als<br />
Verleger und Finanzier in Personalunion.<br />
Mitstreiter der ersten Stunde waren Rico<br />
Steinemann (Chefredakteur) und René<br />
Schöni (Grafik und Karikaturen). Die Powerslide-Macher<br />
installierten die Redaktion<br />
in Blanks Privatwohnung in der Züricher<br />
Florastrasse 45. «Dort hatten wir ständig<br />
Besuch von allen möglichen Formel-1-Piloten»,<br />
erinnert sich der Ex-Verleger. «Jack<br />
Brabham und John Surtees waren oft da,<br />
Jo Siffert fast jede Woche.»<br />
Dieter Stappert und Fritz Reust verstärkten<br />
im Laufe der Jahre das Redaktionsteam.<br />
1967 wechselte Powerslide den<br />
Besitzer, Blank verkaufte für 100 000 Franken<br />
an den Marx-Verlag Zürich – der Erlös<br />
entsprach in etwa der Höhe des Schuldenstands.<br />
Acht Jahre später wurde aus Powerslide<br />
die Motorsportbibel MOTORSPORT<br />
aktuell.<br />
Heute lebt Arthur Blank, der in seiner<br />
aktiven Zeit exakt 32 verschiedene Rennautos<br />
höchst erfolgreich bewegt hat, im<br />
«Teil-Ruhestand» in Feldmeilen bei Zürich.<br />
Im Oktober wird der Ex-Rennfahrer und Powerslide-Erfinder<br />
70. Der Vater eines 34-<br />
jährigen Sohnes, seit 1974 in zweiter Ehe<br />
verheiratet mit Eliane, fühlt sich «absolut<br />
fit und gesund». Immer häufiger zieht es<br />
ihn an den Zürichsee, um die Freizeit zu<br />
verbringen. Am Ufer steht sein Wochenendhäuschen,<br />
auf dem Wasser ankert seine<br />
kleine Yacht. Aus seinem Messebau-Unternehmen<br />
möchte sich Arthur Blank langsam<br />
zurückziehen, «um mehr Zeit fürs Faulenzen<br />
und Schiffchenfahren zu haben».<br />
Vom Motorsport kommt er aber trotzdem<br />
nicht los: Regelmässig gönnt er sich<br />
den Monaco-GP mit Freunden live vor Ort,<br />
DTM und Tourenwagen-EM verfolgt er im<br />
Fernsehen, und bei diversen Sportfahrerlehrgängen<br />
wirkt er nach <strong>wie</strong> vor als Instruktor<br />
mit.<br />
Apropos DTM: Gerne würde er auf seinem<br />
Lieblingskurs, dem Nürburgring, noch<br />
mal ein Rennen von der Box aus erleben –<br />
«am liebsten bei Abt, weil ich mit dem Senior<br />
früher wüste Kämpfe ausgefochten<br />
habe». Also dann, bis bald am Ring.<br />
Cortina-Star Arthur Blank 1965<br />
DTM-Fan Arthur Blank heute<br />
Wilder Bursche: Arthur Blank 1965 im Lotus Cortina in Wien-Aspern
148<br />
artin Braungart galt eigentlich immer<br />
Mals Branchen-Primus – ob als Student,<br />
als Rallye-Copilot, als Ingenieur bei Ford,<br />
als Konstrukteur bei BMW oder als Technischer<br />
Leiter beim Felgenhersteller BBS.<br />
«Martin denkt, Dieter lenkt» – unter diesem<br />
Motto hatten Dieter Glemser und sein<br />
Kumpel zwischen 1961 und 1965 eine tolle<br />
Rallyezeit bei Mercedes. Parallel dazu<br />
absolvierte Braungart ein technisches Studium<br />
an der Uni Stuttgart. «Die Mischung<br />
aus Studieren, Rallyefahren und Geld verdienen<br />
war damals <strong>wie</strong> ein Sechser im Lotto»,<br />
erinnert sich Braungart.<br />
Als Jochen Neerpasch die Ford-Rennabteilung<br />
1969 neu strukturierte, folgte der<br />
Techniker ebenso <strong>wie</strong> Freund Glemser dem<br />
Ruf nach Köln. Beide bestritten im Ford 26<br />
M RS nochmals den Marathon London–Sydney,<br />
bevor Braungarts grosse Zeit als Fahrzeug-Ingenieur<br />
begann. So brachte er dem<br />
Escort TwinCam (laut Gerd Schüler «am<br />
Berg zunächst unfahrbar») Manieren bei,<br />
stellte den legendären Capri RS auf die Räder<br />
und wurde zusammen mit Kollege Thomas<br />
Ammerschläger zum technischen Fixpunkt<br />
der Kölner Rennaktivitäten.<br />
Jenes Bild veränderte sich allerdings<br />
schlagartig, als Neerpasch, Braungart und<br />
Toppilot Hans Stuck 1972 im Dreierpack zu<br />
BMW überliefen. In München vollbrachte<br />
Braungart, Martin (MSa 12/2003)<br />
Der Vordenker<br />
der schwäbische Vordenker sogleich neue<br />
Glanztaten: Er perfektionierte das CSL<br />
Leichtbau-Coupé (das dann prompt die<br />
Capri in der Tourenwagen-EM schlug), konstruierte<br />
den M1-Sportwagen und verlieh<br />
dem Procar-M1 die Rennreife.<br />
Nach sieben BMW-Jahren lockte eine<br />
neue Herausforderung beim renommierten<br />
Felgenhersteller BBS in Schiltach: Braungart<br />
trat als Gesellschafter und Technischer<br />
Vorstand in die Geschäftsführung<br />
ein. Inzwischen ist er dort fast 25 Jahre<br />
an Bord, betreut aktuell die Ressorts Motorsport,<br />
Engineering und Lizenznehmer.<br />
Der 61-Jährige gibt am Schreibtisch noch<br />
immer Vollgas («von 8 bis 8 ohne Mittagspause,<br />
nur ein Becher Joghurt») und will<br />
erst dann in den Ruhestand gehen, wenn<br />
ihm der Spass am Job abhanden kommt.<br />
Neben dem Rennsport fasziniert ihn<br />
heute die Fliegerei. Oft klemmt er sich<br />
selbst ans Steuer einer Cessna 340, ansonsten<br />
bleibt kaum Zeit für weitere Hobbys.<br />
Das will der Familienvater (seit 35<br />
Jahren verheiratet mit Inge, ein Sohn, 29,<br />
eine Tochter, 21) aber nachholen, wenn<br />
mal die Zeit des Ruhestands gekommen ist.<br />
Dann stehen neben Fliegen noch Bootstouren<br />
auf dem Bodensee, Skilaufen und<br />
die Pflege seines M1-Oldtimers auf Braungarts<br />
Freizeit-Programm.<br />
Studium & Rennerei: Braungart ’64<br />
Felgen & Fliegen: Braungart heute<br />
Akropolis ’65: Glemser/Braungart (250 SL) fahren bei König Konstantin vor
erner Christmann hatte zwar kein<br />
WGeld, aber die Gabe, verdammt schnell<br />
Autofahren zu können. Deshalb betrat er<br />
zwischen 1968 und 1973 meist dann die<br />
Rennsportbühne, wenns eng wurde. Entweder<br />
brauchte man im Team einen, der<br />
mal richtig Gas gab. Oder der zahlende<br />
Stammfahrer musste pausieren, da die fällige<br />
Rate nicht eingegangen war. Das war<br />
dann die Stunde des hageren, grossgewachsenen<br />
Tischlers aus Lippstadt. Weder<br />
Tod noch Teufel fürchtend, klemmte sich<br />
der Kamikaze-Pilot wild entschlossen hinters<br />
Lenkrad und erledigte den Job im Stile<br />
eines Terminators. Die Fans hatten an<br />
den Umtrieben des Westfalen zwar ihren<br />
Spass, aber die Begeisterung der Teamchefs<br />
(u.a. Steinmetz, Gerstmann, Zakspeed)<br />
hielt sich mitunter in Grenzen.<br />
Denn neben Siegen fabrizierte Christmann<br />
nur allzu häufig auch Schrott. So<br />
flog er mit dem vollgetankten Gerstmann-<br />
Capri in Spa über die Leitschiene, das Auto<br />
ging in Flammen auf und brannte völlig<br />
aus. Auch Opel-Tuner Steinmetz kann von<br />
verbogenen GT 1900, Ascona und Commodore<br />
berichten. Andererseits gelang es ihm<br />
aber auch, an einem Tag gleich zweimal<br />
aufs Podium zu fahren.<br />
Als Christmann sich Anfang der 70er-<br />
Jahre, kurz vor einem Vertragsabschluss<br />
Christmann, Werner (MSa 47/2003)<br />
Der Terminator<br />
149<br />
mit Zakspeed stehend, auf eine «verhängnisvolle<br />
Affäre» mit der damaligen Ehefrau<br />
des Teampatrons einliess, war der Skandal<br />
perfekt. «Ich werde dafür sorgen», liess<br />
ein empörter Erich Zakowski verlauten,<br />
«dass der Kerl nie mehr in einem siegfähigen<br />
Rennauto sitzt.» Tatsächlich war<br />
dieses Ereignis der Anfang vom schleichenden<br />
Ende der Karriere Christmanns,<br />
«denn Erichs Einfluss war nun mal gewaltig».<br />
Nach elf Jahren trennten sich beide <strong>wie</strong>der,<br />
seitdem lebt der heute 64-Jährige allein<br />
in Lippstadt, treibt viel Sport und hat<br />
noch immer sein altes Kampfgewicht von<br />
60 kg. Wirtschaftlich geht’s ihm dagegen<br />
nicht so gut, nachdem sein Autohandel<br />
1986 Konkurs anmelden musste. «Aber ich<br />
komme über die Runden und will nicht klagen,<br />
Hauptsache, man ist gesund.»<br />
Seit 28 Jahren freut sich Christmann jeden<br />
Dienstag auf die neue MSa-Ausgabe,<br />
und vorm TV gibt er sich zusätzlich die volle<br />
Renn-Dröhnung («täglich bis zum Abwinken»).<br />
Deshalb wäre es für den Mann,<br />
der bei 85 Starts in elf verschiedenen Autos<br />
34 Siege erreichte, auch ein Traum, irgendwann<br />
alle DTM- und F1-Rennen im<br />
Wochenturnus mit dem Wohnmobil abzufahren.<br />
«Wenn ich das noch hinkriege, bin<br />
ich glücklich und zufrieden.»<br />
Wilde Auftritte: Christmann 1972<br />
Ruhiges Leben: Christmann heute<br />
Da tobte Steinmetz: Christmanns zerlegter GT 1900 am Nürburgring 1972
150<br />
ieter Damler hat 33 Jahre lang beim<br />
DZDF die Themen Rennsport und Auto<br />
auf den Bildschirm gebracht. Als Mann der<br />
ersten TV-Stunde des Mainzer Senders gehörte<br />
der Autofan zur legendären Gründermannschaft<br />
der ZDF-Sportredaktion, die<br />
damals scherzhalber «Tele-Sibirsk» hiess,<br />
weil die Sportsendungen zunächst aus<br />
armseligen Baracken im Taunusstädtchen<br />
Eschborn abgesetzt werden mussten. Damler,<br />
Karl Senne und Rainer Günzler galten<br />
beim Sender als die Motorsportexperten,<br />
deren Beiträge aus F1, F2, Sportwagenund<br />
Rallye-WM das ZDF-Sportprogramm<br />
bereicherten. Dabei liess Damler seine Kameraleute<br />
mit Vorliebe hinter die Kulissen<br />
blicken und formte aus den Erkenntnissen<br />
oft preisgekrönte Filme (u.a. die weltbeste<br />
Sport-Dokumentation 1973).<br />
Als besonders eindrucksvoll sind seine<br />
Filmberichte von der Rallye Monte Carlo in<br />
bester Erinnerung. Auch die ZDF-Paradesendungen<br />
Sport Reportage, Sportspiegel,<br />
und Tele-Motor wurden durch seine<br />
Beiträge aus der Welt des Autos geprägt.<br />
Dass ausgerechnet seine Lieblingssendung<br />
Tele-Motor, die er lange im Wechsel mit<br />
Senne moderierte, 1996 dem Rotstift zum<br />
Opfer fiel, hat Damler nur schwer verkraftet.<br />
Als auch noch ein Herzinfarkt dazu<br />
kam, nahm er beide Negativereignisse zum<br />
Damler, Dieter (MSa 50/2003)<br />
Das ZDF-Urgestein<br />
Anlass, sich mit 63 Jahren in den Ruhestand<br />
zu verabschieden.<br />
Der leidenschaftliche Filmemacher zog<br />
sich zusammen mit Ehefrau Karla (ein<br />
Sohn, 28) auf seine Lieblingsinsel Mallorca<br />
zurück, wo er schon seit seiner Studentenzeit<br />
stolzer Besitzer einer Finca bei Capdepera<br />
ist. «Damals haben die Grundstücke<br />
dort fast nichts gekostet», freut sich der<br />
TV-Mann über sein frühes Schnäppchen.<br />
Die Ferieninsel ist Damler im Laufe der Zeit<br />
so ans Herz gewachsen, dass er einen Ratgeber<br />
für Mallorca-Residenten und -Neubürger<br />
geschrieben hat («Mallorca – Ihre<br />
zweite Heimat», ISBN 3613504308, 256<br />
Seiten, 22 Euro). Das Werk ist im März erschienen<br />
und enthält nützliche Tipps, u.a.<br />
zu den Themen Land & Leute, gesetzliche<br />
Zuzugsbestimmungen und Kauf von Grundstücken<br />
und Immobilien.<br />
Der mittlerweile 70-Jährige braust trotz<br />
angeschlagener Gesundheit (Diabetes,<br />
drei Herzinfarke) mit seiner 1000er-BMW<br />
noch immer gerne zu Erkundungsfahrten<br />
über die Insel. Und nur ein paar Kilometer<br />
entfernt wohnt sein alter ZDF-Kollege Senne.<br />
Obwohl er seit 1987 nie mehr an einer<br />
Rennstrecke war, würde Damler gerne noch<br />
mal die schönsten Drehorte, Hotels und<br />
Restaurants der früheren Jahre besuchen.<br />
«Wäre schön, wenn ich das hinbekäme.»<br />
ZDF-Pionier: Dieter Damler 1963<br />
Autor und Geniesser: Damler 2003<br />
Damler in seinem Element: ZDF-Übertragung 1965 aus Hockenheim
Eggenberger, Ruedi (MSa 28/2003)<br />
Der Titel-Architekt<br />
uedi Eggenberger darf man getrost zu<br />
Rden erfolgreichsten Teamchefs Europas<br />
zählen. Was dem stillen Schweizer vor allem<br />
mit den Marken BMW, Volvo und Ford<br />
gelang, ist bemerkenswert: Mit allen drei<br />
Herstellern erreichte er in den 70er- und<br />
80er-Jahren wenigstens einen Tourenwagen-EM-Titel,<br />
mit BMW sogar drei und mit<br />
Ford zusätzlich einen WM-Titel. Schon bevor<br />
der Mann aus Lyss 1977 auf die Seite<br />
der Teameigner wechselte, war er als Rennfahrer<br />
erfolgreich. So gelangen ihm in einer<br />
Saison 32 Siege bei 35 Starts, und mit<br />
einem Renault R8-Gordini schaffte er es bis<br />
zum Vizemeister.<br />
Die blitzsauber vorbereiteten Eggenberger-BMW<br />
wurden schon im ersten Jahr zum<br />
Schrecken der Konkurrenz. Lieblingspilot<br />
des strengen Teamchefs, für den nur Leistung<br />
zählte, war anfangs Helmut Kelleners.<br />
«Der hat uns zu BMW-Zeiten richtig weitergebracht.»<br />
Später, als Eggenberger mit<br />
Ford zusammenarbeitete, lagen zunächst<br />
Klaus Ludwig und später Klaus Niedz<strong>wie</strong>dz<br />
in der Gunst des Chefs ganz vorn.<br />
Die Jahre mit Ford (1986–1989) betrachtet<br />
der Schweizer als «die schönste Zeit<br />
überhaupt», der Sierra 500 RS avancierte<br />
zu seinem absoluten Lieblingsauto. Allerdings<br />
bereitete ihm ein anderes Kölner Produkt<br />
auch die ärgsten Kopfschmerzen: «Der<br />
151<br />
STW-Mondeo hat uns an den Rand der Verzweiflung<br />
gebracht, das war einfach nur<br />
noch grauenvoll.»<br />
Weil er als Teamchef keine Perspektiven<br />
mehr sah, beendete er mit Ablauf der Saison<br />
1995 sein Engagement im Rennsport<br />
und baute sich in der Folge mit einem Mitsubishi-Autohaus<br />
eine neue Existenz auf.<br />
Seit diesem Jahr wurde der 14-Mann-Betrieb<br />
in Lyss um die Marke Alfa Romeo erweitert.<br />
Eggenberger Racing ist aufgelöst,<br />
die Räume sind an das Formel-Renault-<br />
Team von Andreas Jenzer vermietet.<br />
Auch sein Privatleben hat Eggenberger,<br />
der jetzt in Magglingen bei Biel wohnt, neu<br />
geordnet. So trennte sich der heute 64-Jährige<br />
von seiner zweiten Frau Rosi und heiratete<br />
die Kamerunerin Christelle (35), mit<br />
der er eine gemeinsame Tochter (4) hat.<br />
Sohn Thomas (37), kurzzeitig Formel-Ford-<br />
Pilot ohne greifbaren Erfolg, stammt noch<br />
aus erster Ehe. Zur Rennstrecke kommt der<br />
Ex-Teamchef nur noch selten, dafür guckt<br />
er im Fernsehen regelmässig Formel 1 und<br />
DTM. «Das grosse Kribbeln», meint Eggenberger,<br />
«ist aber nicht mehr da.»<br />
Derzeit ist der Titel-Architekt restlos<br />
glücklich und zufrieden, spielt neuerdings<br />
Golf und joggt, so oft es geht. «Schliesslich<br />
hab’ ich eine junge Frau», schmunzelt<br />
er. «Da sollte ich schon fit bleiben …»<br />
WM mit Ford: Eggenberger 1987<br />
Heute: «Das Kribbeln ist weg»<br />
Eggenbergers WM-Quartett 1987: Soper, Ludwig, Niedz<strong>wie</strong>dz, Dieudonné
152<br />
üdiger Faltz schwärmt noch immer vom<br />
Rdenkwürdigen DRM-Jahr 1977. In der<br />
kleinen Division bis 2 Liter herrschte damals<br />
Kriegszustand: Die wilden BMW-Junioren<br />
Surer, Cheever und Manfred Winkelhock<br />
(†) gegen die Ford-Routiniers Heyer/Hahne<br />
– und mittendrin der orangene<br />
Faltz-Alpina-BMW 320 mit dem jungen<br />
Raufbold Harald Grohs. Die Essener Allianz<br />
wirbelte das BMW- und Ford-Staraufgebot<br />
kräftig durcheinander und sorgte für so<br />
manche Sensation. «Unser Wagen war<br />
nicht schlechter als die Werksautos», rekapituliert<br />
Teamchef Faltz voller Stolz,<br />
«und Harald hat mit seinem spektakulären<br />
Fahrstil so<strong>wie</strong>so alle erschreckt.»<br />
In der Tat fuhr Grohs den Superstars<br />
ständig in die Parade, nachdem er zuvor<br />
im Faltz-CSL-Coupé wüste Umtriebe im<br />
Porsche- und Capri-Feld veranstaltet hatte.<br />
Die wildsaumässigen Auftritte seines<br />
Lieblingspiloten kamen den Chef freilich<br />
teuer zu stehen: «Harald war der erste, der<br />
nichts fürs Fahren zahlen musste – dafür<br />
lieferte er Schrott <strong>wie</strong> kein anderer …»<br />
Für Faltz, Fahrzeug-Ingenieur und Inhaber<br />
einer BMW-Alpina-Niederlassung in<br />
Essen, war Rennsport immer eine Herzensangelegenheit.<br />
Der erfolgreiche Ex-Rennfahrer<br />
(u.a. Siege beim 24-h-Rennen) präsentierte<br />
ab 1968 sein eigenes Team.<br />
Faltz, Rüdiger (MSa 21/2003)<br />
Racer mit Herz<br />
Klangvolle Namen, darunter der unvergessene<br />
Hans-Peter Joisten (†), bescherten<br />
dem Rennstall reichlich Siege und sogar<br />
einen EM-Titel.<br />
Zugunsten seines Autohaus-Neubaus<br />
beendete Faltz Ende 1978 das Kapitel<br />
Rennsport. Bis vor drei Jahren war er BMWund<br />
Alpina-Händler. «Leider fiel der Betrieb<br />
dann der Verschlankung des Händlernetzes<br />
zum Opfer, wobei ich mir bei der<br />
Vertragsauflösung mehr Stil und Kultur gewünscht<br />
hätte», blickt der Essener enttäuscht<br />
zurück.<br />
Notgedrungen beschäftigt sich der 61-<br />
Jährige jetzt mit der Vermittlung von Fahrzeugen<br />
aller Art so<strong>wie</strong> Immobilien. «Ich<br />
gehöre zu denen, die weder mit dem Rennsport<br />
noch mit sonst was reich geworden<br />
sind.» Seine erste Ehe zerbrach am Motorsport,<br />
seit 1996 ist er zum zweiten Mal<br />
verheiratet. Fast alle alten Rennsport-Verbindungen<br />
sind gekappt, lediglich mit<br />
Grohs und Wige-Chef Peter Geishecker gibt<br />
es gelegentlich noch Kontakt.<br />
Zwar informiert sich Faltz immer noch<br />
gerne via Fernseher über Formel 1 und DTM,<br />
«aber das Thema ist für mich grundsätzlich<br />
erledigt, Rückfallgefahr besteht nicht<br />
mehr». Ersatzweise kommen dafür nun verstärkt<br />
seine Hobbys Golf, Cross-Trainer,<br />
Skifahren und Schwimmen zum Zuge.<br />
Goldene BMW-Jahre: Faltz 1968 Rückfall ausgeschlossen: Faltz ’03<br />
Wilde Ritte: Harald Grohs im Faltz-BMW 320 1977 auf der Nordschleife
Flohr, Wolfgang Peter (MSa 34/2003)<br />
Grosser Zampano<br />
olfgang Peter Flohr zählte als BMW-<br />
Opel-Sportchef so<strong>wie</strong> Zakspeed-<br />
Wund<br />
Geschäftsführer zu den trickreichsten Machern<br />
der Rennszene. Und er polarisierte<br />
<strong>wie</strong> kaum ein anderer: Für die einen war<br />
er der grosse Zampano, für die anderen ein<br />
durchtriebener Blender. Fest steht, dass<br />
BMW unter seiner Regie mit dem CSi-Coupé<br />
und dem M3 jede Menge Lorbeeren einfuhr<br />
und Opel mit dem Calibra 1996 den bislang<br />
einzigen DTM/ITC-Titel gewann. Und<br />
fest steht auch, dass Flohr mit strategischdiplomatischem<br />
Geschick im Verbund mit<br />
kernigen Verbal-Auftritten so manchen<br />
Amtskollegen glatt an die Wand spielte.<br />
Da konnte es schon mal passieren, dass<br />
eine Runde gestandener Sportkommissare<br />
vor seinen Argumenten kapitulierte – <strong>wie</strong><br />
bei den 24 Stunden Spa 1986 nach einem<br />
Fehltritt seines Piloten Altfrid Heger. «Unser<br />
Auto war eigentlich schon disqualifiziert»,<br />
erinnert sich der Essener. «Aber der<br />
Flohr hat uns <strong>wie</strong>der rausgepaukt und den<br />
schon verloren geglaubten Sieg gerettet.»<br />
Nach der nicht ganz freiwilligen Trennung<br />
von BMW kam eine gewisse Hektik in<br />
Flohrs Berufsleben: In rascher Folge wechselten<br />
Engagements bei AvD, Fiat, Zakspeed<br />
und Opel. Die letzte Station war der<br />
Vorsitz der Geschäftsführung im Speditionsbetrieb<br />
seines Kumpels Gerhard Berger.<br />
153<br />
«Im Grunde war ich BMW-Mann mit ganzem<br />
Herzen», sagt Flohr, der 1954 als junger<br />
Maschinenschlosser zu den Weiss-<br />
Blauen kam. In München legte er als Manager<br />
eine Traumkarriere hin, in dessen<br />
Verlauf ihm der Gesamtvertrieb USA, der<br />
weltweite Kundendienst und schliesslich<br />
1985 die Leitung der damaligen Motorsport<br />
GmbH anvertraut wurden. «Ich hatte<br />
34 grandiose BMW-Jahre», zieht Flohr<br />
Bilanz. «So was ist nur noch sehr schwer<br />
zu toppen.»<br />
Beruf und Rennsport sind Vergangenheit,<br />
der fast 66-Jährige lebt jetzt als Pensionär<br />
wechselweise in München, Österreich<br />
und Spanien. Gesundheitlich geht’s<br />
ihm nach einer Herzoperation (ausgelöst<br />
durch einen verschleppten Infarkt in der<br />
Opel-Zeit) <strong>wie</strong>der ganz gut. Deshalb steht<br />
jetzt die Lebensqualität im Vordergrund:<br />
Viel Sport, Golf und Fischen. Die beiden<br />
Töchter orientieren sich beruflich auch<br />
schon in Richtung Auto – Patricia (22) arbeitet<br />
bei der Hamburger Rennsportagentur<br />
«Speedpool» als Medienkauffrau, Stefanie<br />
(20) ist Automobil-Kauffrau.<br />
Zwar gibt es noch viele Kontakte zu alten<br />
Weggefährten, aber persönliche Rennbesuche<br />
verkneift sich Flohr: «Ohne Aufgabe<br />
fühlst du dich im Fahrerlager <strong>wie</strong><br />
Falschgeld.»<br />
Weggefährten: Berger und Flohr 1985<br />
Der Ruheständler: Flohr heute<br />
Ge<strong>wie</strong>fter Stratege: Flohr mit Heger, Linder, Danner und Vogt 1987 in Spa
154<br />
Frère, Paul (MSa 09/2003)<br />
Leben voller Autos<br />
aul Frère scheint unverwüstlich, durch<br />
Pnichts und niemanden einzubremsen,<br />
noch immer genialer Autofahrer, scharfer<br />
Analytiker, kompetenter Journalist und erfolgreicher<br />
Buchautor. 86 Jahre ist der<br />
Mann gerade geworden, der nach <strong>wie</strong> vor<br />
jenen überschäumenden Spass am Autofahren<br />
hat und vermittelt, der ihn schon<br />
in seinen Rennfahrerjahren zu einem der<br />
Schnellsten und Besten seiner Zunft gemacht<br />
hat. Es gibt fast nichts, was der belgische<br />
Tausendsassa nicht im Renntempo<br />
bewegt oder getestet hätte.<br />
In Le Mans startete er so lange, bis er<br />
nach zwei zweiten Plätzen 1960 mit Landsmann<br />
Olivier Gendebien im Ferrari 250 TR<br />
endlich gewann. In der Formel 1 gab er<br />
nicht eher Ruhe, bis er 1956 bei seinem<br />
Heim-GP in Spa mit Platz 2 im Ferrari endlich<br />
seinen ersten und einzigen Podiumsplatz<br />
erreichte. GT-Autos, Touren- und<br />
Sportwagen – nichts und niemand war vor<br />
ihm sicher, kaum ein Siegerpodest, auf<br />
dem er nicht schon mal gestanden hätte.<br />
Der Übergang vom Rennfahrer zum Motorjournalisten<br />
blieb fliessend, oft tat er<br />
beides zusammen. Noch vor seiner Hausstrecke<br />
in Spa nennt er den Nürburgring<br />
als Lieblingskurs, obwohl er hier 1956 im<br />
Wippermann einen Jaguar zertrümmerte<br />
und 1963 im Fiat 2300 S nach langer Führung<br />
in der letzten Runde mit lächerlichen<br />
2,2 sec ein 12-Stunden-Rennen gegen den<br />
Lindner/Nöcker-Jaguar MK II verlor.<br />
Le Mans fasziniert Paul Frère noch immer.<br />
Das von ihm und den Kollegen Moity<br />
und Teissedre seit 1978 herausgegebene<br />
Jahrbuch über den Klassiker gilt bei Fans<br />
als Dauer-Bestseller. Nach <strong>wie</strong> vor erscheint<br />
der 86-Jährige persönlich am Ort<br />
seines grössten Triumphs, besucht die 24<br />
Stunden von Spa und geht von seiner Wohnung<br />
in Monaco zu Fuss zum Grand Prix.<br />
Er bleibt auf Ballhöhe mit der Rennszene,<br />
testet weiter schnelle Autos und ist ständiger<br />
Mitarbeiter mehrerer Fachzeitschriften.<br />
Seine Autobiographie «My life full of<br />
cars» ist nur einer von mehr als 20 Buchtiteln,<br />
die Frère auch als Autor berühmt<br />
gemacht haben.<br />
In Monaco zittert Gattin Susanne (samt<br />
drei Töchtern, fünf Enkeln und zwei Urenkeln)<br />
nahezu täglich um ihren wilden Paul.<br />
«Mit dem 911er lassen sie mich ja noch<br />
fahren», vermeldet er leicht genervt, «aber<br />
die 600er-BMW haben sie konfisziert.» Aus<br />
gutem Grund, denn bei einem Sturz brach<br />
er sich vor zwei Jahren das Knie. Wunschlos<br />
glücklich? Nicht ganz: «Ich möchte wenigstens<br />
noch einmal mit einem richtigen<br />
Rennauto auf der Rennstrecke rumtoben.»<br />
Der Mann ist einfach sensationell.<br />
Belgischer Tausendsassa: Frère ’59<br />
Lässt’s noch heute krachen: Frère<br />
Elf Starts, elf WM-Punkte: Frère ’55 im Ferrari auf seiner Hausbahn Spa
nst Furtmayr konnte man jedes Auto in<br />
Edie Hand geben – er gewann immer. Das<br />
galt für seine Zeit als Abarth- und Alfa-<br />
Werkspilot genauso <strong>wie</strong> für die gemeinsamen<br />
BMW-Jahre mit seinen Freunden Josef<br />
und Herbert Schnitzer. Souverän und besonnen<br />
erledigte der Chef eines Unternehmens<br />
für Schweisstechnik seine Aufgaben<br />
an der Rennstrecke. Ab 1959 mischte er<br />
mit allen erdenklichen Alfa-Typen die Szene<br />
auf. Titel am Berg und auf der Rundstrecke<br />
waren die logische Konsequenz.<br />
Mitte der 60er-Jahre holte ihn Carlo Abarth<br />
ins Werksteam, wo er ebenfalls Siege<br />
einfuhr. Dabei hatte es der Münchner nicht<br />
leicht: Erst bescherte ihm Alfa-Kollege<br />
Toni Fischhaber ein faszinierendes Dauerduell,<br />
dann folgte die Auseinandersetzung<br />
mit Abarth-Stars <strong>wie</strong> Toine Hezemans, Johannes<br />
Ortner, Erich Bitter oder Kurt Ahrens.<br />
Und schliesslich der nervige Imagekrieg<br />
mit Sepp Greger um die Nummer 1 in<br />
München. Diesen Status beanspruchte<br />
Bergkönig Greger <strong>wie</strong> selbstverständlich.<br />
«Fremde Götter», ätzt Furtmayr, «duldete<br />
der Sepp neben sich nicht.»<br />
Als schönste Zeit seiner Karriere bezeichnet<br />
Furtmayr die Jahre bei Schnitzer.<br />
Dreimal in Folge holte er mit den Autos<br />
der Freilassinger BMW-Tüftler die Berg-<br />
Europameisterschaft für Tourenwagen.<br />
Furtmayr, Ernst (MSa 13/2003)<br />
Der Alleskönner<br />
155<br />
Von Motorengenie Josef Schnitzer (verunglückte<br />
1979 auf der Autobahn tödlich)<br />
hatte Furtmayr eine besonders hohe Meinung:<br />
«Der konnte zwei Minuten vor dem<br />
Start die Haube aufreissen und die Vergaserbestückung<br />
ändern. Und er lag mit seinen<br />
Blitzideen immer richtig.»<br />
Nach 13 Jahren beendete Ernst Furtmayr<br />
1972 seine Laufbahn, um sich mit aller<br />
Kraft dem Ausbau seiner Firma zu widmen.<br />
20 Jahre später wurde er rückfällig<br />
und kehrte mit 55 noch mal zum Langstreckenpokal<br />
an den Nürburgring zurück.<br />
«Einfach so zum Spass», ergänzt er. Heute<br />
ist Furtmayr 64, kerngesund und noch<br />
immer topfit. Bis zu 250 km strampelt er<br />
pro Wochenende auf seinem Rennrad.<br />
Seine Firma läuft prima, er selbst hat<br />
allerdings einen schweren Schicksalsschlag<br />
wegstecken müssen: Seine zweite<br />
Frau starb im vorletzten Jahr an Krebs.<br />
«Jetzt bin ich halt <strong>wie</strong>der Single», sagt er<br />
traurig. «Das ist zwar nicht sehr schön,<br />
aber da muss ich durch.»<br />
Seine beiden Töchter (37, 33), der Sohn<br />
(35) und die vier Enkel haben ihm über die<br />
schlimmen Monate hinweggeholfen.<br />
«Jetzt geht’s <strong>wie</strong>der, ich häng’ mich in meine<br />
Firma rein und finde hier neue Motivation.<br />
Rumhängen und Nichtstun sind für<br />
mich noch längst kein Thema.»<br />
Alfa und Abarth: Furtmayr 1968<br />
Fitness und Firma: Furtmayr heute<br />
Abarth-Demo 1967 am Nürburgring: Furtmayr, Ahrens, Hezemans, Bitter
156<br />
Gäb, Hans Wilhelm (MSa 16/2003)<br />
Der Sportmanager<br />
ans Wilhelm Gäb war und ist für den<br />
Hdeutschen Sport ein Glücksfall. Für den<br />
Sport im Allgemeinen, für das Tischtennis<br />
im Besonderen, für den Motorsport im Speziellen.<br />
Schon früh erlag der engagierte<br />
Sportjournalist, mehrfache deutsche<br />
Tischtennis-Meister und -Nationalspieler<br />
der Faszination des Automobilrennsports.<br />
Als Reporter für «Welt», «Sport-Illustrierte»<br />
und «Düsseldorfer Mittag» besuchte er<br />
fast alle grossen Rennen und zog mit<br />
Freund und BMW-Tuner Hans-Peter Koepchen<br />
von Piste zu Piste. Ende 1968 gründete<br />
er mit ein paar Gleichgesinnten in<br />
Köln die «Deutsche Auto Zeitung» und war<br />
erster Chefredakteur des Wochenblatts mit<br />
grossem Motorsportteil.<br />
Ob später als Vorstand bei Ford, in gleicher<br />
Funktion bei Opel oder als Vizepräsident<br />
von GM Europe – Rennsport war immer<br />
ein Thema. So rettete Gäb mit dem<br />
Calibra-Marschbefehl Ende ’93 den Fortbestand<br />
der alten DTM – und besiegelte drei<br />
Jahre darauf deren Ende. In Absprache mit<br />
Alfa zog der GM-Manager den Stecker, «da<br />
die Kosten aus dem Ruder liefen und die<br />
Werke durch Ecclestone nur zur Kasse gebeten<br />
wurden. Die Bühne war nicht mehr<br />
nach unseren Vorstellungen nutzbar.»<br />
Für Gäb galt stets die Devise: «Makelloser<br />
Sportauftritt, gesundes Kosten-Nutzen-Verhältnis,<br />
Akzeptanz beim Publikum.»<br />
In diesem Sinne hat der Düsseldorfer<br />
das Opel-Sportsponsoring in Tennis,<br />
Fussball, Schwimmen und Tischtennis perfektioniert.<br />
Im Nationalen Olympischen<br />
Komitee stieg er bis ins Präsidium auf und<br />
galt sogar als Nachfolger von NOK-Chef<br />
Willi Daume.<br />
Doch die Manager-Karriere des stetigen<br />
Kämpfers für Fairness im Sport (Leitsatz:<br />
«Lerne mit Anstand zu verlieren und in Bescheidenheit<br />
zu gewinnen») war plötzlich<br />
nebensächlich, als er wegen einer schweren<br />
Lebererkrankung dem Tod ins Auge sah.<br />
Nur eine Organtransplantation rettete<br />
1994 in letzter Minute sein Leben.<br />
Heute geht es dem Träger des Bundesverdienstkreuzes<br />
<strong>wie</strong>der gut, seit ein paar<br />
Jahren ist der jetzt 67-Jährige selbstständiger<br />
Unternehmensberater (u.a. für DaimlerChrysler),<br />
gehört zum Verwaltungsbeirat<br />
des FC Bayern München, ist Vorstandsmitglied<br />
der Stiftung Deutsche Sporthilfe<br />
und Ehrenpräsident des Deutschen Tischtennis<br />
Bundes (DTB). Seinen «Halbruhestand»<br />
geniesst er mit Ehefrau Hella (seit<br />
41 Jahren verheiratet, ein Sohn, 37, eine<br />
Tochter, 35, drei Enkelkinder) im Taunusstädtchen<br />
Eppstein. Und seine Meinung<br />
zur neuen DTM? «Ich sehe gute Ansätze,<br />
aber vieles wirkt noch zu künstlich.»<br />
Journalist mit Visionen: Gäb 1969<br />
Manager mit Idealen: Gäb heute<br />
Rennexperten unter sich: Gäb, Braun, Gerhard Mitter, Karl von Wendt ’67
Gartmann, Dieter (MSa 17/2003)<br />
Der Capri-Drifter<br />
157<br />
ieter Gartmann und sein Capri 3.0 S ge-<br />
von 1978 bis 1984 zum Besten,<br />
Dhörten<br />
was der Serien-Tourenwagensport zu bieten<br />
hatte. Mit seinem Team- und Markenkollegen<br />
Helmut Döring ergab das eine fast<br />
unbezwingbare Konstellation. Die «Capri-<br />
Zwillinge» von Ford-Tuner Helmut Eichberg<br />
lieferten sich wilde Duelle und gewannen<br />
ihre Rennen fast nach Belieben.<br />
Dabei verkörperte der wohlgenährte,<br />
fast gemütlich wirkende Gartmann mit<br />
dem weissen Haupthaar noch nicht mal<br />
den Typus des durchtrainierten Sportsmanns.<br />
Doch hinterm Lenkrad wurde er<br />
zum gnadenlosen Fighter, zirkelte wüste<br />
Drifts auf die Piste und gab sich, wenn<br />
überhaupt, bestenfalls seinem Teamkollegen<br />
geschlagen.<br />
«Wenn unsere Rennen gestartet wurden,<br />
brannte die Luft», blickt der Osnabrücker<br />
fast wehmütig zurück. «Wir haben<br />
uns bekämpft bis aufs Blut und waren<br />
trotzdem dicke Freunde – so was gibt’s<br />
doch heute gar nicht mehr.» Das Capri-Duo<br />
feierte auch als Team oft genug Erfolge und<br />
holte sich 1981 den Gesamtsieg bei den<br />
24 Stunden am Nürburgring.<br />
Mit demselben Gruppe-1-Capri gewann<br />
Gartmann ein Jahr später unter tatkräftiger<br />
Mithilfe der «Ford-Kläuse» Ludwig und<br />
Niedz<strong>wie</strong>dz zum zweiten Mal. Den fast perfekten<br />
dritten Sieg vereitelte 1984 ein<br />
technischer Defekt. Nachts blieb der Capri<br />
mit stattlichen acht Runden Vorsprung<br />
einfach stehen. Als der wackere Capri-<br />
Mann 1987 den Helm «aus Alters- und Konditionsgründen»<br />
an den berühmten Nagel<br />
hängte, hatte er bei rund 250 Starts die<br />
stolze Bilanz von 130 Siegen erreicht.<br />
So oft es geht, besucht der 64-Jährige<br />
noch immer gerne die Schauplätze des aktuellen<br />
Rennsports. Den Rest verfolgt er<br />
im TV, «da gebe ich mir das volle Programm<br />
von der Formel 1 über die DTM bis zur DTC».<br />
Trotz seines schon fortgeschrittenen Alters<br />
möchte der ehemals selbstständige<br />
Installateur-Meister noch längst nicht ans<br />
Rentnerdasein denken. Mit viel Engagement<br />
leitet er in der Reha-Klinik seines<br />
Heimatorts Bad Iburg den Bereich Haustechnik.<br />
Mit Ehefrau Helga freut er sich<br />
auf den ersten Enkel, den die 32-jährige<br />
Tochter demnächst zur Welt bringt. Der<br />
Sohn (25) hat zwar schon erfolgreich Kart-<br />
Luft geschnuppert, eine Rennkarriere aber<br />
nicht weiterverfolgt.<br />
Dafür hat der Herr Papa noch einen grossen<br />
Traum: «Ein stressfreies Senioren-<br />
Team im Langstrecken-Pokal, am liebsten<br />
mit meinen alten Freunden Döring und<br />
Niedz<strong>wie</strong>dz. Da würde sich so mancher<br />
Jung-Rennfahrer noch wundern.»<br />
1979: So lachen Sieger 2003: Comeback am Ring?<br />
Dreamteam: Die Capri-Zwillinge Gartmann (l.) und Döring 1983 (Norisring)
158<br />
Glotzbach, Dieter (MSa 18/2003)<br />
<strong>Dunlop</strong>s Frontmann<br />
ieter Glotzbach war 40 Jahre lang Dun-<br />
mit Leib und See-<br />
Dlop-Reifentechniker<br />
le. Im Motorsport erlebte der Hesse an der<br />
Seite von Renndienstchef Gerhard Weber<br />
ein Highlight nach dem anderen: Die Formel-2-Zeit<br />
mit BMW, die Siegeszüge des<br />
Porsche-Werksteams, die Anfangsjahre der<br />
DRM mit Ford, BMW und privaten Porsche-<br />
Teams so<strong>wie</strong> das Debüt des Porsche 959<br />
bei der Rallye Paris–Dakar. In diese Zeit<br />
fielen Hunderte von Siegen, kaum ein Jahr<br />
ohne Titelgewinn – und jede Menge Spass<br />
obendrein.<br />
Und wenn sich nach dem Training zwei<br />
Männer auf ihre Rennräder schwangen,<br />
dann handelte es sich mit einiger Sicherheit<br />
um Glotzbach und seinen ebenso<br />
rennradverrückten Kumpel Rolf Stommelen.<br />
Die durchschnittliche «Jahresstrampelleistung»<br />
des <strong>Dunlop</strong>-Reifenexperten<br />
lag damals so bei 5000 km, heute sind es<br />
sogar deutlich mehr, «weil ich jetzt als Vorruheständler<br />
genügend Zeit dafür habe».<br />
Glotzbach ohne Rad – undenkbar. Schlimm<br />
genug, dass er mit zwei gebrochenen Lendenwirbeln<br />
drei Monate pausieren musste,<br />
weil er einen Tag nach seinem 58. Geburtstag<br />
auf dem Dach seines Hauses rumkletterte<br />
und prompt runterfiel.<br />
Von den unzähligen Einsätzen an der<br />
Rennfront mochte Glotzbach den Norisring<br />
«wegen der einzigartigen Atmosphäre»<br />
besonders gerne. Mit den Top-Piloten<br />
Stuck, Bellof, Stommelen, Schurti und<br />
Wollek verband ihn eine enge Freundschaft.<br />
«Ein Jammer», so der Hanauer,<br />
«dass drei von diesen wirklich guten Typen<br />
nicht mehr leben.»<br />
Zusammen mit Frau Heike (seit 42 Jahren<br />
verheiratet, ein Sohn, 41, eine Tochter,<br />
39, drei Enkelkinder) lebt der Sportfreak<br />
in Maintal bei Hanau und inszeniert<br />
ständig neue Aktivitäten. So war er erst<br />
kürzlich mit seinem Sohn für vier Wochen<br />
in der algerischen Wüste, um mit einem<br />
Offroader die ehemaligen Sonderprüfungen<br />
der Paris–Dakar abzufahren. Rennsport<br />
war für Glotzbach mehr als nur Job:<br />
«Ich habe das mit Leib und Seele gemacht<br />
und keine Minute bereut.» So gibt’s noch<br />
immer enge Kontakte mit den Ex-<strong>Dunlop</strong>-<br />
Kollegen Weber und Knospe, auch TV-mässig<br />
zieht er sich das ganze Programm von<br />
F1 über DTM bis Paris–Dakar rein.<br />
Damit nicht genug: Eben hat der 61-<br />
Jährige die Rennlizenz neu gemacht, weil<br />
er mit dem Porsche 904 GTS eines Freundes<br />
Oldtimer-Events fahren möchte. «Das<br />
Auto muss bewegt werden», versucht er<br />
dem Besitzer klar zu machen. «Vom Rumstehen<br />
in der Garage wird es ja nicht besser.»<br />
Wetten, er kriegt den Mann rum?<br />
Beruf und Berufung: Glotzbach ’70<br />
Unruheständler: Glotzbach heute<br />
BMW-IMSA-Projekt 1974: Dieter Glotzbach mit Neerpasch und Braungart
epp Haider hat den Rallyesport immer<br />
Sals «gelebte und erlebte Fahrfreude»<br />
empfunden. Und so präsentierte sich der<br />
Österreicher bei den WM-, EM- und DM-<br />
Läufen auch seinem Publikum: Wilde<br />
Drifts, Pistengaudi ohne Ende. Ob im Käfer,<br />
Kadett, Audi, Escort oder Peugeot –<br />
die Show war stets perfekt. Trotz der atemberaubenden<br />
Ritte fühlten sich die Copiloten<br />
an Haiders Seite immer sicher. Dies<br />
galt für Jörg Pattermann genauso <strong>wie</strong> für<br />
die Herren Hinterleitner, Wendel oder<br />
Geistdörfer. Dass sein Freund Ferdi Hinterleitner,<br />
mit dem er 1989 für Opel den DM-<br />
Titel und zuvor sogar einen WM-Lauf in<br />
Neuseeland gewann, ausgerechnet als<br />
Fussgänger in Wien tödlich verunglückte,<br />
hat ihn tief schockiert. Erst Christian<br />
Geistdörfer gelang es, Haider aus dem psychologischen<br />
Tief herauszuholen und neu<br />
zu motivieren. Die beiden kehrten alsbald<br />
auf die Siegerstrasse zurück.<br />
Der Hotelier aus Saalbach brachte die<br />
unmöglichsten Sachen fertig. So prügelte<br />
er bei seiner Rundstrecken-Premiere 1986<br />
in Wunstorf einen 190er-Mercedes zur Verblüffung<br />
altgedienter DTM-Profis an die<br />
Spitze des Feldes. «So quer hab’ ich noch<br />
nie ein DTM-Auto um die Ecken fliegen sehen»,<br />
gab Rover-Pilot Kurt Thiim damals<br />
konsterniert zu Protokoll. Der Däne war es<br />
Haider, Sepp (MSa 22/2003)<br />
Der Driftkönig<br />
159<br />
auch, der die Haider-Show mit einem unbeabsichtigten<br />
Nahkampf-Rempler vorzeitig<br />
stoppte. Gegen Ende seiner Karriere<br />
animierte Haider 1997 Peugeot zu einem<br />
Engagement in Österreich und wurde mit<br />
dem 306 Kit-Car prompt erneut Meister.<br />
Obwohl er seit 1999 nicht mehr angetreten<br />
ist, schliesst er eine Rückkehr auf die<br />
Schotterpiste nicht aus: «Kann jederzeit<br />
passieren – am liebsten mit einem Hecktriebler.<br />
Damit kann man so schön quer<br />
fahren.»<br />
Gleichzeitig aber fände er es «sehr beunruhigend,<br />
wenn meine Söhne Rallyes<br />
fahren wollten». Die vier Buben (22, 14,<br />
6, 4) schenkten ihm drei verschiedene Damen,<br />
von denen der Spassvogel «momentan<br />
aber keine heiraten» will. Der 49-jährige<br />
lebt jetzt in Zell am See, das Hotel in<br />
Saalbach führt sein jüngerer Bruder Wolfgang.<br />
Seit sechs Jahren arbeitet er als Instruktor<br />
im «Audi Driving Experience<br />
Team». Regelmässig trifft er noch die alten<br />
Opel-Spezis Röhrl, Kleint und Berger,<br />
ansonsten spielt er Golf (Handicap 4),<br />
läuft Ski, radelt auf seinem Mountainbike<br />
oder geht Surfen.<br />
Eines will der Haider Sepp unbedingt<br />
noch loswerden: «Ich bin sehr traurig über<br />
den Niedergang des Rallyesports in Österreich<br />
und Deutschland. Wirklich schade.»<br />
Frontmann bei Opel: Haider 1989 Fahrlehrer bei Audi: Haider 2003<br />
Die Lust am Querfahren: Haider/Hinterleitner 1989 im Opel Kadett GSi
160<br />
eidi Hetzer – ein Name, der zugleich<br />
HProgramm ist: «Seit 40 Jahren hetze<br />
ich durch die Welt», meldet die Berliner<br />
Powerfrau, «und ich bin glücklich dabei.»<br />
Ihre Liebe ist der Rallyesport, den sie fast<br />
drei Jahrzehnte vorzugsweise mit der ganzen<br />
Opel-Palette der 60er-, 70er- und<br />
80er-Jahre (Kadett, Ascona, Manta, Omega,<br />
Calibra) höchst erfolgreich betrieben<br />
hat. Neun Starts bei der Tour d’Europe, jede<br />
Menge nationale und internationale Rallyes,<br />
hin und <strong>wie</strong>der auch mal ein Rennen<br />
– <strong>wie</strong> etwa jenes auf der Avus mit einem<br />
V8-Opel-Diplomat-Vorführwagen aus dem<br />
väterlichen Autosalon. Dabei ist die Ur-<br />
Berliner Kodderschnauze und Chefin eines<br />
der grössten Opel/GM-Autohäuser nie um<br />
Titel und Pokale gefahren und hasste Damenwertungen<br />
<strong>wie</strong> die Pest.<br />
Sie hat in ihrem Sport so ziemlich alles<br />
erreicht und viel erlebt: Tolle Erfolge,<br />
schmerzliche Niederlagen, heftigste<br />
Crashs. Eine zertrümmerte Kniescheibe erinnert<br />
sie noch heute an die übelsten Einschläge<br />
– Frontalknall in der Türkei, 80-<br />
Meter-Sturz in einen guatemaltekischen<br />
Abgrund, Überschlag in Spanien. Die gelernte<br />
Kfz-Mechanikerin war nie zimperlich,<br />
immer hart im Nehmen und schraubt<br />
noch heute mit Begeisterung selbst an ihren<br />
Oldtimern. Davon hat sie jede Menge:<br />
Hetzer, Heidi (MSa 24/2003)<br />
Berlins PS-Lady<br />
23 wertvolle Einzelstücke vom Opel-Doktorwagen<br />
(1909) über den Hispano Suiza<br />
(1921) bis zur 57er-Chevy Corvette. «Ohne<br />
meine Autos», sagt die Frau mit Benzin im<br />
Blut, «fühle ich mich amputiert.»<br />
Auch beruflich gibt Heidi Hetzer mächtig<br />
Gas. Pro Jahr verkaufen ihre Berliner<br />
Filialen rund 1200 Neuwagen (Opel, Chevrolet,<br />
Cadillac) und 1000 Gebrauchte. 130<br />
Mitarbeiter stehen stramm, wenn die quirlige<br />
Madame Vollgas (Motto: «Geht nicht<br />
gibt’s nicht») nach dem Rechten sieht.<br />
Trotz des zeitraubenden Jobs findet sie<br />
noch Platz für ihre Hobbys: Oldtimer-<br />
Events, Tauchen, Skilaufen. «Ich würde<br />
gerne noch viele mehr verrückte Sachen<br />
machen, wenn ich nur Zeit dazu hätte.»<br />
Ihrem Mann, einem Amerikaner, gab sie<br />
nach 24-jähriger Ehe 1990 genervt den<br />
Laufpass, «weil er nur Golf spielen und<br />
nicht im Geschäft mithelfen wollte». Umso<br />
engagierter zeigt sich Tochter Marla (34)<br />
im Betrieb, während Sohn Dyllen (31)<br />
Techniker mit Leib und Seele ist.<br />
Am 20. Juni feiert Heidi Hetzer ihren<br />
66. Geburtstag, aber ein Ende der Hetzjagd<br />
ist nicht abzusehen. Schon reifen<br />
neue Pläne: «Ich will die Carrera Panamericana<br />
bestreiten und mit dem Auto nach<br />
Peking fahren so<strong>wie</strong> einmal die Welt umrunden.<br />
Und zwar in dieser Reihenfolge.»<br />
1975: Spass bei Rallyes Heute: Spass mit Oldtimern<br />
Grosse Sprünge: Hetzer mit Kadett GS/E in der Rallye-EM der 70er-Jahre
Heuser, Charlotte (MSa 39/2003)<br />
Treue Toyota-Seele<br />
harlotte Heuser gehört zu den rekord-<br />
Rallye-Copilotinnen. Fast<br />
Cverdächtigen<br />
30 Jahre lang nahm sie auf dem heissen<br />
Sitz Platz, startete erst an der Seite ihres<br />
Gatten, später bevorzugt mit Oda Denker,<br />
Heidi Hetzer oder Heide Utz bei DM-, EMund<br />
WM-Läufen, bei der Tour d’Europe und<br />
in der südafrikanischen Meisterschaft. Als<br />
1975 ihre Ehe zerbrach, zog sie von Wiesbaden<br />
nach Köln und fand bei Toyota<br />
Deutschland eine neue berufliche Heimat.<br />
Das damals noch junge Unternehmen<br />
wurde für das Organisationstalent Charlotte<br />
Heuser zur grossen Herausforderung. Als<br />
Frau der ersten Stunde half sie Pressechef<br />
Adolf Hüngsberg, dessen Assistentin Jutta<br />
Sein und PR-Dame Marion Bell (heutige<br />
Ehefrau von TTE-Boss Ove Andersson)<br />
beim Aufbau der hauseigenen Sportabteilung,<br />
hob den Starlet-Cup als ersten Markenpokal<br />
im Rallyesport mit aus der Taufe<br />
und betreute Toyotas zunächst bescheidene<br />
Aktivitäten in der Rallye-DM. Wenn<br />
mal ein Copilot fehlte, sprang sie freudig<br />
ein, und wenn keiner fürs Serviceauto da<br />
war, übernahm sie auch diesen Job.<br />
Der Sport lief bei ihr allerdings nur nebenbei<br />
als «Berufshobby». Ihre eigentliche<br />
Tagesarbeit bestand in der Verwaltung<br />
von Toyotas Testwagen-Fuhrpark. Der umfasste<br />
in guten Zeiten bis zu 140 Autos.<br />
161<br />
Als die flotte Charlotte nach 25 Toyota-Jahren<br />
1990 in den Vorruhestand ging,<br />
verloren die «Kölschen Japaner» eine ihrer<br />
treuesten Mitarbeiterinnen. «Sie war<br />
Toyotas gute Seele», erinnert sich MSa-<br />
Rallye-Experte Rolf F. Nieborg. «Immer ansprechbar,<br />
immer hilfsbereit und niemals<br />
übellaunig.»<br />
Heute lebt Charlotte Heuser (67) als<br />
Single in Frechen bei Köln. Ihren Ruhestand<br />
nutzt sie zu zahlreichen Sportaktivitäten,<br />
darunter Mountainbiking, Segeln,<br />
Schwimmen und Wandern. Die Mutter von<br />
zwei Söhnen (48, 43) und einer Tochter<br />
(44) ist fest davon überzeugt, «dass Bewegung<br />
gerade im Alter wichtiger ist als<br />
alles andere». Übrigens freut sie sich auch<br />
noch über sieben Enkelkinder im Alter zwischen<br />
1 und 18 Jahren.<br />
Ihren geliebten Motorsport hat sie keineswegs<br />
aus den Augen verloren. Als Copilotin<br />
von Heidi Hetzer startet sie noch<br />
oft bei historischen Rallyes, und einmal im<br />
Monat trifft sie sich zum Stammtisch mit<br />
der alten Kölner Rallye-Zunft. Damit es ihr<br />
nicht langweilig wird, plant sie als nächstes<br />
eine Reise nach Südamerika und Australien.<br />
Und dann ist da noch was: «Ich<br />
träume davon, mit einem Boot um die Welt<br />
zu segeln. Wenn ich das auch noch hinkriege,<br />
bin ich glücklich.»<br />
Frühe Toyota-Jahre: Heuser 1976<br />
Sportlicher Single: Heuser heute<br />
Jenseits von Afrika: Denker/Heuser 1970 bei einer Rallye in Südafrika
162<br />
Kling, Alfred (MSa 27/2003)<br />
Der DKW-Schwabe<br />
lfred Kling aus dem schwäbischen<br />
ASchömberg zählte zum Kreis der<br />
grossen Tourenwagen-Akteure der 50erund<br />
60er-Jahre. Der Kfz-Meister und Hotelier<br />
gehörte zur berühmten «Pforzheim-<br />
Connection», die mit Kurt Geiss, Fred Katz<br />
und Roger Schweickert vor allem bei den<br />
diversen Bergrennen kräftig abräumte.<br />
Kling, der seine Rennwurzeln im Motorradsport<br />
hatte, galt mit seinen selbst vorbereiteten<br />
DKW F11, F12 und 1000 S als<br />
versiertester und schnellster Mann innerhalb<br />
des Pforzheimer Quartetts. Zwei Bergund<br />
ein Rallye-Titel so<strong>wie</strong> weit über 100<br />
Siege dokumentieren seine Extraklasse.<br />
Bis auf ein kurzes Gastspiel im Mercedes-Werksteam<br />
vertraute Kling hauptsächlich<br />
auf die Ingolstädter Marke DKW.<br />
«Meine selbst gemachten Motoren», stellt<br />
der Zweitaktspezialist klar, «waren oftmals<br />
schneller als die vom Werk.»<br />
Der ehemalige Porsche-Rennleiter Peter<br />
Falk, seit den 50er-Jahren einer von Klings<br />
engsten Freunden, hatte seinerzeit mitgeholfen,<br />
dem Klingschen DKW Beine zu<br />
machen: «Der Alfred war ein ebenso guter<br />
Techniker <strong>wie</strong> Rennfahrer», erinnert sich<br />
Falk. «Wir sind oft als Team bei Rallyes angetreten.»<br />
Der Porsche-Mann macht auch<br />
keinen Hehl daraus, «dass ich dem Alfred<br />
Kling beruflich sehr viel zu verdanken<br />
habe». Der Stuttgarter Eberhard Mahle als<br />
einer der Spitzenpiloten aus der Kling-Ära<br />
spart ebenfalls nicht mit Lob: «Er war<br />
immer ein strammer Konkurrent im Titelkampf,<br />
vor allem aber ein gemütlicher und<br />
überaus fairer Zeitgenosse, der niemals auf<br />
die Idee gekommen wäre, gegen einen<br />
Konkurrenten zu protestieren.»<br />
Der einstige DKW-Star Alfred Kling ist<br />
mittlerweile beinahe 78 Jahre alt und lebt<br />
unverändert in seinem Heimatdorf Schömberg.<br />
Gegenwärtig erholt er sich noch von<br />
den Folgen eines vor zwei Jahren erlittenen<br />
Schlaganfalls. Seine Gemahlin Lotte,<br />
die seit 50 Jahren unerschütterlich an<br />
seiner Seite ist, so<strong>wie</strong> die ältere der beiden<br />
Kling-Töchter führen das 60-Betten-Familienhotel<br />
«Krone». Der Genesungsprozess<br />
des Hausherrn macht so gute Fortschritte,<br />
dass er schon <strong>wie</strong>der im Hotel mithelfen<br />
und seinem grossen Steckenpferd, der<br />
Kleinwild-Jagd im Gemeinderevier, nachgehen<br />
kann.<br />
Auch den traditionellen «Stuttgarter<br />
Motorsportstammtisch» steuert er nach<br />
<strong>wie</strong> vor gerne an, um seine alten Weggefährten<br />
zu treffen. Besonders stolz ist<br />
der Altmeister auf seine sportiven Töchter<br />
Karin und Susanne, die als Damenteam<br />
schon so manchen Rallyepokal mit nach<br />
Hause gebracht haben.<br />
Karriere im DKW: Kling 1967<br />
Hotelier und Jäger: Kling heute<br />
Eingespieltes Duo: Kling (r.) und Falk im DKW 1000 S vor der Monte 1959
Koch, Gerhard (MSa 15/2003)<br />
Flotter Spediteur<br />
erhard Koch ist einer der klassischen<br />
GVertreter jener Porsche-Carrera-Clique,<br />
die in den 60er-Jahren die Siege im GT-<br />
Sport unter sich aufteilte. Im wilden Carrera-Club<br />
um Herbert Linge, Paul-Ernst<br />
Strähle, Ben Pon, Udo Schütz oder Gijs van<br />
Lennep fühlte sich der Juniorchef einer<br />
Neusser Grossspedition so richtig wohl. Jeder<br />
schlug jeden, man focht hochdramatische<br />
Kämpfe untereinander und gegen die<br />
Ferrari 250 GTO und Abarth 2000 aus.<br />
Dabei hat speziell die Zeit mit dem eleganten,<br />
lang gestreckten Abarth-Carrera<br />
ihren Platz in der Historie des Grand-Tourismo-Sports.<br />
Der baumlange Koch hatte<br />
stets seine liebe Not, seine 1,94 Meter im<br />
Cockpit des ultraflachen Abarth-Carrera<br />
zusammenzufalten. Was ihn nicht daran<br />
hinderte, 1962 den Titel im deutschen GT-<br />
Rundstrecken-Championat einzufahren.<br />
Weil der coole Rheinländer als sichere<br />
Bank für Siege galt, holte ihn Porsche für<br />
vier Jahre ins Werksteam, wo er Bekanntschaft<br />
machte mit dem 904 GTS, dem Carrera<br />
6 und dem offenen 908. Als wertvollsten<br />
Erfolg bezeichnet er den zusammen<br />
mit Toni Fischhaber im 904 GTS erkämpften<br />
zweiten Platz in Le Mans. Am Ende seiner<br />
11-jährigen Erfolgslaufbahn standen<br />
für Koch rund 150 Siege aus 450 Rennen<br />
zu Buche. Der Abschied von der Rennerei<br />
163<br />
ergab sich notgedrungen, als sein Vater<br />
plötzlich starb: «Ich musste die Verantwortung<br />
für die Spedition und 500 Lkw<br />
übernehmen – da kann man sich nicht<br />
mehr unbelastet in ein Rennauto setzen.»<br />
Mit Frau Marie-Luise, die er 1962 am Tag<br />
seines Titelgewinns auf der Solitude kennen<br />
lernte, lebt der 67-Jährige heute in<br />
Remscheid. Die Tochter (33) ist Tierärztin,<br />
der Sohn (31) Unternehmensberater. Die<br />
Spedition hat Koch vor zehn Jahren verkauft,<br />
nachdem eine Krebserkrankung andere<br />
Prioritäten erzwang. Trotz acht Operationen<br />
und unsäglicher Leidenszeit über<br />
viele Jahre hat er die Krankheit mit eisernem<br />
Willen und Disziplin besiegt.<br />
Die permanente Angst vor einem Rückfall<br />
verdrängt er jeden Tag aufs Neue. «Mir<br />
geht’s <strong>wie</strong>der gut, ich geniesse mein zweites<br />
Leben und pflege mein Hobby.» Das ist<br />
die Hochwild-Jagd im eigenen Revier bei<br />
Bitburg so<strong>wie</strong> der sonntägliche Jägerstammtisch.<br />
Alle zwei Jahre gönnt er sich<br />
einen Ausflug zur Grosswildjagd nach Afrika.<br />
Leerlauf gibt es für ihn aber auch zwischen<br />
den Jagdausflügen nicht: «Seit meine<br />
Frau von ihrem Vater zwei VW-Betriebe,<br />
ein Audi- und ein Skoda-Zentrum in<br />
Remscheid übernommen hat, helfe ich ein<br />
bisschen mit. Denn nur Faulenzen ist auch<br />
nicht mein Ding.»<br />
Die Gegner besiegt: Koch 1966<br />
Den Krebs besiegt: Koch heute<br />
Goldene 60er-Jahre: Gerhard Koch im Porsche 908 auf dem Norisring
164<br />
illy König liess die Herzen deutscher<br />
WFerrari-Fans in den 60er-Jahren höher<br />
schlagen. Nachdem der Münchner Verlagskaufmann<br />
zuvor schon mit einem Borgward<br />
Isabella TS Berge und Flugplätze unsicher<br />
gemacht hatte, gab es im Ferrari 250<br />
GT kein Halten mehr: Im bildschönen Berlinetta-Coupé<br />
stürmte der Bayer derart<br />
flott über die Bergkurse, dass der Konkurrenz<br />
nur noch Resignation blieb. Selbst der<br />
legendäre Berg-Papst Sepp Greger und sein<br />
fast unschlagbarer Porsche Carrera wurden<br />
vom Lokalrivalen gnadenlos verblasen –<br />
und das ausgerechnet auf Gregers Hausstrecke<br />
am Gaisberg. Dort verpasste ihm<br />
König satte zehn Sekunden. Krönung des<br />
Rekordjahres 1962 war für den Mann im<br />
silbergrauen Ferrari der Gewinn des deutschen<br />
GT-Bergtitels. Nach vielen weiteren<br />
erfolgreichen Auftritten zog er sich 1968<br />
vom aktiven Sport zurück, um sich seinen<br />
Geschäften zu widmen.<br />
Fast 20 Jahre später kam es zum Rücktritt<br />
vom Rücktritt. Mit beinahe 50 Jahren<br />
klemmte sich der inzwischen etablierte<br />
Autoveredler und -Tuner <strong>wie</strong>der hinters<br />
Lenkrad, um sich mit schweren Kalibern<br />
<strong>wie</strong> etwa Porsche 962, Porsche 935 Turbo<br />
oder BMW M1 auszutoben. Nach neuer Siegesserie<br />
folgte im Oktober 1990 der<br />
Schock: Bei einer Testfahrt auf dem alten<br />
König, Willy (MSa 37/2003)<br />
Der Überflieger<br />
Österreichring bekam sein Porsche 935 K3<br />
am Sprunghügel vor der Rindt-Kurve Unterluft.<br />
Das 800-PS-Geschoss stieg mit gut<br />
250 km/h auf, rasierte im Vorbeiflug in<br />
acht Metern Höhe ein TV-Stahlgerüst ab<br />
und überschlug sich dann mehrmals.<br />
«Wäre nicht zufällig ein Arzt vor Ort gewesen,<br />
hätte ich den grausamen Crash<br />
nicht überlebt.» Eine Notoperation an Ort<br />
und Stelle rettete ihn, an die zehn weitere<br />
Eingriffe folgten im Laufe der Jahre.<br />
Noch heute leidet König an den Spätfolgen<br />
seiner Brüche und Verletzungen,<br />
darunter ein Bauchvenenriss und eine perforierte<br />
Lunge durch eingedrungene Rippen.<br />
«Aber es geht mir <strong>wie</strong>der ganz gut»,<br />
vermeldet der mittlerweile 65-Jährige. Zusammen<br />
mit seiner Frau Rosi (seit 1966 an<br />
seiner Seite) und den Söhnen Walter (36)<br />
und Oliver (32) teilt er sich die Führung<br />
des Verlags- und Tuning-Betriebs.<br />
Von der Rennerei hat König nun endgültig<br />
genug, aber PS-starke Sportwagen<br />
bleiben dennoch seine heimliche Liebe.<br />
Das gilt übrigens auch für seine Heimat<br />
Bayern: «Ich bin fest verwurzelter Münchner<br />
mit Leib und Seele. Hier möchte ich<br />
den Rest meines hoffentlich noch langen<br />
Lebens verbringen. Bayern ist viel schöner<br />
als Malta oder Mallorca.» So spricht<br />
eben ein wahrer Patriot.<br />
Ferrari-Fan: Willy König 1962<br />
Bayern-Fan: Willy König heute<br />
Da verzweifelte sogar Greger: König ’68 im Ferrari 275 am Schauinsland
Konrad, Anton (MSa 06/2003)<br />
Der Vau-Mann<br />
165<br />
nton Konrad geht bei jenen, die ihn<br />
Anicht näher kennen, rein optisch leicht<br />
als Finanzbeamter oder Buchhalter durch.<br />
Doch dieser Eindruck trügt gewaltig. Der<br />
Mann hat dem internationalen Motorsport<br />
mit der Rennwagenklasse «Formel V» eine<br />
Art Massenbewegung beschert. Als Generalsekretär<br />
des in München stationierten<br />
und von Volkswagen gestützten Verbandes<br />
«Formel V Europa» lenkte der gelernte<br />
Journalist die VW-Monopostoklasse mit<br />
strammem Management in ebenso geordnetes<br />
<strong>wie</strong> professionelles Fahrwasser. Zwischen<br />
1968 und 1972 machte er aus der<br />
FV 1300 einen weltweiten Markenartikel<br />
und bereitete parallel dazu die Vermarktung<br />
und Einführung der Formel Super V<br />
1600 vor.<br />
«Das war eine irre Zeit», schwärmt Konrad<br />
mit glänzenden Augen, «der Umgang<br />
mit den jungen Wilden <strong>wie</strong> Rosberg, Marko,<br />
Lauda oder Pankl war faszinierend und<br />
aufregend zugleich. Mit denen habe ich so<br />
irre Sachen erlebt – das glaubt mir heute<br />
kein Mensch mehr.» Zwischendurch zwängte<br />
sich der Macher und Manager selbst ins<br />
FV-Cockpit, startete sogar mal neben Lauda<br />
in Hockenheim aus der ersten Reihe und<br />
galt als kompetenter Racer.<br />
Das änderte sich auch nicht, als ihn VW<br />
1972 nach Wolfsburg berief, um erst die Leitung<br />
der Motorpresse und später die Konzern-Kommunikation<br />
zu übernehmen.<br />
Highlight seiner rennsportlichen Ausflüge<br />
war 1976 der Gewinn des Europatitels für<br />
Serien-Tourenwagen gemeinsam mit Audi-<br />
Ingenieur Hans Nowak in einem Audi 80 GT.<br />
Heute lebt der inzwischen 65-jährige<br />
Konrad, seit 37 Jahren verheiratet mit Ehefrau<br />
Bettina (zwei Töchter, zwei Enkel), als<br />
selbstständiger Industrie-PR-Berater in<br />
Hamburg. Einer seiner wichtigsten und besten<br />
Kunden ist ZF-Sachs. Der Job für den<br />
Stossdämpfer- und Kupplungs-Spezialisten<br />
hat die Verbindung zur Rennszene <strong>wie</strong>der<br />
vertieft. Mit wachem Geist und scharfem<br />
Blick beobachtet und analysiert er das aktuelle<br />
Geschehen.<br />
So ist ihm auch nicht entgangen, «dass<br />
die neue Formel VW zwar technisch top ist,<br />
aber Rennverläufe und Atmosphäre nur ein<br />
müder Abklatsch der 70er-Jahre sind».<br />
Wann immer er zum Ring kommt, gönnt er<br />
sich im Leihwagen eine flotte Nordschleifen-Runde,<br />
«weil das einfach sein muss».<br />
Genauso <strong>wie</strong> seine Hobbys Golf (Handicap<br />
24), Fahrrad fahren und Joggen.<br />
Deshalb fühlt er sich auch topfit und<br />
denkt vorerst nicht ans Aufhören: «Solange<br />
ich in 50 Minuten um die Alster joggen<br />
kann, kann ich auch guten Gewissens noch<br />
arbeiten.»<br />
PR-Macher bei VW: Konrad 1972<br />
Berater bei Sachs: Konrad heute<br />
Flotter Formel-V-Racer: Konrad 1969 im Austro V 1300 in Hockenheim
166<br />
Linzen, Peter (MSa 20/2003)<br />
Rallye-Botschafter<br />
eter Linzen <strong>wie</strong>s 15 Jahre lang seinen<br />
PPiloten als professioneller Beifahrer<br />
den rechten Weg auf Europas Rallyepfaden.<br />
Mit fester Stimme dirigierte der stämmige<br />
Autoverkäufer (Porsche und Mercedes-Lkw)<br />
Topleute <strong>wie</strong> Gerd Raschig, Walter<br />
Schewe oder Reinhard Hainbach routiniert<br />
und trickreich auf Erfolgskurs. Ob<br />
BMW, Irmscher-Opel, Porsche 911 oder<br />
Ford Escort RS – wo Linzen drin sass, waren<br />
Sieg- und Titelchancen meist intakt.<br />
Als Höhepunkte seiner Copiloten-Karriere<br />
gelten der Gewinn der Deutschen Rallye-Meisterschaft<br />
’78 mit Hainbach und<br />
der Gesamtsieg bei der Hunsrück-Rallye<br />
ebenfalls mit Hainbach über einen Grossteil<br />
der damaligen Weltelite. Und natürlich<br />
die sensationelle Vorstellung bei der RAC-<br />
Rallye mit Schewe im Porsche 911. Allerdings<br />
gab’s auch einen Tiefpunkt: «Wenn<br />
du in zehn DM-Läufen zehn Mal mit Technik-Defekt<br />
ausfällst», erinnert sich Linzen<br />
an eine Katastrophensaison mit Gerd Raschig<br />
im 6er-BMW, «ist das wirklich nicht<br />
mehr zum Lachen.»<br />
Dabei waren es gerade der Spass, die<br />
gute Laune und die kernigen Sprüche, mit<br />
denen Linzen seine Mitbewerber oft genug<br />
verunsicherte. «Das gehörte bei ihm zur<br />
psychologischen Kriegsführung», wissen<br />
einstige Gegner, denen die derben Auftritte<br />
des Osnabrückers noch gut im Gedächtnis<br />
sind. Mit der stolzen Bilanz von rund<br />
100 Siegen aus etwa 400 Starts beendete<br />
Linzen 1978 seine aktive Laufbahn. «Die<br />
Luft war einfach raus, neue Herausforderungen<br />
haben gefehlt.»<br />
Die gab es alsbald bei der ONS (heute<br />
DMSB): Linzen wurde als Fahrervertreter in<br />
die Sportkommission berufen, reiste noch<br />
bis 1998 als Rallye-Observer und Sportkommissar<br />
zu DM-, EM- und WM-Läufen<br />
und führte den deutschen Rallyesport auch<br />
durch sch<strong>wie</strong>rige Zeiten. «Vor allem die Zusammenarbeit<br />
mit dem damaligen ONS-Geschäftsführer<br />
Siggi von Kahlen war ebenso<br />
angenehm <strong>wie</strong> konstruktiv.»<br />
Mittlerweile ist Linzen 58 Jahre alt, lebt<br />
mit Ehefrau Margret und den Kindern (ein<br />
16-jähriger Sohn, eine 11-jährige Tochter)<br />
als Vorruheständler in seiner Heimatstadt<br />
Osnabrück. Gesundheitlich ist bis auf eine<br />
Diabetes fast alles im grünen Bereich.<br />
Geblieben ist natürlich die Liebe zum<br />
Rallyesport. So geht’s noch immer einmal<br />
pro Jahr zur Monte, die restlichen WM- und<br />
DM-Rallyes verfolgt er im Fernsehen.<br />
«Schade nur, dass man so wenig Kontakt<br />
mit den alten Weggefährten hat», beklagt<br />
Linzen. Wir empfehlen den Besuch des<br />
nächsten «Klassentreffens» am 6. Dezember<br />
in Essen.<br />
Trickreicher Copilot: Linzen 1977 Noch immer Rallye-Fan: Linzen ’03<br />
Über Stock und Stein: Das Erfolgsduo Hainbach/Linzen 1977 im Escort RS
urt Lotterschmid ist ein Prachtexemp-<br />
aus der Abteilung «bayerischer Dick-<br />
Klar<br />
schädel». Hatte sich im Kopf des ehrgeizigen<br />
Kfz-Meisters und Konstrukteurs aus<br />
Kolbermoor bei Rosenheim eine Idee festgesetzt,<br />
zog er sie auch gnadenlos durch.<br />
Das war schon so, als er in der Formel-V-<br />
Blütezeit Ende der 60er-Jahre als Nobody<br />
gegen vermeintlich unschlagbare Superstars<br />
antrat – und gewann. Weder am Berg<br />
noch auf Rundstrecke konnten die Etablierten<br />
vor ihm sicher sein. Das blieb auch<br />
so, als er später mit der LOTEC-BMW-Eigenkonstruktion<br />
Sportwagenrennen bestritt<br />
und zwei Interserie-Titel einfuhr. Einer<br />
seiner wichtigsten Förderer und Sponsoren<br />
war der heutige ADAC-Sportpräsident<br />
Hermann Tomczyk (HERTO-Schuhe).<br />
Sogar in der Topliga Rennsportmeisterschaft<br />
setzte sich Lotterschmid als Gewinner<br />
der Subwertung «Gruppe C Junior»<br />
durch. Seine DRM-Auftritte nutzte der Gerechtigkeitsfanatiker<br />
auch dazu, gegenüber<br />
einem namhaften Porsche-Team seine<br />
Vorstellung von der Einhaltung geltender<br />
Reglements durchzusetzen. «Ich lass’<br />
mich von denen nicht verarschen», polterte<br />
der Bayer damals und zog das Protestverfahren<br />
über sämtliche Instanzen durch.<br />
Das beklagte Porsche-Team wurde<br />
schliesslich neben einer Geldstrafe von<br />
Lotterschmid, Kurt (MSa 35/2003)<br />
Der Dickschädel<br />
167<br />
10 000 Mark zu einer Sperre verdonnert.<br />
Noch 20 Jahre später erinnert sich Lotterschmid<br />
mit Schaudern: «Ich wurde anonym<br />
mit Mord bedroht und habe monatelang<br />
nur mit dem Revolver unterm Kopfkissen<br />
geschlafen.»<br />
Solche Ängste muss der 62-Jährige<br />
längst nicht mehr ausstehen. Seine LOTEC<br />
GmbH hat sich als Spezial-Unternehmen<br />
für Karosserieumbauten und Sonderkonstruktionen<br />
einen Namen gemacht. Unter<br />
der weltweiten Kundschaft befindet sich<br />
auch Scheich Al Maktoum in Dubai, dem<br />
LOTEC einen 5,6-Liter-Mercedes V8 mit<br />
zwei Turbos und 850 PS lieferte. Das ehrgeizigste<br />
LOTEC-Projekt aber ist der «Sirius».<br />
Eckdaten des Mittelmotor-Sportwagens:<br />
Knapp 1000 PS, 6-Liter-V12-Doppelturbo,<br />
400 km/h, ca. 850 000 Euro. Geplant<br />
ist eine Kleinserie von fünf Autos.<br />
«Ich gebe erst Ruhe, wenn der Sirius rollt<br />
und seine Kundschaft gefunden hat.»<br />
Damit haben sich wohl auch Frau Renate<br />
(seit 1985 an seiner Seite), die zwei<br />
Töchter (16, 11) und der Sohn (18) abgefunden.<br />
Im Alter von 60 Jahren hat Lotterschmid<br />
übrigens das Kartfahren entdeckt,<br />
mit einem Schaltkart macht er Inund<br />
Outdoor-Bahnen unsicher. Das Kartfieber<br />
grassiert sogar im Urlaub: «Wohnwagen<br />
am Gardasee, Kart nebenan.»<br />
Kampf ums Recht: Lotterschmid ’82 Kampf um Kunden: Lotterschmid ’03<br />
Titel bei den «Kleinen»: Lotterschmids Lotec-C-Junior in der DRM 1982
168<br />
Lyding, Wilhelm (MSa 41/2003)<br />
Macher & Mentor<br />
ilhelm Lyding muss zum kleinen Kreis<br />
Wjener Männer gezählt werden, die im<br />
deutschen Motorsport wirklich grosse Dinge<br />
bewegt haben. So gelangen dem früheren<br />
ADAC-Sportchef, ONS-Präsidenten und<br />
FIA-Vize Projekte <strong>wie</strong> etwa die Realisierung<br />
der ONS-Formel-3-Nachwuchsförderung<br />
(mit Michael Schumacher, Jörg Müller<br />
und Heinz-Harald Frentzen), die Etablierung<br />
des Supertourenwagen-Cups<br />
(STW) oder die Rückkehr der Formel 1 zum<br />
Nürburgring.<br />
Kontakt zur Basis und Praxisnähe bestimmten<br />
das Handeln des ADAC-Mannes,<br />
der in seiner Jugendzeit als Motorrad- und<br />
Automobilsportler selbst jahrelang aktiv<br />
und erfolgreich war. Immerhin reichte es<br />
zum Klassensieg bei der Rallye Monte Carlo<br />
und zu achtbaren Resultaten bei anderen<br />
Rallyes und Rennen.<br />
1997 hat Lyding, ausgezeichnet mit<br />
dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und<br />
dem Bayerischen Verdienstorden, alle Ämter<br />
aus Altersgründen niedergelegt. «Man<br />
muss auch loslassen und Platz für Jüngere<br />
machen können», begründet der heute<br />
fast 75-Jährige. Aber auch als Pensionär<br />
beschäftigt sich Lyding noch hobbymässig<br />
mit seinem Lieblingsthema Nachwuchsförderung.<br />
So gelang es ihm, die<br />
«ADAC Stiftung Sport» als finanziell gut<br />
ausgestattetes neues Instrument für die<br />
Förderung von talentierten Motorrad- und<br />
Automobilsportlern erfolgreich auf den<br />
Weg zu bringen.<br />
Zusammen mit Ehefrau Irmelin (die beiden<br />
sind seit beinahe 50 Jahren verheiratet<br />
und haben drei Töchter, 47, 46, 38)<br />
lebt Lyding gesund und putzmunter in<br />
Puchheim bei München. Sein Verlagsbüro<br />
hat er verkauft. An Langeweile oder gar<br />
Vereinsamung leidet der einstmals mächtigste<br />
Mann des deutschen Motorsports<br />
jetzt aber keineswegs. So erscheint er hin<br />
und <strong>wie</strong>der persönlich an den Rennpisten,<br />
«um mich über den Leistungsstand des<br />
deutschen Nachwuchses zu informieren».<br />
Zusätzlich gönnt er sich pro Jahr mindestens<br />
einen Formel-1-GP und einen DTM-<br />
Lauf live vor Ort. Der grosse Rest findet zu<br />
Hause vorm Fernsehgerät statt, darunter<br />
regelmässig die Rallye- und Motorrad-WM.<br />
Und wenn ihm dann noch immer freie<br />
Zeit bleibt, kümmert er sich um seine<br />
selbstgezogenen Bonsai-Bäumchen oder<br />
schreibt an weiteren Kapiteln für sein geplantes<br />
Buch (Arbeitstitel: «Die Geschichte<br />
des deutschen Motorsports nach dem 2.<br />
Weltkrieg»). Lydings grösster Wunsch für<br />
die Zukunft: «Dass möglichst bald ein neuer<br />
Schumacher oder Waldmann aus der<br />
ADAC-Sport-Stiftung hervorgehen möge.»<br />
Aktiver und Förderer: Lyding 1960<br />
Bonsaipflanzer: Lyding heute<br />
Praxistest: Lyding im Opel Commodore bei der Rallye Monte Carlo 1976
Motorsport im ADAC<br />
Für Rennprofis<br />
eine gute Tradition<br />
Seit Generationen vertrauen Rennprofis<br />
dem ADAC. Und sind damit am Ring<br />
immer sehr gut gefahren.<br />
www.adac.de/motorsport<br />
e-mail: motorsport@adac.de
170<br />
lfred Noell war und ist auch mit fast 70<br />
Anoch Filmemacher aus Leidenschaft.<br />
Schon in den frühen 60er-Jahren brach er<br />
als Chef der TV-Produktionsfirma «Cine Relation»<br />
im Januar regelmässig zur Rallye<br />
Monte Carlo auf, um als Kameramann und<br />
Reporter in Personalunion von den Glanztaten<br />
der Herren Aaltonen, Hopkirk, Carlsson<br />
& Co. zu berichten.<br />
Bei seinen «Drehs» suchte er stets das<br />
maximal Machbare. So liess sich «Ali», <strong>wie</strong><br />
ihn seine Freunde noch heute nennen, öfter<br />
auf der Motorhaube eines Begleitautos<br />
festzurren, um besonders eindrucksvolle<br />
Drifts einzufangen. Hunderte von Beiträgen<br />
über die Monte, die Safari und andere<br />
Motorsport-Grossereignisse hat der Kölner<br />
im Laufe der Jahre bei seinem Haussender<br />
WDR und den ARD-Paradesendungen<br />
Tagesschau und Sportschau platziert.<br />
Parallel zu seinen leidenschaftlichen<br />
Sport-Reportagen entwickelte der umtriebige<br />
TV-Mann den Dauerbrenner «Der 7.<br />
Sinn». Die ARD-Sendereihe mit nützlichen<br />
Tipps für den Verkehrsalltag ist seit 1966<br />
bundesweit mehr als 1400 Mal ausgestrahlt<br />
worden. Seit 36 Jahren läuft Folge<br />
für Folge mit dem gleichen Team: Alfred<br />
Noell als Regisseur und Autor, Egon Hoegen<br />
als die Stimme aus dem Off. Weitere<br />
TV-Formate (unter anderem auch im ZDF)<br />
Noell, Alfred (MSa 04/2003)<br />
Alis 7. Sinn<br />
mit Schwerpunkt Verkehrssicherheit kamen<br />
im Laufe der Jahre hinzu. Honoriert<br />
wurden die Produktionen des Rheinländers<br />
mit über 50 Auszeichnungen, darunter das<br />
Bundesverdienstkreuz, acht Christophorus-Preise<br />
und die Graf-Berghe-von-Trips-<br />
Medaille.<br />
Heute residiert Alfred Noell mit seinem<br />
Unternehmen «Cine Relation» und Lebensgefährtin<br />
Angela Recino (die zugleich<br />
auch als CR-Geschäftsführerin agiert) in<br />
Bergisch Gladbach. «Ein berufliches<br />
Ende», vermeldet der kerngesunde Fast-<br />
Siebziger, «ist für mich nicht absehbar.»<br />
Will heissen: Weiter 7. Sinn, weiter soziales<br />
Engagement für den von ihm gegründeten<br />
Verein HVK (Hilfe für das verkehrsgeschädigte<br />
Kind), weiter Beiträge über<br />
Oldtimer-Events.<br />
Ohnehin zählt die historische Szene zu<br />
seinen Hobbys; ein Fiat Dino Coupé und<br />
ein Mercedes 280 SL wollen in Schuss gehalten<br />
und bewegt werden. Noch heute<br />
pflegt er freundschaftliche Kontakte zu<br />
Hans Herrmann, Rauno Aaltonen und den<br />
alten Kölner Ford-Seilschaften. Für den<br />
Fall, dass es doch mal eine Art Ruhestand<br />
geben sollte, schwebt ihm Konkretes vor:<br />
«Eine Weinplantage in Südafrika oder den<br />
USA mit Anbau eines guten Tropfens – am<br />
besten weiss und trocken.»<br />
Rallye-Freak: Ali Noell anno 1970<br />
Noell heute: Für den 7. Sinn geehrt<br />
Noell-Weggefährte und -Freund: Rauno Aaltonen 1971 am Col de Turini
Oebels, Hubert (MSa 45/2003)<br />
Trips-Weggefährte<br />
ubert Oebels hat ein ebenso aufregen-<br />
<strong>wie</strong> vielseitiges Motorsportleben<br />
Hdes<br />
hinter sich. Der heute 80-Jährige aus Düren<br />
erlebte die 50er- und 60er-Jahre als<br />
erfolgreicher Rennfahrer (Porsche, Borgward,<br />
Volvo, BMW), kurbelte als erster Importeur<br />
das Geschäft mit Rennkarts in<br />
Nordrhein-Westfalen an, war einer der<br />
engsten Wegbegleiter von Wolfgang Graf<br />
Berghe von Trips, gehörte zu den Gründungsmitgliedern<br />
der berühmten «Scuderia<br />
Colonia» und leitete 22 Jahre lang den<br />
Valvoline-Renndienst. Diesen Job erledigte<br />
der rüstige Rennsport-Freak bis zu seinem<br />
75. Lebensjahr, bevor er sich endgültig<br />
in den Ruhestand verabschiedete.<br />
Als ehemaliger Präsident und Ehrenpräsident<br />
des von seinem Freund Trips initiierten<br />
SC-Colonia-Rennfahrerclubs pflegt<br />
er noch immer den Mythos des Renngrafen<br />
in Gestalt des Rennsport-Museums<br />
«Villa Trips» auf Burg Hemmersbach in Kerpen-Horrem.<br />
Oebels gilt als einer der Letzten,<br />
mit denen Trips noch kurz vor dem<br />
verhängnisvollen Grossen Preis von Italien<br />
in Monza am 10. September 1961 gesprochen<br />
hat. Bei der Kollision mit Jim<br />
Clark in der Startrunde kamen neben dem<br />
WM-Leader 13 Zuschauer ums Leben. Aus<br />
den gemeinsamen Jahren besitzt der Trips-<br />
Freund neben zahlreichen Fotos auch noch<br />
171<br />
mehr als 3000 Meter Super-8-Filmmaterial,<br />
das von Experten als besonders wertvoll<br />
und exklusiv eingeschätzt wird.<br />
Durch sein Engagement bei Valvoline<br />
wurde der stets froh gelaunte Rheinländer<br />
speziell im Breitensport zu einer festen<br />
Grösse und zum kompetenten Ansprechpartner<br />
im Fahrerlager. «Vor allem die Formel-Ford-Zeit<br />
mit den vielen jungen Talenten<br />
der 80er-Jahre gehören zu meinen<br />
schönsten Erinnerungen», schwärmt der<br />
ehemalige Valvoline-Mann. «Aber auch mit<br />
meiner übrigen Kundschaft hatte ich viel<br />
Freude und Spass.»<br />
Deshalb macht er sich auch heute noch<br />
hin und auf zum Nürburgring oder nach<br />
Zolder, um Rennluft zu schnuppern und mit<br />
alten Weggefährten zu plaudern. Überdies<br />
startet Oebels öfter mal bei Oldtimer-Rallyes<br />
im Porsche Speedster seines Freundes<br />
Eberhard Hess. Nach <strong>wie</strong> vor lebt «Hubsi»<br />
mit seiner Frau Irmgard (eine Tochter, 37,<br />
ein Enkel, 6) in seiner Heimatstadt Düren<br />
und will dort uralt werden.<br />
An diesem Vorhaben sollen ihn auch<br />
eine Herzoperation mit drei Bypässen so<strong>wie</strong><br />
ein Herzschrittmacher nicht hindern.<br />
«Ich habe das neueste US-Modell, besonders<br />
gross und besonders stark. Und ausserdem:<br />
Mein Grossvater wurde 106, meine<br />
Grossmutter 102, meine Mutter 100.»<br />
Des Grafen Begleiter: Oebels 1960<br />
Wird hoffentlich auch 100: Oebels<br />
Früheres Oebels-Reich im Fahrerlager: Servicebus und Sieger-Oldtimer
172<br />
Pauli, Peter (MSa 14/2003)<br />
Ring-Zeitnehmer<br />
eter Pauli arbeitete stets nach dem<br />
PGrundsatz: «Ein guter Zeitnehmer sieht<br />
weder Freund noch Feind, sondern nur<br />
Startnummer und Zeit.» Dieses Motto absoluter<br />
Neutralität und Unbestechlichkeit<br />
begleitete ihn 50 Jahre lang bei mehr als<br />
1000 Einsätzen. 1948 trat er erstmals als<br />
Aushilfsrechner im Zeitnahmeteam des<br />
Dieburger Dreiecksrennens an, 1998 beim<br />
historischen 750-Meilen-Rennen auf dem<br />
Nürburgring hatte er den letzten Einsatz.<br />
Speziell die Eifelrennstrecke vor den Toren<br />
seiner Heimatstadt Bonn hatte es ihm<br />
angetan, hier absolvierte er die meisten<br />
Einsätze, hier wurde er vorrangig für den<br />
ADAC Nordrhein zum unverzichtbaren Partner.<br />
Pauli hat die zuerst schleppende, dann<br />
fast stürmische Entwicklung der Zeiterfassung<br />
im Rennsport in jeder Phase miterlebt<br />
– von der simplen Stoppuhr bis zur<br />
computergesteuerten Zeitmessung via<br />
Transponder.<br />
Als Elektronik und Computer in der Zeiterfassung<br />
noch Fremdwörter waren, tat<br />
sich Pauli bereits mit innovativen Ideen<br />
als Spezialist für das Errechnen von Durchschnittsgeschwindigkeiten<br />
hervor. Als Berühmtheit<br />
gilt sein ein Meter langer Rechenschieber,<br />
mit Hilfe dessen er die Stundenmittel<br />
der Rundenzeiten bis auf eine<br />
Stelle hinter dem Komma ermittelte. Und<br />
das Nachkontrollieren von Hand liess er<br />
sich selbst in den Jahren mit modernstem<br />
Equipment nie nehmen («Elektronik ist<br />
gut, Kontrolle noch besser»). Wo andere<br />
Kollegen reklamierenden Teamchefs<br />
barsch die Tür <strong>wie</strong>sen, nahm sich Pauli Zeit<br />
und Ruhe, um der Beschwerde nachzugehen.<br />
«Denn auch Computer», realisierte er<br />
völlig frei von Arroganz und Selbstherrlichkeit,<br />
«werden von Menschen gefüttert<br />
– und die machen gelegentlich Fehler.»<br />
Im Dezember feierte Peter Pauli seinen<br />
80. Geburtstag. Zusammen mit seiner Frau<br />
Hannelore (45 Jahre verheiratet, keine<br />
Kinder) lebt der ehemalige Ring-Zeitnehmer<br />
in einer gemütlichen Penthouse-Wohnung<br />
am Bonner Markt mit Blick auf das<br />
historische Rathaus und das tägliche Treiben<br />
der örtlichen Obst- und Gemüsehändler.<br />
Frische Ware und günstige Angebote<br />
erspäht er von seinem Balkon aus. «Ich<br />
hab’s hier wirklich gut und geniesse mein<br />
Zuhause in vollen Zügen.»<br />
Auf grössere Reisen muss er allerdings<br />
inzwischen verzichten, weil ihm eine alte<br />
Kriegsverletzung und Knochenprobleme zu<br />
schaffen machen. Trotzdem ist er mit sich<br />
und der Welt zufrieden: «Jeden Tag ein<br />
bisschen frische Luft schnappen, gut essen<br />
gehen und gelegentlich Skat spielen –<br />
was will man mehr.»<br />
Zeitnehmer am Ring: Pauli 1975<br />
Pensionär in Bonn: Pauli heute<br />
Ein bissl Spass muss sein: Paulis «blinde» Zeitnehmertruppe ’87 am Ring
omingos Piedade betreute zwischen<br />
D1970 und 1990 hochkarätige Rennprofis,<br />
vorzugsweise aus Südamerika. Stars<br />
<strong>wie</strong> Emerson Fittipaldi oder Ayrton Senna<br />
gehörten zu den Klienten des smarten<br />
Portugiesen, der in Köln residierte und als<br />
Fan von Rolf Stommelen 1965 zur Rennerei<br />
kam. Geschick und Sachverstand zeichneten<br />
seine Arbeit aus. Bald machten sich<br />
auch europäische Piloten und Teams <strong>wie</strong><br />
Walter Röhrl, Willi Kauhsen, Hans Heyer,<br />
Reinhold Joest, Pedro Lamy oder Michele<br />
Alboreto die Qualitäten und Verbindungen<br />
des Super-Managers zunutze. Piedade, der<br />
sechs Sprachen plus Kölsch fliessend<br />
spricht und als Endzwanziger aussah <strong>wie</strong><br />
ein Zwillingsbruder des früheren saudischen<br />
Ölministers Scheich Ahmed Jamani,<br />
denkt besonders gerne an die unbeschwerten<br />
Kölner Jahre zurück. «Mit Fittipaldi,<br />
Stommelen und Co. gab es Spass ohne<br />
Ende. Was wir da alles aufgeführt haben,<br />
glaubt uns heute so<strong>wie</strong>so kein Mensch<br />
mehr.» Obwohl er mit dem Management<br />
seiner Piloten und Teams eigentlich schon<br />
restlos ausgelastet war, schaffte es Multi-<br />
Talent Domingos auch noch, für den portugiesischen<br />
TV-Sender RTP regelmässig<br />
die Formel 1 zu kommentieren.<br />
Gegen Ende der 80er-Jahre ergab sich<br />
durch Heyer ein Kontakt zu AMG. «Ich kam<br />
Piedade, Domingos (MSa 52/2003)<br />
Multi-Manager<br />
173<br />
als Kunde zu Hans Werner Aufrecht und<br />
ging als Angestellter.» Der AMG-Chef<br />
engagierte den graduierten Wirtschafts-<br />
Ingenieur für die Ressorts Marketing und<br />
Verkauf. Piedade, im Auftritt stets adrett<br />
und weltmännisch, passte zur Edelmarke<br />
AMG <strong>wie</strong> die Faust aufs Auge. Und als sich<br />
1999 die Umwandlung von AMG in eine<br />
hundertprozentige Mercedes-Tochter vollzog,<br />
wurde Piedade zu einem von drei Geschäftsführern<br />
berufen. Der Job forderte<br />
allerdings seinen Preis – für den geliebten<br />
Rennsport blieb immer weniger Zeit. Trotzdem<br />
hat er noch zwei grosse Ziele: «Ich<br />
möchte die DTM und die Rallye-WM nach<br />
Portugal zurückbringen.» Wer den Mann<br />
kennt, weiss, dass es ihm damit ernst ist.<br />
Seit 1988 ist Piedade in zweiter Ehe mit<br />
der portugiesischen TV-Moderatorin und<br />
Psychologin Ana-Paula verheiratet. Sie<br />
schenkte ihm zwei Söhne (14, 12). Die<br />
Söhne aus erster Ehe haben sich bereits zu<br />
erfolgreichen Managern hochgearbeitet:<br />
Marc (32), zur Zeit der alten DTM Logistik-<br />
Chef im Team Joest, führt zusammen mit<br />
einem Partner eine Entertainment-Agentur<br />
in Lissabon, Guido (29) ist Assistent<br />
im F1-Team von BAR-Chef David Richards.<br />
Weitere Piedades sind schon unterwegs –<br />
demnächst erwartet «Opa Domingos» die<br />
Ankunft der Enkel Nr. 3 und 4.<br />
Portugiese in Köln: Piedade 1973<br />
Direktor bei AMG: Piedade heute<br />
Kurz vor der Tragödie in Imola: Ayrton Senna und Piedade im Frühjahr 1994
174<br />
en Pon, korrekter Vorname Bernardus-<br />
BMarinus, war schon zu seiner grossen<br />
Zeit als Porsche-Sportwagen- und -GT-Pilot<br />
zwischen 1959 und 1969 ein Genussmensch.<br />
Dass aus seiner Vorliebe für gutes<br />
Essen und feine Weine einmal eines der<br />
grössten Weingüter Kaliforniens mit angeschlossenem<br />
First-Class-Hotelbetrieb und<br />
mehrfach preisgekröntem Feinschmecker-<br />
Restaurant werden würde, konnte damals<br />
freilich niemand ahnen.<br />
Zumal der niederländische VW- und Porsche-Generalimporteur<br />
aus Amersfoort eigentlich<br />
nur für den Rennsport zu leben<br />
schien. Seine Welt waren die Cockpits von<br />
Porsche 911, Abarth-Carrera, Carrera 6,<br />
904 GTS und Carrera 10, in denen er von<br />
Sieg zu Sieg driftete. Der Begründer des<br />
«Dutch Racing Teams», Förderer Gijs van<br />
Lenneps und vieler anderer niederländischer<br />
Jungtalente, fuhr wild und quer,<br />
hielt nichts von Fitness, ass und trank, was<br />
ihm gerade schmeckte. Und trotzdem präsentierte<br />
sich der kleine, wohlgenährte<br />
und lebensfrohe Mann stets in Topform.<br />
Wenn es bei ihm freilich mal krachte,<br />
dann gleich richtig. So überschlug er sich<br />
bei seinem ersten und einzigen Formel-1-<br />
Einsatz 1962 in Zandvoort im Porsche der<br />
Ecurie Maarsbergen nach nur zwei Runden<br />
und verwandelte nebenbei, <strong>wie</strong> sich Pon<br />
Pon, Ben (MSa 01-03/2003)<br />
Der Weinkönig<br />
grinsend erinnert, «auch ein paar 904 GTS<br />
und Carrera 10 zu Totalschäden». Als sein<br />
Vater starb und der Junior den VW- und<br />
Porsche-Betrieb übernehmen musste, besann<br />
er sich seiner Verantwortung und beendete<br />
1969 seine Rennfahrer-Karriere.<br />
Der heute 66-Jährige hat sein Leben<br />
längst neu geordnet, das Auto-Geschäft<br />
verkauft und sich im kalifornischen Carmel<br />
Valley einen persönlichen Traum erfüllt.<br />
Sein Hotel «Bernadus Lodge» (57 Zimmer<br />
und Suiten, Preise von 245 bis 1800 Dollar<br />
pro Nacht) gehört zu den besten und<br />
teuersten Adressen der Westküste, das integrierte<br />
«Marinus Restaurant» ist mehrfach<br />
preisgekrönt, und sein Weingut «Bernardus<br />
Winery and Vineyard» produziert<br />
pro Jahr rund 600 000 Flaschen Chardonnay,<br />
Sauvignon Blanc und Pinot Noir.<br />
Trotzdem hat Pon auch noch Zeit zum Golfen<br />
(Handicap 5) oder für die Grosswildjagd<br />
in Afrika.<br />
Zwar versäumt der bekennende Nürburgring-Fan<br />
noch heute kein F1-Rennen<br />
am TV, aber bis auf seinen alten Freund<br />
van Lennep gibt es kaum noch Kontakte<br />
zu den ehemaligen Porsche-Weggefährten.<br />
Ben Pon ist seit 40 Jahren verheiratet, die<br />
Ehe blieb aber kinderlos. Der Edel-Gastronom<br />
sieht’s pragmatisch: «Keine Kinder,<br />
kein Ärger.»<br />
Porsche und Partys: Ben Pon 1965 Wein und Wohlstand: Pon 2003<br />
Solitude 1965: Die Porsche-904-Meute mit Pon, Schütz und Stommelen
Rosche, Paul (MSa 32/2003)<br />
Der Nocken-Paule<br />
175<br />
aul Rosche war als oberster BMW-Mo-<br />
eine Art Galionsfigur – ohne<br />
Ptorenmann<br />
ihn ging bei den Weiss-Blauen nichts. Der<br />
gemütlich wirkende Mann mit ausgeprägter<br />
Vorliebe für Weissbier und bayerische<br />
Lebensart gilt als Architekt des gesamten<br />
BMW-Motorsports und als Personifizierung<br />
des Münchner F1-Engagements. Jede seiner<br />
Kreationen wurde zum Hit – egal ob<br />
im 700er oder in den 2-Liter-Tourenwagen,<br />
im legendären CSL Coupé, M1 oder M3, im<br />
F2-March oder im F1-Brabham.<br />
Aber nicht alles, was «Nocken-Paule»<br />
und seine ihm treu ergebenen Männer konstruierten<br />
und initiierten, hatte offiziellen<br />
Segen der Vorstandsetage. So mussten<br />
neue Projekte oft genug auf eigene Faust<br />
vorangetrieben werden, die Untergrundarbeit<br />
wurde sogar zur einer Art Rosche-Spezialität:<br />
«Wir wurden so oft dazu gezwungen,<br />
dass wir im Laufe der Zeit eine gewisse<br />
Routine entwickelt haben», erinnert<br />
sich der PS-Guru grinsend vor allem an die<br />
70er- und frühen 80er-Jahre.<br />
Die Situation besserte sich erst, als er<br />
in BMW-Marketing-Mann Karl-Heinz Kalbfell<br />
einen dauerhaften Verbündeten fand.<br />
Unermüdlich schoben sie neue Ideen an,<br />
so auch den erfolgreichen neuen F1-V10-<br />
Motor. Ende 1999 wurde Rosche in den Ruhestand<br />
verabschiedet. Als absolute Highlights<br />
seiner fast 40 BMW-Jahre gelten der<br />
Formel-1-WM-Titel 1983 mit dem bärenstarken<br />
Turbo, der 2-Liter-4-Zylinder-F2-<br />
Motor (129 Rennsiege, 6 EM-Titel) und der<br />
6-Liter-V12-Sauger mit zwei Le Mans-Erfolgen<br />
(1995, ’99).<br />
Rosche, inzwischen 69, ist BMW nach<br />
<strong>wie</strong> vor als Berater verbunden und flüchtet<br />
mit Vorliebe in seine «Dienstvilla»,<br />
wenn Gattin Hildegard (fast 40 Jahre verheiratet;<br />
Tochter Susanne, 32, arbeitet bei<br />
BMW im Marketing), ihn zur Haus- und Gartenarbeit<br />
verpflichten will. Oder er schiebt<br />
wichtige Oldtimer-Events vor, <strong>wie</strong> Mille Miglia,<br />
Silvretta- oder Ennstal-Classic. Natürlich<br />
verfolgt er alle F1-GP und freut sich<br />
über jeden Sieg der BMW-Truppe. Vor Ort<br />
ist er selten, «weil man sich da ohne Job<br />
so komisch vorkommt». Da fühlt er sich im<br />
Biergarten bei Weissbier und Brotzeit viel<br />
wohler. Auch gesundheitlich geht’s ihm<br />
gut – «bis auf das übliche Alterszwicken».<br />
Wer mehr über «Nocken-Paule» wissen<br />
möchte, kann sich auf eine demnächst in<br />
der Buchreihe «BMW Portraits» erscheinende<br />
Biographie freuen. Das Werk erscheint<br />
unter dem Titel «Ein genialer Motoreningenieur<br />
– Geschichten zur Geschichte»,<br />
160 Seiten, 29,90 Euro, Autor:<br />
Kalli Hufstadt, Herausgeber: BMW Mobile<br />
Tradition.<br />
BMW-Erfolgsgarant: Rosche 1982 Flucht vor Hausarbeit: Rosche ’03<br />
Einer von Rosches grössten Würfen: Weltmeister-Turbo 1983 mit Piquet
176<br />
Ruch, Gerd (MSa 19/2003)<br />
Mustang-Reiter<br />
erd Ruch und sein feuerspeiender Ford<br />
GMustang – für Fans und Freaks waren<br />
sie eines der grossen Highlights der alten<br />
DTM. Und die gelegentlichen Auftritte von<br />
Bruder Jürgen in einem zweiten Mustang<br />
verstärkten den Sympathie-Effekt noch<br />
zusätzlich. Gerd, von der Statur her genauso<br />
bullig <strong>wie</strong> sein 550-PS-Bolide, avancierte<br />
trotz aller Superstars zum Publikumsliebling,<br />
weil er als Underdog eine tolle<br />
Show lieferte. Genau dieses Sympathie-<br />
Element, meinen eingefleischte Edelfans,<br />
würde auch der neuen DTM ganz gut tun.<br />
Der Mustang-Reiter bestätigt das: «Noch<br />
immer kriege ich jede Menge Fanpost, die<br />
Leute wollen, dass ich zurückkomme.»<br />
Diesbezüglich macht er keine Hoffnung:<br />
«Ich hatte eine unvergesslich schöne DTM-<br />
Zeit, dabei soll’s bleiben.»<br />
Jede Zielankunft seiner 89 Starts mit<br />
dem US-Exoten wurde damals lautstark bejubelt.<br />
Und als er 1995 seine letzte Saison<br />
in einem AMG-Mercedes bestritt, waren<br />
die Fans teilweise richtig sauer und bezichtigten<br />
ihn des Verrats an der Mustang-<br />
DTM-Tradition. Zum Thema Nordschleife<br />
gesteht der gewiss nicht zimperliche Berliner<br />
übrigens offen: «Nach dem ersten<br />
Lauf hatte ich nur noch nackte Angst. Um<br />
nicht zum zweiten Durchgang antreten zu<br />
müssen, habe ich einen Defekt vorgetäuscht.<br />
Der Mustang war dort absolut unfahrbar.»<br />
101 Starts, vier Punkte und jede<br />
Menge tolle Erinnerungen – Ruchs persönliche<br />
Bilanz aus acht DTM-Jahren.<br />
Mit dem Gewinn der BPR-Trophy im Porsche<br />
911 GT2 zog der Berliner Ende 1996<br />
unter das Kapitel Rennsport einen Schlussstrich.<br />
Seine neuen Hobbys sind die Fliegerei<br />
und Golf. So oft <strong>wie</strong> möglich geht der<br />
49-jährige Lockenkopf mit seiner Cessna<br />
210 in die Luft. «Solange ich mir das leisten<br />
kann, werde ich die genialen Ausblicke<br />
geniessen», schwärmt Ruch, dessen<br />
Heizungsbau-Betrieb ebenso unter der Rezession<br />
leidet <strong>wie</strong> andere Unternehmen.<br />
«Gerade bei uns in Berlin ist die Geschäftslage<br />
nicht berauschend, Aufträge werden<br />
zögerlich vergeben, alle wollen sparen.»<br />
Nur selten lässt er sich an den Rennstrecken<br />
sehen, versäumt aber keine DTM-<br />
Übertragung im Fernsehen. Sein Eindruck<br />
von der neuen DTM: «Am Anfang war’s echt<br />
ätzend, aber langsam wird’s besser.» Gelegentlich<br />
telefoniert er noch mit seinem<br />
DEKRA-Kumpel Sigi Berner, ansonsten gibt<br />
es keine Kontakte mehr zur alten DTM-<br />
Truppe. Lebensmittelpunkte sind für Gerd<br />
mehr denn je seine Lebensgefährtin Petra,<br />
seine 19-jährige Tochter und sein Flugzeug.<br />
«Ich vermisse nichts, bin gesund,<br />
und mir geht’s gut.»<br />
Publikumsliebling: Gerd Ruch 1993<br />
Nur Fliegen ist schöner: Ruch heute<br />
Wenn er kam, wackelte die Bude: Gerd Ruch 1993 in seinem V8-Mustang
an Schoppe – ein Kerl <strong>wie</strong> ein Baum,<br />
Ustrotzend vor Kraft, topfit <strong>wie</strong> ein Leistungssportler<br />
und unverschämt gesund.<br />
Man schätzt ihn auf höchstens 55, tatsächlich<br />
ist er 62. Fitness und Sport sind<br />
für ihn unverzichtbare Lebensinhalte. Harald<br />
Grohs kann ein Lied davon singen, was<br />
es heisst, mit Schoppe Sport zu treiben.<br />
«Als ich Harald in den 70er-Jahren kennen<br />
lernte», erinnert sich das Kraftpaket, «hatte<br />
das Bürschchen konditionell nichts<br />
drauf. Wir haben dann gemeinsam ein hartes<br />
Programm durchgezogen.» Und Grohs,<br />
der anfangs oft kraftlos aus dem BMW-<br />
Cockpit torkelte, ist dem Fitnessfreak noch<br />
heute dankbar. «Der hat mich ganz schön<br />
rangenommen, aber ohne seine Schleiferei<br />
wäre ich als Rennprofi wahrscheinlich<br />
gescheitert. Das war verdammt hart, aber<br />
was fürs Leben.»<br />
Urban Schoppe ist nicht nur stolz auf<br />
seinen Schützling Grohs, sondern auch darauf,<br />
zu den frühen Mitbegründern der Essener<br />
Motorsportkultur gehört zu haben.<br />
Zusammen mit Gleichgesinnten <strong>wie</strong> Rüdiger<br />
Faltz, Otto Lux, Friedhelm Slowik, Dieter<br />
Fröhlich, Fritz Striewisch oder Horst<br />
und Ursula von Gundlach verschaffte er zu<br />
Beginn der 60er-Jahre dem Rallye- und<br />
Rennsport in der Messestadt Akzeptanz<br />
und Medieninteresse. Bei den Lehrgängen<br />
Schoppe, Urban (MSa 46/2003)<br />
Das Kraftpaket<br />
177<br />
der Scuderia Hanseat lernte Schoppe alles<br />
über Kurventechnik und Ideallinie – sein<br />
Instruktor war damals der rennfahrende<br />
ZDF-Mann Rainer Günzler. Schon bald steuerte<br />
der Essener im Porsche S90 seinen ersten<br />
Titelgewinn an – den «ONS Pokal für<br />
GT-Wagen 1962», eine Kombination aus<br />
Rallyes, Slaloms und Rennen. Mit Carrera<br />
2, 911 und BMW 1800 TI folgten weitere<br />
siegreiche Jahre. Aber auch die schmerzhafte<br />
Seite lernte der Erfolgsverwöhnte<br />
kennen: Bei einem Mega-Unfall auf der<br />
Nordschleife, ausgelöst durch Radverlust,<br />
erlitt er einen Schädelbasisbruch und verlor<br />
linksseitig das Gehör. «Aber das Ohr»,<br />
feixt Schoppe, «ist noch da.»<br />
Heute fordert der Karosseriebau- und<br />
Lackierbetrieb des Junggesellen (dreimal<br />
verheiratet, keine Kinder) mit 16 Mitarbeitern<br />
alle Kraft und Konzentration. Die<br />
knappe Freizeit ist für sportliche Aktivitäten<br />
reserviert: Golf (Handicap 13), verschärftes<br />
Skilaufen, Rennrad, Joggen, Fitnessstudio.<br />
Auch der Kontakt mit der Essener<br />
Rennclique funktioniert noch prächtig.<br />
Und wenn sein Freund Wolfgang Schöller<br />
im Vorfeld der Motorshow Hilfe braucht,<br />
ist Schoppe zur Stelle und unterzieht die<br />
Fun-Cars einer Schnell-Restaurierung, die<br />
in verrostetem oder beschädigtem Zustand<br />
angeliefert wurden.<br />
Porsche und Pokale: Schoppe 1965<br />
Firma und Fitness: Schoppe heute<br />
Flugplatz Achum 1965: Schoppe (Abarth Carrera) in Linges Windschatten
178<br />
Schornstein, Dieter (MSa 29/2003)<br />
Der Markentreue<br />
ieter Schornstein gehörte zu den Spät-<br />
im Rennsport. Erst mit 35 be-<br />
Dstartern<br />
gann der Aachener im Porsche Carrera die<br />
ersten Erfolge einzufahren. Seine bevorzugten<br />
Spielplätze waren die Sportwagen-<br />
WM so<strong>wie</strong> die Deutsche Rennsportmeisterschaft<br />
(DRM). In den zehn Jahren seiner<br />
Privatfahrerlaufbahn blieb er dabei stets<br />
seiner Lieblingsmarke Porsche treu – dem<br />
Carrera folgten der 935 Turbo in allen Variationen<br />
und der 956. «Ausser Porsche»,<br />
versichert er stolz, «habe ich nie ein anderes<br />
Rennauto angerührt.»<br />
Als Partner und Sponsor für sein Team<br />
konnte er die Aachener VEGLA-Glaswerke<br />
begeistern. Während er selber sich immer<br />
als Amateur verstand, waren Vollprofis als<br />
Verstärkung stets willkommen. Gastpiloten<br />
<strong>wie</strong> Walter Röhrl, Harald Grohs oder<br />
Volkert Merl sorgten gemeinsam mit dem<br />
Chef für bemerkenswerte Erfolge. Als Highlight<br />
in der Geschichte des «VEGLA-Team<br />
Schornstein» gilt der DRM-Titel ’82 durch<br />
Bob Wollek im Porsche 936. Mit Reinhold<br />
Joest, auf dessen technischen Beistand<br />
Schornstein oft und gerne setzte, teilte er<br />
sich in der Langstrecken-WM 1983 das<br />
Cockpit eines 956.<br />
Insgesamt sieben Mal startete Schornstein<br />
in Le Mans – die Anreise dorthin dauerte<br />
übrigens mal ganze fünf Tage, weil er<br />
und Freund Wollek die Strecke ab Aachen<br />
zusammen auf Rennrädern zurücklegten.<br />
«Aber nur one way, zurück war uns das<br />
Auto dann doch lieber.»<br />
Mammuttouren auf dem Rennrad unternimmt<br />
der inzwischen 63-Jährige zwar<br />
noch immer («jedes Jahr im Sommer einmal<br />
mit Freunden von Aachen nach Tirol<br />
und zurück»), aber ansonsten geniesst er<br />
zusammen mit Lebensgefährtin Helga seit<br />
zwei Jahren die Vorzüge eines sorgenfreien<br />
Rentnerlebens. Im Winter Skifahren in<br />
Österreich, im Frühjahr und Herbst Faulenzen<br />
auf Mallorca, im Sommer Natur pur auf<br />
dem Landsitz in Niederforsbach bei Aachen.<br />
Auf dem grosszügigen Grundstück<br />
tummeln sich Gänse, Hühner, Schafe, Ziegen<br />
und sonstiges Kleingetier. Die Leitung<br />
seines Betriebs für Metallbau-Konstruktionstechnik<br />
hat er 2001 an seinen 33-jährigen<br />
Sohn übergeben: «Ich habe mein Leben<br />
lang hart gearbeitet und nie richtig<br />
Urlaub gemacht. Es war einfach an der Zeit,<br />
mehr Wert auf Lebensqualität zu legen.»<br />
Dabei achtet er weiterhin auf Fitness<br />
und Gesundheit, ist ständig in Bewegung,<br />
spielt Fussball bei den Senioren von Alemania<br />
Aachen und neuerdings auch noch<br />
Golf. Stolz vermeldet er: «Mein Kampfgewicht<br />
beträgt immer noch 69 Kilo – <strong>wie</strong> zu<br />
besten Porsche-Zeiten.»<br />
Flotter Radler: Schornstein 1979<br />
Flotter Rentner: Schornstein heute<br />
DRM Hockenheim 1982: Schornstein im farbenfrohen Joest-Porsche 935
Seegers, Heinz (MSa 10/2003)<br />
Der scharfe Hund<br />
einz Seegers sorgte 40 Jahre lang als<br />
HTechnischer Kommissar bei Rallyes und<br />
Rennen für die buchstabengetreue Einhaltung<br />
der Regelwerke – und nicht selten<br />
auch für Wirbel und Endlos-Diskussionen.<br />
Vor allem die Rallye-Zunft bekam regelmässig<br />
Bauchweh, wenn der ehemalige<br />
Marine-Offizier die Technische Abnahme<br />
leitete. Da blieben auch schon mal Autos<br />
einfach stehen, weil man sich über Detailfragen<br />
nicht einig werden konnte.<br />
Der kleine Mann (Markenzeichen:<br />
stramme Haltung, militanter Auftritt) liess<br />
sich auch von grossen Namen nicht einschüchtern.<br />
Dabei biss er sich gerne an<br />
Kleinigkeiten fest und trieb die Betroffenen<br />
mitunter bis an den Rand der Verzweiflung.<br />
Galten bei den Rallyes vorzugsweise<br />
Art und Anbringung von Zusatzlampen<br />
als sein Lieblingsthema, fahndete er bei<br />
Rundstreckenrennen mit Vorliebe nach<br />
strittigen Distanzscheiben und sonstigen<br />
Grauzonen.<br />
Gelegentlich gipfelte der Zorn auf den<br />
gestrengen Diplom-Ingenieur gar in wüsten<br />
Drohungen. «Wenn ich Sie mal auf der<br />
Strasse finde», liess ihn etwa die wütende<br />
Frau eines Wettbewerbers wissen,<br />
«dann überfahre ich Sie, ohne mit der Wimper<br />
zu zucken.» Aber das hielt den Hüter<br />
korrekter Technik keineswegs davon ab,<br />
179<br />
seinen strengen Kurs unverdrossen beizubehalten.<br />
«Der Mann war schon ein scharfer<br />
Hund und trieb uns oft bis zum Wahnsinn»,<br />
erinnert sich Rallye-Profi Peter Linzen<br />
an hochdramatische Abnahme-Szenen,<br />
«aber er lag meistens richtig. Wer<br />
pampig wurde, hatte ganz schlechte Karten.<br />
Mit Diplomatie und Höflichkeit kam<br />
man mit ihm noch am besten zurecht.»<br />
Der mittlerweile fast 78-Jährige erfreut<br />
sich bester Gesundheit, treibt regelmässig<br />
Sport und geht oft zum Segeln. Mit Ehefrau<br />
Gisela (40 Jahre verheiratet, der 38-<br />
jährige Sohn hat eine eigene Zahnklinik)<br />
lebt Seegers in Hannover. Offiziell als Pensionär,<br />
tatsächlich jedoch noch genauso<br />
umtriebig <strong>wie</strong> eh und je. Gleich nach seiner<br />
Pensionierung 1990 eröffnete er ein<br />
Ingenieurbüro, wurde Industrie-Berater,<br />
half dem ADAC als TK der Formel-BMW-Junior<br />
und überwachte kürzlich die Volkswagen-Weltrekordfahrten<br />
mit dem W12. Zudem<br />
kümmert er sich um die Ausbildung<br />
junger TK-Anwärter nach dem Motto: «Je<br />
gewissenhafter die Abnahme vor der Veranstaltung,<br />
desto weniger Proteste und<br />
Ärger gibt es danach.»<br />
Sollte es im Leben des Heinz Seegers<br />
wirklich mal ein bisschen ruhiger zugehen,<br />
träumt er von einer Kreuzfahrt rund um die<br />
Welt. Aber das kann noch dauern …<br />
1956: Ingenieur mit Inbrunst<br />
2003: Pensionär mit Power<br />
Da zitterten die Schlawiner: Seegers 1967 bei der «Harz-Winter-Fahrt»
180<br />
orbert Singer ist einer der letzten Mo-<br />
aus Porsches Rennsport-Glanz-<br />
Nhikaner<br />
zeiten der 70er-, 80er- und 90er-Jahre.<br />
Seine alten Weggefährten Helmut Bott und<br />
Huschke von Hanstein leben nicht mehr,<br />
Peter Falk, Hans Mezger und andere sind<br />
schon pensioniert. Und auch der Renningenieur<br />
mit Halbbrille als Markenzeichen<br />
wird Ende nächsten Jahres mit 65 in den<br />
Ruhestand gehen.<br />
Im beruflichen Leben des engagierten<br />
Diplomingenieurs gab es nichts anderes als<br />
Porsche, Porsche und nochmals Porsche. Er<br />
hat alle 16 Le-Mans-Siege der Stuttgarter<br />
miterlebt – den ersten 1970 mit dem 917<br />
genauso <strong>wie</strong> den letzten 1998 mit dem<br />
GT1. Als «schönstes Erlebnis überhaupt»<br />
gilt für ihn der grandiose Dreifachsieg des<br />
nagelneuen 956 gleich beim ersten Le-<br />
Mans-Antritt 1982. Der 956 und das Nachfolgemodell<br />
962 gehörten ebenso zu seinen<br />
Lieblingsautos <strong>wie</strong> der 2-Liter-«Baby-<br />
Porsche 935» von ’77. Als grösste Enttäuschung<br />
nennt er das werkseigene Indy-<br />
Projekt, das letztlich politischen Querelen<br />
im eigenen Haus zum Opfer fiel.<br />
Von den zahlreichen Werkspiloten beeindruckten<br />
ihn besonders die unvergessenen<br />
Bob Wollek und Stefan Bellof. «Bob<br />
war ein zäher Arbeiter am Auto, Stefan ein<br />
begnadetes Fahrtalent vom anderen Stern.<br />
Singer, Norbert (MSa 23/2003)<br />
Porsche forever<br />
Ihr Tod hat bei uns allen tiefe Wunden hinterlassen.»<br />
Seit Porsche keinen Werkssport mehr<br />
betreibt, findet man Singer nur noch an<br />
der Rennstrecke, wenn private Porsche-<br />
Teams ihn anfordern. Dort sind sein Rat,<br />
sein Wissen und seine strategischen Tricks<br />
nach <strong>wie</strong> vor gefragt – vor allem in Le Mans.<br />
Offiziell ist er bei Porsche noch immer<br />
«Leiter für Werkssport und Einsätze». Obwohl<br />
er notgedrungen die meiste Zeit im<br />
Büro verbringt, bleibt er immer auf Ballhöhe<br />
mit dem aktuellen Rennsportgeschehen.<br />
So sind Formel 1, ALMS und FIA-GT-<br />
Serie für ihn an den Wochenenden Pflichtsendungen<br />
im TV. Und wenn er mal persönlich<br />
an der Piste aufkreuzt, gibt’s meist<br />
ein fröhliches Wiedersehen mit Freunden<br />
aus früheren Jahren. «Die kommen dann<br />
aus allen Ecken und sagen <strong>Hallo</strong>.»<br />
Zusammen mit seiner Familie (bestehend<br />
aus Gattin Doris, Sohn Andy, 22, und<br />
Tochter Conny, 18) lebt Singer in Vaihingen.<br />
Gesundheitlich bewegt er sich «bis<br />
auf ein Zwicken im Kreuz» auf der Sonnenseite.<br />
Zu seinen Hobbys Fotografie, Filmen<br />
und Garten soll nach der Pensionierung ein<br />
weiteres kommen: «Dann will ich mein<br />
Rennarchiv mit mehreren tausend Fotos<br />
sichten und ordnen.» Da wäre wohl jeder<br />
echte Porsche-Fan gerne dabei.<br />
Le-Mans-Experte: Singer 1973 Der Ruhestand naht: Singer 2003<br />
Die Väter des Erfolgs: Bischof, Singer, Bott und Falk 1983 in Le Mans
Steckkönig, Günter (MSa 44/2003)<br />
Flotter Ingenieur<br />
ünter Steckkönig verstand die Welt<br />
Gnicht mehr, als ihn sein damaliger Boss<br />
Ferdinand Piëch nach einem gewonnenen<br />
Rennen anknurrte: «Gute Rennfahrer kann<br />
ich überall kaufen, gute Techniker nicht.<br />
Sie sollten sich mehr um ihren Job kümmern.»<br />
Tatsächlich sah es der Porsche-Chef<br />
nie gerne, wenn seine Ingenieure nebenbei<br />
Rennen fuhren. «Das betraf mich genauso<br />
<strong>wie</strong> Herbert Linge», erinnert sich der<br />
Fahrwerks-Entwickler aus der Weissacher<br />
Rennabteilung. «Statt Gratulationen gab’s<br />
regelmässig was auf den Deckel.»<br />
Dabei machte Steckkönig aus der Not<br />
eine Tugend und fuhr immer dann bei anderen<br />
mit, wenn’s nichts kostete. Eigene<br />
Mittel hatte der ebenso schnelle <strong>wie</strong> talentierte<br />
Renningenieur nicht anzubieten<br />
– seine Mitgift war sein technisches Wissen.<br />
So gab es kaum ein Porsche-Modell,<br />
das der Schwabe nicht im Renntempo bewegt<br />
hätte – und wenn es nur auf der Teststrecke<br />
in Weissach war.<br />
Zwischen 1963 und 1988 startete er bei<br />
nahezu allen Klassikern: Le Mans, Daytona,<br />
Sebring, Targa Florio. Sein Lieblingsauto<br />
war der Porsche 908/3. Die erfolgreiche<br />
Karriere endete erst, als ohne Geld<br />
selbst bei den Kundenteams nichts mehr<br />
ging. Noch dicker kam’s ’92, als es Porsche<br />
wirtschaftlich nicht gut ging. Zusammen<br />
181<br />
mit 70 Kollegen musste sich Steckkönig<br />
nach 35 Porsche-Jahren notgedrungen in<br />
den Vorruhestand verabschieden. «Das war<br />
der traurigste Moment in meinem Porsche-<br />
Leben, als wir zum letzten Mal durch das<br />
Werkstor in Weissach gingen.»<br />
Die freie Zeit wurde rasch mit neuen Aktivitäten<br />
belegt. Er fand Gefallen am Segelfliegen<br />
(Ultraleicht-Motorsegler), intensivierte<br />
sein Fitnessprogramm (Rennrad,<br />
Mountainbike) und frönte seiner Leidenschaft<br />
für Jazz, in dem er alle erreichbaren<br />
Konzerte besucht. Ausserdem ist er<br />
noch immer ein gefragter Instruktor bei<br />
Fahrsicherheitslehrgängen, wo er sein<br />
Wissen als Fahrer und Techniker an die Porsche-Kunden<br />
weitergibt.<br />
Wie sein Ex-Mitstreiter Norbert Singer<br />
lebt Steckkönig mit Ehefrau Ellen (seit<br />
1965 verheiratet, zwei Töchter, 35, 31) in<br />
Vaihingen/Enz. Der mittlerweile 67-Jährige<br />
ist nach <strong>wie</strong> vor Racing-Fan, schaut gerne<br />
Formel 1 und DTM im Fernsehen und<br />
hält regen Kontakt mit alten Wegbegleitern<br />
<strong>wie</strong> Herbert Linge, Roland Asch, Paul-<br />
Ernst Strähle oder <strong>Dunlop</strong>-Renndienstmann<br />
Gerd Knospe. Stolz berichtet Steckkönig<br />
von seinem neuesten Hobby: «Statt<br />
Powerslide mit dem Auto mach’ ich jetzt<br />
Powerwalking mit meiner Frau. Das ist<br />
auch Competition und hält obendrein fit.»<br />
Haar ja, Bart nein: Steckkönig ’73 Bart ja, Haar nein: Steckkönig ’03<br />
84-h-Ring-Marathon 1970: Porsche-914-Dreifachsieg mit Steckkönig (2)
182<br />
laus A. Steinmetz kann auf eine beweg-<br />
Motorsportkarriere zurückblicken.<br />
Kte<br />
Der gelernte Diplomingenieur erlebte die<br />
60er-Jahre bei Abarth und BMW als Pilot,<br />
Rennleiter und Technikchef in Personalunion.<br />
An die 100 Siege in Sport- und Tourenwagen<br />
fuhr Steinmetz am Berg und auf<br />
der Rundstrecke zusammen. Den Tourenwagen-EM-Titel<br />
verpasste er im 1000er-<br />
Abarth nur, weil er sich an die Stallregie<br />
zugunsten von Giancarlo Baghetti hielt.<br />
Dann wurde Opel für ihn zum Dreh- und<br />
Angelpunkt, das Unternehmen «Steinmetz<br />
Opel Tuning» zum Mekka für Kadett-, Ascona-,<br />
Commodore- und GT-1900-Fans.<br />
Auch auf der Piste verschaffte sich der<br />
Opel-Tuner mit eigenem Rennstall Akzeptanz.<br />
Das jähe Ende für den Tuningbetrieb<br />
kam im Gefolge der Benzinkrise von 1973:<br />
Viele Tuning-Unternehmen gerieten damals<br />
ins Trudeln, darunter auch Steinmetz.<br />
Erst 1993 wurde der Name Steinmetz-<br />
Opel von der Aachener Kohl-Gruppe <strong>wie</strong>derbelebt,<br />
allerdings ohne den Gründervater,<br />
der sich Mitte der 70er neu orientiert<br />
hatte. Die wichtigsten Stationen: Eröffnung<br />
eines Ingenieurbüros für Industrieanlagen,<br />
Sportdirektor bei Alfa Romeo<br />
Deutschland und Leiter der Alfasud-Cups,<br />
DMV-Sportpräsident, Mitglied der ONS-<br />
Sportkommission, FIA-Delegierter für<br />
Steinmetz, Klaus (MSa 30/2003)<br />
Der Italien-Fan<br />
Rennstrecken- und Fahrzeugsicherheit.<br />
Die DTM bot ihm als ITR-Vize und Alfa-Koordinator<br />
zwischen 1993 und 1996 die<br />
letzte sportliche Bühne.<br />
Heute lebt der Italien-Fan, der fliessend<br />
Italienisch und Englisch so<strong>wie</strong> ordentlich<br />
Französisch spricht, in Bietigheim bei<br />
Stuttgart und ist Vorsitzender der «Interessengemeinschaft<br />
Fördertechnik AG».<br />
«Eigentlich wollte ich mit 65 Schluss machen,<br />
aber das ist mir leider nicht gelungen»,<br />
sagt der geschiedene Familienvater<br />
(zweimal je 20 Jahre verheiratet, zwei<br />
Söhne, 42/40, zwei Töchter, 26/17).<br />
Bis auf ein Augenleiden (das ihn schon<br />
seit Abarth-Zeiten begleitet) und die eingeschränkte<br />
Beweglichkeit der linken<br />
Hand (die ihm bei einem Verkehrsunfall<br />
1993 halb abgerissen und <strong>wie</strong>der angenäht<br />
wurde) geht es dem jetzt 68-Jährigen gesundheitlich<br />
«ganz ordentlich». Was motorsportlich<br />
interessiert, sieht er sich im<br />
TV an. F1 und V8STAR hat er zu Pflichtsendungen<br />
erhoben, der neuen DTM stand er<br />
lange skeptisch gegenüber: «Aber seit dem<br />
Wahnsinnsrennen letztes Jahr am A1-Ring<br />
habe ich meine DTM-Einstellung in den positiven<br />
Bereich verschoben.»<br />
Für die Zeit seines Ruhestands hofft er,<br />
«das Meer mal vor mir zu sehen, und wenns<br />
irgend<strong>wie</strong> geht, in Italien».<br />
Abarths Multitalent: Steinmetz ’65 «Wahl-Italiener»: Steinmetz 2003<br />
Flugplatz Ulm 1967: Steinmetz im legendären BMW-«Monti»-Sportwagen
er Stureson gehörte zu den prägenden<br />
PFiguren der frühen DTM-Jahre. 1985<br />
stieg der Inhaber eines Malerbetriebs mit<br />
einem Volvo 240 Turbo des IPS Teams in<br />
die deutsche Parade-Rennserie ein und gewann<br />
auf Anhieb den Titel. Teamchef war<br />
jener Ingmar Persson, der in der aktuellen<br />
DTM für Mercedes drei CLK einsetzt. Der<br />
still und unauffällig agierende Schwede<br />
chauffierte den schweren Volvo souverän<br />
durch die Saison. Zwar machten ihm seine<br />
härtesten Konkurrenten – Olaf Manthey<br />
im Rover V8 und Harald Grohs im BMW 635<br />
CSi – das Leben nach Kräften schwer, aber<br />
letztlich setzten sich Turbo-Power und<br />
schwedische Nervenstärke durch.<br />
Die beiden folgenden Volvo-Jahre<br />
brachten dann nur noch die DTM-Ränge 4<br />
und 6, «was für mich eine Riesenenttäuschung<br />
war, denn als Titelverteidiger hätte<br />
ich einfach besser sein müssen». Der<br />
Frust wurde noch gesteigert durch eine<br />
verkorkste Mercedes-Saison, die Stureson<br />
zum Anlass nahm, seine Rennkarriere 1988<br />
nach insgesamt 16 Jahren zu beenden. In<br />
den DTM-Bestenlisten verewigte sich der<br />
schwedische Schweiger mit 350 Punkten,<br />
209 Führungskilometern, zwei Siegen und<br />
vier Poles.<br />
Sohnemann Johan, mit 10 Jahren schon<br />
Kart-Meister, sorgte dafür, dass der Vater<br />
Stureson, Per (MSa 08/2003)<br />
Stiller Schwede<br />
183<br />
eine neue Aufgabe an der Rennstrecke bekam.<br />
Als Betreuer und Berater seines Juniors<br />
erlebte der Ex-Champion, <strong>wie</strong> Johan<br />
zum Frontrunner in der Formel BMW und<br />
der Deutschen Formel-3-Meisterschaft<br />
wurde. Für dieses Jahr nimmt Stureson jr.,<br />
inzwischen 29, mit Seat das schwedische<br />
Tourenwagen-Championat ins Visier.<br />
Und der Herr Papa, Vorsitzender der<br />
schwedischen Malermeister-Innung, kann<br />
es auch noch nicht so richtig lassen. «Nur<br />
so zum Spass» startet er gelegentlich mit<br />
einem Renault-Spider oder einem Porsche<br />
968 bei diversen Langstreckenrennen im<br />
Heimatland.<br />
Im März wird Per Stureson 55, ist seit<br />
33 Jahren verheiratet mit Anita und hat<br />
neben Johan noch eine 27-jährige Tochter,<br />
die ihren Sport vorzugsweise auf dem<br />
Rücken der Pferde ausübt. Über Satellit<br />
sieht er sich zu Hause jedes DTM-Rennen<br />
an, dazu natürlich die Formel 1 und ein<br />
paar andere PS-Leckerbissen. Mit seinen<br />
früheren DTM-Weggefährten Ingmar Persson<br />
und Roland Asch hat er noch heute regelmässig<br />
Kontakt.<br />
Schon jetzt freut er sich auf das nächste<br />
«<strong>Hallo</strong> <strong>wie</strong> geht’s»-Klassentreffen am 6.<br />
Dezember anlässlich der Motorshow Essen,<br />
«weil das die einzige Möglichkeit ist, viele<br />
alte Freunde <strong>wie</strong>der zu sehen».<br />
Schneller Amateur: Stureson 1979<br />
Noch heute ein DTM-Fan: Stureson<br />
Schweden-Hammer: Per Stureson im Volvo 240 Turbo 1986 auf der Avus
184<br />
homas Teves lässt keinen Zweifel daran,<br />
Twas ihm in seinen zehn Rennjahren den<br />
meisten Spass gebracht hat: Die Saison<br />
1975 mit Keke Rosberg und Poldi von<br />
Bayern in der Formel Super VW. Im Team<br />
des Sylter Boutiquen-Königs Uwe Jürdens<br />
(«Uwe’s Mode Racing») genossen die drei<br />
Kumpels in jenem Jahr nicht nur die Profi-<br />
Unterstützung des Kaimann-Chefs Kurt<br />
Bergmann, sondern liessen es auf und neben<br />
der Piste auch richtig krachen. «Keke<br />
war noch der Vernünftigste von uns», erinnert<br />
sich Teves feixend. «Poldi und ich<br />
waren mehr für den Blödsinn zuständig.»<br />
Die Rollenverteilung führte zwangsläufig<br />
dazu, dass Teamleader Rosberg meistens<br />
siegte und auch den Titel des deutschen<br />
Super-VW-Meisters einfuhr.<br />
Der Enkel des Gründers der Teves-<br />
Firmengruppe (u.a. Ate Bremsen, 1968<br />
verkauft an ITT, jetzt Continental-Teves)<br />
hatte seine Laufbahn als Hobby-Rennfahrer<br />
zusammen mit Prinz Poldi 1965 im<br />
Mini-Cooper-Team von Don Wooding begonnen.<br />
Weil der schnauzbärtige Hesse<br />
ziemlich flott unterwegs war, durfte er als<br />
damals jüngster Lizenzfahrer Deutschlands<br />
mit 18 Jahren schon einen Werks-<br />
BMW bei der Rallye Monte Carlo steuern.<br />
Aber seine Liebe gehörte eindeutig den<br />
Flugplatzrennen, wo er in Minis, Alfas und<br />
Teves, Thomas (MSa 49/2003)<br />
Kekes Teamkollege<br />
Porsches wüste Drifts zelebrierte. Eindeutig<br />
gehörte die Frohnatur zur Kategorie der<br />
Spass-Piloten. Als aber der erste Familienzuwachs<br />
kam, war Schluss mit Racing – mit<br />
Ablauf des Super-VW-Jahrs 1975 beendete<br />
Teves seine motorsportlichen Exzesse.<br />
Die wilde Zeit im Rennauto ist genauso<br />
Vergangenheit <strong>wie</strong> die häufigen Wohnungswechsel.<br />
Nach Bad Homburg, Sylt,<br />
Hamburg und München hat der mittlerweile<br />
56-jährige Diplom-Ingenieur zusammen<br />
mit seiner Frau Karin im Taunusstädtchen<br />
Friedrichsdorf seine endgültige Heimat gefunden.<br />
Die drei erwachsenen Kinder (zwei<br />
Söhne, 27/25, eine Tochter, 21) stecken<br />
noch im Studium. Golfen und Radfahren<br />
sind zwar die neuen Hobbys des Familienvorstands,<br />
aber der Motorsport ist noch<br />
immer ein Thema. So verbindet ihn mit<br />
Poldi und Keke nach <strong>wie</strong> vor eine enge<br />
Freundschaft, man sieht sich regelmässig.<br />
Und wenn er mal die DTM besucht, steuert<br />
er zielstrebig das Rosberg-Motorhome an.<br />
Die Karriere von Kekes Sohn Nico fasziniert<br />
ihn. «Der Bursche ist so gut <strong>wie</strong> sein<br />
alter Herr damals», glaubt Teves, «genau<br />
das gleiche Kaliber.» Dass es nicht mehr<br />
so locker und lustig <strong>wie</strong> vor 30 Jahren zugeht,<br />
hat auch Kekes alter Gefährte<br />
erkannt. «Gerade deshalb sind wir froh,<br />
diese wunderbare Zeit erlebt zu haben.»<br />
Fahrer: Teves 1975 im Kaimann<br />
Fan: Teves 2003 bei der DTM<br />
Frühliches Super-VW-Trio: Die Kaimann-Asse Teves, Rosberg und Poldi 1975
eopold Prinz von Bayern, von den Renn-<br />
LKumpanen kurz und respektlos Poldi genannt,<br />
hat sein schnelles Hobby immerhin<br />
35 Jahre lang ziemlich konsequent und erfolgreich<br />
betrieben. Die Begeisterung der<br />
königlichen Familie hielt sich zwar in Grenzen,<br />
aber der Vollgas-Prinz zog sein Ding<br />
durch. Nach wilden Jahren im Mini Cooper<br />
S in den 60er- und der Formel Super VW in<br />
den 70er-Jahren fand Poldi seine dauerhafte<br />
Heimat als Profi bei BMW.<br />
Als er sich mit 55 anlässlich des STW-<br />
Laufs im Oktober 1998 am Nürburgring als<br />
Rennfahrer verabschiedete, hatte er rund<br />
25 BMW-Jahre in allen möglichen Rennserien<br />
auf dem Buckel. Für die Weiss-Blauen<br />
fuhr er alles, was wichtig war und gute PR<br />
brachte: DRM mit dem Gruppe-5-320, DRT<br />
mit dem M1, DTM mit dem M3, japanische<br />
und deutsche STW mit dem 320i.<br />
Dramatische Zwischenfälle gab es kaum<br />
– nur zweimal hat’s ihn arg gebeutelt.<br />
Beim Bergrennen Zotzenbach flog er samt<br />
Mini Cooper «in den ersten Stock eines Apfelbaums».<br />
Und 1994 bei den 24 Stunden<br />
am Nürburgring überholte er des Nachts,<br />
in Führung liegend, Jockel Winkelhocks<br />
BMW im freien Flug über dessen Dach und<br />
riss dem Schwaben dabei sogar die Scheibenwischer<br />
ab. Poldis M3 war platt, der<br />
Chauffeur verletzt im Adenauer Spital.<br />
von Bayern, Leopold Prinz (MSa 26/2003)<br />
«Prinz Vollgas»<br />
185<br />
«Aber am schlimmsten war», jammert er,<br />
«dass es mir beim Anprall meine goldene<br />
Rolex vom Arm gerissen hat und das teure<br />
Teil nie mehr aufgetaucht ist.» Was das<br />
bayerische Blaublut sonst noch so alles erlebt<br />
und angestellt hat, ist in seinem Bestseller<br />
«Ein Prinz erzählt» nachzulesen.<br />
Am Samstag, den 21. Juni, feiert Prinz<br />
Poldi seinen 60. Geburtstag. Seitdem<br />
Schluss ist mit der professionellen Rennerei,<br />
sehen ihn seine Gemahlin Uschi (die<br />
er 1977 geheiratet hat), seine beiden Söhne<br />
Manuel (30) und Constantin (16) so<strong>wie</strong><br />
die Töchter Pilar (25) und Felipa (22) auch<br />
öfter mal zu Hause in Berg am Starnberger<br />
See.<br />
Fad wird’s ihm trotzdem nie: Für BMW<br />
ist Poldi als Botschafter unterwegs, in<br />
gleicher Mission repräsentiert er die Deutsche<br />
Bank und Löwenbräu. Zu ein paar Oldtimer-Events<br />
reicht die Zeit auch noch, darunter<br />
die Mille Miglia als jährliches<br />
Pflichtprogramm (diesmal im BMW 328 mit<br />
Carl Gustav von Schweden als Co). Im Übrigen<br />
dürfte sein jüngster Spross dafür sorgen,<br />
dass der Rennsport im Hause des Bayern-Prinzen<br />
ein Thema bleibt: «Der Constantin»,<br />
erzählt Poldi stolz , «ist sehr talentiert<br />
und lässt es im Kart richtig krachen.<br />
Ich hoffe, er wird auch mal BMW-<br />
Werkspilot.»<br />
Au weia: Poldi ’73 im Hippie-Look<br />
«Ein Prinz erzählt»: Poldi 2003<br />
Das erklärte Lieblingsauto seiner Königlichen Hoheit: Poldi 1982 im M1
186<br />
von Gundlach, Horst (MSa 11/2003)<br />
Mr. Unverwüstlich<br />
orst von Gundlach, engagierter Renn-<br />
Rallyefahrer aus Essen und zwi-<br />
Hund<br />
schen 1953 und 1965 neunmal Sieger der<br />
Rallye Wiesbaden, hat auf seine Art deutsche<br />
Rennsport-Historie geschrieben. Der<br />
erfolgreiche Mercedes-300-SL-Pilot bescherte<br />
dem Zeitschriftenmarkt ab März<br />
1961 mit dem Titel «Automobilsport» das<br />
erste Fachblatt in Deutschland.<br />
Zusammen mit seiner ebenfalls rallyefahrenden<br />
Ehefrau Ursula stand der adelige<br />
Sportsmann der Monatspublikation als<br />
Finanzier, Verleger, Herausgeber, Anzeigenakquisiteur<br />
und Chefredakteur in Personalunion<br />
vor. Mitstreiter der ersten<br />
Stunde waren überdies der Essener Hobby-<br />
Rennfahrer Friedhelm Slowik und ein begeisterter<br />
Jung-Journalist.<br />
Der Verkaufspreis betrug eine Mark, Umfang<br />
und Anzeigenaufkommen waren<br />
dünn, Papier- und Fotoqualität dürftig.<br />
Egal: Deutschland hatte seine Fachzeitschrift.<br />
Obwohl das Blatt von der Fangemeinde<br />
gierig verschlungen wurde, standen<br />
die Erträge von Anfang an in krassem<br />
Missverhältnis zu den Kosten. Trotzdem<br />
hielt Initiator von Gundlach solange tapfer<br />
durch, bis der Titel 1967 vom Dobler-<br />
Verlag übernommen und mit dem Fachblatt<br />
«Rallye und Racing» verschmolzen<br />
wurde. In voller Schärfe entbrannte nun<br />
auch die Kiosk-Schlacht mit dem MOTOR-<br />
SPORT-aktuell-Vorläufer «Powerslide» um<br />
die Gunst der Leser.<br />
Die Trennung von «seinem Blatt» war<br />
für den Essener Pionier zwar schmerzhaft,<br />
aber viel schlimmer hatte ihn zuvor der<br />
Unfalltod seiner Frau getroffen. Trotzdem<br />
blieb er dem Sport als gefragter Instruktor<br />
und Referent treu. Der Nürburgring<br />
wurde für ihn zur zweiten Heimat – hier<br />
feierte er seinen 80. Geburtstag, und hier<br />
wird der unverwüstliche Rennsportfan in<br />
ein paar Wochen auch den 90. begehen.<br />
Neben vielfältigen Engagements rund<br />
um den Rennsport arbeitete von Gundlach<br />
bis zu seiner Pensionierung vor 15 Jahren<br />
als Automobilkaufmann im Essener VWund<br />
Audi-Zentrum Schultz. Bis vor kurzem<br />
hat er sogar noch für seinen alten Arbeitgeber<br />
Autos überführt und ausgeliefert –<br />
quasi als Beschäftigungstherapie. Der rüstige<br />
Rentner lebt seit dem Tod seiner Frau<br />
alleine.<br />
Nachdem sich eine neue Herzdame kurz<br />
nach der Hochzeit als stramme Lesbierin<br />
outete, schmiss er sie raus und beschloss,<br />
sein Leben fortan ohne weiblichen Beistand<br />
zu verbringen. Jetzt hat von Gundlach<br />
nur zwei Wünsche: «Gesund bleiben<br />
und möglichst viele ‹<strong>Hallo</strong>, <strong>wie</strong> geht’s?-<br />
Klassentreffen› erleben.»<br />
Presse-Pionier: von Gundlach ’62<br />
Erstes Fachblatt: Automobilsport<br />
Freut sich auf möglichst viele «Klassentreffen»: Horst von Gundlach (90)
von Hohenzollern, Ferfried Prinz (MSa 48/2003)<br />
erfried Prinz von Hohenzollern, von<br />
Fseinen Freunden kurzerhand «Pfaff» genannt,<br />
war neben Leopold Prinz «Poldi»<br />
von Bayern der zweite Vertreter des deutschen<br />
Hochadels im Rennsport. Wie Poldi<br />
begann auch Blaublutkollege Ferfried Mitte<br />
der 60er-Jahre mit seinen Umtrieben<br />
am Steuer von vorzugsweise BMW- und<br />
Porsche-Rennautos. Überhaupt haben die<br />
zwei Vollgas-Prinzen diverse Gemeinsamkeiten:<br />
Zum Beispiel das gleiche Geburtshaus<br />
in Umkirch bei Freiburg, eine gute<br />
Portion Fahrtalent, der ausgeprägte Hang<br />
zum Blödeln und eine ziemlich lockere<br />
Einstellung zu ihrem Sport. Wenn so ein<br />
Spassvogel dann auch noch mit einem<br />
Urviech <strong>wie</strong> dem Österreicher Gerold Pankl<br />
eine Fahrerpaarung im Werks-Alpina BMW<br />
2002 bildet, kann der Teamchef eigentlich<br />
nur noch resignieren und dem Unheil<br />
freien Lauf lassen. Genau das hat Alpina-<br />
Chef Bovensiepen damals gemacht.<br />
Und siehe da – die Spasstruppe gewann<br />
1971 die zweite Auflage der 24 Stunden<br />
am Nürburgring. «Was doch ein ziemlich<br />
klarer Beweis dafür ist», so der schnelle<br />
Prinz, «dass hochgradiger Blödsinn den<br />
Erfolg nicht unbedingt ausschliesst.» Und<br />
davon hat der Hohenzollern-Spross in<br />
seiner relativ kurzen Laufbahn erstaunlich<br />
viel eingefahren, insgesamt rund 50 Siege.<br />
Prinz Vollgas II<br />
187<br />
Am wohlsten fühlte er sich auf Flugplätzen<br />
und in Hockenheim, wo er auch den<br />
grössten Teil seiner Siege erkämpfte.<br />
Zugunsten von Studium und Beruf verabschiedete<br />
sich der Münchner 1972 für<br />
immer aus der Rennsport-Szene.<br />
Seit 13 Jahren lebt der gelernte Jurist<br />
in Berlin. Dort hat er 1999 zum dritten Mal<br />
geheiratet (seine erste Frau Angela lief zu<br />
Schauspieler-Freund Fritz Wepper über)<br />
und sich im Event-Marketing eine neue<br />
berufliche Existenz geschaffen. Seine vier<br />
erwachsenen Kinder (drei Töchter, ein<br />
Sohn) haben ihn schon zum zweifachen<br />
Grossvater gemacht. Seine Frau Maja (32)<br />
hält ihn ordentlich auf Trab und lässt den<br />
Prinzen vergessen, dass er im Frühjahr<br />
2004 schon 61 wird. Trotz neuer Hobbys<br />
(Golfen und Kochen) ist die Rennerei nach<br />
<strong>wie</strong> vor ein Thema, wenn auch nur noch<br />
vor dem Fernseher.<br />
Dort nimmt der Hausherr immer Platz,<br />
wenn Formel 1 und NASCAR zur Aufführung<br />
kommen. «Leider», bedauert er, «gibt es<br />
kaum noch Kontakt zu den Rennkumpanen<br />
von früher.» Deshalb kann er es auch kaum<br />
abwarten, wenn sich die alte Garde am 6.<br />
Dezember zum <strong>Dunlop</strong>-MSa-Happening in<br />
Essen trifft. «Ich werde da sein», verspricht<br />
der Prinz, «und wenn ich auf allen<br />
vieren dorthin kriechen muss.»<br />
Racing & Fun: von Hohenzollern 1971<br />
Kochen & Golf: von Hohenzollern 2003<br />
Triumph bei den 24 h Nürburgring: Hohenzollern/Pankl 1971 im Alpina-BMW
188<br />
von Kahlen, Sigismund (MSa 36/2003)<br />
Der Sportpolitiker<br />
igismund von Kahlen prägte 34 Jahre<br />
Slang als Lenker und Denker den deutschen<br />
Automobilsport. In die Amtszeit des<br />
ehemaligen Geschäftsführers der Frankfurter<br />
ONS/DMSB-Zentrale fielen Aufbau und<br />
Realisierung so erfolgreicher Projekte <strong>wie</strong><br />
Deutsche Rennsport-Meisterschaft (DRM),<br />
Olympia-Rallye, Formel-3-DM, Rettungs-<br />
Staffel, ONS-Nachwuchsförderung, DTM<br />
oder die Modernisierung der angestaubten<br />
Meisterehrung. Seit vier Jahren lebt der<br />
67-Jährige im Ruhestand und verfolgt das<br />
nationale Renngeschehen aus seinem Heimatstädtchen<br />
Auringen bei Wiesbaden via<br />
Fernseher und Printmedien.<br />
Dabei ist ihm der klare Blick für die Realitäten<br />
als Pensionär keineswegs abhanden<br />
gekommen. «Meinen Nachfolger beim<br />
DMSB beneide ich derzeit nicht unbedingt»,<br />
gesteht von Kahlen. «Der Motorsport<br />
befindet sich mal <strong>wie</strong>der in sch<strong>wie</strong>rigem<br />
Fahrwasser. Bis auf die DTM kränkeln<br />
fast alle deutschen Rennserien.»<br />
Die Gründe für den Teilnehmer- und Zuschauerschwund<br />
sieht der frühere Sportpolitiker<br />
in der desolaten Wirtschaftslage,<br />
in Sparzwängen bei Industrie, Sponsoren<br />
und zahlendem Publikum und daraus resultierender<br />
Geldnot der Veranstalter. «Ein<br />
gefährlicher Teufelskreis, der uns wohl<br />
noch lange zu schaffen machen wird.»<br />
Der CDU-Mann hat während des Ruhestands<br />
seine kommunalpolitischen Ambitionen<br />
<strong>wie</strong>der reaktiviert. Als CDU-Vorsitzender<br />
und ehemaliger Bürgermeister von<br />
Auringen steht er jetzt seinem Sohn Alexander<br />
(29) mit Rat und Tat zur Seite. Denn<br />
der Junior ist seit zwei Jahren ebenfalls<br />
Ortsvorsteher der 3000-Seelen-Gemeinde.<br />
Ehefrau Gerti, die ihren Sigismund 1970<br />
als ONS-Sekretärin schätzen und lieben<br />
lernte, wechselte nach der Hochzeit sinnvollerweise<br />
den Arbeitgeber und ist seit<br />
mittlerweile einem Vierteljahrhundert Geschäftsstellenleiterin<br />
bei der Polizeigewerkschaft<br />
GdP.<br />
Sorgen macht nur die Gesundheit des<br />
Familienoberhaupts, der sich, kaum pensioniert,<br />
einer Bypass-Operation an der<br />
Halsschlagader und kurz darauf einer<br />
hochdramatischen Not-Operation (perforierte<br />
Aorta in der Bauchhöhle) unterziehen<br />
musste. «Das war ziemlich knapp, um<br />
ein Haar hätte mich der Sensenmann geschnappt.»<br />
Inzwischen blickt von Kahlen mit neuem<br />
Mut in die Zukunft. Traurig stimmt ihn<br />
indes die Tatsache, dass sich aus der DMSB-<br />
Zentrale seit Jahren keiner mehr meldet.<br />
Und Einladungen zur alljährlichen Meisterehrung<br />
erreichen ihn auch nicht mehr –<br />
ein wahrlich schwaches Bild.<br />
Sportpolitiker: von Kahlen 1966 CDU-Politiker: von Kahlen 2002<br />
Kontakt zur Basis: von Kahlen (2.v.l.) 1966 mit Weber, Schütz, Glemser
Wallrabenstein, Günther (MSa 05/2003)<br />
Der Bananenbieger<br />
ünther Wallrabenstein kann mit Recht<br />
Gbehaupten, die schönsten und unbeschwertesten<br />
Jahre des Rallyesports miterlebt<br />
zu haben. Zusammen mit seinen Co-<br />
Piloten Exner, Stock, Herborn und Säckel<br />
erschreckte der Limburger Geschäftsmann<br />
Deutschlands und Europas Rallye-Elite<br />
zwischen 1960 und 1970 vorzugsweise in<br />
Porsche Carrera und 911ern. Zwischendurch<br />
gab es auch Abstecher ins BMW-<br />
Werksteam und zu Oettinger-VW.<br />
Die Ausbeute dieser zehn Jahre konnte<br />
sich sehen lassen: Deutscher GT-Meister<br />
1962, Mitropa-Cup-Champion. Monte-Carlo-Klassensieger<br />
im VW-Käfer, dreimal Gesamtsieger<br />
der Semperit-Rallye und zweimal<br />
Gewinner der berüchtigten österreichischen<br />
Alpenfahrt.<br />
Obwohl Wallrabenstein vom damaligen<br />
BMW-Sportchef Helmut Bein sogar ins Rallye-Werksteam<br />
berufen wurde und dort<br />
auch seine Karriere beendete, galt seine<br />
grosse Liebe stets der Marke Porsche. So<br />
holte er sich den grössten Teil der rund<br />
100 Siege am Steuer seiner insgesamt fünf<br />
911 und drei Carrera. Über ein ärgerliches<br />
Missgeschick lamentiert der Hesse allerdings<br />
noch heute: Bei der Rallye Genf zerlegte<br />
er auf der Mont-Blanc-Prüfung den<br />
bildschönen 904 GTS, mit dem Böhringer/<br />
Wütherich bei der denkwürdigen Rallye<br />
189<br />
Monte Carlo 1965 im Tiefschnee sensationell<br />
auf den zweiten Rang gefahren waren.<br />
Auch Berg- und Flugplatzrennen nahm<br />
der «Bananenbieger» (so sein Branchenspitzname)<br />
mit Begeisterung und Erfolg in<br />
Angriff. Besonders wohl fühlte sich der<br />
Chef eines der grössten Bananen-Reiferei-<br />
Betriebes Deutschlands auf der Nürburgring-Nordschleife.<br />
«Das ist was für richtige<br />
Männer, nix für Weicheier.»<br />
Inzwischen hat sich Familienmensch<br />
Wallrabenstein, seit über 40 Jahren verheiratet,<br />
zwei erwachsene Töchter, zwei<br />
Enkelkinder, längst der Fliegerei verschrieben.<br />
Regelmässig geht er mit seiner grüngelb<br />
lackierten «Beach Bonanza» in die<br />
Luft. Und von Ruhestand noch keine Spur<br />
– noch immer leitet der heute 70-Jährige<br />
gemeinsam mit seinem Bruder die Geschäfte<br />
(pro Woche reifen in seinem Betrieb<br />
bis zu 300 Tonnen grün angelieferte<br />
Bananen aus Mittel- und Südamerika).<br />
Kontakt zum Rennsportgeschehen hält<br />
er über die Giessener Rallye-Clique und den<br />
ehemaligen <strong>Dunlop</strong>-Renndienstchef Gerhard<br />
Weber. Neben der Fliegerei ist die Börse<br />
übrigens sein zweites grosses Hobby.<br />
Beinahe triumphierend stellt der alte<br />
Schlaufuchs klar: «Mein Aktiendepot hab’<br />
ich noch rechtzeitig geleert, bevor die<br />
grosse Talfahrt begann.»<br />
1967: Erfolg in Rallyes und Rennen 2003: Erfolg in Bananen und Börse<br />
Porsche über alles: Wallrabenstein (r.) 1963 mit dem 1600er-Carrera
190<br />
Werner, Michael (MSa 40/2003)<br />
Das ewige Talent<br />
ichael Werner hat nie seine Enttäu-<br />
darüber verheimlicht, dass er<br />
Mschung<br />
im Rallyesport gerne weiter vorgekommen<br />
wäre. Sein Pech war, dass bei Ford Köln<br />
stets mit schmalem Budget und kaum siegfähigen<br />
Autos operiert wurde. Sein Glück,<br />
dass es unter den Sportchefs Mike Kranefuss<br />
und Lothar Pinske in den 70er- und<br />
80er-Jahren überhaupt Rallyeprogramme<br />
gab. Anfangs diente Werner als Copilot,<br />
danach prügelte er 13 Jahre als «ewiges<br />
Talent» fast die ganze Ford-Palette über<br />
Stock und Stein. «Nur der Transit blieb mir<br />
erspart», merkt er sarkastisch an.<br />
Seine Copiloten mussten nervenstarke<br />
Typen sein, schon allein wegen der zahlreichen<br />
Landungen im Abseits. «Aber ich<br />
habe weniger Autos platt gemacht als Ari<br />
Vatanen», stellt Werner klar. Vier Beifahrer<br />
<strong>wie</strong>sen ihm den Weg, darunter Arwed<br />
Fischer, der unvergessene Egon Meurer und<br />
Rechtsanwalt Matthias Feltz. Letzterer erzählt<br />
noch heute respektvoll von Werners<br />
akrobatischen Künsten mit dem schwergewichtigen<br />
Taunus 3.0 S, auf dessen Dach<br />
mal aus Jux ein Taxischild prangte. «Mein<br />
Gemütszustand schwankte meistens zwischen<br />
Entsetzen und Gottesfurcht», so<br />
Feltz. «Gelegentlich war ich mir nicht sicher,<br />
ob ich meine Kanzlei noch mal lebend<br />
sehen würde.»<br />
Immerhin gelangen dem Duo mit dem<br />
unhandlichen Schlachtschiff verschiedene<br />
Gruppen- und Klassensiege. Seine grössten<br />
Erfolge feierte Werner mit den Escort-<br />
Typen RS2000, RSi und RS Turbo, dazu erreichte<br />
er die Vizemeisterschaft in der Rallye-Trophäe<br />
und Platz 3 in der DM. Im Jahre<br />
1989 beendet der Kaufmannssohn aus<br />
dem oberpfälzischen Kemnath seine Rallye-Laufbahn,<br />
nachdem sein Vater plötzlich<br />
starb und Werner nun die elterliche<br />
Druckerei übernehmen musste.<br />
Heute kümmert sich der 49-Jährige «als<br />
Impressario um alles» in dem kleinen Familienbetrieb,<br />
den er komplett umgekrempelt<br />
und modernisiert hat. Die knappe Freizeit<br />
verbringt er mit seiner Lebensgefährtin<br />
Susanne und gelegentlichen Konzertund<br />
Theaterbesuchen. Aus Zeitmangel<br />
kann er sich pro Saison nur ein bis zwei<br />
Rallyes persönlich vor Ort ansehen, für den<br />
grossen Rest müssen der Fernseher und<br />
MOTORSPORT aktuell herhalten.<br />
Ein Gehfehler als Spätfolge eines dreifachen<br />
Überschlags im Taunus 3.0 S bei<br />
der Rallye Vorderpfalz 1981 erinnert ihn<br />
dauerhaft an seine wilden Rallye-Jahre.<br />
Aber Michael Werner hadert nicht: «Es gibt<br />
nichts zu bereuen, ich habe Ford viel zu<br />
verdanken und meine Möglichkeiten genutzt,<br />
so gut es eben ging.»<br />
Immer voller Einsatz: Werner 1981 Drucken statt Driften: Werner ’03<br />
«Zwischen Entsetzen und Gottesfurcht»: Werner/Feltz ’81 im Taunus 3.0S
Winkelhock<br />
(folgt seperat)