Neue Honda VFR 1200 F - ZWEIRAD-online
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14 SZENE<br />
So könnte der Titel einer weiteren<br />
Doku-Soap von Sat.1,<br />
RTL & Co. lauten, das Drehbuch<br />
für die Auftaktfolge dazu<br />
läge sogar schon fix und fertig<br />
auf dem Tisch. Die erste Folge<br />
könnte den Titel „Der unnachgiebige<br />
Jäger“ oder noch etwas<br />
reißerischer „Duell im Unterholz“<br />
tragen.<br />
Die Geschichte der etwas<br />
anderen Gerichtsverhandlung<br />
beginnt bereits im Herbst 2007.<br />
Drei Männer fahren illegalerweise<br />
mit Ihren Trialmotorrädern<br />
durch das Waldgebiet<br />
„Steinbrüchlein“ bei Worzeldorf/Nürnberg<br />
und frönen dort<br />
ihrem Hobby.<br />
Am späten Nachmittag wollen<br />
die drei Ihre Fahrt beenden<br />
und durchqueren dabei<br />
den Wald am Glasersberg, der<br />
noch dazu ein Naturschutzgebiet<br />
und obendrein das Revier<br />
des Jagdpächters Oliver H. ist.<br />
Durch einen Zufall wird die<br />
Gruppe getrennt und Robert<br />
Z., einer der Trialfahrer, fährt<br />
dem Jagdpächter über den<br />
Weg, der gerade mit seiner<br />
Frau und dem Hund auf einem<br />
Reviergang unterwegs ist. Dieser<br />
ist von dem illegalen Besucher<br />
natürlich alles andere als<br />
begeistert, fürchtet um das<br />
Wohl von Gelbbauchunke und<br />
Buntspecht und jagt den Trialfahrer<br />
so lange durch den<br />
Wald, bis der ortsunkundige<br />
Oberpfälzer sich in einer Sackgasse<br />
festfährt.<br />
Doch der damals 59-jährige<br />
Hobbytrialer gibt nicht auf,<br />
versucht zunächst seine beiden<br />
Verfolger umzufahren und<br />
schleift den Jäger, der den Trialfahrer<br />
am Arm zu fassen<br />
bekommt filmreif einige Meter<br />
durchs Unterholz, ehe es dem<br />
Jäger doch noch gelingt, den<br />
Waldraser bis zum Eintreffen<br />
der Polizei festzuhalten.<br />
Während Robert Z. daraufhin<br />
wegen versuchten Totschlags<br />
für eine Nacht in Untersuchungshaft<br />
landet, werden<br />
im Wald bereits eifrigst Spuren<br />
gesammelt. Und die deuten<br />
schnell darauf hin, dass die<br />
Geschichte des Jagdpächters<br />
wohl doch eher für ein Drehbuch<br />
gedacht war, als dass sie<br />
der Wahrheit entspricht. Vielmehr<br />
stellte sich heraus, dass<br />
Oliver H. den Motorradfahrer<br />
vom Bike riss und ihn gewaltsam<br />
und ohne Befugnis im<br />
Wald festhielt.<br />
Nötigung, Körperverletzung<br />
und falsche Verdächtigung<br />
befand das Gericht in der ersten<br />
Verhandlung.<br />
Ein Strafbefehl über 7000<br />
Euro und die Gerichtskosten<br />
hätten nicht nur einen tiefen<br />
Griff in die Tasche bedeutet,<br />
auch seinen Jagdschein wäre<br />
Das Waldgericht<br />
Rechtsprechung auf würzigem Waldboden: Das Gericht verhandelte am<br />
Tatort den Fall „Jäger gegen Trialer“.<br />
Oliver H. als nunmehr Vorbestrafter<br />
los gewesen.<br />
Der Jäger ging daher in<br />
Berufung und es kam nun fast<br />
zwei Jahre nach dem folgenschweren<br />
Aufeinandertreffen<br />
von Jäger und Trialer zum<br />
wohl kuriosesten Gerichtsprozess<br />
seit Jahren. Aufgrund<br />
der widersprüchlichen Aussagen<br />
der Beteiligten und um die<br />
Geschehnisse am Tatort besser<br />
rekonstruieren zu können, verlegte<br />
der Richter Volker Kanz<br />
den Sitzungssaal in ein vom<br />
THW errichtetes Zelt mitten im<br />
Nürnberger Reichswald. Während<br />
die Zeugen in einem eigenen<br />
Zelt auf ihren Auftritt im<br />
Zeugenstand warteten, marschierten<br />
alle weiteren Beteiligten<br />
bergauf in Richtung<br />
ehemaligem Tatort. Zunächst<br />
in Richterrobe, später in Winterjacke<br />
und festem Schuhwerk<br />
gekleidet nahm der Richter<br />
hinter einem Biertisch Platz<br />
und eröffnete die Verhandlung,<br />
untermalt vom monotonen<br />
Gerumpel des THW-Heizlüfters.<br />
Am anderen Ende des Zeltes<br />
lauschten Pressevertreter<br />
und Prozessbeobachter bei<br />
gefühlten 0°C gespannt den<br />
Worten der Beteiligten.<br />
Zunächst versuchte Oliver<br />
H. die Mär vom rücksichtlosen<br />
Trialrowdy aufrecht zu erhalten,<br />
schränkte aber seine Aussagen<br />
doch des Öfteren ein.<br />
Aus dem rettenden Sprung ins<br />
Gebüsch wurde plötzlich nur<br />
noch ein Wegdrehen und auch<br />
das meterlange Mitschleifen<br />
konnte er nicht glaubhaft darstellen,<br />
zumal dafür seinerzeit<br />
keinerlei Spuren am Tatort<br />
gefunden worden waren.<br />
Um sich ein besseres Bild<br />
vom Vorfall machen zu können,<br />
beorderte Richter Kanz<br />
den gut 30 Personen umfassenden<br />
Tross aus Anwälten, Gutachtern<br />
und Presse direkt zum<br />
Tatort, wo Oliver H. bemüht<br />
Kein Pfadfinderlager, sondern einen „Gerichtssaal“ hatte das THW mitten<br />
im Wald errichtet. Das Medieninteresse war entsprechend groß.<br />
Fotos: G. Schinner<br />
war, seine Verfolgungsjagd mit<br />
dem Motorradfahrer so detailliert<br />
wie möglich zu beschreiben.<br />
Michael Schaller, der<br />
Schwiegersohn des Gutachters<br />
und ebenfalls Trialfahrer,<br />
wurde vor Ort gebeten, die einzelnen<br />
Szenen mit dem Motorrad<br />
nachzustellen und so die<br />
Glaubwürdigkeit des Angeklagten<br />
zu überprüfen.<br />
Zum Aufwärmen ging es<br />
schließlich wieder in das Sitzungszelt,<br />
wo der als Nebenkläger<br />
auftretende Trialfahrer<br />
– bei seinem Sturz war eine<br />
alte Meniskusverletzung wieder<br />
aufgebrochen - eine etwas<br />
andere Version der Geschichte<br />
zum Besten gab. Nach seinen<br />
Ausführungen war es der<br />
Jagdpächter, der sich auf den<br />
Trialfahrer stürzte und ihn<br />
gewaltsam zu Boden riss.<br />
Mit einem schmerzhaften<br />
Griff zwang er den zum damaligen<br />
Zeitpunkt schon sehr<br />
erschöpften Robert Z. bis zum<br />
Eintreffen der Polizei auf seinem<br />
Motorrad sitzen zu bleiben.<br />
Telefonisch hatte er<br />
derweil den zuständigen Förster<br />
von einem „Spargeltarzan“<br />
berichtet, den er im Wald dingfest<br />
gemacht hatte.<br />
Zur Auflockerung durften<br />
nun alle Beteiligten wieder<br />
ein wenig im Wald spazieren<br />
gehen und die Verfolgungsjagd<br />
aus der Sicht des Trialfahrers<br />
erleben, der in vielen Details<br />
wesentlich präzisere Angaben<br />
machen konnte. Die Ausführungen<br />
des Jagdpächters<br />
wurden erneut als sehr freie<br />
Interpretation des tatsächlichen<br />
Ablaufs entlarvt.<br />
Nach einer kurzen Kaffeepause<br />
mit Versorgung durch<br />
das THW drohte sich der Prozesstag<br />
aufgrund von anstehenden<br />
Zeugenbefragungen<br />
mit anschließendem Waldexkurs<br />
bis in die Dunkelheit hinzuziehen.<br />
Doch durch das späte<br />
Einlenken des Jagdpächters<br />
samt Entschuldigung beim Trialfahrer<br />
stellte das Gericht das<br />
Verfahren ein und beließ es<br />
bei einem Schmerzensgeld von<br />
2000 Euro für den geschädigten<br />
Robert Z. sowie einer Geldbuße<br />
in Höhe von 2000 Euro in<br />
die Staatskasse. Wäre Robert<br />
Z. seinerzeit von der Polizei<br />
erwischt worden, hätte er nur<br />
eine mittlerweile verjährte Ordnungswidrigkeit<br />
begangen.<br />
So aber kam es zu diesem<br />
kuriosen Prozess, den weder<br />
Richter noch Staatsanwalt<br />
so oder ähnlich schon erlebt<br />
haben. Ärgerlich nur, dass nun<br />
wieder einmal der Steuerzahler<br />
für die Kosten des mit hohem<br />
Aufwand verbundenen Verfahrens<br />
aufkommen muss.<br />
Gregor Schinner