herunterladen - Universität Bremen
herunterladen - Universität Bremen
herunterladen - Universität Bremen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
und auf Verständigung ausgerichtete Individuen als Träger und Instanz des gesellschaftlichen<br />
und ästhetischen Diskurses figurieren, beruht Brauns Projekt auf dem<br />
Emanzipationspotential der Subjekte und orientiert sich an einem (in der Tradition des<br />
Assoziationsmodells stehendes) Demokratiekonzept.93 Zwar bezieht sich Volker<br />
Braun auch auf die Sozialismus-Debatte, doch sein SozialismusBegriff fungiert nicht<br />
mehr als umfassendes System, sondern lediglich als Fluchtpunkt für gesellschaftliche<br />
Utopievorstellungen, die sich um das Egalitätsprinzip kristallisieren.94 Der vom Autor-Erzähler<br />
in Bodenloser Satz beabsichtigten Initiation eines prinzipiell offenen<br />
Diskurses entspricht die Erzählweise, wenn sie alternative Problemlösungen darstellt<br />
und anbietet; damit scheint sie in der Tradition des Konzepts der „konstruktiven<br />
Struktur“ zu stehen. Da jedoch die utopische Dimension insofern als problematische,<br />
ja prekäre gestaltet ist, als deren illusorisches Moment betont wird, stellt letztlich die<br />
dekonstruktive Schreibstrategie das Prinzip dar, das das in dem Prosatext realisierte<br />
Erzählkonzept strukturiert. Hinzu kommt, daß der Autor-Erzähler die literarische Tradition<br />
in die Kommunikation einbezieht (vor allem in distanzierender Funktion) und<br />
so den Horizont diskursiver Reflexion ausweitet, die durch die Problematik der technischen<br />
Zivilisation bzw. die Thematik des Widerstands gegen die industrielle Megamaschine<br />
perspektiviert wird. In dem Prosatext Bodenloser Satz, der ein Stück<br />
Trennungsliteratur repräsentiert, konstituiert der Autor ein Neues Schreiben, dem<br />
dank einer komplexen Montagetechnik ein hoher Grad von Reflexivität eignet. Als<br />
Liquidationsbilanz eines gescheiterten gesellschaftlichen Experiments konzipiert,<br />
dient der Text zugleich als Eröffnungsbilanz eines neuen gesellschaftlichen und ästhetischen<br />
Diskurses.<br />
1 Der Aufsatz ist die überarbeitete Fassung eines Vortrages, den ich im Juni 1991<br />
in Potsdam gehalten habe; der Text erscheint in: Weimarer Beiträge, 4/1992.<br />
2 Uwe Kolbe, Der größte Anspruch. Über ein paar Zeilen von Volker Braun, in:<br />
Neue Rundschau, 4/1990, S. 46-52, hier S. 46 und S. 47.<br />
3 Ebd., S. 49.<br />
4 Ebd.<br />
5 Ebd., S. 51.<br />
6 Vgl. das Volker-Braun-Kapitel in: Gerrit-Jan Berendse, Die „Sächsische<br />
Dichterschule“. Lyrik in der DDR der sechziger und siebziger Jahre, Frankfurt/M.-<br />
Bern-New York-Paris 1990, S. 217-246 sowie ders., Von einem heftigen Experimentator,<br />
der immer neue Wege sucht. Dieser Vortrag, der beim 18. Bad Münstereifeler<br />
Literaturgespräch im Mai 1991 gehalten wurde, liegt m.W. noch nicht gedruckt vor;<br />
ich stütze mich auf meine Notizen. - Inzwischen ist der Vortrag auch gedruckt zugänglich,<br />
in. G.-J. Berendse, Fünfundzwanzig Jahre politische Poesie von Volker<br />
Braun. Von einem heftigen Experimentator, der immer neue Wege sucht, in: Wirkendes<br />
Wort, 3/1991, S.425-435.<br />
7 Volker Braun, Rimbaud. Ein Psalm der Aktualität. Vorgetragen am 4. Mai 1984<br />
in Mainz; Erstdruck in: Akademie der Wissenschaft und der Literatur, Mainz (Hg.),<br />
Abhandlungen der Klasse der Literatur, 4/1984, Stuttgart 1985. Ich zitiere nach der in<br />
Sinn und Form, 5/1985, veröffentlichten Fassung; auch zugänglich in: V. B., Verhee-<br />
29