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Adelbert von Chamisso - Leben und Werk im Bild - Bernd Lehmann

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<strong>Bernd</strong> <strong>Lehmann</strong>: Knabenbildnis <strong>Chamisso</strong> 19 x 24,5 cm, 90 Exemplare<br />

Die Radierung zeigt <strong>Chamisso</strong> <strong>im</strong> Alter <strong>von</strong> acht Jahren. Sie lehnt sich an eine datierte<br />

<strong>und</strong> signierte Rötelzeichnung (Mai 1798) <strong>von</strong> Jean-Baptiste Félix Lionnet (1762-1816)<br />

an. <strong>Lehmann</strong>s Knabengesicht ist keineswegs idealisiert: Es wendet seinen Blick, der<br />

keineswegs kindlich zu nennen ist, <strong>von</strong> der Vergangenheit ab. <strong>Lehmann</strong> deutet damit<br />

an, daß sich <strong>Chamisso</strong> schon in seiner Kindheit <strong>und</strong> Jugend <strong>von</strong> seiner alltäglichen<br />

Umwelt abschloß, Einsamkeit <strong>und</strong> Stille suchte <strong>und</strong> sich durch einen für sein Alter<br />

spezifischen Ernst auszeichnete. Im Familienkreis nannte ihn die Mutter wortkarg <strong>und</strong><br />

ungesellig. Von seiner einzigen Schwester Madeleine wird er als Einzelgänger geschildert,<br />

der <strong>im</strong> Schloßgarten <strong>von</strong> Boncourt gern seinen eigenen Gedanken nachging. Im<br />

„Tagebuch“ der Reise um die Welt notiert <strong>Chamisso</strong> später, daß er nie <strong>von</strong> der Gegenwart<br />

träumte, nie <strong>von</strong> der Reise <strong>und</strong> nie <strong>von</strong> der Welt, der er angehörte. Er wollte<br />

wieder ein Kind <strong>und</strong> in seiner vertrauten Umgebung sein. Die Kindheit ist ihm zur<br />

Er-Innerung an die verlorene He<strong>im</strong>at geworden, die ihm nun bildlich vor das geistige<br />

Auge tritt: „[...] die Jahre wurden zurückgeschraubt, ich war wieder <strong>im</strong> Vaterhause,<br />

<strong>und</strong> meine toten <strong>und</strong> verschollenen Gestalten umringten mich, sich in alltäglicher Gewöhnlichkeit<br />

bewegend, als sei ich nie über die Jahre hinausgewachsen, als habe der<br />

Tod sie nicht gemäht.“<br />

So findet sich auf dieser Radierung auch die Thematik der He<strong>im</strong>atlosigkeit des zwischen<br />

dem 27. <strong>und</strong> 30. Januar 1781 als sechstes Kind des Louis Marie de <strong>Chamisso</strong>t<br />

<strong>und</strong> seiner Frau Marie Anne Gargam auf Schloß Boncourt in der Champagne geborenen<br />

<strong>Adelbert</strong> wieder: 1792 schließt sich der Comte, der zum lothringischen Uradel<br />

gehört, dem Emigrantenheer des Herzogs <strong>von</strong> Broglie an. 1793 wird das Stammschloß<br />

Boncourt zum Kauf angeboten <strong>und</strong> - da es keinen Käufer findet – zum Abriß freigegeben.<br />

(Der Gr<strong>und</strong>riß ist in <strong>Lehmann</strong>s Radierung angedeutet.) Es wirft ein bezeichnendes<br />

Licht auf die prekäre persönliche Situation des inneren <strong>und</strong> äußeren Exils, wenn<br />

<strong>Chamisso</strong> noch <strong>im</strong> Jahr 1827 <strong>im</strong> "Schloß<br />

_________________________________________<br />

3 <strong>Adelbert</strong> <strong>von</strong> <strong>Chamisso</strong>: Reise um die Welt mit der Romanzoffischen Entdeckungs-Expedition in den Jahren<br />

1815-1818. In: <strong>Adelbert</strong> <strong>von</strong> <strong>Chamisso</strong>: Sämtliche <strong>Werk</strong>e in zwei Bänden. Hg. <strong>von</strong> Werner Feudel <strong>und</strong><br />

Christel Laufer. Bd. 2. München 1982, S. 81-646. Hier: S. 200.

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