Rassismus Report 2010 - Zara
Rassismus Report 2010 - Zara
Rassismus Report 2010 - Zara
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rassistische Vorfälle · Internet<br />
Internet<br />
Das Internet ist aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. In diesem halböffentlichen Raum werden<br />
allerdings die Grenzen zwischen öffentlich und privat täglich verschoben und neu definiert. Prinzipiell hat<br />
jede/r UserIn die Möglichkeit, selbst Inhalte ins Netz zu stellen und Äußerungen zu verlautbaren, die unter Umständen<br />
sehr viele Menschen erreichen. Dass im Internet gepostete rassistische Aussagen oder Cybermobbing<br />
sehr oft Auswirkungen auf das reale Leben der Betroffenen haben, scheint manchen UserInnen nicht bewusst zu<br />
sein.<br />
Die neuen Meinungsbildner im Netz wie Weblogs, Online-Foren und nicht zuletzt die sozialen Netzwerke werden<br />
von immer mehr UserInnen intensiv genutzt - leider auch für mitunter wirklich erschütternde Aussagen, die in<br />
extrem aggressiver und verächtlicher Manier gegen diverse Gruppen, aber auch einzelne Personen hetzen. Einige<br />
Webseiten widmen ihre Inhalte unverhohlen der Propagierung ausländerfeindlicher, antisemitischer, islamophober,<br />
nationalsozialistischer oder ähnlicher gefährlicher Ideologien. Nicht selten rufen sie zwischen den Zeilen zu<br />
Gewalt gegen diverse als anders wahrgenommene oder als minderwertig erachtete Gruppierungen auf.<br />
Die Entwicklung geeigneter Maßnahmen gegen solche Negativentwicklungen im Netz war Ziel der Jahreskonferenz<br />
des International Network Against Cyber Hate (INACH), die ZARA als Netzwerkmitglied im November <strong>2010</strong><br />
in Wien ausgetragen hat (➞ Kapitel cyber hate, ab S. 63). Die dort besprochenen Problematiken im Kampf gegen<br />
rassistische, rechtsextreme, antisemitische und islamophobe Inhalte waren ähnlich. Sogar in Fällen, in denen<br />
rechtlich relevante Sachverhalte erfüllt werden, ist eine Löschung der Inhalte oft nicht möglich, wenn die Seite in<br />
einem Land gehostet wird, in dem eine wenig sensible Rechtslage die Meinungsfreiheit über den Schutz vor menschenverachtender<br />
Propaganda stellt. In Österreich scheitert beispielsweise die Schließung der Seite Alpen-Donau.Info<br />
an diesen rechtlichen Barrieren, da das Recht auf Meinungsfreiheit in den USA, wo der Provider ansässig<br />
ist, derartige Inhalte erlaubt. Unter anderem deshalb sind in vielen Fällen Anti-<strong>Rassismus</strong>-Organisationen auf den<br />
guten Willen der Internetindustrie angewiesen, die über „soft law“ – wie beispielsweise Regeln für die Nutzung von<br />
Social Netzwerks oder Internetforen – die Löschung von rassistischen und rechtsextremen Inhalten ermöglichen.<br />
Allerdings scheitern österreichische Ermittlungsbehörden auch des Öfteren daran, die im Inland ansässigen BetreiberInnen<br />
rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und islamophober Seiten ausfindig zu machen und zu<br />
löschen. Einerseits sind die gesetzlichen Bestimmungen unzureichend, um menschenverachtende Inhalte wirksam<br />
bekämpfen zu können. Andererseits scheinen staatliche Einrichtungen nicht ausreichend für die Thematik<br />
sensibilisiert zu sein. Somit liegt es derzeit an jedem/r Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen und die Zivilgesellschaft<br />
zu motivieren, ihren Kampf gegen <strong>Rassismus</strong> im Internet weiterzuführen.<br />
35<br />
Seit April 2009 besteht die Website alpendonau.info.<br />
In täglich aktualisierten Artikeln<br />
verbreiten die AutorInnen nationalsozialistische<br />
Propaganda und hetzen gegen Jüdinnen und Juden,<br />
PolitikerInnen oder anti-rassistische und antifaschistische<br />
AktivistInnen. Einzelpersonen, die auf<br />
der Seite meist mit Foto und manchmal sogar mit<br />
ihrer privaten Wohnadresse aufscheinen, werden beschimpft,<br />
verhöhnt und mehr oder weniger offen bedroht.<br />
Unter den von solchen Drohungen Betroffenen<br />
befinden sich im Jahr <strong>2010</strong> ein Funktionär der Österreichischen<br />
Hochschülerschaft in Graz, ein Betreiber<br />
eines jüdischen Internet-Nachrichtenportals und der<br />
Inhaber eines gegen alpen-donau.info gerichteten<br />
Blogs. Im Anschluss an Berichte auf der Seite kommt<br />
es manchmal zu weiteren Aktionen aus dem vermuteten<br />
Umfeld der BetreiberInnen, wie z.B. Drohmails mit<br />
folgendem Inhalt: „… du Hurenkind, dich kriegen wir<br />
auch noch! Am R.[…] kannst du dich nicht verstecken!<br />
Was dann mit dir geschah werde ich S.[…] erzählen<br />
während sie zwischen meinen Schenkeln kniet und<br />
um Verzeihung bläst! Heil FPÖ!“ – „hey schwuler, muß<br />
dein erstgeborener wirklich erst nen unfall haben damit<br />
dus kapierst? Ab jetzt werden sich ‚andere‘ leute<br />
um euch kümmern, scheinbar wisst ihr immer noch<br />
nicht, mit wem ihr euch da anlegt“.<br />
Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen<br />
Widerstandes (DÖW ➞ Glossar) bewertet die Website<br />
alpen-donau.info mit „organisatorischem Schwerpunkt<br />
in Wien und Wiener Neustadt“ als „Ausdruck<br />
eines Generationenwechsels in der zunehmend militanter<br />
agierenden Neonaziszene. Die BetreiberInnen<br />
sind gut mit AktivistInnen vernetzt, die sie über von<br />
ihnen gesetzte Aktionen wie dem öffentlichenAnbringen<br />
rassistischer Transparente oder Flugblätter informieren<br />
und diese für die Seite auch doku mentieren.“<br />
Aufgrund vielfacher Anzeigen von Betroffenen<br />
und ZeugInnen ermittelt das Bundesamt für Verfassungsschutz<br />
und Terrorismusbekämpfung (BVT ➞<br />
Glossar) seit April 2009 gegen die BetreiberInnen der<br />
Seite. Im Oktober/November <strong>2010</strong> kommt es bei mehreren<br />
Verdächtigen zu Hausdurchsuchungen, die zu-<br />
29