23.11.2013 Aufrufe

missio Aachen

missio Aachen

missio Aachen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

26<br />

27<br />

Eine Universität für Araber unter amerikanischer Leitung nach<br />

amerikanischem Vorbild<br />

Für Bethlehem brachte die Notwendigkeit einer Mitgliedschaft im Arabischen<br />

Universitätsverband erhebliche Probleme mit sich. Um die Anerkennung der<br />

Abschlüsse zu gewährleisten und Zugang zu den Finanzmitteln aus der arabischen<br />

Welt zu bekommen, musste die Verwaltung der Universität Bethlehem Wege finden,<br />

die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Arabischen Universitätsverband<br />

zu erfüllen. Es gibt keine stichhaltigen Beweise dafür, dass die Universität wegen<br />

der Voreingenommenheit gegen Christen an einer Mitgliedschaft gehindert<br />

wurde. Die Universität war jedoch aus einer Sekundarschule hervorgegangen und<br />

hatte von dieser den „Ferman” der osmanischen Hohen Pforte geerbt, der ihr<br />

den Kauf und Besitz von Grundeigentum ermöglichte – ganz im Stil einer französischen<br />

Schule, die gemäß den Verträgen von Miletus und Konstantinopel<br />

bestimmte Freiheiten genoss. Die Universität wurde unter der Leitung von drei<br />

Brüdern des De-La-Salle-Ordens aus den USA eröffnet. Seit der Gründung waren<br />

im Lehrkörper und bei den Verwaltungsangestellten Frauen aus bis zu einem Dutzend<br />

religiöser Gemeinschaften vertreten, wobei nur eine von ihnen aus Palästina<br />

stammte. Kanzler der Universität ist von Amts wegen der Apostolische Delegierte<br />

in Jerusalem und Palästina. Für die Mitgliedschaft im Arabischen Universitätsverband<br />

war es erforderlich, dass die entsprechende Einrichtung auf eine arabische Gründung<br />

zurückgeht, Kurse und Standards anbietet, die vom Verband bestätigt sind,<br />

von einem arabischen Präsidenten geleitet und von einem arabischen Kuratorium<br />

geschützt wird.<br />

Für diese Anforderungen fand man eine Kompromisslösung: Das Kuratorium<br />

setzte sich aus führenden Vertretern der lokalen arabischen Gemeinschaft und<br />

Wirtschaft zusammen. Als erster Vorsitzender wurde Elias Freij gewählt, ein<br />

orthodoxer Christ, der damals gleichzeitig Bürgermeister von Bethlehem war. Das<br />

Amt des Präsidenten nahm Michel Sabbah an, der zu dieser Zeit Gemeindepfarrer<br />

in Amman war und später der erste arabische Würdenträger des wiederhergestellten<br />

Lateinischen Patriarchats in Jerusalem wurde. Die Aufgaben des Präsidenten<br />

waren im Wesentlichen die eines geistlichen Visitators. Nachdem der<br />

Hauptgeschäftsführer der Universität das Amt des Präsidenten abgegeben hatte,<br />

übte er seine Funktion nun unter dem Titel des Vizekanzlers aus. Diese Organisationsstruktur<br />

der Universitätsleitung wurde in Amman und anderswo in so überzeugender<br />

Weise vom Vorsitzenden des Kuratoriums vorgestellt, dass sie vom Verband<br />

akzeptiert wurde und die Universität nun als arabische Universität anerkannt<br />

war. Die Abschlüsse der Universität waren nun gleichermaßen im Westen und<br />

in der arabischen Welt gültig. Von Seiten des Heiligen Stuhls hat sie auch weiterhin<br />

sehr großzügige finanzielle Unterstützung erhalten. Von der Aufnahme in den<br />

Arabischen Universitätsverband bis zur Invasion Kuwaits durch den Irak erhielt<br />

die Universität einen proportionalen Anteil an der erheblichen finanziellen Hilfe,<br />

die von der islamischen Welt bereitgestellt wurde. Die aus dieser Quelle stammenden<br />

Finanzmittel wurden stets zur Deckung der laufenden Kosten verwendet.<br />

Neue Perspektiven für junge Araber<br />

Durch die neu gegründeten Universitäten mit ihrer subventionierten Ausbildung<br />

änderte sich die Einstellung der jungen Palästinenser zur höheren Bildung. Während<br />

es zuvor keine Aussichten auf ein berufliches Weiterkommen gab, hatten junge<br />

Leute nun die Chance, eine akademische Laufbahn oder eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen.<br />

Für die weiterführenden Schulen war nun ein Anreiz gegeben, Schüler<br />

gezielt auf die „Tau Ji‘hi” vorzubereiten, die Zugangsprüfung zu den Universitäten<br />

in der arabischen Welt. Dank ihres hervorragenden akademischen Rufs und der für<br />

die Region relevanten Studiengänge war die Universität Bethlehem eine der führenden<br />

Kräfte in dieser Bewegung und deshalb für viele der Studenten der Studienort<br />

ihrer Wahl. Viele Studenten und Studentinnen aus den Dörfern der Region, aus den<br />

drei in der Stadt befindlichen Flüchtlingslagern, aus den Lagern in Nablus, Jericho<br />

und Halhoul sowie aus Gaza schrieben sich an der Universität ein. Bis 1979 fiel der<br />

Anteil der Christen unter den Studenten auf knapp über 40 %. Während sich der<br />

Einzugsbereich insgesamt vergrößerte, fiel der Anteil der Christen durch die Emigration<br />

immer weiter. Derzeit stellen die Christen im Westjordanland und Gaza ungefähr<br />

2 % der Bevölkerung. Unter diesen Bedingungen ist es eine der wesentlichen<br />

Aufgaben für die Universitätsleitung, die christliche Ethik an der Einrichtung zu<br />

bewahren und darauf zu achten, dass den islamischen Studenten und Dozenten<br />

eine wahrhaft christliche und brüderliche Haltung entgegengebracht wird.<br />

Ein neues Forum für den Austausch zwischen Muslimen<br />

und Christen<br />

Für viele der aus den Dörfern kommenden jungen Männer und Frauen war die<br />

Universität die erste Möglichkeit, mit Christen frei und gleichberechtigt in Kontakt<br />

zu kommen. Sofern vorher überhaupt Kontakte stattgefunden hatten,<br />

beschränkten sie sich auf Kontakte zu Touristen und Pilgern, auf Situationen also,<br />

bei denen die Rollen der Beteiligten bereits festliegen. Während christliche<br />

Familien dazu neigten, die Universität gewissermaßen als ihr „Eigentum” zu<br />

betrachten, bewegten sich viele junge Christen an der Universität zum ersten<br />

Mal außerhalb des geschützten kirchlichen Rahmens, den ihnen die freien,<br />

Schulgeld erhebenden Schulen geboten hatten.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!