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natürliche Weise verknüpfte, als sei der Gegensatz zwischen den beiden Religionen<br />

nur eine künstliche Erfindung. Der verstorbene Pater François d'Oncieu vom jesuitischen<br />

Orden wurde auf eigenen Wunsch in algerischer Erde und nach der Tradition<br />

dieses Landes begraben, in dem und für das er gelebt hat.<br />

Ganz konkret hat dies zu einem Ereignis geführt, das unerhört, nie da gewesen<br />

und für alle von großer symbolischer Tragweite war: Ein christlicher Pater wurde<br />

beklagt und von einer Menge, die größtenteils aus Muslimen bestand, zu seiner<br />

letzten Ruhestätte begleitet. Er war in ein schmuckloses weißes Leichentuch<br />

gehüllt und wurde auf einem einfachen ‚naâch’ (bei den Muslimen: Holzbahre,<br />

um den Leichnam zum Friedhof zu tragen) auf den Schulter getragen.<br />

Auf dem christlichen Friedhof, den viele seiner Begleiter aus Constantine zum<br />

ersten Mal sahen, lauschten die Anwesenden beider Glaubensgemeinschaften, die<br />

Abschied von dem Toten nahmen, voller Erstaunen einer Totenrede in Hocharabisch,<br />

in arabischem Dialekt und in Französisch, bei der sich Angehörige desselben<br />

Glaubens und muslimische Freunde des Verstorbenen abwechselten: Die<br />

einen wie die andern gaben denselben aufrichtigen Gefühlen Ausdruck.<br />

Aber die größte Überraschung war, als der Priester, der die Trauerzeremonie<br />

leitete, kurz vor der Beisetzung des Leichnams darum bat, dass die Fatiha des<br />

Korans verlesen werde: ‚Er liebte diese Sure sehr und hatte den Wunsch geäußert,<br />

dass sie bei seinem Begräbnis verlesen werde.’<br />

Mehr als tausend Worte und Taten können solche Gesten, die so einfach wie wahr<br />

sind, die Welt verändern und in diesem Fall den Dialog zwischen den Kulturen und<br />

Religionen einleiten, von dem heutzutage so viel die Rede ist.<br />

Die Menge, die diesen christlichen Pater mit dem Namen François-Abdelaziz<br />

begleitete, war unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Nationalität, sie<br />

kam aus verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Schichten, aber sie hatten alle<br />

dieselbe Achtung vor der Persönlichkeit dieses Mannes. Er hatte Gutes getan, und die<br />

ernsthafte und uneigennützige Güte überwindet alle Grenzen, welcher Art sie auch sein<br />

mögen.”<br />

Fußnoten:<br />

1 Muslimischer Theologe ägyptischer Abstammung, der wegen seiner Islamstudien und seiner Koran-Exegese gezwungen<br />

war, nach Holland ins Exil zu gehen.<br />

2 Die vierzehn Artikel in dem Dossier, das die Zeitschrift Insaniyat vorstellt.<br />

3 Intellektuelle, die von den Islamisten ermordet wurden, allesamt Algerier, bis auf Farag Foda, der Ägypter war.<br />

4 Vgl. Jean-Jaques Pérennes, Pierre Claverie, un Algérien par alliance, Paris, Cerf, 2000, S. 391 ff..<br />

5 Jeune Indépendant, 13. August 2001, S. 5<br />

6 El Watan 12. Oktober 1999, S. 4<br />

7 Liberté 1. November 1999, S. 29<br />

8 Le Siècle N° 15 des 20. bis 26. Oktobers 1999, S. 6<br />

9 Liberté, 1. November 1999, S. 2<br />

10 El Watan, 14. November 2001<br />

11 L’Expression, 19. November 2001, S. 4<br />

12 Das Crémieux-Dekret (1870) verlieh allen algerischen Juden auf einen Schlag die französische Nationalität.<br />

13 El Moudjahid, 25. November 2001<br />

Beispiel Marokko<br />

Vincent Landel<br />

In Ihrer Einladung schreiben sie, „dass seit dem 11. September nichts mehr so<br />

ist wie vorher”. Es ist wahr – dieses Ereignis schuf eine Kluft zwischen dem Denken<br />

des Volkes und dem Handeln der Regierenden; doch für uns Christen in<br />

Marokko spüre ich überhaupt keine Veränderung, nicht auf der persönlichen<br />

Ebene und auch nicht auf der Ebene unserer Zusammenarbeit mit der Welt des<br />

Islam. Ich glaube, unser seit Jahren beschrittener Weg des gemeinsamen Wirkens<br />

zeichnet sich durch eine dynamische Kontinuität aus.<br />

Ich werde versuchen, auf die gestellte Frage zu antworten, indem ich<br />

1) die Situation der Christen in Marokko, unserem Aufnahmeland, beschreibe,<br />

2) einige Bereiche der Entwicklung der Menschenrechte in unserem Land hervorhebe,<br />

3) konkrete Beispiele der islamisch-christlichen Zusammenarbeit gebe.<br />

1. Die Christen in Marokko, unserem Gastland<br />

Marokko ist ein Land mit 30 Millionen Einwohnern, die alle Muslime sind, denn<br />

der Islam ist Staatsreligion. König Mohammed VI. ist der politische und der religiöse<br />

Führer in einem (Amir Al-Mouminin, Kommandeur der Gläubigen). Ein<br />

Marokkaner ist entweder Muslim oder Jude, nicht jedoch Christ.<br />

Unsere Kirche umfasst 30.000 ausnahmslos ausländische Katholiken im<br />

Königreich insgesamt (daneben existiert eine ganz kleine protestantische und<br />

eine noch kleinere orthodoxe Gemeinde). Aus historischen Gründen gibt es zwei<br />

Erzbistümer, eine in Tanger (ehemaliges spanisches Protektorat) und eine in Rabat<br />

(ehemaliges französisches Protektorat). Aus politischen und diplomatischen<br />

Gründen gibt es eine apostolische Präfektur in El Ayoun.<br />

Ein Drittel der Christen sind in Marokko geboren, (die sogenannten<br />

„pieds-noirs”), eine immer älter werdende Bevölkerung, selbst wenn die Kinder<br />

hier zum Teil Arbeit finden, aber eine stabile christliche Gruppe. Auch wenn man<br />

sie mitunter kritisiert, ist es eine Gemeinschaft, die untereinander oft arabisch<br />

spricht und in echter Freundschaft mit den Marokkanern lebt. Nicht selten sind<br />

bei Begräbnissen mehr Muslime als Christen in der Trauergemeinde.<br />

Ein Drittel sind Auswanderer aus den verschiedensten Ländern, Vertreter<br />

von Unternehmen oder internationalen Konzernen sowie Diplomaten; sie<br />

kommen für drei oder vier Jahre nach Marokko und stehen in ständigem Kontakt<br />

mit den marokkanischen Amtsträgern. Mit Marokkanern, die ihnen sozial gleich<br />

gestellt sind, leben sie in enger Freundschaft.

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