„Systemkompetenz“ in der Forensischen Psychiatrie - Lehranstalt für ...
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„Systemkompetenz“ in der Forensischen Psychiatrie - Lehranstalt für ...
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Das kann dann z.B. so kl<strong>in</strong>gen:<br />
„Ich verstehe, dass Sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sehr schwierigen Situation<br />
s<strong>in</strong>d und Hilfe brauchen, um all diese Belastungen<br />
besser auszuhalten,....ich frage mich nur, wie sich diese<br />
Art von Hilfestellung <strong>für</strong> den Gutachter o<strong>der</strong> den Richter<br />
darstellt, die ja mit dieser E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e therapeutische<br />
E<strong>in</strong>richtung des Strafvollzuges deutlich<br />
gemacht haben, dass sie von Ihnen e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung<br />
erwarten.........<br />
Es kann aber auch so kl<strong>in</strong>gen:<br />
„Ich verstehe, dass Sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sehr schwierigen Situation<br />
s<strong>in</strong>d und am liebsten diese Stunden verwenden<br />
würden, um über die Probleme zu sprechen, die erst<br />
durch die Inhaftierung auf Sie zugekommen s<strong>in</strong>d. Aber<br />
an<strong>der</strong>erseits ist die Therapie hier ke<strong>in</strong>e Abmachung zwischen<br />
uns beiden, bezahlt werde ich vom Staat – und<br />
zwar nicht da<strong>für</strong>, – würde <strong>der</strong> Richter sagen, Ihnen die<br />
Haft erträglich zu machen, son<strong>der</strong>n da<strong>für</strong>, dass diese<br />
Stunden etwas dazu beitragen, dass ihre Gefährlichkeit<br />
abgebaut wird. Glauben Sie, dass es dazu kommen kann,<br />
wenn wir nur über Ihre Schwierigkeiten hier im Gefängnis<br />
sprechen?“<br />
Diese Berufung auf den Kontext, das Thematisieren <strong>der</strong><br />
triadischen Auftragslage kann so an ungeliebte (unbewußte?)<br />
ausgeblendete Themen heranführen und bietet<br />
damit e<strong>in</strong>e pragmatische und mit systemischen Konzepten<br />
kompatible Alternative zu dem, was an<strong>der</strong>e Therapieschulen<br />
als „Arbeit am Wi<strong>der</strong>stand“ bezeichnen.<br />
Auch wenn im obengenannten Beispiel <strong>der</strong> Therapeut<br />
durch zirkuläres Fragen die Kontrollfunktion auf Gutachter<br />
und/o<strong>der</strong> Richter überträgt und dadurch <strong>für</strong> die<br />
therapeutische Arbeit e<strong>in</strong>e neutrale Reflexionsposition<br />
sichert, muss <strong>in</strong> diesem Kontext die Vermengung von<br />
Psychotherapie mit Elementen sozialer Kontrolle doch<br />
auch offen thematisiert werden. In <strong>der</strong> systemischen<br />
Literatur wird dieses Thema <strong>für</strong> den ambulanten Bereich<br />
(z.B. K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz) breit diskutiert. Vielfach wird dabei<br />
e<strong>in</strong>e Trennung von Kontrolle und Hilfe postuliert, aber<br />
auch die Gegenposition ist bekannt: Tom Levold (1993)<br />
hält diese Trennung <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong>lösung – besser sei<br />
e<strong>in</strong> offener (o<strong>der</strong> offensiver) Umgang mit <strong>der</strong> Kontrollfunktion<br />
und <strong>der</strong> damit vere<strong>in</strong>barten Machtposition,<br />
welche mit <strong>der</strong> „Selbstbescheidung als Experte <strong>für</strong> Kommunikation“<br />
nicht auszufüllen ist. Levold for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e<br />
„parentale Position“: Die reale Machtposition muss<br />
offen thematisiert werden.<br />
Der Rückzug auf die therapeutische Verschwiegenheit<br />
kann häufig als Etikettenschw<strong>in</strong>del entlarvt werden,<br />
wenn z.B. Therapeuten ke<strong>in</strong>e Stellungnahmen schreiben,<br />
aber ihrem Vorgesetzten unter dem Titel „Supervision“<br />
die da<strong>für</strong> nötigen Informationen geben. Ich bevorzuge<br />
hier e<strong>in</strong> Modell <strong>der</strong> „doppelten Transparenz“, wie<br />
es auch von Vertretern <strong>der</strong> Mailän<strong>der</strong> Schule (Cirillo et<br />
al 1992) vorgestellt wurde: Ich b<strong>in</strong> als Therapeut<strong>in</strong><br />
transparent gegenüber <strong>der</strong> Institution, <strong>in</strong>dem ich über<br />
wesentliche Faktoren des Therapieverlaufes berichte, b<strong>in</strong><br />
aber <strong>in</strong> dieser Transparenz wie<strong>der</strong> gegenüber dem<br />
Patienten transparent, <strong>in</strong>dem ich ihm alle Stellungnahmen<br />
vorlese und mit ihm bespreche.<br />
Auch Virg<strong>in</strong>ia Goldner (1993) hält die Trennung von<br />
systemischer Arbeit und sozialer Kontrolle <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Illusion<br />
und die „formalistische Spaltung <strong>in</strong> moralische und<br />
kl<strong>in</strong>ische Kategorien <strong>für</strong> theoretisch bedeutungslos und<br />
psychologisch unglaubwürdig. Die Alternative besteht<br />
dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Therapie moralische Fragen aufzuwerfen,<br />
z.B. auf die psychischen Aspekte moralischer Konflikte<br />
und auf die moralischen Aspekte psychischer Konflikte<br />
h<strong>in</strong>zuweisen.“<br />
E<strong>in</strong> wesentlicher Faktor ist dabei natürlich <strong>der</strong> Umgang<br />
mit Lüge und Verleugnung. Der Aspekt sozialer Kontrolle<br />
äußert sich <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Therapie nicht dar<strong>in</strong>,<br />
dass man Detektiv spielen muß, um die Wahrheit ans<br />
Licht zu br<strong>in</strong>gen son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
Tatsache, dass <strong>der</strong> Klient häufig gute Gründe hat zu<br />
lügen, was wie<strong>der</strong>holt thematisiert werden sollte:<br />
Gesetzt den Fall, das ist die Wahrheit, was erwarten Sie,<br />
was ich mit dieser Information anfange?<br />
Was würde passieren, wenn ich Ihnen nicht glaube?<br />
Gesetzt den Fall, das ist nicht die Wahrheit, was erwarten<br />
Sie von mir, wie ich mit dieser Information umgehe?<br />
Wie würde es sich auf Ihr Bild von mir auswirken, wenn<br />
ich Ihnen trotzdem glaube: Würde Sie das <strong>für</strong> mich e<strong>in</strong>nehmen<br />
o<strong>der</strong> würde ich <strong>in</strong> Ihrem Ansehen s<strong>in</strong>ken?...<br />
Es wäre e<strong>in</strong> Mißverständnis systemisch-konstruktivisti-<br />
SYSTEMISCHE NOTIZEN 02/04 21