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„Systemkompetenz“ in der Forensischen Psychiatrie - Lehranstalt für ...

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WAGNER ><br />

Therapieschulen e<strong>in</strong>en erheblichen Startvorteil bezüglich<br />

Transparenz und Kontextsensitivität:<br />

Was erwartet x?<br />

Woran würde x merken, dass se<strong>in</strong> Auftrag erfüllt ist?<br />

Woran würde x merken, dass wir an se<strong>in</strong>em Auftrag (nicht)<br />

arbeiten?<br />

Welches Bild hat x von Ihrem Problem, dass er e<strong>in</strong>e Therapie<br />

empfiehlt?<br />

All diese Fragen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Bezug auf die relevanten Entscheidungs<strong>in</strong>stanzen<br />

(Anstaltsleiter, Sachverständigengutachter,<br />

Richter, Angehörige) aber auch <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die eigenen verschiedenen Rollen und die daraus<br />

erwachsende „gemischte Auftragslage“ anzuwenden:<br />

Woran würde <strong>der</strong> Gutachter/<strong>der</strong> Richter merken, dass Ihre<br />

Gefährlichkeit abgebaut ist?<br />

Welches Bild hat <strong>der</strong> Richter von Ihrer Störung, dass er e<strong>in</strong>e<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er therapeutischen Institution veranlasste?<br />

Was müssten Sie mir als Therapeut<strong>in</strong> Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />

erzählen, damit ich zu <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung komme, dass Ihre<br />

Gefährlichkeit abgebaut ist?<br />

Was müssten Sie mir Ihrer E<strong>in</strong>schätzung nach erzählen,<br />

damit ich von Vollzugslockerungen abrate?<br />

Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass Gefängnis<strong>in</strong>sassen<br />

mehrheitlich die<br />

Überzeugung hegen, dass<br />

Psychotherapie geeignet ist,<br />

ihre Probleme zu lösen.<br />

Wären sie dieser Überzeugung,<br />

hätten sie eventuell<br />

schon vor <strong>der</strong> Inhaftierung<br />

versucht, auf diesem Weg<br />

Verän<strong>der</strong>ungen zu erzielen.<br />

Es ist daher zumeist Aufgabe<br />

des Therapeuten, statt<br />

den vielfach fatalistischen Weltentwürfen <strong>der</strong> Insassen<br />

Problemdef<strong>in</strong>itionen zu entwickeln, die den Klienten<br />

und erst dadurch auch den Therapeuten handlungsfähig<br />

machen. Die Konzeptualisierung von „Therapiemotivation“<br />

als e<strong>in</strong>dimensionale Personeneigenschaft<br />

wi<strong>der</strong>spricht nicht nur systemischem Denken, son<strong>der</strong>n<br />

ist vor allem im Bereich <strong>der</strong> Forensik, wo antitherapeutische<br />

Strukturen e<strong>in</strong>er entsprechenden Selbstdef<strong>in</strong>ition<br />

<strong>der</strong> Betroffenen entgegenwirken, durch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teraktives<br />

Person-Angebot-Konzept zu ersetzen (vgl. Steller 1994).<br />

Als Nicht-Gefängnis-Insasse könnte man vermuten,<br />

dass <strong>der</strong> wesentliche Auftrag des Klienten lautet: „Hilf<br />

mir, dass ich so schnell wie möglich entlassen werde“.<br />

Me<strong>in</strong>er Erfahrung nach haben Insassen jedoch ke<strong>in</strong>eswegs<br />

zw<strong>in</strong>gend die Tendenz, die Therapie laufend <strong>in</strong><br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Entlassung zu sehen. „Was<br />

muß hier geschehen, damit ich entlassen werde“ wird<br />

zum<strong>in</strong>dest explizit kaum gefragt. Der Klient wechselt<br />

von e<strong>in</strong>em „Was werden o<strong>der</strong> können Sie <strong>für</strong> me<strong>in</strong>e<br />

Entlassung tun“ am Anfang <strong>der</strong> Therapie häufig unerwartet<br />

schnell zu e<strong>in</strong>em sche<strong>in</strong>bar absichtslosen<br />

„Wenigstens Sie verstehen mich“, um dann eventuell<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Zorn und bittere Enttäuschung darüber zu<br />

verfallen, dass <strong>der</strong> Therapeut nicht genug <strong>für</strong> die Entlassung<br />

getan hat.<br />

Man kann sich als Therapeut also ke<strong>in</strong>eswegs darauf verlassen,<br />

dass <strong>der</strong> Klient konsequent die Therapie im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Entlassung nützt. Häufig neigen Insassen<br />

dazu, sich als Opfer ihrer Tat bzw. des Justizsystems zu<br />

fühlen und schreiben sich selbst wenig Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten<br />

zu. Die Therapie dient dann eher dazu,<br />

HÄUFIG NEIGEN INSASSEN DAZU, SICH ALS<br />

OPFER IHRER TAT BZW. DES JUSTIZSYSTEMS ZU<br />

FÜHLEN UND SCHREIBEN SICH SELBST WENIG<br />

VERÄNDERUNGSMÖGLICHKEITEN ZU. DIE THE-<br />

RAPIE DIENT DANN EHER DAZU, DIE WIDRIGEN<br />

UMSTÄNDE DER HAFT BESSER ZU ERTRAGEN.<br />

die widrigen Umstände <strong>der</strong> Haft besser zu ertragen, was<br />

e<strong>in</strong> typisches Beispiel <strong>für</strong> „Begleitung“ darstellen würde.<br />

Auch diesen Auftrag kann man ernst- und annehmen.<br />

Bei allem Respekt <strong>für</strong> diesen Auftrag thematisiere ich<br />

aber immer wie<strong>der</strong> den Unterschied zwischen dem, was<br />

dann hier geschieht und den Erwartungen <strong>der</strong> „Überweiser“.<br />

20 SYSTEMISCHE NOTIZEN 02/04

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