„Systemkompetenz“ in der Forensischen Psychiatrie - Lehranstalt für ...
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ZUM ARBEITSKONTEXT FORENSISCHE PSYCHIATRIE<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> die strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />
des Täters, somit <strong>für</strong> dessen Schuldfähigkeit, ist dessen<br />
Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Tat. Wer<br />
nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, das Unrecht se<strong>in</strong>er Tat e<strong>in</strong>zusehen<br />
und entsprechend diesem Urteil zu handeln, <strong>der</strong> handelt<br />
nicht schuldhaft und kann nicht bestraft werden. Wenn<br />
jedoch zu be<strong>für</strong>chten ist, dass jemand, <strong>der</strong> „unter dem<br />
E<strong>in</strong>fluss e<strong>in</strong>er geistigen o<strong>der</strong> seelischen Abartigkeit<br />
höheren Grades“ e<strong>in</strong> Delikt begangen hat, unter dem<br />
E<strong>in</strong>fluss dieser „Abartigkeit“ e<strong>in</strong>e weitere strafbare<br />
Handlung mit schweren Folgen begehen könnte, erfolgt<br />
DIE UNTERBRINGUNG IM MASSNAHMENVOLL-<br />
ZUG IST ALS „VORBEUGENDE MASSNAHME“<br />
DEFINIERT, DIE DEM ABBAU DER SPEZIFI-<br />
SCHEN GEFÄHRLICHKEIT UND DAMIT DER<br />
ABWENDUNG KÜNFTIGER GEFAHREN, DIE VOM<br />
UNTERGEBRACHTEN AUSGEHEN, DIENT<br />
die E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> den Maßnahmenvollzug. Aus dem<br />
Rechtsbrecher wird e<strong>in</strong> Patient <strong>der</strong> <strong>Forensischen</strong> <strong>Psychiatrie</strong>,<br />
<strong>der</strong> behandelt wird, bis se<strong>in</strong>e Gefährlichkeit abgebaut<br />
ist und dann mit e<strong>in</strong>er gerichtlichen Behandlungsweisung<br />
bed<strong>in</strong>gt entlassen werden kann. Die Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
im Maßnahmenvollzug ist als „vorbeugende Maßnahme“<br />
def<strong>in</strong>iert, die dem Abbau <strong>der</strong> spezifischen<br />
Gefährlichkeit und damit <strong>der</strong> Abwendung künftiger<br />
Gefahren, die vom Untergebrachten ausgehen, dient.<br />
Zweck <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung ist, den Zustand des Untergebrachten<br />
soweit zu bessern, dass von ihm die Begehung<br />
weiterer Straftaten nicht mehr zu erwarten ist,<br />
und „den Untergebrachten zu e<strong>in</strong>er rechtschaffenen<br />
und den Erfor<strong>der</strong>nissen des Geme<strong>in</strong>schaftslebens angepassten<br />
Lebense<strong>in</strong>stellung zu verhelfen“. Zur Erreichung<br />
<strong>der</strong> Vollzugszwecke s<strong>in</strong>d die Untergebrachten<br />
„entsprechend ihrem Zustand ärztlich, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch<br />
zu betreuen“.<br />
Ohne hier auf die Details <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
„vorbeugenden Maßnahme“ e<strong>in</strong>gehen zu wollen, sollen<br />
doch die wesentlichen Charakteristika genannt se<strong>in</strong>:<br />
■ Die Unterbr<strong>in</strong>gung erfolgt, was das Ausmaß an Freiheitse<strong>in</strong>schränkung<br />
betrifft, unter haftähnlichen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen, unabhängig davon, ob sie an spezialisierten<br />
forensischen Abteilungen psychiatrischer<br />
Krankenhäusern o<strong>der</strong> <strong>in</strong> spezialisierten Justizanstalten<br />
vollzogen wird.<br />
■ Die Unterbr<strong>in</strong>gung erfolgt zeitlich unbegrenzt. Da es<br />
sich unabhängig von <strong>der</strong> Schwere des Delikts um e<strong>in</strong>e<br />
„vorbeugende Maßnahme zum Abbau <strong>der</strong> spezifischen<br />
Gefährlichkeit“ handelt, ist die Entlassung an<br />
den Behandlungserfolg und<br />
die damit verbundene günstige<br />
Prognose geknüpft.<br />
■ Die Überprüfung <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> weiteren<br />
Anhaltung erfolgt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
e<strong>in</strong>mal jährlich.<br />
■ Die Entscheidung über die<br />
Entlassung fällt das Gericht. In<br />
<strong>der</strong> Regel werden da<strong>für</strong> positive<br />
Stellungnahmen <strong>der</strong> Behandelnden und e<strong>in</strong> positives<br />
Gutachten e<strong>in</strong>es externen Sachverständigen benötigt.<br />
■ Bei <strong>der</strong> Entlassung handelt es sich immer um e<strong>in</strong>e<br />
bed<strong>in</strong>gte Entlassung, d. h. die Entlassung ist an<br />
Bed<strong>in</strong>gungen (meist die Fortführung e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Art <strong>der</strong> Betreuung o<strong>der</strong> Behandlung) geknüpft.<br />
Aus diesen Eckdaten wird ersichtlich, dass die Entstehung<br />
des Maßnahmenvollzuges untrennbar mit dem<br />
Auftreten e<strong>in</strong>er Fachdiszipl<strong>in</strong>, <strong>der</strong> <strong>Forensischen</strong> <strong>Psychiatrie</strong>,<br />
verknüpft war, die den Anspruch erhob, über prognostisches<br />
Wissen zur Gefährlichkeitse<strong>in</strong>schätzung und<br />
behandlungstechnische Kompetenz zum „Abbau <strong>der</strong><br />
spezifischen Gefährlichkeit“ zu verfügen. Dieser Anspruch<br />
ersche<strong>in</strong>t z.B. beim paranoid-psychotischen<br />
Patienten, <strong>der</strong> im Rahmen e<strong>in</strong>es Verfolgungswahnes se<strong>in</strong>en<br />
verme<strong>in</strong>tlichen Verfolger umgebracht hat und durch<br />
antipsychotische Behandlung von se<strong>in</strong>em Wahn distanziert<br />
ist, relativ unproblematisch. Nach erfolgter psychopathologischer<br />
Stabilisierung kann er unter <strong>der</strong> Auflage,<br />
SYSTEMISCHE NOTIZEN 02/04 13