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Gesamtes Dok - Steiermärkischer Gemeindebund - Steiermark

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umwelt<br />

Die Kopfweide – ein uraltes Kulturgut<br />

Die Kopfweide ist keine Baumart<br />

im botanischen Sinn, sondern<br />

eine Weide, die man regelmäßig<br />

„auf den Kopf setzt“. Die knorrigen<br />

Köpfe und die besenartig abstehenden<br />

Äste, die bei regelmäßigem Schnitt entstehen,<br />

prägten Jahrhunderte lang das<br />

Bild unserer Kulturlandschaft. Leider<br />

sind diese Landschaftselemente wegen<br />

fehlender Pflege in vielen Gegenden<br />

verschwunden.<br />

Kopfweiden stellen ein uraltes Kulturgut<br />

dar. Schon in der Bronzezeit<br />

wurde Flechtwerk aus Weiden angefertigt,<br />

was auf Kopfholzbetrieb schließen<br />

lässt. Eindeutig belegt ist die Kopfholznutzung<br />

aus der Römerzeit durch<br />

Berichte von Plinius. Die Wichtigkeit<br />

der Kopfweiden in der europäischen<br />

Geschichte spiegelt sich darin wieder,<br />

dass zahlreiche bekannte Maler, unter<br />

ihnen P. Bruegel und Van Gogh, diese<br />

markanten Bäume verewigt haben.<br />

In den letzten Jahrzehnten gerieten die<br />

Kopfweiden allerdings immer mehr in<br />

Vergessenheit. Andere, synthetische<br />

Materialien lösten in vielen Fällen die<br />

Weidenruten ab. So werden die Bäume<br />

heute kaum mehr geschnitten, werden<br />

daher zunehmend kopflastig und brechen<br />

zusammen. Die Erhaltung, Pflege und<br />

Neupflanzung von Kopfweiden wäre<br />

aber nicht nur wegen ihrer Landschaft<br />

prägenden Gestalt und als Erinnerung<br />

an eine alte Kulturform wünschenswert,<br />

sondern ist auch von großer ökologischer<br />

Bedeutung. Sehr effizient sind die<br />

Weiden als Ufer- und Hangsicherung,<br />

wofür wegen ihrer intensiven Bewurzelung<br />

besonders gut die Silberweide<br />

und die Bruchweide geeignet sind. Als<br />

Totaler Rückschnitt im Herbst<br />

Material für den Bau von lebenden<br />

Weidenzäunen, Hütten oder Tunnel sind<br />

Weidenruten wieder vermehrt gefragt.<br />

Eine Besonderheit der Weiden ist ihre<br />

Regenerationsfähigkeit. Aus einer geköpften<br />

Krone oder aus einem auf Stock<br />

gesetzten Strauch treibt die Weide wieder<br />

kraftvoll aus. Auch ein scheinbar<br />

toter Ast bildet in Wasser oder Erde<br />

schnell Wurzeln. Diese Regenerationsfähigkeit<br />

ist die Basis für die Kulturund<br />

Nutzpflanze Weide, die dann je<br />

nach Art und Sorte unterschiedliche<br />

Produkte liefert.<br />

Das Material für Körbe wird beispielsweise<br />

von Dotter-, Korb- und Purpurweiden<br />

jährlich im Herbst geschnitten.<br />

Hier macht man sich vor allem die<br />

besondere Biegsamkeit der einjährigen<br />

Zweige zu nutze. Deshalb und wegen<br />

ihrer starken Wüchsigkeit wurden sie<br />

zum Binden von Wein, zur Errichtung<br />

von Zäunen, aber auch als Zaunpfähle,<br />

Besenstiele und Bohnenstangen verwendet.<br />

Für Brennholzzwecke wurden die<br />

Bruch- und Silberweiden der Auwälder<br />

in 5-10 jährigem Turnus bewirtschaftet<br />

– so entstanden die charakteristischen<br />

Kopfweiden.<br />

Biegsames Flechtmaterial<br />

Als Beispiel soll hier die Korbweide<br />

(Salix viminalis) genauer betrachtet<br />

werden, die 3-8 Meter hoch wird und als<br />

schlanker Baum oder als großer Strauch<br />

mit aufrecht abstehenden Ästen (viminalis<br />

bedeutet rutenförmig) wächst.<br />

Die Korbweide besiedelt mit Vorliebe<br />

Uferbereiche an Bächen und Flüssen<br />

sowie Auenlandschaften mit feuchten,<br />

periodisch überfluteten Böden. Ihre<br />

Blätter sind schmal und an der Oberseite<br />

glänzend, an der Blattunterseite<br />

mattgrün und silbrig behaart. Die Blüten<br />

sitzen zwischen Februar und April als<br />

ca. 3 cm große Kätzchen eng an den<br />

Zweigen. Alle Weiden sind zweihäusig,<br />

das bedeutet, dass entweder nur männliche<br />

oder nur weibliche Blüten auf einer<br />

Pflanze vorkommen.<br />

Das weiche Holz der Weiden enthält<br />

keine Gerbstoffe mit fungizider (= pilztötender)<br />

Wirkung, es ist daher anfällig<br />

für Pilzbefall. Durch die Verletzungen,<br />

die den Kopfweiden bei der Pflege zugefügt<br />

werden, kommt es aus diesem<br />

Grunde schnell zu Fäulnisstellen und<br />

einer Zersetzung des Holzes. So bilden<br />

sich zahlreiche Aushöhlungen, die für<br />

viele Tiere Lebensraum, Unterschlupf,<br />

Kopfweide im Stainztal<br />

oft auch Nahrungsquelle und Kinderstube<br />

bieten. In unserer überpflegten<br />

Kulturlandschaft, wo es kaum noch Totholz<br />

in Form von Baumruinen, alten<br />

Zaunpfählen oder verfallene Schuppen<br />

gibt, sind diese Höhlen der Kopfweiden<br />

äußerste wertvoll. Über 200 Käferarten,<br />

die entweder auf Weiden- oder auf Totholz<br />

spezialisiert sind, darunter viele die<br />

auf der Roten Liste der bedrohten Arten<br />

stehen, können auf diesen alten Bäumen<br />

vorkommen.<br />

Unterschlupf für allerlei Getier<br />

Die Spalten und Löcher im Holz der<br />

Kopfweiden bieten auch vielen gefährdeten,<br />

Höhlen bewohnenden Vogelarten<br />

Schutz. So baut der Specht gerne seine<br />

Bruthöhlen im morschen Holz der Kopfbäume,<br />

umso mehr, als er hier ein reichliches<br />

Nahrungsangebot findet. Wichtige<br />

Höhlenbewohner, die Kopfweiden<br />

potentiell als Lebensraum nutzen, sind<br />

die gefährdeten Vogelarten Steinkauz,<br />

Hohltaube und Wiedehopf. Auch verschiedene<br />

Meisenarten, der Gartenrotschwanz<br />

oder der Grauschnäpper ziehen<br />

gerne in verlassene Spechthöhlen<br />

ein. Ihre Nachbarn sind Siebenschläfer,<br />

Marder und Wiesel sowie die gefährdeten<br />

Fledermäuse, die Kopfbaumhöhlen<br />

gerne als Sommerquartier und zur Aufzucht<br />

ihrer Jungen nutzen.<br />

Kontakt:<br />

Mag. Barbara Haber<br />

Naturschutzbund <strong>Steiermark</strong><br />

Heinrichstraße 5, 8010 Graz<br />

Tel.. 0316/ 322377-2<br />

www.naturschutzbundsteiermark.at<br />

12 Steirische Gemeindenachrichten 4/08

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