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Liebe Leserinnen und Leser, - Draußen

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Editorial<br />

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<strong>Liebe</strong> <strong><strong>Leser</strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Leser</strong>,<br />

ich gebe Ihnen meine Ehrenwort. Ich wiederhole: Ich gebe<br />

Ihnen mein Ehrenwort als Redakteur der ~. Ich war<br />

es nicht! Ich habe nicht die rostige Ziege heimlich auf den<br />

Kreisverkehr in Gievenbeck gestellt. So weit geht meine<br />

<strong>Liebe</strong> zum 1. FC Köln nun doch nicht, dass ich erst einen<br />

Kunstkurs "Skulpturen schweißen für Anfänger" an der<br />

Volkshochschule belege, dann bei Nacht <strong>und</strong> Nebel über<br />

den Zaun auf irgendeinen Schrottplatz klettere, ein paar<br />

gammelige Eisenteile klaue <strong>und</strong> unten bei mir im Keller zu<br />

Hennes, dem Geißbock, zusammenklamüsel.<br />

Andere Fußballfans tun so was vielleicht, ich nicht.<br />

Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen, seit ich neulich<br />

folgendes in der Zeitung gelesen habe: Zu welchem Verein<br />

man als Erwachsener hält, entscheidet sich meistens schon<br />

in der Kindheit. Die Koten orientieren sich da am Papa. Nun<br />

habe ich meiner Tochter zu Ostern ein Trikot des FC Köln<br />

geschenkt. Hat sie sich gewünscht. Ich habe hin <strong>und</strong> her<br />

überlegt, ob ich das als Vater verantworten kann. Fans des<br />

1. FC Köln müssen immerhin viel Elend <strong>und</strong> Spott ertragen.<br />

Schließlich aber dachte ich: Vielleicht ist es pädagogisch ja<br />

durchaus sinnvoll, wenn sie lernt, dass man etwas heiß<br />

<strong>und</strong> innig lieben kann, das ewig verliert.<br />

Meine Tochter hat das übrigens alles wenig interessiert, sie<br />

hat das Trikot drei Tage nicht mehr ausgezogen. Sogar<br />

nachts hat sie drin geschlafen. Und was soll ich Ihnen<br />

sagen: Zu sehen wie sich jemand so über ein Ostergeschenk<br />

freut, ist viel, viel schöner als eine weitere Saison in der<br />

ersten B<strong>und</strong>esliga.<br />

Kölle Alaaf,<br />

Ihr<br />

Gerrit Hoekman<br />

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2


Impressum<br />

Inhalt<br />

Impressum:<br />

Herausgeber<br />

~ e.V.<br />

Overbergstr. 2<br />

48145 Münster<br />

Redaktion<br />

Tel.: 0251 / 5389 - 128<br />

5<br />

6<br />

8<br />

Rauchen vor der Tür<br />

EU fordert qualmfreie Kneipen<br />

1.500 Euro Gr<strong>und</strong>einkommen - für alle!<br />

Großdrogist hat revolutionären Vorschlag<br />

Werde ein Weltverbesserer<br />

Wie man im Kleinen Großes bewirken kann<br />

Streetwork<br />

Sabrina Kipp<br />

drinnen@muenster.de<br />

Internet | E-Mail-Adresse<br />

www.muenster.org/draussen<br />

draussen-redaktion@t-online.de<br />

An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet<br />

Martin Barfuß, Barbara Blasum,, Heinz Dalmühle, Michael<br />

Heß, Gerrit Hoekman (V.i.S.d.P.), Andreas Horn, Sabrina<br />

Kipp, Malte Koppe, Valerie Kranig, Sigi Nasner, Claudia<br />

Picker, Barbara Suttrup, Andy Wolff, Susanne Wonnay<br />

Fotos<br />

Martin Barfuß, Wolfgang Beyer, Heinz Dalmühle, Malte<br />

Koppe, Reinhold Kübber, Claudia Picker, Martin Zeise<br />

Illustrationen<br />

Aike Arndt<br />

Gestaltungskonzept<br />

Lisa Schwarz, Christian Büning<br />

www.elisabethschwarz.de<br />

www.christianbuening.de<br />

Layout, Titel<br />

Martin Barfuß, Heinz Dalmühle<br />

Druck<br />

Borgsmüller Druck<br />

unterstützt durch<br />

Siverdes-Stiftung<br />

Fontshop, Berlin (spendierte die Satzschrift FF Fago)<br />

Bankverbindung<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Konto-Nr. 33 878<br />

BLZ 400 501 50<br />

Wir danken allen Spendern!<br />

Bitte berücksichtigen Sie unsere Werbepartner!<br />

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Im Namen der Quote<br />

Gerichtsshows aus Sicht eines Juristen<br />

Satansbraten<br />

Black-Metal-Szene von Rechtsradikalen unterwandert<br />

Katholiken nehmen Gebühren<br />

Studenten der Fachhochschule sollen fürs Studium blechen<br />

Kein Taxi für Obdachlose<br />

Zwei ältere Herren warten st<strong>und</strong>enlang auf Droschke<br />

Pfingsten: Kirche hat Geburtstag<br />

Tauben, Ochsen <strong>und</strong> der Heilige Geist<br />

Bildung für Betuchte<br />

Nordrhein-Westfalen lässt freie Schulwahl zu<br />

Als Deutscher in Polen<br />

Malte Koppe ist für ein Semester Student in Lublin<br />

Wurm im Ohr<br />

Warum uns Schnappi & Co nicht mehr aus dem Kopf gehen<br />

Mein Alltag ohne Ihn<br />

Susanne Wonnay hat sich von ihrer Flimmerkiste getrennt<br />

Wilde Hottehühs<br />

In Dülmen jagen junge Burschen arme Zossen<br />

Kriegerposen am Mauritztor<br />

Ein Denkmal beschreit deutschen Größenwahn<br />

Gefährliche Seilschaften<br />

Was Sigi Nasner beim Abschleppen passierte<br />

Gut gewirtschaftet<br />

Offen <strong>und</strong> ehrlich: der ~- Jahresbericht<br />

Wenn Opa tüddelig wird<br />

Altersdemenz wird immer größeres Problem<br />

Exotisches aus Ecuador<br />

WM-Gegner isst gerne scharf<br />

~ ist Mitglied im B<strong>und</strong>esverband sozialer<br />

Straßenzeitungen<br />

3


Bhuddhas, Babas, hohe Berge<br />

Die in Münster lebenden Nepalesen denken im Moment mit Sorge an ihr Heimatland.<br />

In Kathmandu kämpft das Volk gegen Polizei, Armee <strong>und</strong> den autoritären König.<br />

In den Straßen fliegen Steine <strong>und</strong> brennen die Barrikaden aus Autoreifen.<br />

4<br />

Der größte Teil Nepals ist unter der Kontrolle der Maoistischen Befreiungsbewegung, es ist nur noch eine<br />

Frage der Zeit, wann der König abdanken muss. In der nächsten Ausgabe lesen Sie ein Exklusivinterview<br />

mit einem der nepalesischen Guerilla-Kämpfer.


Rauchen verboten | Text: Andreas Horn | Foto: Heinz Dalmühle<br />

Rauchen vor<br />

der Tür<br />

Qualm-Oase: Straßenmagazin „draußen!“<br />

Die ~-Mitarbeiter mussten sich<br />

bei der Nachricht vor Schreck erst<br />

mal eine Zigarette anstecken: Es ist<br />

wohl nur noch eine Frage der Zeit,<br />

wann deutsche Raucher in Cafés <strong>und</strong><br />

Kneipen mit ihren Fluppen vor die<br />

Tür müssen. Zwar ziert sich die B<strong>und</strong>esregierung<br />

noch, aber die EU<br />

macht Druck, endlich die Richtlinien<br />

einzuhalten. Wie bereits in Italien,<br />

Irland oder Spanien geschehen.<br />

Andreas Horn hat sich in Münster<br />

umgehört, ob Gaststätten, Kneipen<br />

<strong>und</strong> Hotels vielleicht schon einen<br />

Schritt voraus sind.<br />

Der Abend ist perfekt. Schummriges<br />

Kerzenlicht, ruhige Musik beim<br />

Lieblingsitaliener, gegenüber sitzt der<br />

Traumpartner <strong>und</strong> gerade lässt man<br />

sich den letzten zuckersüßen Rest des<br />

Dessert auf der Zunge zergehen - da<br />

pafft der Dicke vom Nachbartisch den<br />

Zigarrenqualm nur so herüber. Dem<br />

Nichtraucher kribbelt es in der Nase,<br />

kriecht der Hustenreiz langsam in den<br />

Hals. Für den Zigarrenliebhaber bedeutet<br />

jeder Zug an seiner Zigarre Genuss<br />

pur, der den Abend für ihn abr<strong>und</strong>et<br />

<strong>und</strong> so was von entspannt. Die<br />

Folge: Der Nichtraucher beschwert<br />

sich, der Raucher ist genervt <strong>und</strong> der<br />

Abend schließlich für beide gelaufen.<br />

Ein Gesetz, das Raucher von<br />

Nichtrauchern trennt, fehlt bislang in<br />

Deutschland. Ist in Länder wie Irland<br />

das öffentliche Rauchen in allen Kneipen<br />

<strong>und</strong> Bars seit zwei Jahren verboten,<br />

sträuben sich Merkel & Co einzuschreiten.<br />

Obwohl die Zahlen dafür<br />

sprechen: 650 000 Menschen sterben<br />

jährlich an den Folgen von Tabakkonsum<br />

in der Europäischen Union.<br />

Kosten: 100 Milliarden Euro. Berlin<br />

weist die Kritik der EU zurück, man<br />

setzt weiterhin auf das Prinzip der<br />

Freiwilligkeit.<br />

Mehr gibt es in Münster bislang<br />

auch nicht. Ein Drittel der Betriebe in<br />

der Münsteraner Gastronomie hat<br />

gemeinsam mit dem Deutschen Hotel<strong>und</strong><br />

Gaststättenverband DEHOGA freiwillig<br />

beschlossen, den Nichtraucherschutz<br />

zu verbessern: An 30 Prozent<br />

der Tische soll Zigarettenrauch verboten<br />

sein. Alle Gaststätten, die der Regel<br />

zugestimmt haben, verfügen über<br />

mehr als 40 Plätze <strong>und</strong> sind mindestens<br />

75 Quadratmeter groß. Gaststätten,<br />

in denen es mehr gibt als eine<br />

Frikadelle, ein Mettendchen oder ein<br />

belegtes Brötchen zum Bier. Bis 2008,<br />

so das Ziel der DEHOGA, sollen 90 Prozent<br />

aller Münsteraner Betriebe die<br />

Hälfte ihrer Plätze für Nichtraucher frei<br />

halten.<br />

Bei kleineren Kneipen, Clubs <strong>und</strong><br />

Pubs sieht das anders aus. Oft bestehen<br />

die aus nur einem Raum, eine<br />

Trennung ist also unmöglich. Bliebe<br />

nur ein generelles Rauchverbot. "Das<br />

wird problematisch. Für viele Gäste<br />

gehört die Zigarette zum Bier oder<br />

Kaffee einfach dazu", erzählt Dirk<br />

Schwabeland, Inhaber des "Diesel" an<br />

der Windthorststraße. Eine Nichtraucherzone<br />

sei bei ihm in der Kneipe<br />

deshalb im Moment nicht drin. Bernd<br />

Redeker von der "Gorillabar" in der<br />

Jüdefelderstraße sieht das etwas gelassener:<br />

"Ein Rauchverbot wäre natürlich<br />

eine Einschränkung, aber ich<br />

glaube nicht, dass die Leute deswegen<br />

zu Hause bleiben würden."<br />

Ganz anders im Café Prütt in der Bremer<br />

Straße. Inhaberin Heidje Thormann<br />

glaubt: "Hier würden sich viele<br />

über ein generelles Rauchverbot freuen."<br />

Seit 2005 gilt im Prütt bis 15 Uhr<br />

absolutes Rauchverbot. Zum Abend hin<br />

müssen sich die Raucher den Nichtrauchern<br />

unterordnen, in einem separaten<br />

Bereich darf dann geraucht werden.<br />

Thormann: "Bei einem Verbot<br />

würde unser Laden keinen Schaden<br />

nehmen."<br />

Qualmfrei auch das Rathaus.<br />

Oberbürgermeister Tillmann hat es vor<br />

einiger Zeit zur rauchfreien Zone erklärt.<br />

"In die Verwaltung dringt das<br />

Thema langsam ein", so Jörg Espei<br />

vom Ges<strong>und</strong>heitshaus Münster. Anfang<br />

März wurde bereits eine Ges<strong>und</strong>heitskonferenz<br />

einberufen - Stadt, Krankenkassen,<br />

Heilmittelbringer <strong>und</strong> der<br />

DEHOGA-Westfalen saßen an einem<br />

Tisch. Handlungsempfehlungen wurden<br />

beim Treffen erarbeitet, die nun<br />

umgesetzt werden müssen. Espei:<br />

"Raucher sollen das Nichtrauchen lernen<br />

<strong>und</strong> Nichtraucher sollen gestärkt<br />

werden, dass sie es auch bleiben."<br />

Außerdem würde in Zusammenarbeit<br />

mit den Krankenkassen an den<br />

Schulen über die Folgen des Rauchens<br />

informiert.<br />

Insgesamt ein heikles Thema also,<br />

bei dem es schwierig wird, den goldenen<br />

Mittelweg zu finden. Aber eine<br />

Lösung muss her. Mit einer Entscheidung<br />

der Regierung ist nicht vor Ende<br />

Juni zu rechnen. Immerhin: Laut einer<br />

Forsa-Umfrage befürworten knapp<br />

über die Hälfte aller Deutschen ein<br />

generelles Rauchverbot. #<br />

5


Wirtschaftspolitik | Text: Gerrit Hoekmann | Foto: Martin Barfuß<br />

Drogerie-Chef fordert:<br />

1.500 Euro Gr<strong>und</strong>einkommen - für alle!<br />

Hoffnungsschimmer für die Punks<br />

am Hauptbahnhof: Ginge es nach<br />

Götz Werner, dann bekämen sie in<br />

Zukunft ein Gr<strong>und</strong>gehalt von 1.500<br />

Euro. Wie wir alle. Einfach so vom<br />

Staat. Der Chef der Drogeriekette<br />

"dm" ist in den letzten Monaten mit<br />

einer fast schon revolutionären Idee<br />

hausieren gegangen: Niemand muss<br />

mehr arbeiten <strong>und</strong> kann trotzdem in<br />

Würde leben. Gerrit Hoekman über<br />

einen ungewöhnlichen Großunternehmer.<br />

"Hartz IV ist wie offener Strafvollzug.<br />

Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten,<br />

Hartz IV quält die Menschen,<br />

zerstört ihre Kreativität." Götz<br />

Werner war im "Stern"-Interview neulich<br />

mächtig in Rage. "Dass eine rotgrüne<br />

Regierung dieses destruktive<br />

Element in die Gesellschaft gebracht<br />

hat ist ein Skandal." Ungewöhnliche<br />

Töne für einen erfolgreichen Unternehmer,<br />

der mit seiner Drogeriekette<br />

"dm" im Jahr einen Umsatz von drei<br />

Milliarden Euro macht <strong>und</strong> in 1.600<br />

Filialen 23.000 Mitarbeiter beschäftigt.<br />

Nach Anton Schlecker ist Götz Werner<br />

der zweitgrößte Drogist in Deutschland.<br />

Der Unternehmer aus Karlsruhe<br />

forderte letztes Jahr in einer großen<br />

Anzeigenkampagne die Einführung<br />

eines Gr<strong>und</strong>lohns von 1.500 Euro. Für<br />

jeden. Auch für Arbeitslose. Ohne Antrag,<br />

ohne Formulare. Einfach so. Bis<br />

zum Tod. "Alle sollen ein Leben in<br />

Würde <strong>und</strong> frei von Existenzangst führen",<br />

sagt Werner im "Stern". Dafür<br />

will er die Mehrwertsteuer erhöhen,<br />

auf bis zu 48 Prozent, wenn es sein<br />

muss. Im Gegenzug werden alle anderen<br />

Steuern abgeschafft. "Viele werden<br />

den Sinn in ihrer Arbeit wieder entdecken.<br />

Denn niemand ist verwehrt<br />

über das Gr<strong>und</strong>einkommen hinaus<br />

tätig zu werden <strong>und</strong> weitere<br />

Einkommen zu erzielen - nur der<br />

Zwang fällt weg", beschreibt Werner<br />

seine Vision in der grün-alternativen<br />

Berliner "tageszeitung". Das Finanzamt<br />

könnte also dicht machen, alleine<br />

dadurch würden schon riesige Summen<br />

frei für die lebenslange Gr<strong>und</strong>rente.<br />

Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Sozialhilfe<br />

bezahlt der Staat heute ja schon<br />

ohnehin.<br />

Der 62-Jährige glaubt nämlich,<br />

dass die Zeiten endgültig vorbei sind,<br />

in denen jeder einen Job hatte. "Vollbeschäftigung<br />

ist eine Lüge, ein<br />

Mythos!" Die Wirtschaft habe nicht die<br />

Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen,<br />

sondern im Gegenteil, die Menschen<br />

von der Arbeit zu befreien. "Und das<br />

ist uns in den letzten 50 Jahren ja<br />

auch grandios gelungen", findet er in<br />

der Stuttgarter Zeitung. Ganz ohne<br />

Ironie sagt er das. "Kein Unternehmer<br />

fragt sich morgens: Wie kann ich<br />

Mitarbeiter einstellen?" Die Wirtschaft<br />

müsse vor allen Dingen Güter produzieren<br />

<strong>und</strong> das mit so wenig Aufwand<br />

<strong>und</strong> so billig wie möglich. "Aber sie<br />

muss die Menschen auch mit ausreichend<br />

Geld ausstatten, um zu konsumieren."<br />

Mit dem alten Kapitalisten-<br />

Credo "Wer nicht arbeitet, soll auch<br />

nicht essen" komme man heute nicht<br />

mehr weiter. Weil die Wirtschaft immer<br />

effektiver arbeite, die Arbeit besser<br />

organisiere. "Und besser organisieren<br />

heißt immer, Arbeit einzusparen."<br />

Er selbst hat in den vergangenen<br />

Jahren zwar Tausende neuer Leute<br />

eingestellt, aber das ist für Werner ein<br />

zweischneidiges Schwert: "Unser Unternehmen<br />

ist erfolgreich, weil es produktiver<br />

ist als andere. Weil es produktiver<br />

ist, wächst es. Weil es wächst,<br />

schafft es Arbeitsplätze." Das gehe<br />

aber auf Kosten der Jobs bei Unternehmen,<br />

die weniger produktiv sind.<br />

"Erfolg bei gesättigten Märkten führt<br />

immer zum Abbau von Arbeitsplätzen."<br />

Wer würde denn überhaupt<br />

noch arbeiten gehen, wenn jeder<br />

1.500 Euro im Monat bekommt, fragen<br />

Kritiker. Solche Leute würden den<br />

immaterielle Wert der Arbeit unterschätzen,<br />

glaubt Götz Werner. "Viele<br />

Menschen haben sehr viel Spaß an<br />

ihrer Aufgabe. Denken Sie auch an alle<br />

sozialen Berufe <strong>und</strong> die ganze Kulturarbeit.<br />

Das gibt es einen riesigen Bedarf,<br />

der endlich finanzierbar wäre."<br />

Und die Arbeit, die keinen Spaß<br />

macht, muss eben entsprechend höher<br />

bezahlt werden - oder sie bleibt liegen.<br />

Ebenso ungewöhnlich wie die<br />

Ansichten des Chefs ist auch das Klima<br />

in den dm-Märkten. "So wie ich mit<br />

meinen Mitarbeitern umgehe, so gehen<br />

sie mit den K<strong>und</strong>en um", sagt<br />

Werner. Das sehen manche Konkurrenten<br />

deutlich anders. Wer bei dm<br />

arbeitet, muss Initiative zeigen, Ideen<br />

haben. "Keine Kette vertraut den Verkäufern<br />

vor Ort so viel Verantwortung<br />

an", schreibt das "Managermagazin".<br />

Die Filialen bestimmen das Sortiment,<br />

machen Dienstpläne <strong>und</strong> handeln<br />

selbständig die Gehälter aus. Teilweise<br />

wählt die Belegschaft sogar ihre Vorgesetzten<br />

<strong>und</strong> auch bei Neueinstellungen<br />

hat sie ein gewichtiges Wörtchen<br />

mitzureden. Muss in einer Filiale<br />

etwas entschieden werden, können<br />

alle Vorschläge machen, über die sie<br />

dann in großer R<strong>und</strong>e diskutieren.<br />

Personalkosten gibt es bei Götz<br />

Werner nicht, bei dm heißt das "Kreativposten".<br />

Wortklauberei? Nicht für<br />

den Chef. "Kennen Sie einen Unternehmer,<br />

der Mitarbeiter einstellt, um<br />

Kosten zu produzieren?", fragt er in<br />

der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.<br />

Bonussystem <strong>und</strong> Prämien<br />

gibt es bei dm nicht. "Das ist<br />

Misstrauen in die Leistungsbereitschaft<br />

der Mitarbeiter", sagt der Milliardär.<br />

Werner ist bekennender Anthroposoph<br />

6


<strong>und</strong> denkt ganzheitlich. "Hier bin ich<br />

Mensch, hier kauf ich ein", steht auf<br />

den Plastiktüten, welche die K<strong>und</strong>en<br />

in den dm-Märkten bekommen. Ein<br />

abgewandelter Satz von Goethe. Seine<br />

Lehrlinge schickt Werner in Theater-<br />

Workshops, damit sie später bei der<br />

Arbeit im Laden miteinander offener<br />

umgehen. In Karlsruhe lehrt er an der<br />

Universität Wirtschaftsstudenten, wie<br />

sie erfolgreiche Geschäftsleute werden.<br />

"Sie müssen erst einmal in der<br />

Lage sein zu lieben", sagt er in der<br />

"Tageszeitung". "Das brauchen Sie für<br />

alle Entscheidungen im Leben."<br />

Sogar Gewerkschafter zollen Götz<br />

Werner Respekt: "Der behandelt seine<br />

Leute nicht wie Nummern", findet<br />

Verdi-Funktionär Bernhard Franke,<br />

"<strong>und</strong> die Ausbildung bei dm ist beispielhaft."<br />

In die nahe Schweiz ziehen<br />

der Steuern wegen, würde Werner<br />

übrigens nie. Die Klagen der deutschen<br />

Manager über zu hohe Steuern<br />

<strong>und</strong> Nebenkosten, hält er für<br />

Heuchelei: "Als Unternehmer zahle ich<br />

meine Steuern sowieso nicht. Ein<br />

Unternehmer zahlt nie Steuern, sondern<br />

verkalkuliert sie. Bezahlt werden<br />

sie vom K<strong>und</strong>en über den Preis." Auch<br />

ein Posten, der in die Gr<strong>und</strong>rente einfließen<br />

kann. #<br />

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben...<br />

Nazis kommen am 06. Mai<br />

Auf den letzten Drücker haben die<br />

Neonazis um Axel Reitz ihren für den<br />

Ostersamstag geplanten Aufmarsch im<br />

Kreuzviertel abgesagt. Nun wollen sie<br />

am 6. Mai in Münster auflaufen. Für<br />

die Bürgerinitiative "Kreuzviertel stellt<br />

sich quer" <strong>und</strong> andere Antifaschisten<br />

macht das keinen Unterschied - sie<br />

wollen wie schon im Februar die<br />

Rechtsradikalen am Zug durch Münster<br />

hindern. "Es ist uns egal, ob der<br />

Naziaufmarsch am Hauptbahnhof<br />

oder im Zentrum Nord beginnt. Wir<br />

werden vor Ort sein!" Die ~ fordert<br />

alle Münsteraner auf, sich am<br />

Widerstand gegen die braunen Kameraden<br />

zu beteiligen. #<br />

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7


Internet-Tipp | Text: Claudia Picker | Foto: Archiv<br />

Werde ein<br />

Weltverbesserer!<br />

Was brauchen wir Revolutionen,<br />

Randale <strong>und</strong> Revolten - die Welt zu<br />

verändern kann so leicht sein <strong>und</strong><br />

wir müssen dazu oft nicht einmal auf<br />

die Straße. Veränderung beginnt im<br />

Kleinen: auf dem Komposthaufen,<br />

bei der Plastiktüte, beim Wasserverbrauch.<br />

Wie wir alle mit wenig<br />

Aufwand zu einer besseren Welt beitragen<br />

können, verrät die Homepage<br />

www.wearewhatwedo.de im Internet.<br />

Claudia Picker hat die besten<br />

Ideen ausgespäht.<br />

Der Welt geht es schlecht, den<br />

Menschen geht es schlecht; den Tieren<br />

auch <strong>und</strong> den Politkern sowieso. Aber<br />

mit dem ewigen Jammern ist es nun<br />

vorbei! Eine neue Bewegung erobert<br />

die Welt: "We are what we do", auf<br />

Deutsch "Wir sind, was wir tun".<br />

Motto: Kleinvieh macht auch Mist. Geahnt<br />

haben wir das schon lange, aber<br />

erst der Engländer David Robinson<br />

musste kommen, um uns die Augen<br />

zu öffnen. Zusammen mit der Australierin<br />

Eugenie Harvey. Ihre Devise<br />

ist: Schlichte <strong>und</strong> einfache Dinge verbessern<br />

die Welt. Allerdings müssen<br />

auch alle mitmachen Wohl das größte<br />

Problem der Bewegung.<br />

50 Tipps haben die Gründer parat<br />

<strong>und</strong> uns allen geht es besser. Erst mal<br />

müssen wir unsere Gewohnheiten ändern.<br />

Besonders die auf Kosten der<br />

Natur. Also weniger Fleisch essen,<br />

Äpfel <strong>und</strong> Birnen aus der Region kaufen<br />

<strong>und</strong> nicht aus Spanien <strong>und</strong> Marokko.<br />

Auch einen Baum zu pflanzen<br />

kann ein revolutionärer Akt sein,<br />

glauben Robinson <strong>und</strong> Harvey. Oder<br />

einfach nur fre<strong>und</strong>lich sein zu den<br />

Mitmenschen, einmal am Tag ein<br />

Lächeln schenken. Banal? Sicher, aber<br />

wenn alle mitmachen, dann können<br />

im Kleinen große Dinge entstehen.<br />

Jeden Tag eine gute Tat - die alte<br />

Pfadfinderweisheit findet neue<br />

Anhänger. Wie viel das bringt wird<br />

sich erst noch zeigen, zumindest<br />

scheint schon mal der Funke überzuspringen.<br />

Und jeder, der mitmachen<br />

will, kann natürlich auch eigene<br />

Ideen einbringen, wie die Welt<br />

lebenswerter wird.<br />

Hört sich alles gut an. Gr<strong>und</strong> genug<br />

für einen Selbstversuch. Wie sieht<br />

es aus mit dem eigenen Gute-Taten-<br />

Stand? Ich will die Welt verbessern,<br />

ich, eine fast alltägliche Sünderin.<br />

Dazu brauche ich kein albernes Superheldenkostüm,<br />

sondern nur die Tipps<br />

von "Wir sind, was wir tun". Also los!<br />

Plastiktüten sind verpönt. Verzicht ist<br />

gefordert. Den neuen Pulli stopfe ich<br />

enthusiastisch in meinen schmuddeligen<br />

Rucksack. Tüte? Nein Danke,<br />

brauche ich nicht. Zweiter Tipp: Mache<br />

einen Erste-Hilfe-Kurs. Habe ich<br />

schon, ich war mal Rettungsschwimmerin.<br />

Zählt trotzdem, finde ich.<br />

Irgendwie. Dritter Tipp: Ein Lächeln<br />

verschenken. Das fällt leicht. Der vierte<br />

Tipp stellt mich dann vor ein Problem.<br />

Ich soll einen Baum pflanzen.<br />

Zählen meine Basilikumpflänzchen<br />

auch? Oder fallen die unter den Auftrag<br />

"Lass etwas wachsen"? Dann Organspender<br />

werden - eine entsprechende<br />

Karte lag doch dem Willkommensgruß<br />

der Stadt bei, als ich nach<br />

Münster gezogen bin, oder? Ich werde<br />

drüber nachdenken. Mit dem Thema<br />

Blutspenden kann ich jedoch was anfangen.<br />

Seit ich 18 bin, spende ich regelmäßig.<br />

Ehrensache.<br />

Die Welt verbessern ist gar nicht<br />

so schwer. Beim Zähneputzen soll der<br />

Wasserhahn zugedreht werden. Das<br />

schockiert mich. Gibt es Menschen,<br />

die den laufen lassen? Aufforderungen<br />

wie "Beweg dich", "Nutze den Tag"<br />

<strong>und</strong> "Mach das Licht aus, wenn du<br />

gehst" sind kein Problem. Mit jemandem<br />

zu baden, den man liebt, empfinde<br />

ich dagegen als grenzwertig.<br />

Wäre da eine Dusche nicht wassersparender?<br />

Oder geht es um die Rettung<br />

der <strong>Liebe</strong>? Außerdem soll man die<br />

Weltverbesserungsaktion Nr. 7:<br />

Einen Baum pflanzen!<br />

Heizung runter drehen. Wahrscheinlich<br />

wissen die Weltverbesserer nicht,<br />

dass ich noch nie so gefroren habe<br />

wie in diesem Winter. Und alles nur,<br />

weil alle mich wegen der steigenden<br />

Kosten verrückt gemacht haben. Mehr<br />

geht nicht bei mir. Beim besten Willen<br />

nicht. Da backe ich doch lieber mal für<br />

nette Menschen einen Kuchen, lerne<br />

einen Witz oder umarme jemanden.<br />

Noch ein Erfolg: Ich bin laut Homepage<br />

die 1937. Person die ihre Elektrogeräte<br />

ganz ausschaltet. Gut, oder?<br />

Diese Aktion ist ansteckend.<br />

Denn: Denkt man erst einmal übers<br />

eigene Verhalten nach, dann ändert<br />

sich auch was. Jetzt müssen wir nur<br />

noch alle auf den Zug aufspringen.<br />

Gemeinsam können wir es schaffen,<br />

gemeinsam sind wir stark. Tun Sie mal<br />

wieder jemandem etwas gutes,<br />

schlendern Sie mal wieder durch den<br />

Bioladen <strong>und</strong> kaufen Produkte aus der<br />

Region. Zeigen Sie Eigeninitiative!<br />

Muss man wirklich immer die Spülung<br />

am Stillen Örtchen ziehen? Mal mit<br />

meinem Fre<strong>und</strong> darüber reden. Der<br />

schaut entsetzt. Erst bin ich beleidigt,<br />

aber dann denke ich: Stimmt eigentlich,<br />

was ist, wenn mal Fre<strong>und</strong>e zu<br />

Besuch kommen? Welt verbessern<br />

schön <strong>und</strong> gut, aber übertreiben will<br />

ich es nun auch nicht. Trotzdem:<br />

Machen Sie mit <strong>und</strong> sei es nur mit<br />

einem Lächeln! #<br />

8


Gerichtsshows | Text: Martin Barfuß | Foto: Sat 1<br />

Im Namen<br />

der Quote<br />

"Glauben Sie nur nicht, dass sie<br />

damit hier durchkommen!" Der<br />

Staatsanwalt ist auf 180, der renitente<br />

Angeklagte raubt ihm den<br />

letzten Nerv. Die Richterin tippt mit<br />

ihrem Kugelschreiber aufs Pult. Auf<br />

der Zeugenbank kommt es zu Tumulten.<br />

Kein Zweifel: Wir haben uns<br />

in eine Gerichtsshow gezappt.<br />

"Richterin Barbara Salesch" <strong>und</strong> wie<br />

sie alle heißen, haben am Nachmittag<br />

gute Quoten. Das Fernsehvolk<br />

steht auf kleine <strong>und</strong> große Verbrechen.<br />

Aber wie real ist das Leben<br />

vor dem TV-Kadi? Martin Barfuß, der<br />

beide juristische Staatsexamen im<br />

Schweiße seines Angesichts absolviert<br />

hat, nimmt die Fernsehrichter<br />

unter die Lupe.<br />

Gerichtsverhandlungen ziehen<br />

seit Ewigkeiten die Menschen in den<br />

Bann. Besonders wenn es um Mord<br />

<strong>und</strong> Totschlag geht. Als Zeitungen noch<br />

die einzige Informationsquelle waren,<br />

hatten die großen Redaktionen besondere<br />

Reporter, die tagaus, tagein<br />

aus dem Gerichtssaal berichteten. Was<br />

in der Presse funktioniert, sollte doch<br />

erst recht im Fernsehen Erfolg haben,<br />

dachten sich schon früh die Programmchefs.<br />

Serien wie "Ehen vor<br />

Gericht" oder "Das Verkehrsgericht"<br />

waren in den Siebzigern echte Strassenfeger,<br />

über die das Land tagelang<br />

noch sprach. Auch das "Königlich bayrische<br />

Amtsgericht" war sehr beliebt,<br />

aber da ging es eher lustig zu. Die Fälle<br />

nahm niemand richtig ernst.<br />

Seit einigen Jahren feiert eine<br />

neue Generation der TV-Justiz Erfolge:<br />

Gerichtsshows. Unter der Woche urteilen<br />

echte Richter im Namen des Volkes,<br />

wo sie eigentlich doch im Namen<br />

der Quote meinen. Richterin Barbara<br />

Salesch ist der Superstar unter den<br />

Fernsehkadis. Seit 1999 spricht sie bei<br />

SAT 1 Recht. Die cleveren Macher hatten<br />

eine Lücke im System entdeckt. Die<br />

bisher kaum im öffentlichen Interesse<br />

stehenden Schiedsgerichtsverhandlungen<br />

standen nicht, wie andere<br />

Gerichtsverfahren, unter dem Verbot<br />

der Fernsehübertragung, sofern alle<br />

Beteiligten zustimmten. Fortan verhandelte<br />

Frau Salesch in echten Fällen<br />

vor einem Millionenpublikum <strong>und</strong> das<br />

am Nachmittag! Stilblüten wie der<br />

berühmte "Maschendrahtzaun" werden<br />

wohl in die deutsche Fernsehgeschichte<br />

eingehen. Fast gleichzeitig<br />

startete im ZDF die Sendung "Streit um<br />

Drei", die zwar mit Schauspielern <strong>und</strong><br />

allenfalls der Realität angenäherten<br />

Fällen arbeitete, aber ebenfalls mit<br />

einem gelernten Richter antrat. Auch<br />

die Rechtsanwälte waren echt.<br />

Beiden Sendungen habe ich,<br />

damals noch Jura-Student, gerne<br />

zugesehen. Die Geschichten waren<br />

abwechslungsreich <strong>und</strong> nicht übertrieben.<br />

Vor allem aber konnte man als<br />

Zuschauer die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Formalitäten einer Gerichtsverhandlung<br />

kennen lernen, zum Beispiel<br />

den richterlichen Hinweis auf die<br />

Wahrheitspflicht. In jeder Verhandlung,<br />

sei es nun bei Barbara Salesch<br />

oder auch bei ihrer öffentlich-rechtlichen<br />

Konkurrenz wurde gebetsmühlenartig<br />

wiederholt: "Sie sind hier als<br />

Zeuge geladen <strong>und</strong> müssen daher die<br />

Wahrheit sagen. Sollten sie das nicht<br />

tun, könnten Sie bestraft werden,<br />

auch wenn Sie nicht vereidigt werden."<br />

Auch der übrige Gang der Verhandlung<br />

hielt sich strikt im Rahmen<br />

der jeweiligen Prozeßordnung. Dafür<br />

sorgten damals die beteiligten Juristen,<br />

so jedenfalls mein Eindruck.<br />

Richterin Barbara Salesch<br />

Beide Formate verloren jedoch<br />

kontinuierlich an Zuschauerzahlen <strong>und</strong><br />

man kam wohl zum Ergebnis, man<br />

müsse dramatischere Verhandlungen<br />

bieten. Deshalb wechselten auch die<br />

Privaten zu einer fiktiven Form der<br />

Gerichtsshows, während das ZDF sein<br />

Format einstellte. Außerdem wechselten<br />

RTL <strong>und</strong> Sat 1 in die spannenderen<br />

Bereiche des Straf- <strong>und</strong> des Familienrechts.<br />

Besonders Jugendliche werden<br />

nun gerne an den Pranger gestellt,<br />

zwei Serien beschäftigen sich nur<br />

damit. In den Shows treten nun vor<br />

allem mehr oder weniger talentierte<br />

Laienschauspieler als Zeugen <strong>und</strong> Angeklagte<br />

auf. Die mangelnde Begabung<br />

der meisten Mimen ist gewollt -<br />

das soll eine Atmosphäre der Realität<br />

schaffen.<br />

Dieser Versuch misslingt. Die<br />

strafrechtlichen Verhandlungen bieten<br />

reißerische Räuberpistolen, wie sie<br />

zwar durchaus in deutschen Gerichten<br />

verhandelt werden. Allerdings als<br />

Ausnahme <strong>und</strong> nicht als Regel. Eine<br />

Verhandlung über den Aufenthalt der<br />

Kinder nach einer Scheidung der Eltern<br />

ist für sich alleine öde. Da muss noch<br />

eine schauerliche Geschichte her,<br />

damit die Quote stimmt. Die Laienschauspieler,<br />

froh endlich mal auf der<br />

Mattscheibe zu sein, legen sich mächtig<br />

ins Zeug <strong>und</strong> verhalten sich wie<br />

Rabauken. In einem realen Verfahren<br />

würden sie sich so garantiert nicht<br />

verhalten. Die am Fließband entstandenen<br />

Geschichten sind oft so unausgegoren,<br />

dass meistens nur ein "Überraschungszeuge"<br />

den Fall schließlich<br />

aufklären kann.<br />

Nachdem die Gerichtsshows von<br />

echten Fällen Abstand genommen<br />

hatten <strong>und</strong> mit Schauspielern arbeiteten,<br />

lief am Anfang immerhin noch<br />

das Verfahren juristisch korrekt ab.<br />

Heute bleibt manchmal nicht einmal<br />

mehr Zeit die Paragraphen des Strafgesetzbuchs<br />

zu nennen, die der Angeklagte<br />

verletzt haben soll. Ein Verstoß,<br />

der in der Realität die Revision<br />

rechtfertigen würde! Schließlich lassen<br />

sich auch die beteiligten echten<br />

Rechts- <strong>und</strong> Staatsanwälte häufig von<br />

der Aufgeregtheit der Schauspieler<br />

anstecken <strong>und</strong> liefern sich theatralische<br />

Wortgefechte. In einem wirklichen<br />

Gerichtssaal würden bei einem<br />

solchen Verhalten alle nur verständnislos<br />

mit dem Kopf schütteln. Fazit:<br />

Früher konnte man in den Gerichtsshows<br />

noch lernen, wie es vor dem<br />

Richter zugeht. Heute nur noch, wie<br />

man sich besser nicht verhält. #<br />

9


Black Metal | Text: Barbara Suttrup, Gerrit Hoekman | Fotos: UNRAST- Verlag<br />

Satansbraten<br />

Martialisches Auftreten...<br />

HipHop, Punk oder Ska - kaum noch<br />

eine Musikrichtung, in der nicht<br />

auch rechte Spinner ihr Unwesen<br />

treiben. Zum Extremsten, was im<br />

Moment auf dem Markt zu haben ist,<br />

gehört Black Metal. Laut, hart <strong>und</strong><br />

für viele abscheulich. In der Szene<br />

tummeln sich Neonazis, Satanisten<br />

<strong>und</strong> Neuheiden. Der Münsteraner<br />

Unrast-Verlag hat mit einem bemerkenswerten<br />

Buch Licht ins nordische<br />

Dunkel gebracht. Ein Bericht von<br />

Barbara Suttrup <strong>und</strong> Gerrit Hoekman.<br />

Er nannte sich "Dead" <strong>und</strong> 1991 war<br />

der Sänger der norwegischen Black-<br />

Metal-Band "Mayhem" wirklich tot -<br />

im Alter von 21 Jahren hatte er sich erst<br />

mit einer Rasierklinge die Pulsadern<br />

aufgeschnitten <strong>und</strong> dann mit einer<br />

Schrotflinte in den Kopf erschossen.<br />

Als seine Bandkollegen ihn fanden,<br />

riefen sie nicht etwa die Polizei, sondern<br />

machten Fotos von der blutüberströmten<br />

Leiche <strong>und</strong> sammelten<br />

Knochensplitter ein, die sie als Amulette<br />

verkauften. "Als Dead sich das<br />

Gehirn rausknallte, war das eine seiner<br />

besten Promotion-Aktionen", sagte<br />

einer seiner Mitmusikanten. "Es ist<br />

immer toll, wenn jemand stirbt, ganz<br />

egal um wen es sich handelt." Zwei<br />

Jahre später benutzte die Band das<br />

Foto vom Tatort für ein Plattencover.<br />

"Wenn du denkst, wir sind gefühlsduselige<br />

Idioten mit menschlichen Gefühlen,<br />

dann liegst du falsch", sagten<br />

"Mayhem". Die Norweger waren schon<br />

vorher für morbide Geschichten bekannt.<br />

Bei ihren Auftritten bewarf<br />

Sänger "Dead" das Publikum mit bluttriefenden<br />

Schweinsköpfen <strong>und</strong> fügte<br />

sich mit Rasierklingen <strong>und</strong> abgebrochenen<br />

Flaschen tiefe W<strong>und</strong>en zu.<br />

Zwei Jahre nach dem Selbstmord des<br />

Sängers wurde auch noch der Gitarrist<br />

der Band von einem anderen Metal-<br />

Musiker erstochen.<br />

"Kaum eine andere Musikrichtung<br />

erzeugt derart düstere Stimmung <strong>und</strong><br />

ist so aggressiv, destruktiv <strong>und</strong> nihilistisch<br />

- Black Metal gilt als Inbegriff<br />

des Bösen", schreiben Christian Dornbusch<br />

<strong>und</strong> Hans-Peter Killguss in<br />

ihrem Buch "Unheilige Allianzen -<br />

Black Metal zwischen Satanismus,<br />

Christian Dornbusch,<br />

Hans-Peter Killguss:<br />

Unheilige Allianzen;<br />

Black Metal zwischen<br />

Satanismus, Heidentum<br />

<strong>und</strong> Neonazismus<br />

UNRAST - Verlag<br />

Reihe antifaschistischer<br />

Texte<br />

ISBN: 3-86771-817-0<br />

EUR 18,00<br />

Heidentum <strong>und</strong> Neonazismus". Die<br />

beiden Autoren, die eingefleischte<br />

Metal-Fans sind, haben lange in der<br />

Szene recherchiert, Undergro<strong>und</strong>-<br />

Konzerte besucht <strong>und</strong> Platten gesammelt.<br />

Herausgekommen ist ein umfassendes<br />

Werk über eine unbekannte<br />

Subkultur. "Politik spielt im Metal<br />

keine große Rolle", sagt Dornbusch in<br />

einem Interview mit der Berliner<br />

"tageszeitung". "Leider wird das<br />

jedoch manchmal zu einem Problem,<br />

vor allem wenn die deutlich nach<br />

außen getragene rechte Gesinnung<br />

von Leuten zur reinen Privatsache<br />

erklärt wird."<br />

Neonazis sind in der Szene zwar<br />

nicht die Regel, aber auch keine Ausnahme.<br />

"Ausschwitz wartet auf die<br />

Tage seines neuerlichen Ruhms", zitieren<br />

die Autoren den Sänger der polnischen<br />

Band "Graveland". Black Metal<br />

als Krieg der "Herrenrasse" gegen die<br />

"Untermenschen".<br />

Entstanden ist die Szene Ende der<br />

80er in Norwegen. "Es sind die Texte,<br />

die aus einer Metal-Band eine Black-<br />

Metal-Truppe machen", erklärte<br />

Infernal, Frontmann bei "Desaster".<br />

Anfangs ging es der Subkultur nur<br />

darum zu provozieren, doch mit der<br />

Zeit wurde aus dem Spiel brutale Realität.<br />

Die Fans steckten Kirchen in<br />

Brand, schändeten Friedhöfe <strong>und</strong><br />

schreckten auch vor Mord nicht zurück.<br />

Norwegische Black-Metal-Bands<br />

warnten ausländische Musiker davor,<br />

in Norwegen aufzutreten. "Für mich ist<br />

Black Metal Hass <strong>und</strong> Kraft! Für mich<br />

ist Black Metal Blut! Black Metal ist<br />

Krieg!", beschreibt ein Fan in einem<br />

Szeneforum im Internet, was er mit<br />

der Musik verbindet. Der Hass hat<br />

immer wieder zu Mord <strong>und</strong> Totschlag<br />

geführt, auch in Deutschland.<br />

1993 sorgte der "Satansmord von<br />

Sonderhausen" für b<strong>und</strong>esweite<br />

Schlagzeilen. Die Mitglieder einer<br />

rechtsradikalen Black-Metal-Band folterten<br />

1993 einen Mitschüler so lange<br />

bis er an den Verletzungen starb.<br />

10


Studiengebühren | Text: Gerrit Hoekman | Foto: AStA<br />

...<strong>und</strong> die Fans flippen aus<br />

Katholiken<br />

nehmen Gebühren<br />

Der typische Black-Metal-Fan ist im<br />

Schnitt zwischen 22 <strong>und</strong> 25 Jahre alt,<br />

aber von 14 bis 40 ist alles vertreten.<br />

Er trägt lange Haare, schwarze, in<br />

jedem Fall dunkle Kleidung <strong>und</strong><br />

Motorrad- oder Schnürstiefel. Nieten<strong>und</strong><br />

Patronengürtel machen das Outfit<br />

perfekt. Schmuck <strong>und</strong> Tätowierungen<br />

sind ebenfalls beliebt, oft umgedrehte<br />

Kreuze, Pentagramme oder Runen.<br />

Die meisten Anhänger sind Männer,<br />

Frauen tauchen überwiegend als<br />

Fre<strong>und</strong>innen von männlichen Fans<br />

auf. "Anhängsel" heißen sie in der<br />

Szene. Nur hin <strong>und</strong> wieder treten<br />

Frauen auf der Bühne auf: Onielar,<br />

Sängerin der Band "Darkened Nocturne<br />

Slaughtercult" etwa oder die<br />

griechische Frauencombo "Astarte".<br />

Die extreme Ideologie <strong>und</strong> Symbolik<br />

wirkt anziehend auf Jugendliche,<br />

die darin einen Weg sehen gegen<br />

die Umwelt <strong>und</strong> ihre Eltern zu rebellieren.<br />

Es findet jedoch nur selten<br />

eine Auseinandersetzung mit den Inhalten<br />

<strong>und</strong> Hintergründen der Musik<br />

statt. "Heute ist Black Metal keine reine<br />

Nischenmusik mehr, sondern eine<br />

der angesagtesten Stilrichtungen im<br />

Heavy Metal", haben Dornbusch <strong>und</strong><br />

Killguss bei ihren Recherchen festgestellt.<br />

Das findet nicht jeder vom harten<br />

Kern der Szene gut: "Der Kult, den<br />

wir leben <strong>und</strong> verehren, ist auf einmal<br />

für jeden BRAVO-Untermenschen<br />

zu haben", wettert die Berliner Band<br />

"Dies Ater". #<br />

"Option für die Armen - Wie würde<br />

Jesus handeln?" ist ein beliebtes<br />

Seminar an der Katholischen Fachhochschule<br />

in Münster. Jedes Semester<br />

treffen sich dort Studenten<br />

mit Ordensleuten, die in der Praxis<br />

mit Armen <strong>und</strong> Ausgegrenzten arbeiten.<br />

Gut möglich, dass die sozial<br />

engagierten Christen demnächst vor<br />

allem im eigenen Haus gebraucht<br />

werden: Die Katholischen Fachhochschulen<br />

in Nordrhein-Westfalen haben<br />

nämlich beschlossen, ab dem<br />

kommenden Wintersemester eine<br />

Studiengebühr von 500 Euro zu verlangen.<br />

Der Plan hat unlängst die Studenten<br />

in Münster auf die Straße getrieben.<br />

Fast die Hälfte der insgesamt 700<br />

Eingeschriebenen schwänzten die Vorlesungen<br />

<strong>und</strong> zogen spontan zum<br />

Münsteraner Schloss, dem Sitz der<br />

Universität. Dort stürmten sie die Seminare<br />

<strong>und</strong> forderten die Kommilitonen<br />

zum Mitmachen auf. "Das war<br />

ein gelungener Auftakt für weitere<br />

Proteste", heißt es in einer Presseerklärung<br />

des AStA, dem Allgemeinen<br />

Studierendenausschuss der Uni. "Die<br />

Studierenden der Katholischen Fachhochschule<br />

ziehen die Notbremse."<br />

Mitte März hatte der Landtag in<br />

Düsseldorf mit seiner Mehrheit aus CDU<br />

<strong>und</strong> FDP den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen<br />

erlaubt, Studiengebühren<br />

von bis zu 500 Euro pro Semester<br />

einzuführen. Während der Senat<br />

der Münsteraner Universität bis<br />

jetzt nicht vor hat, von dem neuen<br />

Gesetz Gebrauch zu machen, wollen<br />

die Katholischen Fachhochschulen das<br />

Angebot annehmen. Mit weitreichenden<br />

Konsequenzen für die Studenten,<br />

fürchtet der AStA der Fachhochschule:<br />

"Die Belastungen von Studierenden<br />

werden schlicht zu hoch. 500 Euro pro<br />

Halbjahr <strong>und</strong> parallel steigen die Lebenshaltungskosten,<br />

die Sozialbeiträge,<br />

der Semesterticketpreis." Als<br />

Alternative bietet das neue Gesetz<br />

Nachwuchsakademikern, die keine<br />

reichen Eltern haben, verzinste Kredite<br />

an. Am Ende des Studiums stehen die<br />

Studenten damit vor einem Berg an<br />

Schulden. "Nur wer die Gebühren aus<br />

der Portokasse bezahlen kann, wird es<br />

in Zukunft leichter haben", fürchtet<br />

Andreas Kemper, AStA-Referent für<br />

finanziell Benachteiligte an der Uni<br />

Münster. "Dagegen werden ausländische<br />

Studierende, Behinderte, Studierende<br />

mit Kind <strong>und</strong> Arbeiterkinder<br />

vom Studium ausgeschlossen." #<br />

Studiengebühren: Studenten machen ihrem Ärger Luft<br />

11


Armutszeugnis | Text: Valerie Kranig | Foto: Wolfgang Beyer<br />

Kein Taxi für<br />

Obdachlose<br />

Taxis: Manchmal obdachlosenfreie Zone<br />

Taxifahrer haben es oft nicht einfach.<br />

Besonders am Wochenende,<br />

wenn die Besoffenen unterwegs<br />

sind. Sitzen sie erst mal drin, dann<br />

kriegt man sie später meistens nur<br />

schwer wieder raus. Und manchem<br />

Betrunkenen kommt bei der Schaukelei<br />

alles hoch, was in der Kneipe<br />

auf dem Deckel stand. Die Sauerei<br />

dürfen dann die Fahrer wieder sauber<br />

machen. Die beiden Obdachlosen,<br />

die unlängst st<strong>und</strong>enlang in<br />

der City auf ein Taxi warten mussten,<br />

waren aber nicht besoffen.<br />

Trotzdem wollte sie keiner mitnehmen.<br />

Ein Bericht von Valerie Kranig.<br />

Dieter <strong>und</strong> Clemens wohnen im<br />

Haus der Wohnungslosenhilfe. Neulich<br />

waren die beiden zum Einkaufen in<br />

der Stadt. Als sie alles erledigt hatten,<br />

standen sie mit Tüten bepackt vor Karstadt<br />

in der Clemensstraße <strong>und</strong> suchten<br />

nach einem Taxi. Die beiden sind<br />

schon um die 70 <strong>und</strong> ganz schlecht zu<br />

Fuß. An der Stelle ein Taxi zu finden -<br />

eigentlich kein Problem, sollte man<br />

meinen, warten dort doch immer<br />

Droschken auf K<strong>und</strong>schaft. Es war<br />

zwölf Uhr mittags an einem kalten<br />

Donnerstag Ende März <strong>und</strong> die beiden<br />

öffneten die Tür des ersten Taxis: "Zum<br />

HdW, bitte." Doch der Fahrer schüttelte<br />

nur den Kopf. Auch der Zweite <strong>und</strong><br />

der Dritte wollten die beiden nicht<br />

mitnehmen. "Dieter <strong>und</strong> Clemens hatten<br />

höchstens zwei Bier getrunken",<br />

schwört ihr Fre<strong>und</strong> Olli, der Zeuge der<br />

Angelegenheit war.<br />

Auch zwei Anrufe bei der Taxizentrale<br />

halfen nicht. Insgesamt fünf<br />

Wagen blieben den Obdachlosen verschlossen.<br />

Weil die beiden ein wenig<br />

nach Bier rochen, sollte Zeuge Olli<br />

mitfahren. Die Fahrer hatten Angst,<br />

die beiden am HdW nicht mehr aus<br />

dem Auto zu kriegen. Unbegründet,<br />

denn Clemens <strong>und</strong> Dieter waren alles<br />

andere als volltrunken. Trotzdem<br />

standen sie zwei St<strong>und</strong>en in der Kälte.<br />

Hinsetzen konnten sich die gehbehinderten<br />

Männer nirgends. Also stützten<br />

sie sich notdürftig auf den Rollator,<br />

einen kleinen Gehwagen, den sie<br />

dabei hatten. Schon nach kurzer Zeit<br />

versammelten sich empörte Passanten<br />

um die beiden. Sie redeten auf die<br />

Taxifahrer ein - vergebens. Erst das<br />

sechste Taxi erbarmte sich der Obdachlosen.<br />

Am Steuer saß eine Frau.<br />

Dürfen die das? Gibt es nicht so<br />

etwas wie eine Beförderungspflicht?<br />

Richtig, die gibt es. In Nordrhein-<br />

Westfalen muss jeder Droschkenkutscher<br />

jeden Fahrgast mitnehmen,<br />

so lange der bezahlen kann <strong>und</strong> der<br />

K<strong>und</strong>e die Sicherheit des Fahrers nicht<br />

gefährdet. Wären Dieter <strong>und</strong> Clemens<br />

also aggressiv gewesen, hätten die<br />

Taxichauffeure das Recht gehabt, sie<br />

stehen zu lassen.<br />

Waren sie jedoch nicht, die zwei<br />

behinderten, älteren Herren. Aber<br />

nicht nur in Münster passiert so etwas:<br />

In Kassel wollte neulich niemand ein<br />

Kind im Rollstuhl in die Klinik fahren.<br />

Wohl weil ihnen der Aufwand zu groß<br />

war, das Gefährt in den Kofferraum zu<br />

packen. Erst der neunte Fahrer, selbst<br />

leicht behindert, nahm das Kind mit.<br />

"Eine äußerst ungute Erfahrung",<br />

urteilte die "Randschau". "Das macht<br />

die Notwenigkeit eines Anti-Diskriminierungsgesetzes<br />

wieder einmal<br />

deutlich." Das Magazin setzt sich für<br />

die Gleichstellung Behinderter in der<br />

Gesellschaft ein.<br />

Wie sehen die Münsteraner Taxifahrer<br />

den Fall der beiden Obdachlosen.<br />

~ fragte Chauffeure am<br />

Hauptbahnhof. "Nur wenn jemand<br />

eine ansteckende Krankheit oder eine<br />

Waffe im Gepäck hat, nehme ich ihn<br />

nicht mit", sagt einer. Woran er das<br />

erkennen will, verriet er leider nicht.<br />

"Wenn jemand stockbesoffen ist,<br />

kommt er nicht ins Auto", meint ein<br />

anderer. Was eindeutig leichter festzustellen<br />

ist. Das Taxi ist den meisten<br />

Kutschern heilig. "Manche Leute sind<br />

so dreckig, dass man sie mit einer<br />

Kneifzange nicht mehr anfassen kann.<br />

Die nehme ich nicht mit", verrät ein<br />

Fahrer.<br />

Auffallend: Nur einer der Befragten<br />

nannte die im Gesetz festgelegten<br />

Gründe. Was nützt es also, auf die<br />

Beförderungspflicht zu pochen, wenn<br />

der Fahrer sie überhaupt nicht kennt?<br />

So gelten oft die eigenen Regeln. Zum<br />

Beispiel: Es steht nirgendwo im Gesetz,<br />

dass ein stark müffelnder K<strong>und</strong>e<br />

nicht befördert werden muss. Obdachlosigkeit<br />

gab übrigens keiner der<br />

Fahrer als Gr<strong>und</strong> an, Fahrgäste abzuweisen.<br />

Vielleicht mochte das auch<br />

niemand gegenüber einem Straßenmagazin<br />

zugeben. Oder haben Dieter<br />

<strong>und</strong> Clemens die einzigen fünf Fahrer<br />

erwischt, die das anders sehen?<br />

Hoffen wir für die beiden, dass sie<br />

demnächst sofort die Droschkenkutscherin<br />

treffen, die sie ohne<br />

Jammern mitgenommen hat. #<br />

12


Trala la la la | Text: Gerrit Hoekman | Foto: Wolfgang Beyer<br />

Pfingsten:<br />

Kirche hat Geburtstag<br />

Der Heilige Geist: Taube an der Lambertikirche<br />

Kennen Sie die Bedeutung von<br />

Pfingsten? Nein? Da geht es Ihnen<br />

nicht anders als uns <strong>und</strong> der Mehrheit<br />

der Deutschen. Pfingsten, das<br />

sind zwei nette frei Tage. Was aber<br />

in der Bibel an dem Tag geschehen<br />

ist? Ehrlich gesagt, keinen blassen<br />

Schimmer. Deshalb hat Gerrit Hoekman<br />

sich schlau gemacht <strong>und</strong> kann<br />

jetzt erklären, warum die Christen<br />

Pfingsten feiern. Und warum es<br />

kaum jemand sonst mitbekommt.<br />

Ben Hur, Quo Vadis <strong>und</strong> Das Leben<br />

des Brian: Dutzende Kinofilme beschäftigen<br />

sich mit Weihnachten <strong>und</strong><br />

Ostern, aber welcher Regisseur hätte<br />

jemals ein Epos über Pfingsten gedreht?<br />

Hollywood weiß eben, was zum<br />

Kassenschlager taugt. Die Geburt des<br />

Heilands <strong>und</strong> erst recht Jesus am Kreuz<br />

- das kommt an beim Publikum.<br />

Pfingsten dagegen taugt beim besten<br />

Willen nicht zum Blockbuster. Unter<br />

den drei großen christlichen Festen,<br />

die zwei Tage dauern, hat es Pfingsten<br />

am schwersten, beim Volk beliebt zu<br />

sein. Kein Christkind kommt <strong>und</strong><br />

bringt Handys <strong>und</strong> Playstation, kein<br />

Osterhase versteckt heimlich grüne,<br />

gelbe, blaue Eier. Das sind Angebote,<br />

die auch von denen gerne mitgenommen<br />

werden, die es sonst nicht so mit<br />

dem christlichen Glauben haben.<br />

Heilige Geist den Jüngern erschienen<br />

<strong>und</strong> hat sie aufgefordert, das Evangelium<br />

in die Welt zu tragen. "Und es<br />

erschienen ihnen Zungen wie von<br />

Feuer, die sich verteilten; auf jeden<br />

von ihnen ließ sich eine nieder. Alle<br />

wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt<br />

<strong>und</strong> begannen in fremden Sprachen<br />

zu reden, wie es der Geist ihnen eingab",<br />

heißt es in der Apostelgeschichte<br />

von Lukas. Dieses sogenannte Pfingstw<strong>und</strong>er<br />

gilt als Geburtsst<strong>und</strong>e der Kirche.<br />

Die Jünger zogen aus <strong>und</strong> erzählten<br />

überall in der ihnen bekannten<br />

Welt vom Wirken Jesu.<br />

Der Heilige Geist war es auch, von<br />

dem die Jungfrau Maria laut Bibel<br />

schwanger war. Und Jesus hat ihn bei<br />

seiner Taufe als Taube gesehen. Die<br />

Taube ist deshalb bis heute ein Symbol<br />

für den Heiligen Geist. Im Mittelalter<br />

gehörte das Heilig-Geist-Schwingen<br />

auf Pfingsten unbedingt zum Gottesdienst.<br />

In der Kirche wurden Tauben<br />

frei gelassen oder eine aus Holz geschnitzte<br />

an einer Schnur über die<br />

Köpfe der Gläubigen kreisen gelassen.<br />

Damals begannen Künstler auch den<br />

Heiligen Geist auf Bildern als reale<br />

Person darzustellen. Bis die Kirche das<br />

untersagte. Heute finden auf Pfingsten<br />

viele Gottesdienste unter freiem Himmel<br />

statt, weil das Wetter meist schon<br />

passabel ist. Der Name Pfingsten<br />

stammt übrigens von pentekoste, der<br />

50. auf Griechisch. Als Fest ging es,<br />

genau wie Ostern, aus dem jüdischen<br />

Glauben hervor, nämlich aus dem<br />

Wochenfest "Schawuot".<br />

In Deutschland ist Pfingsten ein<br />

eher folkloristisch geprägtes Fest. An<br />

jenem Tag wurden früher zum ersten<br />

Mal die Rinder auf die Weide getrieben.<br />

In manchen Gegenden werden<br />

deshalb bis heute Pfingstochsen mit<br />

Bändern, Blumen <strong>und</strong> Glocken geschmückt.<br />

Weil man dem Wasser an<br />

Pfingsten eine besondere Segenskraft<br />

nachsagt, war das Fest lange ein beliebter<br />

Tauftermin. Aber es soll auch<br />

gegen Sommersprossen <strong>und</strong> Verhexung<br />

schützen. In Lüneburg pflanzt<br />

man einen Baum <strong>und</strong> Pfadfinder veranstalten<br />

überall im Land Pfingstlager.<br />

Weil der religiöse Anlass des<br />

Festes mehr <strong>und</strong> mehr in den<br />

Hintergr<strong>und</strong> tritt, fordern Wirtschaftsverbände<br />

immer öfter, den Pfingstmontag<br />

abzuschaffen, um einen weiteren<br />

Arbeitstag zu bekommen.<br />

Schweden <strong>und</strong> Italien haben es bereits<br />

vorgemacht, in Frankreich sollte<br />

es letztes Jahr so weit sein. Doch den<br />

Franzosen war ihr Pfingstmontag heilig.<br />

Denn für einen Tag ans Meer - das<br />

lohnt nun wirklich nicht. #<br />

Pfingsten kommt niemand. Nicht<br />

einmal die Kinder. Weihnachten <strong>und</strong><br />

Ostern sind familiäre Pflichttermine,<br />

aber auf Pfingsten ist keine Mutter<br />

zerknirscht, wenn man lieber einen<br />

Kurztrip ans Meer macht oder eine<br />

kleine Radtour durchs Münsterland.<br />

Oder einfach zwei Tage lang die Beine<br />

hoch legt. Laut einer Umfrage des<br />

Meinungsforschungsinstituts Emnid<br />

hat jeder zweite Deutsche keine Ahnung<br />

von der religiösen Bedeutung<br />

des Festes. 50 Tage nach Ostern ist der<br />

Mechtild Demel gestorben<br />

Viele Münsteraner kennen Mechtild Demel. Wenn nicht vom Namen her, so<br />

doch vom Gesicht. Einmal die Woche stand die ältere Dame mit gleichgesinnten<br />

Frauen vor der St. Lamberti-Kirche <strong>und</strong> hielt Mahnwache. Jahrelang. Bei<br />

Wind <strong>und</strong> Wetter. Es musste schon was besonderes passieren, wenn Mechtild<br />

Demel den Termin verpasste, denn sie war eine der aktivsten Kämpferinnen<br />

für den Frieden in Münster <strong>und</strong> die mit dem vielleicht größten Durchhaltewillen.<br />

Schon bei den riesigen Ostermärschen in den 80ern war sie dabei.<br />

Auch als sich im Laufe der Jahre immer weniger Menschen auf den Weg machten,<br />

um für den Frieden in der Welt <strong>und</strong> für Abrüstung zu kämpfen, ließ sie<br />

nicht locker. Wann immer eine K<strong>und</strong>gebung in der Nähe mit ihrem Herzensanliegen<br />

beschäftigte, kletterte sie aufs Podium <strong>und</strong> hielt eine Rede. Ihr Platz<br />

an der Lambertikirche wird in Zukunft leer bleiben - Mechtild Demel ist am<br />

Montag vor Ostern im Alter von 81 Jahren gestorben.<br />

13


Anzeige<br />

Schulpolitik| Text: Claudia Deetjen<br />

Bildung für<br />

Betuchte<br />

Deutsche Schulen haben einen<br />

schlechten Ruf: Die Kinder lernen<br />

nichts <strong>und</strong> auf dem Pausenhof<br />

schlagen sie sich die Köpfe ein. Was<br />

ist los mit dem Bildungssystem in<br />

unserem Land? Ist die Dreiteilung -<br />

Gymnasium, Real- <strong>und</strong> Hauptschule<br />

- noch zeitgemäß? Mit dieser Frage<br />

hat sich der Landtag in Düsseldorf in<br />

den letzten Monat beschäftigt.<br />

Claudia Deetjen erklärt, was sich<br />

nach dem Willen von CDU <strong>und</strong> FDP<br />

demnächst ändern soll.<br />

Fleiß: Gut. Betragen: Mangelhaft.<br />

Mündliche Mitarbeit: Sehr gut. Geht es<br />

nach der schwarz-gelben Landesregierung<br />

werden demnächst wieder sogenannte<br />

Kopfnoten auf dem Zeugnis<br />

stehen. Die Politiker wollen damit das<br />

Sozialverhalten der Kinder stärker in<br />

den Mittelpunkt stellen. Ob das der<br />

Stein der Weisen ist, um die deutschen<br />

Schulen auf Trab zu bringen, da sind<br />

die Experten unterschiedlicher Meinung.<br />

Das deutsche Schulsystem steht<br />

jedenfalls auf dem Prüfstand: Der<br />

‚Pisa-Schock' <strong>und</strong> die jüngsten Ereignisse<br />

an der Berliner Rütli-Hauptschule<br />

haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt.<br />

B<strong>und</strong>esweit wird über notwendige<br />

Strukturreformen im<br />

Schulwesen diskutiert. In Nordrhein-<br />

Westfalen wollen nun Ministerpräsident<br />

Jürgen Rüttgers <strong>und</strong> Schulministerin<br />

Barbara Sommer mit dem<br />

neuen Schulgesetz eine, wie sie es<br />

nennen, schulpolitische Wende herbeiführen.<br />

Ziel des Gesetzes ist mehr<br />

Leistung <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit an<br />

den Schulen in NRW.<br />

Das Schulgesetz, das die schwarzgelbe<br />

Landesregierung im August vergangenen<br />

Jahres verabschiedet hat,<br />

hält an der Mehrgliedrigkeit des Schulsystems<br />

fest, auch in Zukunft wird es<br />

Gymnasium, Real- <strong>und</strong> Hauptschule<br />

geben. Was dort gelehrt werden soll,<br />

wird aber zum ersten Mal gesetzlich<br />

festgeschrieben. Die Schulen sollen<br />

nun ein klares Profil bekommen. Zum<br />

Kern des Gesetzes gehört außerdem<br />

die Reform der Oberstufe an den<br />

Gymnasien. Wichtigster Punkt: Das<br />

Abitur nach bereits zwölf anstatt bisher<br />

13 Jahren. Eine externe Qualitätsanalyse<br />

soll zu vergleichbaren Leistungsstandards<br />

an den unterschiedlichen<br />

Schulen führen.<br />

Vor allem an den Gr<strong>und</strong>schulen<br />

bahnen sich einschneidende Reformen<br />

an: Bis 2008 will Schwarz-Gelb die<br />

Schulbezirke abschaffen. Damit können<br />

Eltern ihre Kinder auf jede Schule<br />

schicken, unabhängig vom Viertel, in<br />

dem sie wohnen. Bislang standen nur<br />

vier, fünf Gr<strong>und</strong>schulen in der Nachbarschaft<br />

zur Wahl. Damit will die<br />

Landesregierung den Wettbewerb zwischen<br />

den Schulen verschärfen.<br />

Schließlich soll das Gutachten, das am<br />

Ende der Gr<strong>und</strong>schule den weiteren<br />

Weg der Schüler empfiehlt, verbindlicher<br />

werden <strong>und</strong> die Laufbahn des<br />

Kindes schon früh festgelegt werden.<br />

Über viele Neuerungen lässt sich<br />

streiten. Etwa über den Plan, die<br />

Schulbezirke abzuschaffen. "Kinder<br />

sollten in ihrem gewohnten Umfeld<br />

zur Schule gehen", kritisierte die sozialdemokratische<br />

Landtagsabgeordnete<br />

Ute Schäfer auf einer Podiumsdiskussion<br />

in der Matthias-Claudius-Schule<br />

im Geistviertel. "Das Vorhaben ist<br />

pädagogischer Unsinn." Die Gewerkschaft<br />

Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

stößt ins selbe Horn. Experten fürchten<br />

außerdem, sogenannte Problemschulen<br />

könnten mehr werden. Der Städte<strong>und</strong><br />

Gemeindeb<strong>und</strong> in Nordrhein-<br />

Westfalen warnt vor einer Ghettoisierung.<br />

"Gerade Schüler aus sozial<br />

besser situierten Familien werden<br />

weiter entfernte Schulen besuchen,<br />

14


Anzeigen<br />

um vermeintliche Bildungsnachteile<br />

abzuwenden." Kinder aus ärmerem<br />

Elternhaus gehen bevorzugt in<br />

Schulen, die nah am Wohnort liegen,<br />

weil den Eltern die Qualität des Schulumfelds<br />

weniger wichtig ist, vermutet<br />

der Städteb<strong>und</strong>. Auch auf die Integration<br />

ausländischer Kinder wirke sich<br />

das negativ aus.<br />

Selbst die Münsteraner FDP geht<br />

inzwischen auf Distanz, Fraktionschefin<br />

Carola Möllemann-Appelhoff,<br />

selbst Lehrerin, hofft auf einen Kompromiss:<br />

Ob die Bezirke abgeschafft<br />

werden oder nicht, darüber soll nicht<br />

auf Landesebene entschieden werden<br />

sondern vor Ort in den Gemeinden.<br />

Durch Wettbewerb zu mehr<br />

Qualität an den Schulen <strong>und</strong> zu besseren<br />

Leistungen? Diese schwarz-gelbe<br />

Strategie ähnelt dem liberalen Marktmodell<br />

von schulischer Qualitätssteigerung,<br />

wie es schon seit einigen Jahren<br />

andere europäische Länder, zum<br />

Beispiel Großbritannien, praktizieren.<br />

Auf der Insel dürfen die Eltern die beste<br />

Schule für ihre Kinder aussuchen,<br />

egal wo sie liegt. Resultat: Ein Andrang<br />

auf vermeintlich gute Schulen, die<br />

über die entsprechenden Mittel verfügen,<br />

denn die Zahl der Schüler entscheidet<br />

darüber, wie viel der Staat<br />

bezahlt. Problemschulen, auf die niemand<br />

will, bekommen wenig Geld -<br />

<strong>und</strong> bleiben schlecht. Für Nordrhein-<br />

Westfalen befürchten viele, dass die<br />

Aufhebung der Bezirke nicht vor den<br />

andere Schulen Halt macht. Auch<br />

Gymnasien, Real- <strong>und</strong> Hauptschulen<br />

könnten die Eltern demnächst frei<br />

wählen, glauben Bildungsexperten.<br />

Einige Schulen können ihre Qualität<br />

dadurch sicher steigern. Allerdings auf<br />

Kosten der sozialen Gerechtigkeit <strong>und</strong><br />

gleicher Bildungschancen für alle. #<br />

Tausend Fragen - eine Adresse<br />

Infos <strong>und</strong> Service im publikom - Stadtnetz für Münster<br />

www.muenster.de<br />

Portal für Münster <strong>und</strong> das Münsterland<br />

www.muenster.de/stadt<br />

Service <strong>und</strong> Infos der Stadtverwaltung<br />

www.muenster.de/soziales-netz<br />

Sozialforum, Online-Freiwilligenbörse<br />

www.termine.muenster.org<br />

Münsters Veranstaltungskalender<br />

www.wilsberg.muenster.de<br />

Das „Wilsberg“-Spiel des Presseamtes<br />

www.buene.org/stadtgespraech<br />

Diskussion: Münsters Bürger reden mit<br />

www.awm.muenster.de<br />

Abfall <strong>und</strong> Recyling, Entsorgungskalender<br />

www.muenster.de/stadt/formulare<br />

Vordrucke online - das spart Zeit <strong>und</strong> Wege<br />

Presse <strong>und</strong> Informationsamt<br />

15


Auslandssemester | Text <strong>und</strong> Foto: Malte Koppe<br />

Als Deutscher<br />

in Polen<br />

Über den Dächern von Lublin - Sommer 2005<br />

"Was um Himmelswillen willst du<br />

denn in Polen?", "Pass' bloß auf<br />

deine Taschen <strong>und</strong> dein Handy auf;<br />

man weiß ja nie!", "Als Deutscher ist<br />

man da doch immer gleich ein<br />

Nazi." Keinem Land in Europa<br />

begegnen die Deutschen mit solchen<br />

Vorurteilen wie Polen. Malte Koppe,<br />

bereits für einige Kurzbesuche bei<br />

unserem östlichen Nachbarn gewesen,<br />

studiert gegenwärtig in Lublin,<br />

der polnischen Partnerstadt<br />

Münsters. Und ihm ist noch überhaupt<br />

nichts geklaut worden.<br />

An mein erstes Mal in Polen im<br />

September 2004 kann ich mich noch<br />

gut erinnern. Zugfahrt von Berlin nach<br />

Wroclaw, dem ehemaligen Breslau.<br />

Direkt hinter der Grenze verringert der<br />

deutsche Intercity seine Geschwindigkeit<br />

auf unter h<strong>und</strong>ert St<strong>und</strong>enkilometern.<br />

Schuld sind die polnischen<br />

Gleise. Für die kurze Strecke in Polen<br />

braucht unsere deutsche Jugendgruppe<br />

fast so lange wie von Münster<br />

bis an die Grenze. Schließlich Ankunft<br />

im Bahnhof Wroclaw. Laut, schmutzig,<br />

hektisch. Der Geruch von altem Bratenfett<br />

liegt in der Luft, ein bunter<br />

Schilderwald voll Werbung. Und dann<br />

diese Sprache. Vier Konsonanten hintereinander!<br />

Haben die Polen eigentlich<br />

keine Vokale?<br />

Das Land macht es einem anfangs<br />

nicht leicht, geliebt zu werden. Im<br />

Sommer ist es zwar wärmer als man<br />

vermuten würde, dafür ist es im Winter<br />

eiskalt mit Temperaturen bis zu 20<br />

Grad minus. Bus, Bahn <strong>und</strong> die Strassen<br />

sind nach fast fünfzig Jahren real<br />

existierendem Sozialismus altersschwach<br />

<strong>und</strong> marode. Der Zug fährt<br />

auch schon mal mit offener Tür. Trotzdem:<br />

"Polska da sie lubic - Polen kann<br />

man mögen!" Ich interessierte mich<br />

wegen meines Studiums erst nur für<br />

die Geschichte, doch nachdem ich eine<br />

Woche mit einer Jugendgruppe dort<br />

war, wurde daraus eine Leidenschaft.<br />

Viele Reisen ins Nachbarland folgten.<br />

Ich machte einen Sprachkurs <strong>und</strong> nun<br />

bin ich für ein Semester Student an der<br />

Universität in Lublin.<br />

"Dlaczego Polska - Warum Polen?"<br />

Das bin ich zu Hause in Deutschland<br />

<strong>und</strong> auch in Polen oft gefragt<br />

worden. Vor allem der Mentalität wegen:<br />

Ich bin in Polen immer herzlich<br />

empfangen worden <strong>und</strong> als Ausländer,<br />

der ein wenig die Sprache spricht ist<br />

man eine wahre Attraktion. Die Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />

der Polen ist von Reisenden<br />

seit dem Mittelalter oft beschrieben<br />

worden. Der Historiker <strong>und</strong> Geistliche<br />

Marcin Kromer bemerkte schon<br />

vor über 500 Jahren: "Die Polen haben<br />

eine offene <strong>und</strong> aufrichtige Gemütsart,<br />

sie lassen sich eher selbst täuschen,<br />

als dass sie jemanden in die Irre führen.<br />

Sie sind geneigt, Fre<strong>und</strong>lichkeit,<br />

Anständigkeit, Wohlwollen <strong>und</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />

in solchem Maße zu<br />

erweisen, dass Unbekannte <strong>und</strong> Reisende<br />

aus fremden Ländern sich nicht<br />

nur gerne bei ihnen aufhalten, sondern<br />

sie auch einladen <strong>und</strong> ihnen mit<br />

jeder Hilfe dienen."<br />

Das stimmt auch heute noch: Im<br />

Zugabteil teilen die Mitreisenden gerne<br />

ihren Proviant. Kennt man auch<br />

nur einen Einheimischen wird man<br />

weiterempfohlen, vorgestellt <strong>und</strong> nach<br />

Hause eingeladen <strong>und</strong> hat bald ein<br />

riesiges Netzwerk von Kontakten.<br />

Braucht man Hilfe, so muss man sich<br />

nur trauen zu fragen. Polen helfen<br />

gerne. Warum also stehen sie in<br />

Deutschland so schlecht da? Polen ist<br />

bei uns ein Synonym für grau. Aber<br />

das ist höchstens von der Straße aus<br />

betrachtet so. Wer einmal in einer der<br />

liebevoll eingerichteten Kneipen war,<br />

weiß: Gemütlicher ist es auch in<br />

Münsters Kuhviertel nicht. Auch das<br />

Vorurteil der "polnischen Wirtschaft"<br />

erledigt sich schnell. Mangel gibt es in<br />

Polen höchstens noch auf dem Dorf im<br />

Winter, wenn der Schnee meterhoch<br />

liegt. Aber sonst bekommt man alles,<br />

was man auch in Deutschland kaufen<br />

kann. Vor den Toren der Städte stehen<br />

riesige Supermärkte, aber es gibt auch<br />

viele winzige Tante-Emma-Läden.<br />

Auch dass in Polen viel gesoffen<br />

wird, stimmt nur bedingt. Auf den<br />

Straßen gilt 0,0 Promille <strong>und</strong> die Polizei<br />

überwacht das Verbot streng <strong>und</strong><br />

scharf. Aktuellen Statistiken zufolge<br />

ändert sich im Moment die Präferenz<br />

beim Alkohol - statt hartem Wodka<br />

trinken die Polen neuerdings mehr<br />

Bier. Fahren Sie einfach mal hin. Nach<br />

Frankreich ist das Land unser wichtigster<br />

Nachbar. Nur h<strong>und</strong>ert Kilometer<br />

hinter Berlin werden Sie fre<strong>und</strong>lich<br />

empfangen. Jede Wette. #<br />

16


Wissenschaft | Text: Andreas Horn | Karikatur: Aike Arndt<br />

Wurm im Ohr<br />

Manchmal, da kann er verflixt hartnäckig<br />

sein, lässt einen gar nicht<br />

mehr los. Egal ob beim Joggen, Einkaufen<br />

oder vor sich hin Dösen, in<br />

Cafés oder abends im Bett. Er lauert<br />

überall. Der Ohrwurm. Einem musikalischen<br />

Zeitgenossen, der sich mir<br />

nichts, dir nichts einfach so im Kopf<br />

festsetzt. Dann ist sie da, die Melodie,<br />

der Songfetzen <strong>und</strong> wird zum<br />

treuen Begleiter durch den Tag.<br />

Andreas Horn versucht ihm auf die<br />

Schliche zu kommen.<br />

Der Ohrwurm lauert überall dort<br />

wo Musik läuft - oder lief, denn so<br />

ganz sicher sind sich die schlauen<br />

Köpfe der Wissenschaft da noch nicht.<br />

Hier in Münster ist das Gebiet noch<br />

absolutes Neuland. "Das Phänomen<br />

des musikalischen Ohrwurms ist bislang<br />

wissenschaftlich nicht geklärt", so<br />

Stefan Evers, Professor an der Klinik<br />

<strong>und</strong> Poliklinik für Neurologie.<br />

Niemand da also, der einem neugierigen<br />

Reporter auf die Sprünge helfen<br />

kann? Der wissen will, wo sich der<br />

Wurm im Hirn einnistet, wieso er entsteht,<br />

warum er manchmal nicht verschwinden<br />

will <strong>und</strong> wieso er auch<br />

schon direkt nach dem Aufstehen<br />

lustig vor sich hin trällert?<br />

Erst einige h<strong>und</strong>ert Kilometer<br />

weiter im Süden der Republik, da sitzt<br />

einer, der sich mit dem Ohrwurm beschäftigt<br />

hat. "Der Ohrwurm überfällt<br />

einen in Situationen geistiger Entspannung",<br />

erklärt der Kasseler Musikwissenschaftler<br />

Jan Hemming. Und<br />

nicht selten handelt es sich hierbei um<br />

kurze Sequenzen von Liedern, die seit<br />

längerem im Gehirn abgespeichert<br />

sind, weil man sie mag oder häufig<br />

gehört habe. Ausgelöst durch mitunter<br />

unbewusste Reize, würden diese<br />

Sequenzen fortan durch den Kopf<br />

schwirren - etwa, weil man das Lied<br />

morgens im Radio gehört hat.<br />

Natürlich - das Radio. Es hat eine<br />

gewisse Mitschuld an allem. Die Top<br />

Ten der Charts, die Lieblingshits der<br />

Hörer, meist alle potentielle Ohrwurmkandidaten.<br />

Einfach aufgebaut: flotter<br />

Rhythmus mit einprägsamer Melodie,<br />

dazu noch x-mal gespielt am Tag. Verschont<br />

bleibt man da selten. Doch<br />

wenn unsereins nur hin <strong>und</strong> wieder<br />

konzentriert zuhört, sind die Macher<br />

des Programms den ganzen Tag der<br />

Musik ausgesetzt. Die Gefahr des chronischen<br />

Ohrwurms steigt! Oder etwa<br />

nicht? Britta Helm, Musikchefin beim<br />

Hochschulradio "Q": "Nein, das ist<br />

nicht so schlimm, nur wenn ich mich<br />

vom Radio wecken lasse, so kurz nach<br />

dem Aufstehen, dann hab ich manchmal<br />

einen Ohrwurm." Auch die übrigen<br />

Macher des Uniradios scheinen<br />

relativ ohrwurmfrei zu sein: "Wir haben<br />

hier eigentlich nicht so viele Ohrwürmer,<br />

da wir auch nicht immer die<br />

gleichen Songs spielen", erzählt Helm.<br />

Außerdem würden jeden Tag neue<br />

Lieder auf die Redaktion zukommen,<br />

da käme man mit einem Ohrwurm gar<br />

nicht mehr hinterher.<br />

Es muss also eine gewisse Penetranz in<br />

der Beschallung da sein, einmal hören<br />

reicht nicht aus. Bei der Antenne<br />

Münster kann niemand diese These<br />

bestätigen, es findet sich keiner, der<br />

sich zu diesem Thema äußern will.<br />

Egal, macht auch nichts.<br />

Doch was ist eigentlich, wenn der<br />

Wurm sich nicht verjagen lässt. Melodiefetzen<br />

<strong>und</strong> Textzeilen sich im Kopf<br />

verankern <strong>und</strong> man überhaupt nicht<br />

weiß, wie das Lied heißt. In den nächsten<br />

Plattenladen <strong>und</strong> dem nächstbesten<br />

Verkäufer einen singen, vorsummen<br />

oder den Text aufsagen? "Das habe<br />

ich persönlich noch nicht erlebt",<br />

schmunzelt Christian Wegold, Azubi in<br />

der CD-Abeilung bei SATURN. Vielleicht<br />

traut sich ja auch keiner. Dann bleibt<br />

vielleicht nur das Internet. Dort gibt es<br />

seit kurzem was Neues. Auf der Seite<br />

www.songtapper.de kann man den<br />

Rhythmus per Leertaste klopfen <strong>und</strong><br />

hoffen, dass die noch überschaubare<br />

Datenbank Lied, Interpret <strong>und</strong> Text<br />

ausspuckt. Der Ohrwurm wäre enttarnt.<br />

Doch das Programm steckt noch<br />

in den Kinderschuhen <strong>und</strong> setzt ein<br />

wenig auf klopfwütige Musikfreaks.<br />

Denn neben der Funktion einen Ohrwurm<br />

zu enttarnen, gibt's auch noch<br />

die Möglichkeit bekannte Rhythmen<br />

einzugeben. Schnell noch betiteln <strong>und</strong><br />

schon ist die Datenbank ein wenig<br />

umfangreicher geworden. Wenn also<br />

der Kollege demnächst seine Leertaste<br />

klacken lässt, bloß nicht stören. Er befindet<br />

sich quasi im Kampf gegen den<br />

Ohrwurm... #<br />

17


Ohne Glotze | Text: Susanne Wonnay | Foto: Martin Barfuß<br />

Mein Alltag<br />

ohne ihn<br />

Am Anfang ist er der ideale Typ:<br />

Immer da, immer verfügbar. Braucht<br />

man Trost steht er parat, ist man<br />

einsam, leistet er Gesellschaft. Alles<br />

kann man mit ihm machen - lachen,<br />

weinen, wütend sein.<br />

Aber auf Dauer? Da will er immer<br />

mehr Aufmerksamkeit, fordert:<br />

kümmere dich um mich. Susanne<br />

Wonnay hat neulich kurzen Prozess<br />

gemacht <strong>und</strong> die Nervensäge kurzerhand<br />

vor die Tür gesetzt. Hier ihr<br />

Tagebuch einer Trennung.<br />

Ich habe es geschafft! Ich habe<br />

ihn rausgeschmissen. Endlich. Ich hatte<br />

es mir schon so oft vorgenommen,<br />

mich aber nie getraut. Was wenn ich<br />

mich alleine fühle? Er hat mir ja auch<br />

gut getan. Habe ich mir zumindest<br />

eingebildet. Aber jetzt reicht´s. Er lenkt<br />

mich einfach zu oft vom Wesentlichen<br />

ab <strong>und</strong> er raubt mir Energie. Ja ich<br />

weiß, es gehören immer zwei dazu,<br />

aber ich war schon ziemlich fremd bestimmt.<br />

Na ja, nun ist er weg. Mein<br />

Fernseher. Ich habe die Kiste einfach<br />

weggegeben. An einem Freitag vor<br />

zwei Wochen war es. So gegen 18 Uhr.<br />

Der erste Abend ohne "Ihn": Was<br />

jetzt, denke ich. Ich mache es mir<br />

erstmal gemütlich <strong>und</strong> nehme mir ein<br />

Buch, das seit langem darauf wartet,<br />

von mir gelesen zu werden. Schon<br />

nach ein paar Minuten macht sich<br />

diese riesige Stille in meinem Zimmer<br />

breit. Es ist komisch, einfach nur auf<br />

der Couch zu sitzen <strong>und</strong> nichts zu hören.<br />

Fühlt sich fremd an. Aber irgendwie<br />

auch beruhigend. Ich lese weiter.<br />

Erster Morgen, Samstag: Ich<br />

wache auf <strong>und</strong> schaue auf den leeren<br />

Platz auf meinem Schrank, wo gestern<br />

noch das Ding mit dem Bildschirm<br />

stand. Ich lächle. Mein Magen möchte<br />

Frühstück. Ich esse. Und da ist sie wieder:<br />

Die Stille. Nur ich, mein Toast <strong>und</strong><br />

mein Kauen. Ich weiß gar nicht wie<br />

lange das her ist, dass ich mich nur<br />

auf mein Frühstück konzentriert habe.<br />

Fühlt sich gut an, das kann ich mir<br />

öfter vorstellen. Ich bin viel entspannter,<br />

habe ich das Gefühl - schon jetzt<br />

nach nur einem Abend <strong>und</strong> einer<br />

Nacht ohne die Flimmerkiste.<br />

Ich fange an, meinen Tag zu planen.<br />

Erstmal gehe ich zum Sport. Mal<br />

wieder was für die Ges<strong>und</strong>heit tun.<br />

Danach in die Stadt bummeln. Kaffee<br />

trinken, spazieren gehen auf der Promenade<br />

<strong>und</strong> noch was einkaufen fürs<br />

Wochenende. Das Buch, das ich angefangen<br />

habe, ist echt spannend. Ich<br />

lese. <strong>Draußen</strong> bricht bereits der Abend<br />

an. Als ich auf die Uhr schaue, kann<br />

ich es kaum fassen - 19 Uhr! Ich habe<br />

den Tag über schon ziemlich oft ans<br />

Fernsehen gedacht. Ist ja auch kein<br />

W<strong>und</strong>er, es ist noch keine zwei Tage<br />

her, da habe ich das Ding drei bis vier<br />

mal am Tag an- <strong>und</strong> ausgemacht. Und<br />

oft habe ich dann nicht nur eine Sendung<br />

geguckt, sondern meistens drei,<br />

vier St<strong>und</strong>en mit Zappen verbracht.<br />

Nur an einem Tag! Rechnet man das<br />

auf die Woche hoch, macht das zwischen<br />

20 <strong>und</strong> 30 St<strong>und</strong>en! Das muss<br />

man sich mal überlegen; das ist mehr<br />

als ein ganzer Tag. Ich habe mal gelesen:<br />

zehn Jahre seines Lebens verbringt<br />

der Mensch mit Fernsehen. Mir<br />

war das gar nicht bewusst.<br />

Die Tage vergehen, mittlerweile<br />

sind es zwei Wochen. Ich hatte noch<br />

nie so viel Zeit. Ich tue viel mehr für<br />

die Uni, ich lerne, treffe mich mit<br />

Fre<strong>und</strong>en, nehme alles viel bewusster<br />

wahr. Ich mache Sport, gehe viel mehr<br />

meinen alten Hobbys nach: Rad fahren,<br />

Fotografieren, Lesen. Ich habe<br />

sogar neue Steckenpferde: meine Umgebung<br />

zu Fuß erk<strong>und</strong>en, Sprachen<br />

lernen, Zeichnen. Es macht Spaß. Was<br />

in der Welt passiert, erfahre ich aus<br />

der Zeitung <strong>und</strong> übers Internet, es gibt<br />

viele interessante Seiten im Netz mit<br />

viel Hintergr<strong>und</strong>wissen. Radio ist auch<br />

ein tolle Alternative.<br />

Die Reaktionen der anderen sind<br />

unterschiedlich. Einige finden es komisch,<br />

dass ich keinen Fernseher mehr<br />

habe: Wie kann ich mich nur entscheiden,<br />

ohne Fernseher zu leben? Das ist<br />

dann immer der Moment, in dem ich<br />

denke: Das Ding wird überbewertet.<br />

Wie oft schaltet man das Gerät einfach<br />

nur an, weil man es gewohnt ist zu<br />

gucken. "Um abzuschalten", höre ich<br />

dann oft. Aber richtig entspannen<br />

kann ich mich nicht bei sinnlosen<br />

Gerichtsshows. Wann kommen denn<br />

wirklich gute Filme <strong>und</strong> spannende<br />

Beiträge? Das meiste ist doch immer<br />

dasselbe. Ich habe auch die Lust verloren<br />

an der tausendsten Folge der niemals<br />

enden wollenden Serien wie Verbotene<br />

<strong>Liebe</strong>, Marienhof, GZSZ, Verliebt<br />

in Berlin, Gilmore Girls, Hinter Gittern,<br />

Unter Uns, Lindenstraße <strong>und</strong> wie sie<br />

nicht alle heißen. Ich möchte auch<br />

nicht mehr wissen wie irgendeine<br />

Familie ihre Wohnung renoviert, ihren<br />

Garten gestaltet, aus dem alten Haus<br />

auszieht, mit ihren Kindern nicht fertig<br />

wird oder ein neues Leben auf<br />

Mallorca anfängt. Ist doch viel schöner<br />

mal wieder gute Musik in den CD-<br />

Player zu legen, nicht wahr?<br />

Ja <strong>und</strong> dann gibt es noch den anderen<br />

Teil meiner Umwelt. Die finden<br />

die Sache toll, überlegen vielleicht<br />

sogar mitzumachen. Das freut mich<br />

dann. Im Moment kann ich mir nicht<br />

vorstellen, wieder mit Ihm zu leben.<br />

Und wenn ich ihn eines Tages doch<br />

vermisse, suche ich mir eben einen<br />

Neuen. Gibt ja so viele. Aber jetzt kann<br />

ich nur sagen: Toll, so ohne! #<br />

18


Pilgerreise | Text: Magnus Enxing | Foto: www.schritt-weise.net<br />

Täglich Grenzen<br />

überschreiten<br />

Von Münster nach Jerusalem. Zu<br />

Fuß. Die beiden Brüder Magnus <strong>und</strong><br />

Ruben Enxing sind seit einem Monat<br />

auf Pilgerreise in den Nahen Osten.<br />

Vor dem Start haben sie uns versprochen<br />

in der ~ über ihre<br />

Erlebnisse unterwegs zu berichten.<br />

Die beiden haben ihr Versprechen<br />

gehalten. Magnus Enxing schreibt<br />

wie es den zwei Weltenbummlern<br />

für den Frieden auf ihren ersten<br />

Etappen in Deutschland <strong>und</strong><br />

Tschechien ergangen ist.<br />

Unterwegs. Seit mehr als vier<br />

Wochen. Deutschland haben wir hinter<br />

uns gelassen, bald sind wir auch durch<br />

Tschechien. Mit Siebenmeilenstiefeln<br />

geht es Richtung Österreich, bald darauf<br />

werden wir Bratislava erreichen.<br />

Über Ostern haben wir es etwas ruhiger<br />

angehen lassen - das Tagespensum<br />

liegt um 30 Kilometer. Das sind<br />

etwas sechs St<strong>und</strong>en reine Wanderzeit.<br />

Recht entspannt, unser Rekord sind 50<br />

Kilometer. Der wird so schnell nicht zu<br />

knacken sein. Grenzen spielen sowieso<br />

eine besondere Rolle bei unserem<br />

Unternehmen. Die erste haben wir<br />

bereits im Vorfeld überw<strong>und</strong>en als wir<br />

uns zu der Reise in den Nahen Osten<br />

entschlossen haben. Sechs Monate den<br />

Schritt raus aus der sicheren Umgebung<br />

wagen, die gewohnten Verhältnisse<br />

verlassen, ins Unbekannte<br />

gehen.<br />

schritt-weise e.V.<br />

Magnus Enxing<br />

Meppener Str. 11b<br />

48155 Münster<br />

Tel.: 0251-6189177<br />

Mobil: 0163-6794787<br />

www.schritt-weise.net<br />

Doch jetzt sind wir unterwegs. Aufgeben<br />

gilt nicht mehr! Es gibt kein Zurück.<br />

Wir stoßen an neue Grenzen, sie<br />

gehören nun buchstäblich zum Alltag.<br />

Das macht es aber nicht leichter sie zu<br />

überwinden. Plötzlich sieht man Beschränkungen<br />

bei sich selbst, die vorher<br />

gar nicht da waren: Schafft ich den<br />

heutigen Tag, macht mein Körper das<br />

mit? Was macht das Knie <strong>und</strong> was das<br />

lädierte Fußgelenk? Halte ich trotz der<br />

beachtlichen Schwellung die angepeilte<br />

Distanz durch? Zu den körperlichen<br />

Faktoren kommt der innere Schweineh<strong>und</strong>,<br />

der jeden Tag überw<strong>und</strong>en<br />

werden will. Wo zwickt es heute? Wieder<br />

die Ferse wie gestern? Nein, heute<br />

ist es eine Blase am dicken Onkel. Die<br />

Muskeln an der Wade tun auch weh.<br />

Hinzu kommt: Immer zusammen<br />

sein mit der gleichen Person ist auch<br />

nicht ohne. Auf der Reise verändern<br />

wir uns <strong>und</strong> den Schwierigkeiten, die<br />

dadurch auftreten, können wir auf<br />

Dauer nicht einfach ausweichen. Für<br />

eine erfolgreiche Reise ist nahezu<br />

blindes Verständnis nötig. Die enge<br />

Grenze der eigenen Person muss hinten<br />

anstehen, soll das Ganze zum Ziel<br />

führen. Unterwegs wollen wir so viele<br />

Menschen wie möglich kennen lernen,<br />

traute Zweisamkeit ist da unangebracht.<br />

In Deutschland hatten wir ein<br />

paar Übernachtungen vorher geplant,<br />

aber im Großen <strong>und</strong> Ganzen sind wir<br />

spontan unterwegs <strong>und</strong> entscheiden<br />

von Tag zu Tag. Wir haben wir an Klosterpforten<br />

<strong>und</strong> Pfarrhäusern angeklopft<br />

<strong>und</strong> oft hatten wir nicht nur<br />

einen Platz für unsere Isomatten, ein<br />

Waschbecken <strong>und</strong> eine Toilette - die<br />

Hilfe ging weit über das, was wir<br />

erwartet hatten, hinaus. Ein Pfarrer im<br />

Ruhestand ließ uns in seinem Wohnzimmer<br />

schlafen. In einem Nest in<br />

Friedensläufer: Die Brüder Ruben <strong>und</strong><br />

Magnus Enxing<br />

Sachsen schenkte uns die Bedienung<br />

einer Kneipe einfach so eine ganze<br />

Tüte Äpfel <strong>und</strong> in Elsleben bot uns eine<br />

Frau von sich aus an bei ihrer Familie<br />

zu übernachten. Sie hatte uns schwer<br />

bepackt auf der Straße gesehen. Wir<br />

haben festgestellt: Die Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />

ist in Deutschland besser als ihr<br />

Ruf.<br />

Probleme gibt es jeden Tag, nur<br />

ihr Gewicht verschiebt sich. Von Bewältigung<br />

keine Rede, das jeweils<br />

akute Problem drängt in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Im Moment macht der Körper<br />

die größten Schwierigkeiten. Vielleicht<br />

wird es damit in ein paar Wochen besser.<br />

Dann werden wahrscheinlich andere<br />

Probleme kommen: Materialverschleiß,<br />

das Wetter <strong>und</strong> vor allem die<br />

Sprache. Davon haben wir schon in<br />

Tschechien einen kleinen Vorgeschmack<br />

bekommen. "Nero sumiem!",<br />

"Ich verstehe nicht" war häufig die<br />

einzige Antwort, wenn wir irgendwo<br />

abseits der Touristenhochburgen nach<br />

dem Weg fragten. Ostermontag sind<br />

wir in Österreich, da wird es wohl wieder<br />

besser, aber dann in der Slowakei?<br />

Wir sind gespannt <strong>und</strong> bald schon<br />

wieder zwei Grenzen weiter. #<br />

19


Wildpferdefang | Text <strong>und</strong> Foto: Reinhold Kübber<br />

Wilde Hottehühs<br />

Widpferdefang: Rasantes Spektakel<br />

Fragt man die Dülmener, ob sie<br />

schon mal beim Wildpferdefang im<br />

Merfelder Bruch gewesen sind,<br />

schütteln die meisten den Kopf. Die<br />

Besucher einer der größten Attraktionen<br />

im Münsterland kommen von<br />

weiter her, aus Süddeutschland, den<br />

Niederlanden, ja sogar aus Spanien<br />

reisen die Pferdenarren an, um bei<br />

dem Spektakel zuzuschauen. Am<br />

letzten Samstag im Mai ist es wieder<br />

so weit. Dann fangen Bauernburschen<br />

mit bloßen Händen die einjährigen<br />

Hengste aus der Herde.<br />

Reinhard Kübber gehört zu der Minderheit<br />

der Dülmener, die schon mal<br />

da gewesen sind.<br />

Bebende Erde, donnernder Hufschlag,<br />

Staub wirbelt auf. "Oh" <strong>und</strong><br />

"Ah" rufen die Zuschauer, als die<br />

mausgrauen, falben Wildpferde um<br />

die Ecke stürmen. Zäune links <strong>und</strong><br />

rechts zwingen sie in die Arena. 200,<br />

300, 400 Tiere. Die Tribünen sind bis<br />

auf den letzten Platz gefüllt, weit über<br />

10.000 Zuschauer haben sich auf den<br />

Weg ins Merfelder Bruch gemacht. Der<br />

traditionelle Wildpferdefang des Herzogs<br />

von Croy kann beginnen. Wie jeden<br />

letzten Samstag im Mai. "Wenn<br />

die Herde an den Wildbahnbesuchern<br />

vorbei in die Arena galoppiert - das ist<br />

der Höhepunkt des Tages. Dann fangen<br />

25 junge Burschen aus Merfeld<br />

<strong>und</strong> Reken die einjährigen Hengste<br />

heraus", erzählt Rudolf Knoke, der das<br />

Spektakel seit 28 Jahren organisiert.<br />

Der Fang hat einen biologischen<br />

Hintergr<strong>und</strong>: die jungen Hengste müssen<br />

raus aus der Herde, damit es keine<br />

Inzucht gibt. "Diesmal rechnen wir<br />

damit, dass ungefähr 30 Tiere gefangen<br />

werden. Vier von ihnen werden<br />

verlost, der Rest versteigert", berichtet<br />

Knoke. Der Preis? "400 bis 450 Euro<br />

sollte so ein Tierchen schon kosten."<br />

Die Dülmener Wildpferde sind unkomplizierte<br />

Zeitgenossen, sagt Knoke. Sie<br />

haben eine gute Kinderstube, sind intelligent<br />

<strong>und</strong> mit einem feinen Instinkt<br />

ausgestattet. "Bei guter Behandlung<br />

werden sie sehr zutraulich", verspricht<br />

Knoke. "Es ist für den Käufer reizvoll,<br />

ein unverfälschtes Pferd in seinem<br />

Sinne heranzubilden. Das Stockmaß<br />

beträgt 1,36 Meter. Wenn es vier ist,<br />

kann man das Pferd anspannen oder<br />

reiten."<br />

Seit Urzeiten leben die Wildpferde<br />

r<strong>und</strong> zwölf Kilometer westlich von<br />

Dülmen im Merfelder Bruch. Sie sind<br />

heute das einzige Wildgestüt in Europa.<br />

Die Tiere sind sich selbst überlassen<br />

<strong>und</strong> müssen mit dem auskommen,<br />

was die Natur ihnen an Nahrung bietet.<br />

Auch im Winter. Die zuweilen<br />

schweren Bedingungen machen die<br />

Pferde hart <strong>und</strong> anspruchslos <strong>und</strong> halten<br />

sie ges<strong>und</strong>. Vor 150 Jahren schufen<br />

die Herzöge von Croy ein mittlerweile<br />

knapp vier Quadratkilometer großes<br />

Reservat für die Tiere <strong>und</strong> retteten sie.<br />

"Die Hälfte des Areals besteht aus<br />

Wald, die andere Hälfte aus Weiden",<br />

sagt Rudolf Knoke. 1987 verewigte die<br />

Deutsche B<strong>und</strong>espost die Dülmener<br />

Wildpferde sogar auf einer Sondermarke.<br />

Bis die Wildpferde von den Burschen<br />

aus dem Münsterland mit bloßen Händen<br />

gejagt werden, ist eine Menge Arbeit<br />

zu erledigen. Knoke: "Eine Handvoll<br />

Mitarbeiter sind damit drei Monate<br />

beschäftigt." Die Eintrittskarten für<br />

das imposante Schauspiel sind heiß<br />

begehrt, wer einen Platz auf den Tribünen<br />

ergattern will, muss sich sputen.<br />

"Die diesjährige Veranstaltung ist<br />

so gut wie ausverkauft", bedauert Rudolf<br />

Knoke. "Die Tribünenplätze bieten<br />

wir per Internet an. Im November waren<br />

die schon weg." Ein paar Restkarten<br />

sind noch zu haben. Aber auch für<br />

diejenigen, die keine Eintrittskarte<br />

haben, lohnt sich der Besuch Ende Mai<br />

im Merfelder Bruch: Für 2,50 Euro können<br />

Erwachsene (Kinder zahlen die<br />

Hälfte) die Wildpferde am Vormittag<br />

auf einer Koppel stehen sehen <strong>und</strong> ab<br />

13 Uhr vom Eingang aus das Vorprogramm<br />

in der Arena verfolgen. Reiter<br />

zeigen dann ein spektakuläres Programm:<br />

"Rasant <strong>und</strong> schön", wie Knoke<br />

findet. Gegen 15 Uhr galoppieren<br />

dann die Wildpferde ins Stadion, dicht<br />

an den Wildbahnbesuchern vorbei.<br />

Und wer Zeit hat, kann sie dann noch<br />

mal bestaunen, wenn sie nach dem<br />

Fang wieder in die Freiheit entlassen<br />

werden. Dann allerdings ohne die<br />

jungen Hengste. #<br />

Am 27. Mai ist die Wildpferdebahn ab 8.30 Uhr geöffnet, die Kassen an der<br />

Arena sind ab neun Uhr besetzt. Für Kaffee, Imbiss <strong>und</strong> Limonade ist<br />

gesorgt. Außerdem gibt es Souvenirs, Literatur <strong>und</strong> Infos über die<br />

Wildpferde an verschiedenen Ständen. Wer mit dem H<strong>und</strong> kommt, kann<br />

ihn während der Veranstaltung von Fachpersonal betreuen lassen.<br />

Anfahrt ab Münster:<br />

Autobahn A43 Münster-Recklinghausen, Ausfahrt Dülmen/Coesfeld, links 2,5 km<br />

Richtung Coesfeld, an der Ampel links ab <strong>und</strong> über Merfeld weiter Richtung<br />

Borken. Zufahrt 5 km hinter Merfeld links am Wald entlang.<br />

Weitere Infos gibt es im Internet unter www.wildpferde.de<br />

20


Kultur | Text: Michael Heß | Foto: Martin Barfuß<br />

Kriegerposen<br />

am Mauritztor<br />

Patriotismus: Kein guter Gr<strong>und</strong> zu m Sterben<br />

Die meisten Münsteraner werden es<br />

vermutlich gar nicht mehr beachten<br />

- das von Bernhard Frydag geschaffene<br />

Kriegerdenkmal am Mauritztor,<br />

im Volksm<strong>und</strong> zutreffend "Schinkenstele"<br />

genannt. Seit 97 Jahren<br />

kündet es dröhnend von Heroismus<br />

<strong>und</strong> der Potenz des Stärkeren.<br />

Michael Heß macht sich zum Tag der<br />

Befreiung am 8. Mai Gedanken über<br />

Künstler <strong>und</strong> Zeitgeist.<br />

Frydags kalksteinerne Arbeit steht<br />

in einer langen Reihe ähnlicher Werke,<br />

beginnend mit der Befreiungshalle im<br />

bayerischen Kehlheim <strong>und</strong> monumental<br />

endend im Leipziger Völkerschlachtsdenkmal.<br />

Patriotismus galt<br />

als Wert <strong>und</strong> der Krieg als heroische<br />

Opferstätte für das junge Leben. An<br />

Kriegen war kein Mangel: die "Befreiungskriege"<br />

von 1812 bis 1814, die drei<br />

"Einigungskriege" gegen Dänemark,<br />

Österreich <strong>und</strong> Frankreich. Schon warf<br />

der Erste Weltkrieg seine Schatten voraus.<br />

Der Zeitgeist machte um seine<br />

1909 eingeweihte Arbeit jedenfalls<br />

keinen Bogen; bis zum Schlachtfeld<br />

von Langemarck, auf dem die deutsche<br />

Jugend sinnlos verblutete, sollte<br />

es nur mehr fünf Jahre dauern.<br />

Frydags Ästhetik ist zeitlos. Seine<br />

nackten Krieger nehmen die des Nazikünstlers<br />

Thorak vorweg. Sie sind auch<br />

Vorläufer der Schwarzenegger-Verkörperung<br />

von Conan <strong>und</strong> Terminator.<br />

Diese Ästhetik "prägt zuvorderst der<br />

Habitus kraftstrotzender Erstarrung",<br />

so der Kunsthistoriker Martin Bach, der<br />

hier zugleich eine "Konsequenz der<br />

Monumentalität" sowie "kraftstrotzende<br />

Erstarrung" feststellt. Doch bei<br />

aller äußeren Potenz ist sie auch zutiefst<br />

inhuman. Das mochte bis nach<br />

dem letzten Weltkrieg noch mehr gegolten<br />

haben, als die wehrhaft teutschen<br />

Adler entfernt wurden, die den<br />

von den Kriegerfiguren getragenen<br />

Kranz zierten. Die erhalten gebliebenen<br />

sechs figürlichen Reliefs blieben<br />

auch ohne Adler Zeugnis genug.<br />

Wer den Zeitgeist heiratet, ist bald<br />

Witwer. Für den Künstler Frydag gilt<br />

das ohne Abstriche. Heute ist er vergessen;<br />

selbst Reclams Künstlerlexikon<br />

erwähnt ihn nicht mehr. Es ist schwer,<br />

überhaupt noch Spuren zu finden. Der<br />

1878 in Münster Geborene studierte in<br />

Berlin Kunst, arbeitete später wieder<br />

in seiner Heimatstadt <strong>und</strong> sah sich<br />

selbst in künstlerischer Nähe zu Hugo<br />

Lederer, einem heute vergessenen<br />

Bildhauer der Kaiserzeit. Die Stele am<br />

Mauritztor ist das letzte Zeugnis von<br />

Frydags künstlerischem Schaffen. Ob es<br />

zu Frydags Zeiten der "welsche Erzfeind"<br />

war oder heute Al Quaida, die<br />

Mullahs, Saddam <strong>und</strong> Co. sind - unverändert<br />

werden die Feindbilder in<br />

die Köpfe manipuliert, ohne nach den<br />

Ursachen zu fragen. Oder gewaltlose<br />

Lösungen aufzuzeigen. Denn im Kern<br />

nämlich geht es um Weltherrschaftsphantasien<br />

<strong>und</strong> um das Öl des Nahen<br />

Ostens <strong>und</strong> so was ist ohne Gewalt<br />

eben nicht zu haben. Deutsche Soldaten<br />

sind längst wieder mit dabei. Sei<br />

es am Hindukusch, wo "unsere Jungs"<br />

die Rekordernten an Opium sichern<br />

helfen, die, zu Drogen veredelt, auch<br />

in Münster konsumiert werden. Bald<br />

werden sie wohl auch im tropischen<br />

Kongo Garnisonen errichten. Globalisierung<br />

per Knobelbecher unter der<br />

löchrigen Flagge der Menschenrechte.<br />

Damals wie heute reiben sich die<br />

Strippenzieher im demokratisch verfassten<br />

Heimatland in Erwartung fetter<br />

Renditen die Hände.<br />

Bernhard Frydag wurde selbst ein<br />

Opfer der von ihm verherrlichten Ideologie.<br />

1916 fiel er mit 38 Jahren "im<br />

Felde" für ein Kaiserreich, das seinen<br />

Tod nur zwei Jahre überdauerte. Seinem<br />

Oberbefehlshaber bekam der<br />

Krieg nach eigener Aussage hingegen<br />

"wie eine Badekur". Bis heute ist der<br />

größte Platz der Stadt nach ihm benannt.<br />

Und die Toten der B<strong>und</strong>eswehr<br />

am Hindukusch <strong>und</strong> am Horn von Afrika<br />

<strong>und</strong> bald im Kongo werden in aller<br />

Stille gezählt. Noch. #<br />

21


Schlepper | Text: Sigi Nasner<br />

Gefährliche Seilschaft<br />

Die meisten unserer Verkäufer haben<br />

viele Talente. Sigi Nasner kann gut<br />

schreiben. Doch bevor er Artikel <strong>und</strong><br />

Kurzgeschichten zu Papier brachte,<br />

arbeitete er als Seemann. Und als<br />

Fassadenbauer am Niederrhein. Kein<br />

leichter Job! Auf was für skrupellose<br />

Leute er sich jedoch eingelassen<br />

hatte, merkte er erst, als er eine<br />

Autopanne hatte <strong>und</strong> ihn der Firmenchef<br />

abschleppte. Sigi erzählt,<br />

was damals passiert ist.<br />

"Halt dich an der Fassade fest!",<br />

rief ich Jupp zu - aber es war bereits<br />

zu spät. Der Arbeitskorb in dem wir<br />

standen, driftete von einer Windböe<br />

getrieben, einige Meter von der Hochhauswand<br />

weg. Der Schreck fuhr mir<br />

in die Glieder! Nach unten waren es<br />

gut 60 nach oben zum rettenden Dach<br />

etwa 20 Meter. Wir hingen als Spielball<br />

des Windes an zwei relativ dünnen<br />

Drahtseilen. Als die Böe endlich abflaute,<br />

klammerten wir uns an den<br />

Fassadenleisten fest <strong>und</strong> ich betätigte<br />

den Knopf um aufwärts zu fahren.<br />

Doch nichts geschah! Durch den starken<br />

Wind musste oben am Kran die<br />

Sicherung herausgesprungen sein. Und<br />

niemand war da, um sie wieder einzuschalten.<br />

"Hallo, Hilfe", riefen wir<br />

immer wieder aus Leibeskräften. Nach<br />

einer Nerven aufreibenden Viertelst<strong>und</strong>e<br />

tauchte endlich oben ein Kollege<br />

auf, der den Kran wieder in Gang<br />

setzte. Auf dem sicheren Dach angekommen<br />

war klar: Dort würden wir<br />

heute nicht mehr runter fahren. An<br />

diesem Tag war ich dann doch froh, als<br />

Jupp, ich <strong>und</strong> zwei weitere Kollegen<br />

abends in mein Auto einstiegen um<br />

heim zu fahren. Doch nach etwa 30<br />

Kilometern - gut ein Viertel der<br />

Wegstecke - kündigte sich erneut<br />

Ärger an. Der Motor begann zu stottern,<br />

wir schafften es gerade noch bis<br />

zu einem Rastplatz, wo die Maschine<br />

dann völlig den Geist aufgab. Alle<br />

Startversuche bewirkten nur, dass kurz<br />

darauf die Batterie leer war. Schließlich<br />

rief Jupp den Chef an. Als dieser<br />

mit seinem schweren Schlitten eintraf,<br />

wurde es bereits dunkel. Er wollte uns<br />

schnellstens nach Hause bringen,<br />

schließlich sollten Leute <strong>und</strong> Auto am<br />

nächsten Morgen wieder fit für die<br />

Arbeit sein. Weil das Rücklicht keinen<br />

Strom mehr hatte, legte ich eine<br />

Taschenlampe auf die Hutablage.<br />

Davor das Warndreieck. Jupp saß neben<br />

mir, die beiden anderen stiegen<br />

beim Chef ein.<br />

Dann ging es los! Schon nach kurzer<br />

Zeit wurde das Tempo immer<br />

schneller. Schließlich fuhren wir auf<br />

der Überholspur weiter. Mir wurde<br />

mulmig. "Leuchte doch mal mit dem<br />

Feuerzeug auf das Tacho", sagte ich zu<br />

Jupp. Ich konnte kaum glauben was<br />

ich sah. Die Tachonadel hatte die 150-<br />

Kilometer-Marke deutlich überschritten.<br />

Meine Hände krampften sich um<br />

das Lenkrad, mein rechter Fuß klebte<br />

wie elektrisiert am Bremspedal. Ich<br />

war in höchster Alarmbereitschaft.<br />

Aber alles ging gut - bis wir mit hoher<br />

Geschwindigkeit auf der Überholspur<br />

in ein großes Autobahnkreuz hinein<br />

fuhren. Vor uns scherte plötzlich ein<br />

LKW aus. Das zwang uns zu einem<br />

scharfen Bremsmanöver. Dann ein<br />

Ruck - das Seil war gerissen. Das Auto<br />

des Chefs zog davon, wir blieben ohne<br />

Motorkraft zurück. Hinter uns der<br />

drängelnde Verkehr, neben uns donnerten<br />

die Lastwagen. Ich wartete bis<br />

der nächste Brummi rechts an uns<br />

vorbeigezogen war. Schnell zwängte<br />

ich mich, trotz lautstarkem Hupen<br />

eines von hinten heran brausenden<br />

LKW durch die enge Lücke auf die<br />

Standspur. Eine rotweiß-gestreifte<br />

Warnbarke raste auf uns zu: Dort endete<br />

die Standspur <strong>und</strong> die Autobahn<br />

führte über eine Brücke. Hinter der<br />

Barke fiel eine sehr tiefe <strong>und</strong> steile<br />

Böschung zu einem Bahngelände ab.<br />

Mit blockierten Rädern kamen wir -<br />

über feinen Splitt rutschend - unmittelbar<br />

vor der Barke zum Stehen. Meine<br />

Hände zitterten. Ich brachte keinen<br />

Ton heraus.<br />

Unser Chef, der eine Schleife gefahren<br />

war, traf bald wieder bei uns<br />

ein. Das Seil, das sogar noch brauchbar<br />

war, wurde erneut befestigt <strong>und</strong><br />

wir setzten die Fahrt fort. Diesmal<br />

fuhren wir jedoch mit gemäßigtem<br />

Tempo bis zur nächsten Abfahrt. Dort<br />

verließen wir sicherheitshalber die<br />

Autobahn, kamen aber nicht mehr<br />

sehr weit, denn kurz darauf stoppte<br />

uns die Polizei. Die Beamten ließen<br />

uns wegen der fehlenden Beleuchtung<br />

an meinem Auto nicht mehr weiter<br />

fahren. Niemand bemerkte meine Erleichterung:<br />

Gleich am nächsten Tag<br />

habe ich gekündigt. #<br />

Anzeigen<br />

Radlos ?<br />

Neue <strong>und</strong><br />

gebrauchte Fahrräder<br />

Montag bis Freitag<br />

10 –13 Uhr<br />

14 –18 Uhr<br />

22<br />

Frauenfahrradladen<br />

Dortm<strong>und</strong>erstr. 11, Tel 66 57 61


~-Jahresbericht | Text: Andy Wolf | Foto: Martin Barfuß<br />

Gut gewirtschaftet<br />

2005 war für unser Straßenmagazin<br />

ein erfolgreiches Jahr. Wieder einmal<br />

sind wir ohne öffentliche Gelder<br />

über die R<strong>und</strong>en gekommen. Dabei<br />

haben unsere Sponsoren wieder<br />

kräftig mitgeholfen <strong>und</strong> natürlich<br />

unsere treuen Anzeigenk<strong>und</strong>en.<br />

Aber am meisten haben wir die erfolgreiche<br />

Bilanz Ihnen, liebe <strong><strong>Leser</strong>innen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Leser</strong>n, zu verdanken. Sie<br />

haben unser Magazin so oft gekauft<br />

wie noch nie. Hier der Jahresbericht<br />

unseres ehrenamtlichen Geschäftsführers<br />

Andy Wolf.<br />

Die Hauptaufgabe der ~ist<br />

wohnungslosen Männern <strong>und</strong> Frauen<br />

zu ermöglichen zu dem wenigen Geld,<br />

das sie vom Staat bekommen ein kleines<br />

Zubrot zu verdienen. Aber auch<br />

alle anderen, die sozial benachteiligt<br />

sind, dürfen unser Straßenmagazin<br />

verkaufen. Die meisten der Verkäufer<br />

passen nicht mehr in die sogenannte<br />

normale Arbeitswelt. Weil sie viel zu<br />

lange draußen sind oder weil sie psychische<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Probleme<br />

haben. Trotzdem sind sie hoch motiviert<br />

etwas zu leisten. Der Verkauf der<br />

~ ist nämlich harte Arbeit <strong>und</strong><br />

erfordert viel Disziplin. Morgens aus<br />

dem Bett zu kommen - ohne Münsters<br />

Straßenmagazin würden das viele<br />

nicht schaffen. Der Alltag erhält wieder<br />

eine Struktur <strong>und</strong> die Verkäufer kommen<br />

in Kontakt mit Menschen. Ein viel<br />

größerer Gewinn als das dabei verdiente<br />

Geld.<br />

Nach wie vor ist die Personalsituation<br />

schwierig. Chefredakteur<br />

Gerrit Hoekman ist der einzige hauptamtliche<br />

Mitarbeiter, das heißt, er<br />

wird als einziger voll von ~ bezahlt.<br />

Seit anderthalb Jahren bildet er<br />

mit Layouter Heinz Dalmühle ein<br />

Team, das Monat für Monat eine gute<br />

Zeitung macht. Heinz hatte erst eine<br />

vom Arbeitsamt geförderte Stelle, seit<br />

letzten Sommer hat er einen sogenannten<br />

Ein-Euro-Job, der aber im<br />

Mai ausläuft. Daneben schreiben<br />

gegen ein kleines Honorar r<strong>und</strong> ein<br />

Dutzend freier Mitarbeiter für ~.<br />

Regelmäßig unterstützen Praktikanten<br />

die Redaktion.<br />

Der Vertrieb der ~ läuft über<br />

unser Büro in der Overbergstraße.<br />

Sabrina Kipp, die durch einen Ein-Euro-Job<br />

zur ~ gekommen ist, betreut<br />

mit viel Herzblut die Verkäuferinnen<br />

<strong>und</strong> Verkäufer. Durch sie ist der<br />

Kontakt zwischen Verkäufern <strong>und</strong> der<br />

Zeitung wieder enger geworden, die<br />

~-Familie wieder näher zusammen<br />

gerückt. Außerdem konnte sie auf<br />

der Straße eine ganze Reihe neuer<br />

Verkäufer werben. Seit Ende 2005 hat<br />

Sabrina einen Umschulungsplatz zur<br />

Bürokauffrau bei ~, der ihr eine<br />

berufliche Perspektive gibt. Ohne die<br />

Kooperation mit unserer langjährigen<br />

Druckerei Borgsmüller in Hiltrup <strong>und</strong><br />

der Arbeitsgemeinschaft Münster wäre<br />

das nicht möglich gewesen.<br />

Sabrinas größter Erfolg war wohl<br />

die Gründung der Fußballberber<br />

"~ Münster 05", die in kurzer<br />

Zeit zu einem Aushängeschild unseres<br />

Vereins geworden sind <strong>und</strong> den Namen<br />

unseres Straßenmagazins b<strong>und</strong>esweit<br />

<strong>und</strong> sogar in Europa bekannt<br />

machen. Bei ihren Auftritten in Kiel<br />

<strong>und</strong> beim Baltic-Cup in Polen haben<br />

die Spieler Erfahrungen gemacht, die<br />

sie ein Leben lang nicht vergessen<br />

werden. Ohne den Tatendrang von<br />

Sabrina Kipp würde es die "Fußballberber<br />

~ Münster 05" nicht<br />

geben. Im Moment bereitet sich das<br />

Team auf die Deutschen Meisterschaften<br />

vor. Zweimal die Woche sind die<br />

obdachlosen Spieler mit Hingabe beim<br />

Training im Südpark. Fußball ist für sie<br />

inzwischen ein gutes Stück Lebensinhalt.<br />

Aber auch ~ gewinnt durch<br />

die Kicker, unser Ansehen steigt. Das<br />

Kostenfaktor ~-Büro<br />

merken wir durch die vielen Sponsoren:<br />

Münsteraner Firmen haben<br />

Fußballschuhe, Fußbälle <strong>und</strong> Trikots<br />

gespendet.<br />

Alles in allem war 2005 das beste<br />

Jahr seit langem. Im Vergleich zum<br />

vorletzten Jahr konnten wir insgesamt<br />

5.000 Zeitungen mehr verkaufen -<br />

noch mal eine kleine Steigerung der<br />

Auflage <strong>und</strong> das auf für ~-<br />

Verhältnisse sehr hohem Niveau. Leider<br />

sind gleichzeitig die Einnahmen<br />

durch Anzeigen zurückgegangen,<br />

wenn auch geringfügig. Offenbar haben<br />

viele Münsteraner Unternehmen<br />

noch nicht erkannt, dass es gut fürs<br />

Image ist, in unserem Straßenmagazin<br />

zu werben. Umso mehr danken wir<br />

unseren treuen K<strong>und</strong>en. Seit zwei<br />

Jahren versuchen wir durch den Verkauf<br />

gespendeter Bücher eine weitere<br />

Einnahmenquelle zu erschließen. Im<br />

ersten Jahr mit Erfolg, doch 2005 blieb<br />

der Gewinn deutlich hinter unseren<br />

Erwartungen zurück. Bleiben die<br />

Spenden. Gut 15.000 Euro haben auch<br />

2005 unser Überleben gesichert.<br />

Wie bereits angedeutet, ist die<br />

Personalsituation weiterhin unbefriedigend.<br />

Durch den Verkauf der ~<br />

erwirtschaften wir nur einen Teil der<br />

Personalkosten, den Rest finanzieren<br />

wir über Spenden. Es erstaunt uns<br />

immer wieder, wie mit nur einer festen<br />

Stelle, einer Umschülerin, drei Ein-<br />

Euro-Jobbern, den vielen Ehrenamtlichen<br />

<strong>und</strong> Praktikanten eine der besten<br />

deutschen Straßenzeitungen gemacht<br />

wird. Natürlich wünschen wir<br />

uns eine langfristig gesicherte Finanzierung<br />

<strong>und</strong> mehr als eine feste Stelle<br />

- realistisch betrachtet müssen wir<br />

aber wohl weiter mit der unsicheren<br />

Situation leben. Aber das kennen wir<br />

ja nicht anders. #<br />

23


Altersdemenz | Text: Andreas Horn | Foto: Wolfgang Beyer<br />

Wenn Opa<br />

tüddelig wird<br />

Hilfe: Friederike-Fliedner-Haus<br />

Die Milch in den Küchenschrank<br />

stellen, statt in den Kühlschrank,<br />

den Weg zum Supermarkt nicht<br />

mehr finden oder die Kaffeemaschine<br />

nicht mehr bedienen können<br />

- den Alltag normal bewältigen<br />

wird unmöglich, wenn das<br />

Gedächtnis nachlässt <strong>und</strong> einfachste<br />

Dinge werden zu einer großen<br />

Hürde. Andreas Horn über eine<br />

Krankheit, die in Zukunft immer<br />

mehr Probleme mit sich bringt.<br />

R<strong>und</strong> eine Million Menschen sind<br />

in Deutschland an Demenz erkrankt.<br />

Tendenz steigend. Denn mit der immer<br />

höher werdenden Lebenserwartung,<br />

steigt auch die Zahl der Betroffenen.<br />

Die bekannteste, weil mit einem Anteil<br />

von 50 bis 60 Prozent auch häufigste<br />

Form der Demenz ist Alzheimer. Sie ist<br />

eine Form, bei deren Verlauf es zu<br />

einer Zerstörung der Nervenzellen<br />

kommt - unaufhaltsam <strong>und</strong> unheilbar.<br />

Der Beginn der Krankheit ist oftmals<br />

schleichend, weder Ärzte noch<br />

Angehörige oder die Betroffenen merken<br />

davon in den meisten Fällen<br />

etwas. Die Lern- <strong>und</strong> Reaktionsfähigkeit<br />

nimmt ab, Stimmungsschwankungen<br />

<strong>und</strong> kleinere Gedächtnislücken<br />

treten auf. "Opa ist ein bisschen tüddelig<br />

geworden", heißt es dann oft,<br />

wie Beate Nieding von der Alzheimer-<br />

Gesellschaft Münster erzählt. Viele<br />

würden die Krankheit nicht als<br />

Alzheimer, sondern als Altersverwirrtheit<br />

betrachten. Seit fünf Jahren leitet<br />

Nieding die Geschäftsstelle der Alzheimer-Gesellschaft<br />

im Friederike-Fliedner-Haus.<br />

Sie berät Angehörige <strong>und</strong><br />

organisiert Betreuungsnachmittage für<br />

Alzheimer-Kranke. Vor allem nach der<br />

Diagnose der Krankheit sei Hilfe wichtig.<br />

Denn damit ist gleichzeitig klar: es<br />

wird nicht besser - nur schlimmer.<br />

Eine Erfahrung, die leider auch<br />

Gabi Kiße machen musste. Vor 14 Jahren<br />

erkrankte ihre Schwiegermutter an<br />

Alzheimer. Auch hier begann es mit<br />

Kleinigkeiten: Sie verlegte den Schlüssel<br />

<strong>und</strong> versteckte Gegenstände. "Es<br />

kam auch vor, dass sie Gäste einlud,<br />

am Tag selbst aber nicht zu Hause<br />

war." Kiße versorgte die Töchter, führte<br />

den eigenen Bauernhof <strong>und</strong> betreute<br />

nun auch noch die Schwiegermutter.<br />

"Das war am Anfang kein Problem",<br />

erinnert sich Kiße. Doch mit<br />

der Zeit wurde die Aufgabe immer aufreibender.<br />

Irgendwann wurde die Belastung<br />

zu groß <strong>und</strong> sie erlitt einen<br />

Nervenzusammenbruch. Ende 1998<br />

entschloss sie sich, die Schwiegermutter<br />

im Friederike-Fliedner-Haus betreuen<br />

zu lassen. Ganztägig, r<strong>und</strong> um<br />

die Uhr.<br />

"Diesen Schritt hätten wir schon<br />

viel eher gehen müssen", sagt Kiße,<br />

"aber ich glaube, ich musste erst meine<br />

Grenze erfahren."Das geht vielen<br />

Angehörigen so. Sie fürchten sich vor<br />

der Reaktion der Familie, Fre<strong>und</strong>e,<br />

Nachbarn, wenn sie den Demenz-<br />

Kranken in ein Heim geben. Oft haben<br />

sie auch Angst vor den Kosten. Das<br />

größte Problem sind aber die eigenen<br />

Schuldgefühle", weiß Nieding. Den Lebenspartner<br />

oder den Elternteil wegzugeben<br />

sei nicht einfach.<br />

Auch weil die Medien gerne das<br />

"Schreckgespenst Heim" bemühen.<br />

Aber es gibt Checklisten, mit denen<br />

Angehörige die Qualität des Heims<br />

prüfen können. Der Staat gibt außerdem<br />

Standards vor, an die sich die<br />

Einrichtungen halten müssen. R<strong>und</strong><br />

5.000 Alzheimer-Kranke gibt es in<br />

Münster. Im Ges<strong>und</strong>heitshaus der<br />

Stadt laufen alle Fäden die Pflege<br />

betreffend zusammen. Wer hilft, die<br />

Wohnung umzugestalten? Wie manage<br />

ich den Umzug ins Heim? Wer Informationen<br />

braucht, ist hier richtig. Und<br />

Angebote, die pflegende Familienmitglieder<br />

entlasten gibt es genug.<br />

Noch. Die Gesellschaft altert, das Risiko<br />

krank zu werden steigt. Gleichzeitig<br />

werden Pflegeplätze Mangelware <strong>und</strong><br />

den Heimen fehlt es an Nachwuchs<br />

beim Pflegepersonal.<br />

Gabi Kiße ging zum Gesprächskreis<br />

der Alzheimer Gesellschaft. Dort<br />

erhielt sie Antworten auf ihre vielen<br />

Fragen. "So wusste ich immer, was als<br />

nächstes kommt <strong>und</strong> war gut vorbereitet."<br />

Die Ungewissheit wich. Heute<br />

weiß sie: Die Krankheit zu vertuschen<br />

<strong>und</strong> dicköpfige Alleingänge sind der<br />

falsche Weg. Doch viele Angehörige<br />

wollen die Krankheit nicht wahrhaben.<br />

Kiße: "Die verstehen das einfach<br />

nicht. Wollen immer noch ihr altes<br />

Leben wieder haben, aber das gibt`s<br />

nicht mehr." #<br />

Weitere Informationen:<br />

Alzheimer Gesellschaft Münster<br />

Tannenbergstraße 1<br />

48147 Münster<br />

Tel: 0251 / 780397<br />

www.alzheimer-muenster.de<br />

24


Meine Fresse Club | Text <strong>und</strong> Fotos: Claudia Picker<br />

Künstler,<br />

Tiere,<br />

Dilletanten<br />

Gemeinsame Hymne<br />

Organisator Knallmann<br />

Oh Himmel hilf! Und er half, denn<br />

die gleichnamige Band aus Münster<br />

unterstützte am 31. März den 156.<br />

"Meine Fresse Club", kurz MFC. Seit<br />

einem Jahr organisiert die<br />

Münsteraner Künstlerin Kascha B.<br />

eine bizarre Show aus Musik, Kunst<br />

<strong>und</strong> Theater. Der Meine Fresse Club<br />

ist irgendwie anders: Laut, frech,<br />

lustig <strong>und</strong> ein kleines bisschen<br />

schräg. Hier spaltet die Kunst das<br />

Publikum <strong>und</strong> das ist gut so. Claudia<br />

Picker war da.<br />

Wat mutt, dat mutt. Ebenso wie das<br />

Schmankerl am Ende in Gestalt des<br />

singenden Mariandls <strong>und</strong> natürlich die<br />

gemeinsame Hymne des "Meine Fresse<br />

Clubs", bei der die ein paar Besucher<br />

schon verhalten mitsummen konnte.<br />

Das Kölner Publikum liegt in seinen<br />

enthusiastischen Ausschreitungen angeblich<br />

zwar noch vor den Münsterländern,<br />

das muss aber nicht so bleiben.<br />

Der Westfale taut langsam auf.<br />

Und wo es der gute Wille nicht tut, da<br />

hilft ein Glas Wein oder auch zwei.<br />

Schlacht im Aatal<br />

Jeden zweiten Monat gastieren<br />

eigenwillige Künstler im biederen<br />

Münsterland <strong>und</strong> wollen dem Zuschauer<br />

die Augen öffnen. In Köln<br />

schon lange kein Geheimtipp mehr,<br />

lässt sich auch der Münsterländer<br />

langsam auf absurde, komische <strong>und</strong><br />

kreative Performance ein. "Die beknackte<br />

Jupp-Show", "Walking für Anfänger",<br />

"Der Zementmischer", "Die<br />

Gebrüder 20. Jahrh<strong>und</strong>ert", "Miss<br />

Peggy" oder auch die "Kartentricks mit<br />

Parkinson" - der Meine Fresse Club<br />

bietet für jeden etwas. Warum <strong>und</strong><br />

wie ist Münster so katholisch <strong>und</strong> bieder<br />

geworden? Die "Schlacht im Aatal<br />

1661" weiß die Antwort. Informativ?<br />

Nö, aber etwas für die Lachmuskeln.<br />

"Künstler, Tiere, Dilettanten -<br />

man weiß nicht wer wer ist!". Karl-<br />

Heinz Knallmann, zuständig für den<br />

Ablauf, die Ordnung <strong>und</strong> die Demokratie<br />

im Saal, war bei mancher Darstellung<br />

scheinbar ratlos; dem Publikum<br />

gefiel es aber <strong>und</strong> die Korken<br />

der demokratischen Kunstliebhaber<br />

flogen zahlreich auf die Bühne.<br />

Wer mehr von den Künstlern<br />

sehen <strong>und</strong> hören möchte oder vielleicht<br />

gerade erst neugierig geworden<br />

ist, der kann am 26. Mai bei "Die<br />

schräge Bühne" im Tuf-Weinhandel,<br />

Nieberding Str. 12, um 20.30 Uhr vorbeischauen.<br />

Mieze des Monats<br />

Der 1 1/2 jährige Oskar sucht ein<br />

neues Zuhause - am liebsten mit<br />

seiner Katzenfre<strong>und</strong>in Momo, einer<br />

w<strong>und</strong>erschönen Karthäusermix-<br />

Katze (leider kein Foto). Die beiden<br />

kastrierten <strong>und</strong> geimpften Miezen<br />

sind fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> liebenswert.<br />

Am liebsten hätten sie ein schönes<br />

Zuhause mit Balkon. Wer möchte<br />

den beiden ein schönes Heim<br />

geben?<br />

Da gastiert der Club das nächste Mal in<br />

Münster <strong>und</strong> präsentiert wieder eine<br />

Show, die genau dem Niveau des Publikums<br />

entspricht oder - nach eigenen<br />

Angaben - etwas darunter liegt.<br />

Humor ist eben, wenn man trotzdem<br />

lacht. #<br />

Weitere Infos im Internet: www.meinefresseclub.de<br />

Katzenhilfe Münster e.V.<br />

Tel. 8469 757<br />

25


Pressemitteilungen |<br />

Trödelmarkt<br />

im Begegnungszentrum Meerwiese<br />

Reise in die<br />

Sächsische Schweiz<br />

Am Sonntag, den 14. Mai 2006 veranstaltet der Verein<br />

Münsteraner Tageseltern e.V. in der Zeit von 10 bis 16 Uhr<br />

einen Trödelmarkt im Begegnungszentrum, An der Meerwiese<br />

25. Schnäppchenjäger <strong>und</strong> Trödelliebhaber sind herzlich<br />

zum Stöbern eingeladen.<br />

Für das leibliche Wohl wird mit Kartoffelsalat, Würstchen,<br />

Kaffee, Kaltgetränken, belegten Brötchen <strong>und</strong> selbstgebackenem<br />

Kuchen gesorgt. #<br />

Das Umweltforum Münster e.V., ein Zusammenschluss von<br />

16 Umweltverbänden, veranstaltet vom 8. bis 14. Oktober<br />

unter der Leitung des Dipl. Geografen Michael Bührke eine<br />

Wanderung durch das Elbsandsteingebirge, den Nationalpark<br />

Sächsische Schweiz <strong>und</strong> die angrenzende Region.<br />

Die An- <strong>und</strong> Abreise mit der Bahn ab Münster ist im Preis<br />

inbegriffen, die Unterbringung erfolgt in Bad Schandau.<br />

Die Reise ist auch für ungeübte "Gelegenheitswanderer"<br />

geeignet. #<br />

Weitere Informationen <strong>und</strong> Tischreservierung<br />

unter der Telefonnummer (0251) 2896446.<br />

Infos <strong>und</strong> Anmeldung:<br />

Telefon:<br />

(0251) 136023<br />

E-Mail:<br />

sachsen2006@web.de<br />

Kontakt:<br />

Dipl. Geograf<br />

Michael Bührke<br />

Bowenkamp 30<br />

48165 Münster<br />

Telefon: (02501) 44 14 66<br />

Anzeige<br />

26


Adressen | Hilfsangebote in Münster<br />

Soziale Einrichtungen in MS:<br />

ARBEIT<br />

BERATUNGSSTELLEN<br />

cuba-Arbeitslosenzentrum<br />

Achtermannstr.10-12, Tel. 54892<br />

Agentur für Arbeit Münster<br />

Wolbecker Str. 45, Tel. 6 98 - 0<br />

Nevinghoff 20, Tel. 698 - 0<br />

JAZ - Achse<br />

(Jugendausbildungszentrum)<br />

Kinderhauserstr. 112, Tel. 60944-0<br />

Friedensstraße 39, Tel. 89902-0/-21<br />

JIB<br />

Tips & Hilfe bei Ausbildungsplatz- &<br />

Stellensuche, Bewerbung; Internetcafé,<br />

Workshops für alle zwischen 14<br />

<strong>und</strong> 27 Jahren: Jugend-online,<br />

Alli van Dornick, Susanne Freßdorf<br />

Hafenstraße 34, Mo-Fr 14.00 - 18.00<br />

Uhr, Tel. 492 - 5858<br />

SELBSTHILFE<br />

Rümpelfix<br />

Bremer Str. 42, Tel. 60 94 60<br />

Seelenlicht Münster e.V.<br />

Selbsthilfe für psychisch Belastete<br />

Tel. 0160/ 838 23 25<br />

KAI e.V (Kinderhauser<br />

Arbeitsloseninitiative)<br />

Josef-Beckmann-Str.5,<br />

Frauenhaus<br />

Beratungsstelle MS<br />

Tel. 1420810 (10-18 Uhr)<br />

Tel. 02506 - 67 55( Wolbeck)<br />

Tel. 02504 - 5155 (Telgte)<br />

MASY<br />

(Sleep-In & Offener Treff für<br />

Mädchen)<br />

Hermannstr. 73 Tel. 53 11 45<br />

Outlaw Mädchen-Krisenhaus<br />

Tel. 46886<br />

Notruf: 5 50 19 (r<strong>und</strong> um die Uhr!)<br />

Beratungsstelle „Frauen<br />

helfen Frauen e.V.“<br />

Hansaring 32b, Tel. 67666<br />

WOHNEN<br />

WOHNUNGSSUCHE<br />

Selbsthilfeprojekt Hach<br />

Ewaldistr. 16, Tel. 6 51 68<br />

Amt für Wohnungswesen<br />

Iduna-Hochaus, Servatiiplatz 9,<br />

Tel. 4 92 - 6402<br />

Caritasverband für die<br />

Stadt Münster e.V.<br />

Sozialdienst Wohnungsnotfälle<br />

Timmerscheidstr. 4, Tel. 72433<br />

OHNE WOHNUNG<br />

Christophorus-Haus<br />

Soester Str.11, Tel. 6063 35 0<br />

Diakonisches Werk MS<br />

Evang. Beratungsdienste GmbH<br />

Mittagstisch, Beratung, Meldeadresse<br />

& mehr<br />

Hörsterstr. 29, Tel. 49015-0<br />

Von-Vincke-Str. 8, Tel. 4 90 15 - 0<br />

STRAFFÄLLIGKEIT /<br />

NACH´M KNAST<br />

Amt für soziale Dienste<br />

Ludgeriplatz 4, Tel. 4 92 - 0<br />

Fachstelle für Täter-Opfer-Ausgleich<br />

<strong>und</strong> Konfliktregelung<br />

Wasserstr. 9, Tel. 55 123<br />

Chance e.V.<br />

Bohlweg 68a, Tel. 62088-20<br />

Möbel-Trödel,<br />

Bohlweg 68a, Tel. 62088-0<br />

Möbelrampe,<br />

Dieckstr. 71-75, Tel. 230 11 55<br />

JUGEND / FAMILIE<br />

Caritasverband für die Stadt<br />

Münster e.V.<br />

Beratungsstelle f. Eltern, Kinder u.<br />

Jugendliche<br />

Josefstr.2, Tel. 53009- 338<br />

Pro Familia<br />

Beratungsstelle für Familienplanung,<br />

Projekt Alleinerziehende cuba<br />

Achtermannstr. 10-12, Tel. 5 88 56<br />

Zoff - Jungenkrisenhaus<br />

Hilfe, Beratung u. Übernachtung für<br />

Jungen in Not (Notruf r<strong>und</strong> u. d. Uhr)<br />

Hafenstr. 21, Tel. 522148<br />

Münsteraner Tageseltern<br />

Coerdestiege 83, Tel. 86 80 66, Fax<br />

86 89 67 (Mo-Fr 9.00 - 12.00 Uhr)<br />

Zartbitter Münster e.V.<br />

Beratungsstelle gegen sexualisierte<br />

Gewalt für Jugendliche ab 14 Jahren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

Berliner Platz 8, 48143 Münster,<br />

Tel. 0251-41 40 555<br />

Sprechzeiten: Mo, Do,Fr 10-12, Di 16-18<br />

(Beratung nach tel. Vereinbarung)<br />

www.zartbitter-muenster.de<br />

Deutscher Kinderschutzb<strong>und</strong><br />

Wolbecker Str. 27-29, Tel. 471 80<br />

Mo-Fr 10-12, Mi/Do 16-18, <strong>und</strong> nach<br />

Vereinbarung<br />

Beratungsstelle Südviertel<br />

für Kinder; Jugendliche <strong>und</strong><br />

Erwachsene<br />

Friedrich-Ebert-Str. 114, Tel. 77466,<br />

Fax: 797960<br />

email: beratung@muenster.de<br />

Ärztliche<br />

Kinderschutzambulanz<br />

Melcherstr. 55, Tel.: 418540<br />

Termine nach Vereinbarung<br />

Tel. 26 36 89<br />

FRAUEN<br />

Notruf für vergewaltigte<br />

<strong>und</strong> sexuell belästigte<br />

Frauen <strong>und</strong> Mädchen<br />

Mo.-Fr. 10-12 h, Mo. 18-20, Do.16-18<br />

Tel. 34 44 3<br />

Gertrudenhaus, Haus für<br />

wohnungslose Frauen<br />

Katharinenstr. 10-12, Tel. 8 99 36-0<br />

Frauentreff<br />

Katharinenstr. 10, Tel. 8 99 36-50<br />

Beratung für werdende u.<br />

junge Mütter der Stadt MS<br />

Tel. 492-5681<br />

Frauen & Beruf im Frauen-<br />

Forum e.V.<br />

Warendorfer Str. 3, Tel. 5 56 69<br />

Frauen- <strong>und</strong> Kinderschutzhaus<br />

des Sozialdienstes<br />

katholischer Frauen<br />

Josef Str.2 Tel. 37 44 88<br />

Sozialdienst kath. Frauen<br />

Josefstr. 2 Tel. 53 009418<br />

Beratung & Therapie für<br />

Frauen<br />

Neubrückenstr. 73, Tel. 5 86 26<br />

Christophorus-Treff, Dienstags von<br />

14.30 - 16.30 Uhr, insbesondere für<br />

Wohnungslose<br />

Aufsuchende Sozialarbeit für<br />

Frauen, Frauentreff<br />

Katharinenstr. 10, Tel. 899 36 50<br />

Fachstelle Wohnsicherungsmaßnahmen<br />

Stadt Münster<br />

Herr Berkemeier u. Herr Severin<br />

Tel.: 492 - 5031/2<br />

~ e.V.<br />

Beratung & Verkäuferausweise<br />

Overbergstr. 2 Tel. 53 89 128/-130<br />

Bahnhofsmission (Gleis 12)<br />

Tel. 4 58 02<br />

Haus der<br />

Wohnungslosenhilfe<br />

Übernachtungsmöglichkeit, Beratung,<br />

Essen, Waschen, Tagessatzauszahlung,<br />

aufsuchende Pflege, Kleiderkammer<br />

Bahnhofstraße 62, Tel. 48 45 20<br />

Offene Tür<br />

Diakonisches Werk<br />

Fliednerstr. 15, Tel. 89 09-0<br />

Treffpunkt Loerstrasse<br />

an der Clemenskirche<br />

Frühstück, Mittag, Dusche, Notfall-<br />

Kleiderkammer<br />

Loerstr. 7, Tel. 26 55 568<br />

Sexualberatung <strong>und</strong> -pädagogik,<br />

Bohlweg 19, Tel. 4 58 58<br />

Jugendsprechst<strong>und</strong>e<br />

Tel. 51361<br />

KiKriHi<br />

Kinderkrisenhilfe im Kinderheim St.<br />

Mauritz, Tag <strong>und</strong> Nacht<br />

Tel. 13 30 44 4<br />

SKM Katholischer Verein für<br />

soziale Dienste Münster<br />

Kinderhauser Str. 63, 48147 Münster,<br />

Tel. 62 03 30<br />

Streetwork<br />

Hafenstr. 43, Tel. 492 - 58 60<br />

Büro: Di 9-12 Do 15-18<br />

(<strong>und</strong> nach Vereinbarung)<br />

Streetwork-Mobil am Bahnhof<br />

(Fahrradparkhaus)<br />

Mo 15.00 - 17.00 Uhr<br />

Trialog<br />

Beratung bei Familienkrise, Trennung,<br />

Scheidung,<br />

Von-Vincke-Str. 6, Tel. 51 14 14<br />

Verband alleinerziehender<br />

Mütter <strong>und</strong> Väter<br />

Bremer Str.42/56, Tel. 27 71 33<br />

Amt für Kinder, Jugendliche<br />

<strong>und</strong> Familie<br />

Hafenstr. 30, Tel. 4 92 - 51 01<br />

SUCHT<br />

Westf. Klinik für Psychiatrie<br />

& Psychotherapie MS<br />

Friedrich-Wilhelm-Weber-Str. 30<br />

Tel. 591-02<br />

Suchtambulanz: 591-48 77<br />

„Therapie <strong>und</strong> Hilfe sofort“<br />

im Ges<strong>und</strong>heitsamt Münster<br />

Stühmerweg 8, Tel. 492-5369<br />

INDRO e.V.<br />

Bremer Platz 18-20, Tel. 6 01 23<br />

Caritasverband für die Stadt<br />

Münster e.V.<br />

Psychosoziale Beratungsstelle für<br />

Suchtkranke <strong>und</strong> Suchtgefährdete<br />

Josefstr. 2, Tel. 53009- 371<br />

Außenstellen:<br />

Gievenbeck: Tel. 0251-871040<br />

Kinderhaus: Tel. 0251-263350<br />

Hiltrup: Tel. 02501-27640<br />

Drogenberatung Stadt MS<br />

Schorlemer Str. 8, Tel. 492-5173<br />

Trockendock<br />

Alkoholfreie Begegnungsstätte<br />

Grevener Str. 154, Tel. 29 88 83<br />

Anonyme Alkoholiker<br />

Tel. 1 92 95 #<br />

27


Südamerikanische Spezialitäten | Flagge: www.cia.gov | Foto: Martin Zeise<br />

Exotisches aus<br />

Ecuador<br />

Teil zwei unserer Fußball-WM-<br />

Rezeptserie: Ecuador, das kleinste<br />

der Anden-Länder im Nordwesten<br />

Südamerikas, verdankt seinen<br />

Namen der durch das Land verlaufenden<br />

Äquator-Linie.<br />

Bis 1533 war das Land Teil des Inka-<br />

Reiches. So erklärt sich der Ursprung<br />

des zweiten Rezepts. Heute besteht<br />

Ecuador aus den sehr unterschiedlichen<br />

Regionen Costa (Pazifik-<br />

Küste), Sierra (Hochgebirgskette der<br />

Anden) <strong>und</strong> Oriente (Amazonasgebiet).<br />

Außerdem gehören die<br />

etwa 1.000 Kilometer westlich gelegenen<br />

Galapagos-Inseln zu Ecuador.<br />

JAPINGASCHOS<br />

(Gebratene Knödel aus Ecuador)<br />

Zutaten: (für 4 Personen)<br />

1 kg Kartoffeln<br />

1 große Zwiebel<br />

50 g Schafskäse oder Feta<br />

5 Bratwürste<br />

1 Avocado<br />

1 Kopfsalat<br />

1 EL Öl<br />

Zubereitung:<br />

Zuerst schälen Sie die Kartoffeln<br />

<strong>und</strong> kochen sie zwanzig Minuten bis<br />

sie weich sind.<br />

Schälen Sie die Zwiebeln, schneiden<br />

sie klein <strong>und</strong> braten sie in der<br />

Pfanne an. Danach schneiden Sie den<br />

Schafskäse ganz klein <strong>und</strong> vermengen<br />

ihn mit den Zwiebeln.<br />

Pressen Sie die Kartoffeln zu<br />

Püree. Formen Sie aus den gepressten<br />

Kartoffeln r<strong>und</strong>e Knödel <strong>und</strong> geben in<br />

die Mitte das Schafskäse-Zwiebel-<br />

Gemisch.<br />

Schließlich die Knödel in einer<br />

Pfanne mit etwas Öl anbraten <strong>und</strong> mit<br />

Avocado <strong>und</strong> Kopfsalat anrichten.<br />

Dazu die Bratwürste reichen. #<br />

AGUADO DE PARTO<br />

(Festtagssuppe aus Inka-Zeiten)<br />

Zutaten: ( für 4 Personen )<br />

3/4 Tasse Weißer Reis<br />

1-1 1/2 kg Entenfilet<br />

2 1/2 Ltr. Kaltes Wasser<br />

1 Rote Zwiebel, gehackt<br />

4 Knoblauchzehen , gehackt<br />

1 Grüne Paprika, gehackt<br />

1/4 Teel. Orégano<br />

1/4 Teel. Kümmel<br />

1/8 Teel. Pfeffer<br />

1 Teel. Salz<br />

Zubereitung:<br />

Lassen Sie den Reis eine halbe<br />

St<strong>und</strong>e in einem halben Liter kaltem<br />

Wasser stehen, inzwischen schneiden<br />

Sie das Fleisch in kleine Stücke.<br />

Fügen Sie den 2 1/2 Litern Wasser<br />

das Fleisch <strong>und</strong> die weiteren Zutaten<br />

hinzu. Erwärmen Sie das ganze, bis es<br />

kocht <strong>und</strong> fügen Sie dann den Reis mit<br />

dem Wasser hinzu. Das ganze auf kleiner<br />

Stufe köcheln lassen. Rühren Sie<br />

die Suppe ab <strong>und</strong> zu um, damit nichts<br />

anbrennt.<br />

Lassen Sie die Suppe 2 1/2 bis 3<br />

St<strong>und</strong>en oder bis das Fleisch zart ist<br />

köcheln. Falls das ganze zu trocken<br />

wird (während des Kochens), fügen Sie<br />

noch Wasser hinzu. Am Ende schmekken<br />

Sie die Suppe noch einmal mit den<br />

Gewürzen ab. #<br />

PATATAS CON GUACAMOLE<br />

(Kochbananen mit Avocadodip)<br />

Zutaten:<br />

120 ml Olivenöl<br />

250 g Tomaten<br />

150 g Frühlingszwiebeln<br />

5 g rote Chilischoten<br />

3 EL Zitronensaft<br />

1 B<strong>und</strong> Koriandergrün<br />

2 reife Avocados (ca. 450g)<br />

3 grüne Kochbananen<br />

Zubereitung:<br />

Tomaten häuten, vierteln, entkernen<br />

<strong>und</strong> fein würfeln. 2 Esslöffel<br />

zum Dekorieren beiseite stellen.<br />

Frühlingszwiebeln putzen, weiße <strong>und</strong><br />

hellgrüne Teile fein würfeln.<br />

Chilischoten entkernen <strong>und</strong> sehr fein<br />

würfeln. Koriander, bis auf einige<br />

Blättchen für Dekoration, fein hacken.<br />

Avocados schälen, den Kern herausnehmen,<br />

das Fruchtfleisch mit<br />

einer Gabel zerdrücken. Avocado mit<br />

Tomaten, Frühlingszwiebeln, Chili,<br />

Koriander, Zitronensaft <strong>und</strong> Olivenöl<br />

mischen, dabei mit Pfeffer <strong>und</strong> Salz<br />

würzen.<br />

Die Bananen in 2 cm dicke<br />

Scheiben schneiden. Bananenscheiben<br />

im restlichen Öl bei mittlerer<br />

Hitze 10 Minuten von beiden Seiten<br />

goldgelb braten.<br />

Danach aus der Pfanne nehmen<br />

<strong>und</strong> mit dem Boden eines Glasbechers<br />

in flache Scheiben pressen. Salzen <strong>und</strong><br />

pfeffern, bei starker Hitze 5 Minuten<br />

von beiden Seiten knusprig braten.<br />

28<br />

Ecuadors Präsidentenpalast in der<br />

Hauptstadt Quito<br />

Die heißen Bananenscheiben um<br />

die Guacamole anrichten, mit restlichen<br />

Tomatenwürfeln <strong>und</strong><br />

Koriandergrün dekorieren. #


Büchertipp | Texte: 1: Sigi Nasner, 2: Michael Heß<br />

Schmökerecke<br />

Der Protagonist der Geschichte, Piscine<br />

Patel, wächst als Sohn eines Zoobesitzers<br />

im politisch instabilen Indien<br />

der 70er Jahre auf. Als Kind wird er<br />

wegen seines Vornamens von seinem<br />

Bruder Ravi <strong>und</strong> den Mitschülern oft<br />

gehänselt. Schließlich befreit er sich<br />

durch eine List für immer von diesen<br />

Sticheleien <strong>und</strong> erkennt gleichzeitig,<br />

dass er mit viel Verstand <strong>und</strong> Einfallsreichtum<br />

gesegnet ist.<br />

ihm diesen Glauben näher brachten,<br />

an den Rand der Verzweiflung. Als die<br />

politische Lage Indiens immer unsicherer<br />

wird, entschließen sich seine<br />

Eltern mit den Zootieren <strong>und</strong> der gesamten<br />

Familie nach Kanada auszuwandern.<br />

Doch auf dem alten japanischen<br />

Frachter, auf dem sie die lange<br />

Seereise machen, kommt es im Laufe<br />

dieser Fahrt zur Katastrophe - das<br />

Schiff sinkt.<br />

Martel, Yann: Schiffbruch mit<br />

Tiger. Roman.<br />

Fischer Verlag, 2005. 382 S.,<br />

IBSN 3-596-15665-3<br />

Euro 9,90<br />

Piscine hat sehr engen Kontakt zu<br />

den Tieren des Zoos. Er bekommt darüber<br />

hinaus viele gut gemeinte <strong>und</strong><br />

naturwissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Ratschläge<br />

vom Vater <strong>und</strong> von seinem<br />

Biologielehrer Mr. Kumar - beide ausgeprägte<br />

Atheisten. Er erhält dadurch<br />

einen ausführlichen Einblick in die<br />

Verhaltensweisen wilder Tiere ohne zu<br />

ahnen, wie überlebenswichtig ihm<br />

dieses Wissen in Zukunft noch sein<br />

wird. Im Gegensatz zu diesem sachlichen<br />

Wissen steht seine ständige<br />

Suche nach Gott. Und indem er es fertig<br />

bringt sich als Christ, als Moslem<br />

sowie auch als Hindu zu fühlen, verblüfft<br />

er damit nicht nur seine Eltern,<br />

sondern bringt auch jene Priester, die<br />

Der nun folgende Überlebenskampf<br />

zwingt den gerade sechzehnjährigen<br />

Piscine alles bis dahin Erlernte<br />

erneut zu überdenken <strong>und</strong> Vorurteile<br />

aufzugeben. Er erkennt zu welch<br />

tiefen Glauben <strong>und</strong> welch außergewöhnlichen<br />

Veränderungen der<br />

Mensch um des Überlebens willen<br />

fähig ist. Ein bemerkenswertes Buch<br />

über tierisches Verhalten <strong>und</strong> Natur,<br />

Religion <strong>und</strong> Glaubensfreiheit, sowie<br />

die menschliche Psyche. Sehr ernsthafte<br />

<strong>und</strong> zeitgemäße Thematik aus<br />

dem einfachen Blickwinkel eines<br />

Kindes <strong>und</strong> Jugendlichen gesehen -<br />

jedoch keineswegs kindisch. Mit viel<br />

Humor geschrieben <strong>und</strong> von fesselnder<br />

Spannung getrieben. #<br />

Sigi Nasner<br />

Neudeck, Rupert: Ich will<br />

nicht mehr schweigen<br />

Melzer Verlag Neu-Isenburg,<br />

304 Seiten,<br />

ISBN 3-937389-73-3<br />

Euro 14,90<br />

Rupert Neudeck will nicht mehr<br />

schweigen. Über Recht <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

in Palästina - so der Untertitel<br />

seines kontrovers aufgenommenen<br />

Buches. Als Ergebnis seiner Reisen<br />

durch dieses gesch<strong>und</strong>ene Land. Im<br />

fiktiven Dialog mit dem jüdischen<br />

Religionsphilosophen Martin Buber<br />

(1878 - 1965) zeichnet Neudeck in kurzen<br />

Episoden das trostlose Bild des<br />

palästinensischen Alltages. Verursacht<br />

durch die israelische Politik. Damit<br />

bricht er ein ungeschriebenes Gesetz<br />

<strong>und</strong> zahlt einen hohen Preis dafür.<br />

Dass etliche namhafte Verlage den<br />

Druck des Manuskriptes ablehnten,<br />

dass sich endlich der jüdische Verleger<br />

Abraham Melzer fand <strong>und</strong> nun seinerseits<br />

als "Antisemit" denunziert wird.<br />

Neudeck macht sich nicht gemein.<br />

Nicht mit palästinensischen Attentätern<br />

<strong>und</strong> nicht mit israelischen Falken.<br />

Er stellt sich ohne Wenn <strong>und</strong> Aber<br />

zu den jüdischen <strong>und</strong> arabischen Friedensaktivisten<br />

wie Daniel Barenboim,<br />

Avram Burg <strong>und</strong> Uri Avnery. Er verweigert<br />

sich bewusst dem Denken des<br />

Entweder-Oder sowie einer Parteinahme<br />

von vornherein für Israel. Denn<br />

wer sehen will, der sieht die Außenpolitik<br />

Israels, die sich nicht um Völkerrecht<br />

<strong>und</strong> UNO-Beschlüsse schert.<br />

Der sieht das Morden tausender Kinder<br />

<strong>und</strong> Frauen seit den 30er Jahren im<br />

Interesse der israelischen Staatsräson.<br />

Der sieht die terroristische Biografie<br />

eines Ariel Scharon. Der erkennt, wie<br />

die Shoa von manchen israelischen<br />

Politikern als Feigenblatt zur Rechtfertigung<br />

von Demütigung <strong>und</strong> Gewalt<br />

den Arabern gegenüber missbraucht<br />

wird. Wer jede Kritik an Israel als Antisemitismus<br />

denunziert, der ist unfähig<br />

zum Dialog <strong>und</strong> ein Teil des Problems<br />

im Nahen Osten. Rupert Neudeck ermutigt<br />

den <strong>Leser</strong> zum widerständigen<br />

Nachdenken über Israelis <strong>und</strong> Palästinenser<br />

<strong>und</strong> er legt ein überfälliges<br />

Buch gegen bürgerliche Feigheit <strong>und</strong><br />

für bürgerliche Zivilcourage vor. #<br />

Michael Heß<br />

29


Büchertipp | Texte: Barbara Blasum<br />

Schmökerecke II<br />

Jachertz, Iris: Balkonblumen.<br />

Schritt für Schritt<br />

zur Idylle auf Balkon <strong>und</strong><br />

Terrasse.<br />

Reihe: GU Pflanzenpraxis.<br />

München: Gräfe <strong>und</strong><br />

Unzer, 2006. 128 S.,<br />

ca. 280 Farbfotos.<br />

ISBN 3-7742-8840-2,<br />

Euro 12,90<br />

Ratgeber<br />

Endlich ist es soweit! Der Lenz ist da,<br />

<strong>und</strong> vielen juckt es in den Fingern, aus<br />

Veranda, Loggia, Terrasse oder Wintergarten<br />

ein blühendes Paradies zu<br />

machen. Richtig loslegen sollte man<br />

allerdings erst nach den Eisheiligen<br />

um den 15. Mai, aber es macht großen<br />

Spaß, sich an Hand dieses neuen Balkonblumenratgebers<br />

schon vorher inspirieren<br />

zu lassen.<br />

Möglichkeiten gibt es viele, doch<br />

ein ganz wichtiger Aspekt ist die Lage.<br />

An einem eher schattigen Plätzchen<br />

gedeihen andere Pflanzen als an einem<br />

sonnigen Standort. Falls noch<br />

Wind dazu kommt, schränkt das die<br />

Auswahl ebenfalls ein. Die vielfältigen<br />

Ideen <strong>und</strong> zahlreichen praktischen<br />

Tipps umspannen den gesamten Bereich<br />

des Gärtnerns vom Planen über<br />

das Anlegen bis hin zur Pflege. Auch<br />

wer keinen "grünen Daumen" hat,<br />

kann hier aus dem Vollen schöpfen.<br />

Hätten Sie gedacht, dass es möglich<br />

ist, selbst auf kleinstem Raum einen<br />

Mini-Wassergarten anzulegen? Ein<br />

Farb- <strong>und</strong> Blühkalender sowie Tipps<br />

zum Balkongärtnern r<strong>und</strong> ums Jahr<br />

lässt keine Wünsche offen, zudem<br />

werden im Porträtteil in über 120 Kurzdarstellungen<br />

die schönsten Balkonblumen<br />

der jeweiligen Saison vorgestellt.<br />

Auch mit kleinen Mengen von<br />

selbstgezogenem Obst, Gemüse <strong>und</strong><br />

Kräutern können Sie den Küchenplan<br />

bereichern.<br />

Wer es schön haben will, muss<br />

schon etwas dafür tun, aber wenn Sie<br />

frühmorgens die glitzernden Tautropfen<br />

auf den Blüten anschauen,<br />

mittags <strong>und</strong> abends den Blütenduft<br />

einatmen, dann verwandeln sich Ihre<br />

Pflanzenarrangements in eine idyllische<br />

Wohlfühloase, die Sie für alle<br />

Mühen entschädigt. #<br />

Barbara Blasum<br />

Bodensteiner, Susanne:<br />

Alles mit Sauce. ...ohne<br />

fehlt was, Reihe: GU<br />

Küchen-Ratgeber.<br />

München: Gräfe <strong>und</strong><br />

Unzer, 2006. 64 S., Ill.<br />

(farb.),<br />

ISBN 3-8338-0074-7,<br />

Euro 7,50<br />

Sie sind das Tüpfelchen auf dem "i",<br />

<strong>und</strong> an ihrer Raffinesse konnte man<br />

früher eine gute Hausfrau erkennen -<br />

die Sauce. Frauen definieren sich heute<br />

anders, aber mit einem Griff zu diesem<br />

neuen Ratgeber machen sie beziehungsweise<br />

männliche Hobbyköche<br />

ein Sößchen zur schönsten Nebensache<br />

der Welt! Jedes Fleisch, jeder<br />

Fisch, Gemüse oder Süßspeisen in<br />

Form von Eis, Parfaits oder Törtchen<br />

gehen gern eine Liason mit ihnen ein.<br />

Manche Saucen sind schnell<br />

zubereitet, andere brauchen etwas<br />

länger. Die zehn aufgeführten<br />

Erfolgstipps garantieren ein gutes<br />

Gelingen. Ein guter Fond ist schon die<br />

halbe Miete - kombiniert mit frischen<br />

Zutaten vergeht rasch die Lust auf<br />

künstliche Aromen <strong>und</strong> Geschmacksverstärker.<br />

Saucen müssen auch nicht<br />

zwangsläufig dick machen. Es gibt<br />

schlanke Varianten, <strong>und</strong> sogar Vegetarier<br />

können <strong>und</strong> dürfen aus dem<br />

Vollen schöpfen.<br />

Probieren Sie doch mal Spargel<br />

mit Mascarpone-Rucola-Sauce, den<br />

Kinderliebling Brokkoli mit Fontina-<br />

(käse)sauce, Rotbarsch mit Ratatouille-Coulis<br />

oder Beerentarteletts mit<br />

Sabayon. Saucen-Partnerschaften<br />

werden in der Küche geschlossen! Bei<br />

den Rezepten ist sicher für Jeden etwas<br />

dabei!<br />

Die Autorin weiß, wovon sie<br />

spricht: sie war Redakteurin der großen<br />

deutschen Zeitschrift für Essen<br />

<strong>und</strong> Trinken. Das Buch eignet sich<br />

auch w<strong>und</strong>erbar als Gastgeschenk.<br />

Und zum Schluss noch ein kleiner Tipp:<br />

Nicht mit leerem Magen lesen! #<br />

Barbara Blasum<br />

30


Bürgerinitiativen „Keine Nordtangente“ | Foto: Archiv<br />

Nicht nur Luftballons<br />

steigen in den Himmel<br />

Unter diesem Motto eröffnen die<br />

Münsteraner Bürgerinitiativen gegen<br />

den geplanten Bau der Nordtangente<br />

ihre diesjährige Informationsaktion<br />

am 1. Mai <strong>und</strong> sependieren den<br />

Gewinnern eines Luftballon-Wettbewerbs<br />

einen R<strong>und</strong>flug über Münster<br />

Schon traditionell halten die Mitglieder<br />

der Initiativen für die zahlreichen<br />

Maiausflügler, die an diesem Tag<br />

zu Fuß oder per Rad unterwegs sind,<br />

umfangreiche Informationen zum geplanten<br />

Großprojekt "Nordtangente"<br />

bereit. Die vielen Erholungssuchenden<br />

sollen immer wieder daran erinnert<br />

werden, dass das geplante millionenschwere<br />

Straßenprojekt den gewachsenen<br />

Grüngürtel mit Aaniederungen<br />

<strong>und</strong> Kinderbachtal zwischen der<br />

Innenstadt <strong>und</strong> den Stadtteilen Coerde<br />

<strong>und</strong> Kinderhaus zerstören würde <strong>und</strong><br />

damit ebenso die beliebte Gasselstiege<br />

mit ihren wertvollen Naherholungsgebieten<br />

durchtrennt. Um diesen gravierenden<br />

<strong>und</strong> laut Meinung der Initiativen<br />

auch nicht notwendigen Einschnitt<br />

in die Natur zu verdeutlichen,<br />

wird die Interessengemeinschaft der<br />

Landwirte den Verlauf der geplanten<br />

Trasse mit Flatterband <strong>und</strong> Luftballons<br />

eindrucksvoll darstellen.<br />

Aber die Ballons sollen auch möglichst<br />

zahlreich fliegen. Versehen mit<br />

vielen guten Wünschen zum Erhalt der<br />

einmaligen, stadtnahen münsterländischen<br />

Kultur- <strong>und</strong> Parklandschaft<br />

können Spaziergänger <strong>und</strong> Radfahrer<br />

die Ballons auf die Reise schicken:<br />

- damit Münster auch in Zukunft zur<br />

lebenswertesten Stadt der Welt<br />

gekürt werden kann<br />

- damit die historische Kulturlandschaft<br />

den Bürgern als Naturschutz<strong>und</strong><br />

Naherholungsgebiet erhalten<br />

bleibt<br />

- damit wichtige Kaltluftentstehungsgebiete<br />

<strong>und</strong> Frischluftschneisen<br />

mit ihrer zentralen<br />

Bedeutung für ein ges<strong>und</strong>es<br />

Stadtklima nicht zerstört werden.<br />

Den Absender <strong>und</strong> den Finder des<br />

Ballons, der den weitesten Weg zurükkgelegt<br />

hat, erwartet ein R<strong>und</strong>flug<br />

über Münster - der lebenswertesten<br />

Stadt der Welt.<br />

Die Bürgerinitiativen "Keine<br />

Nordtangente" laden am 1. Mai ganz<br />

herzlich zur Info- <strong>und</strong> Luftballonaktion<br />

ab 10.00 Uhr ein. Treffpunkt ist die<br />

Gasselstiege in Höhe der Weggabelung<br />

Rektoratsweg bzw. des Standortes der<br />

Skulptur "Tunnelblick", die seit einigen<br />

Jahren ebenfalls den Blick für den<br />

verantwortungsbewussten, achtsamen<br />

Umgang mit der Natur schärfen soll. #<br />

Anzeige<br />

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Rechtsanwalt<br />

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Paul Demel<br />

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Die Rechtsanwaltskammer Hamm hat mir aufgr<strong>und</strong> der<br />

nachgewiesenen besonderen theoretischen Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> praktischen Erfahrungen zusätzlich die<br />

Berufsbezeichnung<br />

§ § § § § § § § § § §<br />

Fachanwalt für<br />

§<br />

Miet-<br />

§ §<br />

<strong>und</strong><br />

§<br />

Wohnungseigentumsrecht<br />

§ § § § § § §<br />

verliehen.<br />

Bahnhofstr. 5 48143 Münster Tel.: 02 51 - 414 05 05 Fax: 02 51 - 414 05 06<br />

31


Die nächste ~<br />

erscheint am 02.06.2006<br />

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