Liebe Leserinnen und Leser, - Draußen
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Editorial<br />
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<strong>Liebe</strong> <strong><strong>Leser</strong>innen</strong> <strong>und</strong> <strong>Leser</strong>,<br />
ich gebe Ihnen meine Ehrenwort. Ich wiederhole: Ich gebe<br />
Ihnen mein Ehrenwort als Redakteur der ~. Ich war<br />
es nicht! Ich habe nicht die rostige Ziege heimlich auf den<br />
Kreisverkehr in Gievenbeck gestellt. So weit geht meine<br />
<strong>Liebe</strong> zum 1. FC Köln nun doch nicht, dass ich erst einen<br />
Kunstkurs "Skulpturen schweißen für Anfänger" an der<br />
Volkshochschule belege, dann bei Nacht <strong>und</strong> Nebel über<br />
den Zaun auf irgendeinen Schrottplatz klettere, ein paar<br />
gammelige Eisenteile klaue <strong>und</strong> unten bei mir im Keller zu<br />
Hennes, dem Geißbock, zusammenklamüsel.<br />
Andere Fußballfans tun so was vielleicht, ich nicht.<br />
Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen, seit ich neulich<br />
folgendes in der Zeitung gelesen habe: Zu welchem Verein<br />
man als Erwachsener hält, entscheidet sich meistens schon<br />
in der Kindheit. Die Koten orientieren sich da am Papa. Nun<br />
habe ich meiner Tochter zu Ostern ein Trikot des FC Köln<br />
geschenkt. Hat sie sich gewünscht. Ich habe hin <strong>und</strong> her<br />
überlegt, ob ich das als Vater verantworten kann. Fans des<br />
1. FC Köln müssen immerhin viel Elend <strong>und</strong> Spott ertragen.<br />
Schließlich aber dachte ich: Vielleicht ist es pädagogisch ja<br />
durchaus sinnvoll, wenn sie lernt, dass man etwas heiß<br />
<strong>und</strong> innig lieben kann, das ewig verliert.<br />
Meine Tochter hat das übrigens alles wenig interessiert, sie<br />
hat das Trikot drei Tage nicht mehr ausgezogen. Sogar<br />
nachts hat sie drin geschlafen. Und was soll ich Ihnen<br />
sagen: Zu sehen wie sich jemand so über ein Ostergeschenk<br />
freut, ist viel, viel schöner als eine weitere Saison in der<br />
ersten B<strong>und</strong>esliga.<br />
Kölle Alaaf,<br />
Ihr<br />
Gerrit Hoekman<br />
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Impressum<br />
Inhalt<br />
Impressum:<br />
Herausgeber<br />
~ e.V.<br />
Overbergstr. 2<br />
48145 Münster<br />
Redaktion<br />
Tel.: 0251 / 5389 - 128<br />
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Rauchen vor der Tür<br />
EU fordert qualmfreie Kneipen<br />
1.500 Euro Gr<strong>und</strong>einkommen - für alle!<br />
Großdrogist hat revolutionären Vorschlag<br />
Werde ein Weltverbesserer<br />
Wie man im Kleinen Großes bewirken kann<br />
Streetwork<br />
Sabrina Kipp<br />
drinnen@muenster.de<br />
Internet | E-Mail-Adresse<br />
www.muenster.org/draussen<br />
draussen-redaktion@t-online.de<br />
An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet<br />
Martin Barfuß, Barbara Blasum,, Heinz Dalmühle, Michael<br />
Heß, Gerrit Hoekman (V.i.S.d.P.), Andreas Horn, Sabrina<br />
Kipp, Malte Koppe, Valerie Kranig, Sigi Nasner, Claudia<br />
Picker, Barbara Suttrup, Andy Wolff, Susanne Wonnay<br />
Fotos<br />
Martin Barfuß, Wolfgang Beyer, Heinz Dalmühle, Malte<br />
Koppe, Reinhold Kübber, Claudia Picker, Martin Zeise<br />
Illustrationen<br />
Aike Arndt<br />
Gestaltungskonzept<br />
Lisa Schwarz, Christian Büning<br />
www.elisabethschwarz.de<br />
www.christianbuening.de<br />
Layout, Titel<br />
Martin Barfuß, Heinz Dalmühle<br />
Druck<br />
Borgsmüller Druck<br />
unterstützt durch<br />
Siverdes-Stiftung<br />
Fontshop, Berlin (spendierte die Satzschrift FF Fago)<br />
Bankverbindung<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 33 878<br />
BLZ 400 501 50<br />
Wir danken allen Spendern!<br />
Bitte berücksichtigen Sie unsere Werbepartner!<br />
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Im Namen der Quote<br />
Gerichtsshows aus Sicht eines Juristen<br />
Satansbraten<br />
Black-Metal-Szene von Rechtsradikalen unterwandert<br />
Katholiken nehmen Gebühren<br />
Studenten der Fachhochschule sollen fürs Studium blechen<br />
Kein Taxi für Obdachlose<br />
Zwei ältere Herren warten st<strong>und</strong>enlang auf Droschke<br />
Pfingsten: Kirche hat Geburtstag<br />
Tauben, Ochsen <strong>und</strong> der Heilige Geist<br />
Bildung für Betuchte<br />
Nordrhein-Westfalen lässt freie Schulwahl zu<br />
Als Deutscher in Polen<br />
Malte Koppe ist für ein Semester Student in Lublin<br />
Wurm im Ohr<br />
Warum uns Schnappi & Co nicht mehr aus dem Kopf gehen<br />
Mein Alltag ohne Ihn<br />
Susanne Wonnay hat sich von ihrer Flimmerkiste getrennt<br />
Wilde Hottehühs<br />
In Dülmen jagen junge Burschen arme Zossen<br />
Kriegerposen am Mauritztor<br />
Ein Denkmal beschreit deutschen Größenwahn<br />
Gefährliche Seilschaften<br />
Was Sigi Nasner beim Abschleppen passierte<br />
Gut gewirtschaftet<br />
Offen <strong>und</strong> ehrlich: der ~- Jahresbericht<br />
Wenn Opa tüddelig wird<br />
Altersdemenz wird immer größeres Problem<br />
Exotisches aus Ecuador<br />
WM-Gegner isst gerne scharf<br />
~ ist Mitglied im B<strong>und</strong>esverband sozialer<br />
Straßenzeitungen<br />
3
Bhuddhas, Babas, hohe Berge<br />
Die in Münster lebenden Nepalesen denken im Moment mit Sorge an ihr Heimatland.<br />
In Kathmandu kämpft das Volk gegen Polizei, Armee <strong>und</strong> den autoritären König.<br />
In den Straßen fliegen Steine <strong>und</strong> brennen die Barrikaden aus Autoreifen.<br />
4<br />
Der größte Teil Nepals ist unter der Kontrolle der Maoistischen Befreiungsbewegung, es ist nur noch eine<br />
Frage der Zeit, wann der König abdanken muss. In der nächsten Ausgabe lesen Sie ein Exklusivinterview<br />
mit einem der nepalesischen Guerilla-Kämpfer.
Rauchen verboten | Text: Andreas Horn | Foto: Heinz Dalmühle<br />
Rauchen vor<br />
der Tür<br />
Qualm-Oase: Straßenmagazin „draußen!“<br />
Die ~-Mitarbeiter mussten sich<br />
bei der Nachricht vor Schreck erst<br />
mal eine Zigarette anstecken: Es ist<br />
wohl nur noch eine Frage der Zeit,<br />
wann deutsche Raucher in Cafés <strong>und</strong><br />
Kneipen mit ihren Fluppen vor die<br />
Tür müssen. Zwar ziert sich die B<strong>und</strong>esregierung<br />
noch, aber die EU<br />
macht Druck, endlich die Richtlinien<br />
einzuhalten. Wie bereits in Italien,<br />
Irland oder Spanien geschehen.<br />
Andreas Horn hat sich in Münster<br />
umgehört, ob Gaststätten, Kneipen<br />
<strong>und</strong> Hotels vielleicht schon einen<br />
Schritt voraus sind.<br />
Der Abend ist perfekt. Schummriges<br />
Kerzenlicht, ruhige Musik beim<br />
Lieblingsitaliener, gegenüber sitzt der<br />
Traumpartner <strong>und</strong> gerade lässt man<br />
sich den letzten zuckersüßen Rest des<br />
Dessert auf der Zunge zergehen - da<br />
pafft der Dicke vom Nachbartisch den<br />
Zigarrenqualm nur so herüber. Dem<br />
Nichtraucher kribbelt es in der Nase,<br />
kriecht der Hustenreiz langsam in den<br />
Hals. Für den Zigarrenliebhaber bedeutet<br />
jeder Zug an seiner Zigarre Genuss<br />
pur, der den Abend für ihn abr<strong>und</strong>et<br />
<strong>und</strong> so was von entspannt. Die<br />
Folge: Der Nichtraucher beschwert<br />
sich, der Raucher ist genervt <strong>und</strong> der<br />
Abend schließlich für beide gelaufen.<br />
Ein Gesetz, das Raucher von<br />
Nichtrauchern trennt, fehlt bislang in<br />
Deutschland. Ist in Länder wie Irland<br />
das öffentliche Rauchen in allen Kneipen<br />
<strong>und</strong> Bars seit zwei Jahren verboten,<br />
sträuben sich Merkel & Co einzuschreiten.<br />
Obwohl die Zahlen dafür<br />
sprechen: 650 000 Menschen sterben<br />
jährlich an den Folgen von Tabakkonsum<br />
in der Europäischen Union.<br />
Kosten: 100 Milliarden Euro. Berlin<br />
weist die Kritik der EU zurück, man<br />
setzt weiterhin auf das Prinzip der<br />
Freiwilligkeit.<br />
Mehr gibt es in Münster bislang<br />
auch nicht. Ein Drittel der Betriebe in<br />
der Münsteraner Gastronomie hat<br />
gemeinsam mit dem Deutschen Hotel<strong>und</strong><br />
Gaststättenverband DEHOGA freiwillig<br />
beschlossen, den Nichtraucherschutz<br />
zu verbessern: An 30 Prozent<br />
der Tische soll Zigarettenrauch verboten<br />
sein. Alle Gaststätten, die der Regel<br />
zugestimmt haben, verfügen über<br />
mehr als 40 Plätze <strong>und</strong> sind mindestens<br />
75 Quadratmeter groß. Gaststätten,<br />
in denen es mehr gibt als eine<br />
Frikadelle, ein Mettendchen oder ein<br />
belegtes Brötchen zum Bier. Bis 2008,<br />
so das Ziel der DEHOGA, sollen 90 Prozent<br />
aller Münsteraner Betriebe die<br />
Hälfte ihrer Plätze für Nichtraucher frei<br />
halten.<br />
Bei kleineren Kneipen, Clubs <strong>und</strong><br />
Pubs sieht das anders aus. Oft bestehen<br />
die aus nur einem Raum, eine<br />
Trennung ist also unmöglich. Bliebe<br />
nur ein generelles Rauchverbot. "Das<br />
wird problematisch. Für viele Gäste<br />
gehört die Zigarette zum Bier oder<br />
Kaffee einfach dazu", erzählt Dirk<br />
Schwabeland, Inhaber des "Diesel" an<br />
der Windthorststraße. Eine Nichtraucherzone<br />
sei bei ihm in der Kneipe<br />
deshalb im Moment nicht drin. Bernd<br />
Redeker von der "Gorillabar" in der<br />
Jüdefelderstraße sieht das etwas gelassener:<br />
"Ein Rauchverbot wäre natürlich<br />
eine Einschränkung, aber ich<br />
glaube nicht, dass die Leute deswegen<br />
zu Hause bleiben würden."<br />
Ganz anders im Café Prütt in der Bremer<br />
Straße. Inhaberin Heidje Thormann<br />
glaubt: "Hier würden sich viele<br />
über ein generelles Rauchverbot freuen."<br />
Seit 2005 gilt im Prütt bis 15 Uhr<br />
absolutes Rauchverbot. Zum Abend hin<br />
müssen sich die Raucher den Nichtrauchern<br />
unterordnen, in einem separaten<br />
Bereich darf dann geraucht werden.<br />
Thormann: "Bei einem Verbot<br />
würde unser Laden keinen Schaden<br />
nehmen."<br />
Qualmfrei auch das Rathaus.<br />
Oberbürgermeister Tillmann hat es vor<br />
einiger Zeit zur rauchfreien Zone erklärt.<br />
"In die Verwaltung dringt das<br />
Thema langsam ein", so Jörg Espei<br />
vom Ges<strong>und</strong>heitshaus Münster. Anfang<br />
März wurde bereits eine Ges<strong>und</strong>heitskonferenz<br />
einberufen - Stadt, Krankenkassen,<br />
Heilmittelbringer <strong>und</strong> der<br />
DEHOGA-Westfalen saßen an einem<br />
Tisch. Handlungsempfehlungen wurden<br />
beim Treffen erarbeitet, die nun<br />
umgesetzt werden müssen. Espei:<br />
"Raucher sollen das Nichtrauchen lernen<br />
<strong>und</strong> Nichtraucher sollen gestärkt<br />
werden, dass sie es auch bleiben."<br />
Außerdem würde in Zusammenarbeit<br />
mit den Krankenkassen an den<br />
Schulen über die Folgen des Rauchens<br />
informiert.<br />
Insgesamt ein heikles Thema also,<br />
bei dem es schwierig wird, den goldenen<br />
Mittelweg zu finden. Aber eine<br />
Lösung muss her. Mit einer Entscheidung<br />
der Regierung ist nicht vor Ende<br />
Juni zu rechnen. Immerhin: Laut einer<br />
Forsa-Umfrage befürworten knapp<br />
über die Hälfte aller Deutschen ein<br />
generelles Rauchverbot. #<br />
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Wirtschaftspolitik | Text: Gerrit Hoekmann | Foto: Martin Barfuß<br />
Drogerie-Chef fordert:<br />
1.500 Euro Gr<strong>und</strong>einkommen - für alle!<br />
Hoffnungsschimmer für die Punks<br />
am Hauptbahnhof: Ginge es nach<br />
Götz Werner, dann bekämen sie in<br />
Zukunft ein Gr<strong>und</strong>gehalt von 1.500<br />
Euro. Wie wir alle. Einfach so vom<br />
Staat. Der Chef der Drogeriekette<br />
"dm" ist in den letzten Monaten mit<br />
einer fast schon revolutionären Idee<br />
hausieren gegangen: Niemand muss<br />
mehr arbeiten <strong>und</strong> kann trotzdem in<br />
Würde leben. Gerrit Hoekman über<br />
einen ungewöhnlichen Großunternehmer.<br />
"Hartz IV ist wie offener Strafvollzug.<br />
Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten,<br />
Hartz IV quält die Menschen,<br />
zerstört ihre Kreativität." Götz<br />
Werner war im "Stern"-Interview neulich<br />
mächtig in Rage. "Dass eine rotgrüne<br />
Regierung dieses destruktive<br />
Element in die Gesellschaft gebracht<br />
hat ist ein Skandal." Ungewöhnliche<br />
Töne für einen erfolgreichen Unternehmer,<br />
der mit seiner Drogeriekette<br />
"dm" im Jahr einen Umsatz von drei<br />
Milliarden Euro macht <strong>und</strong> in 1.600<br />
Filialen 23.000 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Nach Anton Schlecker ist Götz Werner<br />
der zweitgrößte Drogist in Deutschland.<br />
Der Unternehmer aus Karlsruhe<br />
forderte letztes Jahr in einer großen<br />
Anzeigenkampagne die Einführung<br />
eines Gr<strong>und</strong>lohns von 1.500 Euro. Für<br />
jeden. Auch für Arbeitslose. Ohne Antrag,<br />
ohne Formulare. Einfach so. Bis<br />
zum Tod. "Alle sollen ein Leben in<br />
Würde <strong>und</strong> frei von Existenzangst führen",<br />
sagt Werner im "Stern". Dafür<br />
will er die Mehrwertsteuer erhöhen,<br />
auf bis zu 48 Prozent, wenn es sein<br />
muss. Im Gegenzug werden alle anderen<br />
Steuern abgeschafft. "Viele werden<br />
den Sinn in ihrer Arbeit wieder entdecken.<br />
Denn niemand ist verwehrt<br />
über das Gr<strong>und</strong>einkommen hinaus<br />
tätig zu werden <strong>und</strong> weitere<br />
Einkommen zu erzielen - nur der<br />
Zwang fällt weg", beschreibt Werner<br />
seine Vision in der grün-alternativen<br />
Berliner "tageszeitung". Das Finanzamt<br />
könnte also dicht machen, alleine<br />
dadurch würden schon riesige Summen<br />
frei für die lebenslange Gr<strong>und</strong>rente.<br />
Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Sozialhilfe<br />
bezahlt der Staat heute ja schon<br />
ohnehin.<br />
Der 62-Jährige glaubt nämlich,<br />
dass die Zeiten endgültig vorbei sind,<br />
in denen jeder einen Job hatte. "Vollbeschäftigung<br />
ist eine Lüge, ein<br />
Mythos!" Die Wirtschaft habe nicht die<br />
Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen,<br />
sondern im Gegenteil, die Menschen<br />
von der Arbeit zu befreien. "Und das<br />
ist uns in den letzten 50 Jahren ja<br />
auch grandios gelungen", findet er in<br />
der Stuttgarter Zeitung. Ganz ohne<br />
Ironie sagt er das. "Kein Unternehmer<br />
fragt sich morgens: Wie kann ich<br />
Mitarbeiter einstellen?" Die Wirtschaft<br />
müsse vor allen Dingen Güter produzieren<br />
<strong>und</strong> das mit so wenig Aufwand<br />
<strong>und</strong> so billig wie möglich. "Aber sie<br />
muss die Menschen auch mit ausreichend<br />
Geld ausstatten, um zu konsumieren."<br />
Mit dem alten Kapitalisten-<br />
Credo "Wer nicht arbeitet, soll auch<br />
nicht essen" komme man heute nicht<br />
mehr weiter. Weil die Wirtschaft immer<br />
effektiver arbeite, die Arbeit besser<br />
organisiere. "Und besser organisieren<br />
heißt immer, Arbeit einzusparen."<br />
Er selbst hat in den vergangenen<br />
Jahren zwar Tausende neuer Leute<br />
eingestellt, aber das ist für Werner ein<br />
zweischneidiges Schwert: "Unser Unternehmen<br />
ist erfolgreich, weil es produktiver<br />
ist als andere. Weil es produktiver<br />
ist, wächst es. Weil es wächst,<br />
schafft es Arbeitsplätze." Das gehe<br />
aber auf Kosten der Jobs bei Unternehmen,<br />
die weniger produktiv sind.<br />
"Erfolg bei gesättigten Märkten führt<br />
immer zum Abbau von Arbeitsplätzen."<br />
Wer würde denn überhaupt<br />
noch arbeiten gehen, wenn jeder<br />
1.500 Euro im Monat bekommt, fragen<br />
Kritiker. Solche Leute würden den<br />
immaterielle Wert der Arbeit unterschätzen,<br />
glaubt Götz Werner. "Viele<br />
Menschen haben sehr viel Spaß an<br />
ihrer Aufgabe. Denken Sie auch an alle<br />
sozialen Berufe <strong>und</strong> die ganze Kulturarbeit.<br />
Das gibt es einen riesigen Bedarf,<br />
der endlich finanzierbar wäre."<br />
Und die Arbeit, die keinen Spaß<br />
macht, muss eben entsprechend höher<br />
bezahlt werden - oder sie bleibt liegen.<br />
Ebenso ungewöhnlich wie die<br />
Ansichten des Chefs ist auch das Klima<br />
in den dm-Märkten. "So wie ich mit<br />
meinen Mitarbeitern umgehe, so gehen<br />
sie mit den K<strong>und</strong>en um", sagt<br />
Werner. Das sehen manche Konkurrenten<br />
deutlich anders. Wer bei dm<br />
arbeitet, muss Initiative zeigen, Ideen<br />
haben. "Keine Kette vertraut den Verkäufern<br />
vor Ort so viel Verantwortung<br />
an", schreibt das "Managermagazin".<br />
Die Filialen bestimmen das Sortiment,<br />
machen Dienstpläne <strong>und</strong> handeln<br />
selbständig die Gehälter aus. Teilweise<br />
wählt die Belegschaft sogar ihre Vorgesetzten<br />
<strong>und</strong> auch bei Neueinstellungen<br />
hat sie ein gewichtiges Wörtchen<br />
mitzureden. Muss in einer Filiale<br />
etwas entschieden werden, können<br />
alle Vorschläge machen, über die sie<br />
dann in großer R<strong>und</strong>e diskutieren.<br />
Personalkosten gibt es bei Götz<br />
Werner nicht, bei dm heißt das "Kreativposten".<br />
Wortklauberei? Nicht für<br />
den Chef. "Kennen Sie einen Unternehmer,<br />
der Mitarbeiter einstellt, um<br />
Kosten zu produzieren?", fragt er in<br />
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.<br />
Bonussystem <strong>und</strong> Prämien<br />
gibt es bei dm nicht. "Das ist<br />
Misstrauen in die Leistungsbereitschaft<br />
der Mitarbeiter", sagt der Milliardär.<br />
Werner ist bekennender Anthroposoph<br />
6
<strong>und</strong> denkt ganzheitlich. "Hier bin ich<br />
Mensch, hier kauf ich ein", steht auf<br />
den Plastiktüten, welche die K<strong>und</strong>en<br />
in den dm-Märkten bekommen. Ein<br />
abgewandelter Satz von Goethe. Seine<br />
Lehrlinge schickt Werner in Theater-<br />
Workshops, damit sie später bei der<br />
Arbeit im Laden miteinander offener<br />
umgehen. In Karlsruhe lehrt er an der<br />
Universität Wirtschaftsstudenten, wie<br />
sie erfolgreiche Geschäftsleute werden.<br />
"Sie müssen erst einmal in der<br />
Lage sein zu lieben", sagt er in der<br />
"Tageszeitung". "Das brauchen Sie für<br />
alle Entscheidungen im Leben."<br />
Sogar Gewerkschafter zollen Götz<br />
Werner Respekt: "Der behandelt seine<br />
Leute nicht wie Nummern", findet<br />
Verdi-Funktionär Bernhard Franke,<br />
"<strong>und</strong> die Ausbildung bei dm ist beispielhaft."<br />
In die nahe Schweiz ziehen<br />
der Steuern wegen, würde Werner<br />
übrigens nie. Die Klagen der deutschen<br />
Manager über zu hohe Steuern<br />
<strong>und</strong> Nebenkosten, hält er für<br />
Heuchelei: "Als Unternehmer zahle ich<br />
meine Steuern sowieso nicht. Ein<br />
Unternehmer zahlt nie Steuern, sondern<br />
verkalkuliert sie. Bezahlt werden<br />
sie vom K<strong>und</strong>en über den Preis." Auch<br />
ein Posten, der in die Gr<strong>und</strong>rente einfließen<br />
kann. #<br />
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben...<br />
Nazis kommen am 06. Mai<br />
Auf den letzten Drücker haben die<br />
Neonazis um Axel Reitz ihren für den<br />
Ostersamstag geplanten Aufmarsch im<br />
Kreuzviertel abgesagt. Nun wollen sie<br />
am 6. Mai in Münster auflaufen. Für<br />
die Bürgerinitiative "Kreuzviertel stellt<br />
sich quer" <strong>und</strong> andere Antifaschisten<br />
macht das keinen Unterschied - sie<br />
wollen wie schon im Februar die<br />
Rechtsradikalen am Zug durch Münster<br />
hindern. "Es ist uns egal, ob der<br />
Naziaufmarsch am Hauptbahnhof<br />
oder im Zentrum Nord beginnt. Wir<br />
werden vor Ort sein!" Die ~ fordert<br />
alle Münsteraner auf, sich am<br />
Widerstand gegen die braunen Kameraden<br />
zu beteiligen. #<br />
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Feldenkrais-Praxis<br />
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Internet-Tipp | Text: Claudia Picker | Foto: Archiv<br />
Werde ein<br />
Weltverbesserer!<br />
Was brauchen wir Revolutionen,<br />
Randale <strong>und</strong> Revolten - die Welt zu<br />
verändern kann so leicht sein <strong>und</strong><br />
wir müssen dazu oft nicht einmal auf<br />
die Straße. Veränderung beginnt im<br />
Kleinen: auf dem Komposthaufen,<br />
bei der Plastiktüte, beim Wasserverbrauch.<br />
Wie wir alle mit wenig<br />
Aufwand zu einer besseren Welt beitragen<br />
können, verrät die Homepage<br />
www.wearewhatwedo.de im Internet.<br />
Claudia Picker hat die besten<br />
Ideen ausgespäht.<br />
Der Welt geht es schlecht, den<br />
Menschen geht es schlecht; den Tieren<br />
auch <strong>und</strong> den Politkern sowieso. Aber<br />
mit dem ewigen Jammern ist es nun<br />
vorbei! Eine neue Bewegung erobert<br />
die Welt: "We are what we do", auf<br />
Deutsch "Wir sind, was wir tun".<br />
Motto: Kleinvieh macht auch Mist. Geahnt<br />
haben wir das schon lange, aber<br />
erst der Engländer David Robinson<br />
musste kommen, um uns die Augen<br />
zu öffnen. Zusammen mit der Australierin<br />
Eugenie Harvey. Ihre Devise<br />
ist: Schlichte <strong>und</strong> einfache Dinge verbessern<br />
die Welt. Allerdings müssen<br />
auch alle mitmachen Wohl das größte<br />
Problem der Bewegung.<br />
50 Tipps haben die Gründer parat<br />
<strong>und</strong> uns allen geht es besser. Erst mal<br />
müssen wir unsere Gewohnheiten ändern.<br />
Besonders die auf Kosten der<br />
Natur. Also weniger Fleisch essen,<br />
Äpfel <strong>und</strong> Birnen aus der Region kaufen<br />
<strong>und</strong> nicht aus Spanien <strong>und</strong> Marokko.<br />
Auch einen Baum zu pflanzen<br />
kann ein revolutionärer Akt sein,<br />
glauben Robinson <strong>und</strong> Harvey. Oder<br />
einfach nur fre<strong>und</strong>lich sein zu den<br />
Mitmenschen, einmal am Tag ein<br />
Lächeln schenken. Banal? Sicher, aber<br />
wenn alle mitmachen, dann können<br />
im Kleinen große Dinge entstehen.<br />
Jeden Tag eine gute Tat - die alte<br />
Pfadfinderweisheit findet neue<br />
Anhänger. Wie viel das bringt wird<br />
sich erst noch zeigen, zumindest<br />
scheint schon mal der Funke überzuspringen.<br />
Und jeder, der mitmachen<br />
will, kann natürlich auch eigene<br />
Ideen einbringen, wie die Welt<br />
lebenswerter wird.<br />
Hört sich alles gut an. Gr<strong>und</strong> genug<br />
für einen Selbstversuch. Wie sieht<br />
es aus mit dem eigenen Gute-Taten-<br />
Stand? Ich will die Welt verbessern,<br />
ich, eine fast alltägliche Sünderin.<br />
Dazu brauche ich kein albernes Superheldenkostüm,<br />
sondern nur die Tipps<br />
von "Wir sind, was wir tun". Also los!<br />
Plastiktüten sind verpönt. Verzicht ist<br />
gefordert. Den neuen Pulli stopfe ich<br />
enthusiastisch in meinen schmuddeligen<br />
Rucksack. Tüte? Nein Danke,<br />
brauche ich nicht. Zweiter Tipp: Mache<br />
einen Erste-Hilfe-Kurs. Habe ich<br />
schon, ich war mal Rettungsschwimmerin.<br />
Zählt trotzdem, finde ich.<br />
Irgendwie. Dritter Tipp: Ein Lächeln<br />
verschenken. Das fällt leicht. Der vierte<br />
Tipp stellt mich dann vor ein Problem.<br />
Ich soll einen Baum pflanzen.<br />
Zählen meine Basilikumpflänzchen<br />
auch? Oder fallen die unter den Auftrag<br />
"Lass etwas wachsen"? Dann Organspender<br />
werden - eine entsprechende<br />
Karte lag doch dem Willkommensgruß<br />
der Stadt bei, als ich nach<br />
Münster gezogen bin, oder? Ich werde<br />
drüber nachdenken. Mit dem Thema<br />
Blutspenden kann ich jedoch was anfangen.<br />
Seit ich 18 bin, spende ich regelmäßig.<br />
Ehrensache.<br />
Die Welt verbessern ist gar nicht<br />
so schwer. Beim Zähneputzen soll der<br />
Wasserhahn zugedreht werden. Das<br />
schockiert mich. Gibt es Menschen,<br />
die den laufen lassen? Aufforderungen<br />
wie "Beweg dich", "Nutze den Tag"<br />
<strong>und</strong> "Mach das Licht aus, wenn du<br />
gehst" sind kein Problem. Mit jemandem<br />
zu baden, den man liebt, empfinde<br />
ich dagegen als grenzwertig.<br />
Wäre da eine Dusche nicht wassersparender?<br />
Oder geht es um die Rettung<br />
der <strong>Liebe</strong>? Außerdem soll man die<br />
Weltverbesserungsaktion Nr. 7:<br />
Einen Baum pflanzen!<br />
Heizung runter drehen. Wahrscheinlich<br />
wissen die Weltverbesserer nicht,<br />
dass ich noch nie so gefroren habe<br />
wie in diesem Winter. Und alles nur,<br />
weil alle mich wegen der steigenden<br />
Kosten verrückt gemacht haben. Mehr<br />
geht nicht bei mir. Beim besten Willen<br />
nicht. Da backe ich doch lieber mal für<br />
nette Menschen einen Kuchen, lerne<br />
einen Witz oder umarme jemanden.<br />
Noch ein Erfolg: Ich bin laut Homepage<br />
die 1937. Person die ihre Elektrogeräte<br />
ganz ausschaltet. Gut, oder?<br />
Diese Aktion ist ansteckend.<br />
Denn: Denkt man erst einmal übers<br />
eigene Verhalten nach, dann ändert<br />
sich auch was. Jetzt müssen wir nur<br />
noch alle auf den Zug aufspringen.<br />
Gemeinsam können wir es schaffen,<br />
gemeinsam sind wir stark. Tun Sie mal<br />
wieder jemandem etwas gutes,<br />
schlendern Sie mal wieder durch den<br />
Bioladen <strong>und</strong> kaufen Produkte aus der<br />
Region. Zeigen Sie Eigeninitiative!<br />
Muss man wirklich immer die Spülung<br />
am Stillen Örtchen ziehen? Mal mit<br />
meinem Fre<strong>und</strong> darüber reden. Der<br />
schaut entsetzt. Erst bin ich beleidigt,<br />
aber dann denke ich: Stimmt eigentlich,<br />
was ist, wenn mal Fre<strong>und</strong>e zu<br />
Besuch kommen? Welt verbessern<br />
schön <strong>und</strong> gut, aber übertreiben will<br />
ich es nun auch nicht. Trotzdem:<br />
Machen Sie mit <strong>und</strong> sei es nur mit<br />
einem Lächeln! #<br />
8
Gerichtsshows | Text: Martin Barfuß | Foto: Sat 1<br />
Im Namen<br />
der Quote<br />
"Glauben Sie nur nicht, dass sie<br />
damit hier durchkommen!" Der<br />
Staatsanwalt ist auf 180, der renitente<br />
Angeklagte raubt ihm den<br />
letzten Nerv. Die Richterin tippt mit<br />
ihrem Kugelschreiber aufs Pult. Auf<br />
der Zeugenbank kommt es zu Tumulten.<br />
Kein Zweifel: Wir haben uns<br />
in eine Gerichtsshow gezappt.<br />
"Richterin Barbara Salesch" <strong>und</strong> wie<br />
sie alle heißen, haben am Nachmittag<br />
gute Quoten. Das Fernsehvolk<br />
steht auf kleine <strong>und</strong> große Verbrechen.<br />
Aber wie real ist das Leben<br />
vor dem TV-Kadi? Martin Barfuß, der<br />
beide juristische Staatsexamen im<br />
Schweiße seines Angesichts absolviert<br />
hat, nimmt die Fernsehrichter<br />
unter die Lupe.<br />
Gerichtsverhandlungen ziehen<br />
seit Ewigkeiten die Menschen in den<br />
Bann. Besonders wenn es um Mord<br />
<strong>und</strong> Totschlag geht. Als Zeitungen noch<br />
die einzige Informationsquelle waren,<br />
hatten die großen Redaktionen besondere<br />
Reporter, die tagaus, tagein<br />
aus dem Gerichtssaal berichteten. Was<br />
in der Presse funktioniert, sollte doch<br />
erst recht im Fernsehen Erfolg haben,<br />
dachten sich schon früh die Programmchefs.<br />
Serien wie "Ehen vor<br />
Gericht" oder "Das Verkehrsgericht"<br />
waren in den Siebzigern echte Strassenfeger,<br />
über die das Land tagelang<br />
noch sprach. Auch das "Königlich bayrische<br />
Amtsgericht" war sehr beliebt,<br />
aber da ging es eher lustig zu. Die Fälle<br />
nahm niemand richtig ernst.<br />
Seit einigen Jahren feiert eine<br />
neue Generation der TV-Justiz Erfolge:<br />
Gerichtsshows. Unter der Woche urteilen<br />
echte Richter im Namen des Volkes,<br />
wo sie eigentlich doch im Namen<br />
der Quote meinen. Richterin Barbara<br />
Salesch ist der Superstar unter den<br />
Fernsehkadis. Seit 1999 spricht sie bei<br />
SAT 1 Recht. Die cleveren Macher hatten<br />
eine Lücke im System entdeckt. Die<br />
bisher kaum im öffentlichen Interesse<br />
stehenden Schiedsgerichtsverhandlungen<br />
standen nicht, wie andere<br />
Gerichtsverfahren, unter dem Verbot<br />
der Fernsehübertragung, sofern alle<br />
Beteiligten zustimmten. Fortan verhandelte<br />
Frau Salesch in echten Fällen<br />
vor einem Millionenpublikum <strong>und</strong> das<br />
am Nachmittag! Stilblüten wie der<br />
berühmte "Maschendrahtzaun" werden<br />
wohl in die deutsche Fernsehgeschichte<br />
eingehen. Fast gleichzeitig<br />
startete im ZDF die Sendung "Streit um<br />
Drei", die zwar mit Schauspielern <strong>und</strong><br />
allenfalls der Realität angenäherten<br />
Fällen arbeitete, aber ebenfalls mit<br />
einem gelernten Richter antrat. Auch<br />
die Rechtsanwälte waren echt.<br />
Beiden Sendungen habe ich,<br />
damals noch Jura-Student, gerne<br />
zugesehen. Die Geschichten waren<br />
abwechslungsreich <strong>und</strong> nicht übertrieben.<br />
Vor allem aber konnte man als<br />
Zuschauer die gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Formalitäten einer Gerichtsverhandlung<br />
kennen lernen, zum Beispiel<br />
den richterlichen Hinweis auf die<br />
Wahrheitspflicht. In jeder Verhandlung,<br />
sei es nun bei Barbara Salesch<br />
oder auch bei ihrer öffentlich-rechtlichen<br />
Konkurrenz wurde gebetsmühlenartig<br />
wiederholt: "Sie sind hier als<br />
Zeuge geladen <strong>und</strong> müssen daher die<br />
Wahrheit sagen. Sollten sie das nicht<br />
tun, könnten Sie bestraft werden,<br />
auch wenn Sie nicht vereidigt werden."<br />
Auch der übrige Gang der Verhandlung<br />
hielt sich strikt im Rahmen<br />
der jeweiligen Prozeßordnung. Dafür<br />
sorgten damals die beteiligten Juristen,<br />
so jedenfalls mein Eindruck.<br />
Richterin Barbara Salesch<br />
Beide Formate verloren jedoch<br />
kontinuierlich an Zuschauerzahlen <strong>und</strong><br />
man kam wohl zum Ergebnis, man<br />
müsse dramatischere Verhandlungen<br />
bieten. Deshalb wechselten auch die<br />
Privaten zu einer fiktiven Form der<br />
Gerichtsshows, während das ZDF sein<br />
Format einstellte. Außerdem wechselten<br />
RTL <strong>und</strong> Sat 1 in die spannenderen<br />
Bereiche des Straf- <strong>und</strong> des Familienrechts.<br />
Besonders Jugendliche werden<br />
nun gerne an den Pranger gestellt,<br />
zwei Serien beschäftigen sich nur<br />
damit. In den Shows treten nun vor<br />
allem mehr oder weniger talentierte<br />
Laienschauspieler als Zeugen <strong>und</strong> Angeklagte<br />
auf. Die mangelnde Begabung<br />
der meisten Mimen ist gewollt -<br />
das soll eine Atmosphäre der Realität<br />
schaffen.<br />
Dieser Versuch misslingt. Die<br />
strafrechtlichen Verhandlungen bieten<br />
reißerische Räuberpistolen, wie sie<br />
zwar durchaus in deutschen Gerichten<br />
verhandelt werden. Allerdings als<br />
Ausnahme <strong>und</strong> nicht als Regel. Eine<br />
Verhandlung über den Aufenthalt der<br />
Kinder nach einer Scheidung der Eltern<br />
ist für sich alleine öde. Da muss noch<br />
eine schauerliche Geschichte her,<br />
damit die Quote stimmt. Die Laienschauspieler,<br />
froh endlich mal auf der<br />
Mattscheibe zu sein, legen sich mächtig<br />
ins Zeug <strong>und</strong> verhalten sich wie<br />
Rabauken. In einem realen Verfahren<br />
würden sie sich so garantiert nicht<br />
verhalten. Die am Fließband entstandenen<br />
Geschichten sind oft so unausgegoren,<br />
dass meistens nur ein "Überraschungszeuge"<br />
den Fall schließlich<br />
aufklären kann.<br />
Nachdem die Gerichtsshows von<br />
echten Fällen Abstand genommen<br />
hatten <strong>und</strong> mit Schauspielern arbeiteten,<br />
lief am Anfang immerhin noch<br />
das Verfahren juristisch korrekt ab.<br />
Heute bleibt manchmal nicht einmal<br />
mehr Zeit die Paragraphen des Strafgesetzbuchs<br />
zu nennen, die der Angeklagte<br />
verletzt haben soll. Ein Verstoß,<br />
der in der Realität die Revision<br />
rechtfertigen würde! Schließlich lassen<br />
sich auch die beteiligten echten<br />
Rechts- <strong>und</strong> Staatsanwälte häufig von<br />
der Aufgeregtheit der Schauspieler<br />
anstecken <strong>und</strong> liefern sich theatralische<br />
Wortgefechte. In einem wirklichen<br />
Gerichtssaal würden bei einem<br />
solchen Verhalten alle nur verständnislos<br />
mit dem Kopf schütteln. Fazit:<br />
Früher konnte man in den Gerichtsshows<br />
noch lernen, wie es vor dem<br />
Richter zugeht. Heute nur noch, wie<br />
man sich besser nicht verhält. #<br />
9
Black Metal | Text: Barbara Suttrup, Gerrit Hoekman | Fotos: UNRAST- Verlag<br />
Satansbraten<br />
Martialisches Auftreten...<br />
HipHop, Punk oder Ska - kaum noch<br />
eine Musikrichtung, in der nicht<br />
auch rechte Spinner ihr Unwesen<br />
treiben. Zum Extremsten, was im<br />
Moment auf dem Markt zu haben ist,<br />
gehört Black Metal. Laut, hart <strong>und</strong><br />
für viele abscheulich. In der Szene<br />
tummeln sich Neonazis, Satanisten<br />
<strong>und</strong> Neuheiden. Der Münsteraner<br />
Unrast-Verlag hat mit einem bemerkenswerten<br />
Buch Licht ins nordische<br />
Dunkel gebracht. Ein Bericht von<br />
Barbara Suttrup <strong>und</strong> Gerrit Hoekman.<br />
Er nannte sich "Dead" <strong>und</strong> 1991 war<br />
der Sänger der norwegischen Black-<br />
Metal-Band "Mayhem" wirklich tot -<br />
im Alter von 21 Jahren hatte er sich erst<br />
mit einer Rasierklinge die Pulsadern<br />
aufgeschnitten <strong>und</strong> dann mit einer<br />
Schrotflinte in den Kopf erschossen.<br />
Als seine Bandkollegen ihn fanden,<br />
riefen sie nicht etwa die Polizei, sondern<br />
machten Fotos von der blutüberströmten<br />
Leiche <strong>und</strong> sammelten<br />
Knochensplitter ein, die sie als Amulette<br />
verkauften. "Als Dead sich das<br />
Gehirn rausknallte, war das eine seiner<br />
besten Promotion-Aktionen", sagte<br />
einer seiner Mitmusikanten. "Es ist<br />
immer toll, wenn jemand stirbt, ganz<br />
egal um wen es sich handelt." Zwei<br />
Jahre später benutzte die Band das<br />
Foto vom Tatort für ein Plattencover.<br />
"Wenn du denkst, wir sind gefühlsduselige<br />
Idioten mit menschlichen Gefühlen,<br />
dann liegst du falsch", sagten<br />
"Mayhem". Die Norweger waren schon<br />
vorher für morbide Geschichten bekannt.<br />
Bei ihren Auftritten bewarf<br />
Sänger "Dead" das Publikum mit bluttriefenden<br />
Schweinsköpfen <strong>und</strong> fügte<br />
sich mit Rasierklingen <strong>und</strong> abgebrochenen<br />
Flaschen tiefe W<strong>und</strong>en zu.<br />
Zwei Jahre nach dem Selbstmord des<br />
Sängers wurde auch noch der Gitarrist<br />
der Band von einem anderen Metal-<br />
Musiker erstochen.<br />
"Kaum eine andere Musikrichtung<br />
erzeugt derart düstere Stimmung <strong>und</strong><br />
ist so aggressiv, destruktiv <strong>und</strong> nihilistisch<br />
- Black Metal gilt als Inbegriff<br />
des Bösen", schreiben Christian Dornbusch<br />
<strong>und</strong> Hans-Peter Killguss in<br />
ihrem Buch "Unheilige Allianzen -<br />
Black Metal zwischen Satanismus,<br />
Christian Dornbusch,<br />
Hans-Peter Killguss:<br />
Unheilige Allianzen;<br />
Black Metal zwischen<br />
Satanismus, Heidentum<br />
<strong>und</strong> Neonazismus<br />
UNRAST - Verlag<br />
Reihe antifaschistischer<br />
Texte<br />
ISBN: 3-86771-817-0<br />
EUR 18,00<br />
Heidentum <strong>und</strong> Neonazismus". Die<br />
beiden Autoren, die eingefleischte<br />
Metal-Fans sind, haben lange in der<br />
Szene recherchiert, Undergro<strong>und</strong>-<br />
Konzerte besucht <strong>und</strong> Platten gesammelt.<br />
Herausgekommen ist ein umfassendes<br />
Werk über eine unbekannte<br />
Subkultur. "Politik spielt im Metal<br />
keine große Rolle", sagt Dornbusch in<br />
einem Interview mit der Berliner<br />
"tageszeitung". "Leider wird das<br />
jedoch manchmal zu einem Problem,<br />
vor allem wenn die deutlich nach<br />
außen getragene rechte Gesinnung<br />
von Leuten zur reinen Privatsache<br />
erklärt wird."<br />
Neonazis sind in der Szene zwar<br />
nicht die Regel, aber auch keine Ausnahme.<br />
"Ausschwitz wartet auf die<br />
Tage seines neuerlichen Ruhms", zitieren<br />
die Autoren den Sänger der polnischen<br />
Band "Graveland". Black Metal<br />
als Krieg der "Herrenrasse" gegen die<br />
"Untermenschen".<br />
Entstanden ist die Szene Ende der<br />
80er in Norwegen. "Es sind die Texte,<br />
die aus einer Metal-Band eine Black-<br />
Metal-Truppe machen", erklärte<br />
Infernal, Frontmann bei "Desaster".<br />
Anfangs ging es der Subkultur nur<br />
darum zu provozieren, doch mit der<br />
Zeit wurde aus dem Spiel brutale Realität.<br />
Die Fans steckten Kirchen in<br />
Brand, schändeten Friedhöfe <strong>und</strong><br />
schreckten auch vor Mord nicht zurück.<br />
Norwegische Black-Metal-Bands<br />
warnten ausländische Musiker davor,<br />
in Norwegen aufzutreten. "Für mich ist<br />
Black Metal Hass <strong>und</strong> Kraft! Für mich<br />
ist Black Metal Blut! Black Metal ist<br />
Krieg!", beschreibt ein Fan in einem<br />
Szeneforum im Internet, was er mit<br />
der Musik verbindet. Der Hass hat<br />
immer wieder zu Mord <strong>und</strong> Totschlag<br />
geführt, auch in Deutschland.<br />
1993 sorgte der "Satansmord von<br />
Sonderhausen" für b<strong>und</strong>esweite<br />
Schlagzeilen. Die Mitglieder einer<br />
rechtsradikalen Black-Metal-Band folterten<br />
1993 einen Mitschüler so lange<br />
bis er an den Verletzungen starb.<br />
10
Studiengebühren | Text: Gerrit Hoekman | Foto: AStA<br />
...<strong>und</strong> die Fans flippen aus<br />
Katholiken<br />
nehmen Gebühren<br />
Der typische Black-Metal-Fan ist im<br />
Schnitt zwischen 22 <strong>und</strong> 25 Jahre alt,<br />
aber von 14 bis 40 ist alles vertreten.<br />
Er trägt lange Haare, schwarze, in<br />
jedem Fall dunkle Kleidung <strong>und</strong><br />
Motorrad- oder Schnürstiefel. Nieten<strong>und</strong><br />
Patronengürtel machen das Outfit<br />
perfekt. Schmuck <strong>und</strong> Tätowierungen<br />
sind ebenfalls beliebt, oft umgedrehte<br />
Kreuze, Pentagramme oder Runen.<br />
Die meisten Anhänger sind Männer,<br />
Frauen tauchen überwiegend als<br />
Fre<strong>und</strong>innen von männlichen Fans<br />
auf. "Anhängsel" heißen sie in der<br />
Szene. Nur hin <strong>und</strong> wieder treten<br />
Frauen auf der Bühne auf: Onielar,<br />
Sängerin der Band "Darkened Nocturne<br />
Slaughtercult" etwa oder die<br />
griechische Frauencombo "Astarte".<br />
Die extreme Ideologie <strong>und</strong> Symbolik<br />
wirkt anziehend auf Jugendliche,<br />
die darin einen Weg sehen gegen<br />
die Umwelt <strong>und</strong> ihre Eltern zu rebellieren.<br />
Es findet jedoch nur selten<br />
eine Auseinandersetzung mit den Inhalten<br />
<strong>und</strong> Hintergründen der Musik<br />
statt. "Heute ist Black Metal keine reine<br />
Nischenmusik mehr, sondern eine<br />
der angesagtesten Stilrichtungen im<br />
Heavy Metal", haben Dornbusch <strong>und</strong><br />
Killguss bei ihren Recherchen festgestellt.<br />
Das findet nicht jeder vom harten<br />
Kern der Szene gut: "Der Kult, den<br />
wir leben <strong>und</strong> verehren, ist auf einmal<br />
für jeden BRAVO-Untermenschen<br />
zu haben", wettert die Berliner Band<br />
"Dies Ater". #<br />
"Option für die Armen - Wie würde<br />
Jesus handeln?" ist ein beliebtes<br />
Seminar an der Katholischen Fachhochschule<br />
in Münster. Jedes Semester<br />
treffen sich dort Studenten<br />
mit Ordensleuten, die in der Praxis<br />
mit Armen <strong>und</strong> Ausgegrenzten arbeiten.<br />
Gut möglich, dass die sozial<br />
engagierten Christen demnächst vor<br />
allem im eigenen Haus gebraucht<br />
werden: Die Katholischen Fachhochschulen<br />
in Nordrhein-Westfalen haben<br />
nämlich beschlossen, ab dem<br />
kommenden Wintersemester eine<br />
Studiengebühr von 500 Euro zu verlangen.<br />
Der Plan hat unlängst die Studenten<br />
in Münster auf die Straße getrieben.<br />
Fast die Hälfte der insgesamt 700<br />
Eingeschriebenen schwänzten die Vorlesungen<br />
<strong>und</strong> zogen spontan zum<br />
Münsteraner Schloss, dem Sitz der<br />
Universität. Dort stürmten sie die Seminare<br />
<strong>und</strong> forderten die Kommilitonen<br />
zum Mitmachen auf. "Das war<br />
ein gelungener Auftakt für weitere<br />
Proteste", heißt es in einer Presseerklärung<br />
des AStA, dem Allgemeinen<br />
Studierendenausschuss der Uni. "Die<br />
Studierenden der Katholischen Fachhochschule<br />
ziehen die Notbremse."<br />
Mitte März hatte der Landtag in<br />
Düsseldorf mit seiner Mehrheit aus CDU<br />
<strong>und</strong> FDP den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen<br />
erlaubt, Studiengebühren<br />
von bis zu 500 Euro pro Semester<br />
einzuführen. Während der Senat<br />
der Münsteraner Universität bis<br />
jetzt nicht vor hat, von dem neuen<br />
Gesetz Gebrauch zu machen, wollen<br />
die Katholischen Fachhochschulen das<br />
Angebot annehmen. Mit weitreichenden<br />
Konsequenzen für die Studenten,<br />
fürchtet der AStA der Fachhochschule:<br />
"Die Belastungen von Studierenden<br />
werden schlicht zu hoch. 500 Euro pro<br />
Halbjahr <strong>und</strong> parallel steigen die Lebenshaltungskosten,<br />
die Sozialbeiträge,<br />
der Semesterticketpreis." Als<br />
Alternative bietet das neue Gesetz<br />
Nachwuchsakademikern, die keine<br />
reichen Eltern haben, verzinste Kredite<br />
an. Am Ende des Studiums stehen die<br />
Studenten damit vor einem Berg an<br />
Schulden. "Nur wer die Gebühren aus<br />
der Portokasse bezahlen kann, wird es<br />
in Zukunft leichter haben", fürchtet<br />
Andreas Kemper, AStA-Referent für<br />
finanziell Benachteiligte an der Uni<br />
Münster. "Dagegen werden ausländische<br />
Studierende, Behinderte, Studierende<br />
mit Kind <strong>und</strong> Arbeiterkinder<br />
vom Studium ausgeschlossen." #<br />
Studiengebühren: Studenten machen ihrem Ärger Luft<br />
11
Armutszeugnis | Text: Valerie Kranig | Foto: Wolfgang Beyer<br />
Kein Taxi für<br />
Obdachlose<br />
Taxis: Manchmal obdachlosenfreie Zone<br />
Taxifahrer haben es oft nicht einfach.<br />
Besonders am Wochenende,<br />
wenn die Besoffenen unterwegs<br />
sind. Sitzen sie erst mal drin, dann<br />
kriegt man sie später meistens nur<br />
schwer wieder raus. Und manchem<br />
Betrunkenen kommt bei der Schaukelei<br />
alles hoch, was in der Kneipe<br />
auf dem Deckel stand. Die Sauerei<br />
dürfen dann die Fahrer wieder sauber<br />
machen. Die beiden Obdachlosen,<br />
die unlängst st<strong>und</strong>enlang in<br />
der City auf ein Taxi warten mussten,<br />
waren aber nicht besoffen.<br />
Trotzdem wollte sie keiner mitnehmen.<br />
Ein Bericht von Valerie Kranig.<br />
Dieter <strong>und</strong> Clemens wohnen im<br />
Haus der Wohnungslosenhilfe. Neulich<br />
waren die beiden zum Einkaufen in<br />
der Stadt. Als sie alles erledigt hatten,<br />
standen sie mit Tüten bepackt vor Karstadt<br />
in der Clemensstraße <strong>und</strong> suchten<br />
nach einem Taxi. Die beiden sind<br />
schon um die 70 <strong>und</strong> ganz schlecht zu<br />
Fuß. An der Stelle ein Taxi zu finden -<br />
eigentlich kein Problem, sollte man<br />
meinen, warten dort doch immer<br />
Droschken auf K<strong>und</strong>schaft. Es war<br />
zwölf Uhr mittags an einem kalten<br />
Donnerstag Ende März <strong>und</strong> die beiden<br />
öffneten die Tür des ersten Taxis: "Zum<br />
HdW, bitte." Doch der Fahrer schüttelte<br />
nur den Kopf. Auch der Zweite <strong>und</strong><br />
der Dritte wollten die beiden nicht<br />
mitnehmen. "Dieter <strong>und</strong> Clemens hatten<br />
höchstens zwei Bier getrunken",<br />
schwört ihr Fre<strong>und</strong> Olli, der Zeuge der<br />
Angelegenheit war.<br />
Auch zwei Anrufe bei der Taxizentrale<br />
halfen nicht. Insgesamt fünf<br />
Wagen blieben den Obdachlosen verschlossen.<br />
Weil die beiden ein wenig<br />
nach Bier rochen, sollte Zeuge Olli<br />
mitfahren. Die Fahrer hatten Angst,<br />
die beiden am HdW nicht mehr aus<br />
dem Auto zu kriegen. Unbegründet,<br />
denn Clemens <strong>und</strong> Dieter waren alles<br />
andere als volltrunken. Trotzdem<br />
standen sie zwei St<strong>und</strong>en in der Kälte.<br />
Hinsetzen konnten sich die gehbehinderten<br />
Männer nirgends. Also stützten<br />
sie sich notdürftig auf den Rollator,<br />
einen kleinen Gehwagen, den sie<br />
dabei hatten. Schon nach kurzer Zeit<br />
versammelten sich empörte Passanten<br />
um die beiden. Sie redeten auf die<br />
Taxifahrer ein - vergebens. Erst das<br />
sechste Taxi erbarmte sich der Obdachlosen.<br />
Am Steuer saß eine Frau.<br />
Dürfen die das? Gibt es nicht so<br />
etwas wie eine Beförderungspflicht?<br />
Richtig, die gibt es. In Nordrhein-<br />
Westfalen muss jeder Droschkenkutscher<br />
jeden Fahrgast mitnehmen,<br />
so lange der bezahlen kann <strong>und</strong> der<br />
K<strong>und</strong>e die Sicherheit des Fahrers nicht<br />
gefährdet. Wären Dieter <strong>und</strong> Clemens<br />
also aggressiv gewesen, hätten die<br />
Taxichauffeure das Recht gehabt, sie<br />
stehen zu lassen.<br />
Waren sie jedoch nicht, die zwei<br />
behinderten, älteren Herren. Aber<br />
nicht nur in Münster passiert so etwas:<br />
In Kassel wollte neulich niemand ein<br />
Kind im Rollstuhl in die Klinik fahren.<br />
Wohl weil ihnen der Aufwand zu groß<br />
war, das Gefährt in den Kofferraum zu<br />
packen. Erst der neunte Fahrer, selbst<br />
leicht behindert, nahm das Kind mit.<br />
"Eine äußerst ungute Erfahrung",<br />
urteilte die "Randschau". "Das macht<br />
die Notwenigkeit eines Anti-Diskriminierungsgesetzes<br />
wieder einmal<br />
deutlich." Das Magazin setzt sich für<br />
die Gleichstellung Behinderter in der<br />
Gesellschaft ein.<br />
Wie sehen die Münsteraner Taxifahrer<br />
den Fall der beiden Obdachlosen.<br />
~ fragte Chauffeure am<br />
Hauptbahnhof. "Nur wenn jemand<br />
eine ansteckende Krankheit oder eine<br />
Waffe im Gepäck hat, nehme ich ihn<br />
nicht mit", sagt einer. Woran er das<br />
erkennen will, verriet er leider nicht.<br />
"Wenn jemand stockbesoffen ist,<br />
kommt er nicht ins Auto", meint ein<br />
anderer. Was eindeutig leichter festzustellen<br />
ist. Das Taxi ist den meisten<br />
Kutschern heilig. "Manche Leute sind<br />
so dreckig, dass man sie mit einer<br />
Kneifzange nicht mehr anfassen kann.<br />
Die nehme ich nicht mit", verrät ein<br />
Fahrer.<br />
Auffallend: Nur einer der Befragten<br />
nannte die im Gesetz festgelegten<br />
Gründe. Was nützt es also, auf die<br />
Beförderungspflicht zu pochen, wenn<br />
der Fahrer sie überhaupt nicht kennt?<br />
So gelten oft die eigenen Regeln. Zum<br />
Beispiel: Es steht nirgendwo im Gesetz,<br />
dass ein stark müffelnder K<strong>und</strong>e<br />
nicht befördert werden muss. Obdachlosigkeit<br />
gab übrigens keiner der<br />
Fahrer als Gr<strong>und</strong> an, Fahrgäste abzuweisen.<br />
Vielleicht mochte das auch<br />
niemand gegenüber einem Straßenmagazin<br />
zugeben. Oder haben Dieter<br />
<strong>und</strong> Clemens die einzigen fünf Fahrer<br />
erwischt, die das anders sehen?<br />
Hoffen wir für die beiden, dass sie<br />
demnächst sofort die Droschkenkutscherin<br />
treffen, die sie ohne<br />
Jammern mitgenommen hat. #<br />
12
Trala la la la | Text: Gerrit Hoekman | Foto: Wolfgang Beyer<br />
Pfingsten:<br />
Kirche hat Geburtstag<br />
Der Heilige Geist: Taube an der Lambertikirche<br />
Kennen Sie die Bedeutung von<br />
Pfingsten? Nein? Da geht es Ihnen<br />
nicht anders als uns <strong>und</strong> der Mehrheit<br />
der Deutschen. Pfingsten, das<br />
sind zwei nette frei Tage. Was aber<br />
in der Bibel an dem Tag geschehen<br />
ist? Ehrlich gesagt, keinen blassen<br />
Schimmer. Deshalb hat Gerrit Hoekman<br />
sich schlau gemacht <strong>und</strong> kann<br />
jetzt erklären, warum die Christen<br />
Pfingsten feiern. Und warum es<br />
kaum jemand sonst mitbekommt.<br />
Ben Hur, Quo Vadis <strong>und</strong> Das Leben<br />
des Brian: Dutzende Kinofilme beschäftigen<br />
sich mit Weihnachten <strong>und</strong><br />
Ostern, aber welcher Regisseur hätte<br />
jemals ein Epos über Pfingsten gedreht?<br />
Hollywood weiß eben, was zum<br />
Kassenschlager taugt. Die Geburt des<br />
Heilands <strong>und</strong> erst recht Jesus am Kreuz<br />
- das kommt an beim Publikum.<br />
Pfingsten dagegen taugt beim besten<br />
Willen nicht zum Blockbuster. Unter<br />
den drei großen christlichen Festen,<br />
die zwei Tage dauern, hat es Pfingsten<br />
am schwersten, beim Volk beliebt zu<br />
sein. Kein Christkind kommt <strong>und</strong><br />
bringt Handys <strong>und</strong> Playstation, kein<br />
Osterhase versteckt heimlich grüne,<br />
gelbe, blaue Eier. Das sind Angebote,<br />
die auch von denen gerne mitgenommen<br />
werden, die es sonst nicht so mit<br />
dem christlichen Glauben haben.<br />
Heilige Geist den Jüngern erschienen<br />
<strong>und</strong> hat sie aufgefordert, das Evangelium<br />
in die Welt zu tragen. "Und es<br />
erschienen ihnen Zungen wie von<br />
Feuer, die sich verteilten; auf jeden<br />
von ihnen ließ sich eine nieder. Alle<br />
wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt<br />
<strong>und</strong> begannen in fremden Sprachen<br />
zu reden, wie es der Geist ihnen eingab",<br />
heißt es in der Apostelgeschichte<br />
von Lukas. Dieses sogenannte Pfingstw<strong>und</strong>er<br />
gilt als Geburtsst<strong>und</strong>e der Kirche.<br />
Die Jünger zogen aus <strong>und</strong> erzählten<br />
überall in der ihnen bekannten<br />
Welt vom Wirken Jesu.<br />
Der Heilige Geist war es auch, von<br />
dem die Jungfrau Maria laut Bibel<br />
schwanger war. Und Jesus hat ihn bei<br />
seiner Taufe als Taube gesehen. Die<br />
Taube ist deshalb bis heute ein Symbol<br />
für den Heiligen Geist. Im Mittelalter<br />
gehörte das Heilig-Geist-Schwingen<br />
auf Pfingsten unbedingt zum Gottesdienst.<br />
In der Kirche wurden Tauben<br />
frei gelassen oder eine aus Holz geschnitzte<br />
an einer Schnur über die<br />
Köpfe der Gläubigen kreisen gelassen.<br />
Damals begannen Künstler auch den<br />
Heiligen Geist auf Bildern als reale<br />
Person darzustellen. Bis die Kirche das<br />
untersagte. Heute finden auf Pfingsten<br />
viele Gottesdienste unter freiem Himmel<br />
statt, weil das Wetter meist schon<br />
passabel ist. Der Name Pfingsten<br />
stammt übrigens von pentekoste, der<br />
50. auf Griechisch. Als Fest ging es,<br />
genau wie Ostern, aus dem jüdischen<br />
Glauben hervor, nämlich aus dem<br />
Wochenfest "Schawuot".<br />
In Deutschland ist Pfingsten ein<br />
eher folkloristisch geprägtes Fest. An<br />
jenem Tag wurden früher zum ersten<br />
Mal die Rinder auf die Weide getrieben.<br />
In manchen Gegenden werden<br />
deshalb bis heute Pfingstochsen mit<br />
Bändern, Blumen <strong>und</strong> Glocken geschmückt.<br />
Weil man dem Wasser an<br />
Pfingsten eine besondere Segenskraft<br />
nachsagt, war das Fest lange ein beliebter<br />
Tauftermin. Aber es soll auch<br />
gegen Sommersprossen <strong>und</strong> Verhexung<br />
schützen. In Lüneburg pflanzt<br />
man einen Baum <strong>und</strong> Pfadfinder veranstalten<br />
überall im Land Pfingstlager.<br />
Weil der religiöse Anlass des<br />
Festes mehr <strong>und</strong> mehr in den<br />
Hintergr<strong>und</strong> tritt, fordern Wirtschaftsverbände<br />
immer öfter, den Pfingstmontag<br />
abzuschaffen, um einen weiteren<br />
Arbeitstag zu bekommen.<br />
Schweden <strong>und</strong> Italien haben es bereits<br />
vorgemacht, in Frankreich sollte<br />
es letztes Jahr so weit sein. Doch den<br />
Franzosen war ihr Pfingstmontag heilig.<br />
Denn für einen Tag ans Meer - das<br />
lohnt nun wirklich nicht. #<br />
Pfingsten kommt niemand. Nicht<br />
einmal die Kinder. Weihnachten <strong>und</strong><br />
Ostern sind familiäre Pflichttermine,<br />
aber auf Pfingsten ist keine Mutter<br />
zerknirscht, wenn man lieber einen<br />
Kurztrip ans Meer macht oder eine<br />
kleine Radtour durchs Münsterland.<br />
Oder einfach zwei Tage lang die Beine<br />
hoch legt. Laut einer Umfrage des<br />
Meinungsforschungsinstituts Emnid<br />
hat jeder zweite Deutsche keine Ahnung<br />
von der religiösen Bedeutung<br />
des Festes. 50 Tage nach Ostern ist der<br />
Mechtild Demel gestorben<br />
Viele Münsteraner kennen Mechtild Demel. Wenn nicht vom Namen her, so<br />
doch vom Gesicht. Einmal die Woche stand die ältere Dame mit gleichgesinnten<br />
Frauen vor der St. Lamberti-Kirche <strong>und</strong> hielt Mahnwache. Jahrelang. Bei<br />
Wind <strong>und</strong> Wetter. Es musste schon was besonderes passieren, wenn Mechtild<br />
Demel den Termin verpasste, denn sie war eine der aktivsten Kämpferinnen<br />
für den Frieden in Münster <strong>und</strong> die mit dem vielleicht größten Durchhaltewillen.<br />
Schon bei den riesigen Ostermärschen in den 80ern war sie dabei.<br />
Auch als sich im Laufe der Jahre immer weniger Menschen auf den Weg machten,<br />
um für den Frieden in der Welt <strong>und</strong> für Abrüstung zu kämpfen, ließ sie<br />
nicht locker. Wann immer eine K<strong>und</strong>gebung in der Nähe mit ihrem Herzensanliegen<br />
beschäftigte, kletterte sie aufs Podium <strong>und</strong> hielt eine Rede. Ihr Platz<br />
an der Lambertikirche wird in Zukunft leer bleiben - Mechtild Demel ist am<br />
Montag vor Ostern im Alter von 81 Jahren gestorben.<br />
13
Anzeige<br />
Schulpolitik| Text: Claudia Deetjen<br />
Bildung für<br />
Betuchte<br />
Deutsche Schulen haben einen<br />
schlechten Ruf: Die Kinder lernen<br />
nichts <strong>und</strong> auf dem Pausenhof<br />
schlagen sie sich die Köpfe ein. Was<br />
ist los mit dem Bildungssystem in<br />
unserem Land? Ist die Dreiteilung -<br />
Gymnasium, Real- <strong>und</strong> Hauptschule<br />
- noch zeitgemäß? Mit dieser Frage<br />
hat sich der Landtag in Düsseldorf in<br />
den letzten Monat beschäftigt.<br />
Claudia Deetjen erklärt, was sich<br />
nach dem Willen von CDU <strong>und</strong> FDP<br />
demnächst ändern soll.<br />
Fleiß: Gut. Betragen: Mangelhaft.<br />
Mündliche Mitarbeit: Sehr gut. Geht es<br />
nach der schwarz-gelben Landesregierung<br />
werden demnächst wieder sogenannte<br />
Kopfnoten auf dem Zeugnis<br />
stehen. Die Politiker wollen damit das<br />
Sozialverhalten der Kinder stärker in<br />
den Mittelpunkt stellen. Ob das der<br />
Stein der Weisen ist, um die deutschen<br />
Schulen auf Trab zu bringen, da sind<br />
die Experten unterschiedlicher Meinung.<br />
Das deutsche Schulsystem steht<br />
jedenfalls auf dem Prüfstand: Der<br />
‚Pisa-Schock' <strong>und</strong> die jüngsten Ereignisse<br />
an der Berliner Rütli-Hauptschule<br />
haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt.<br />
B<strong>und</strong>esweit wird über notwendige<br />
Strukturreformen im<br />
Schulwesen diskutiert. In Nordrhein-<br />
Westfalen wollen nun Ministerpräsident<br />
Jürgen Rüttgers <strong>und</strong> Schulministerin<br />
Barbara Sommer mit dem<br />
neuen Schulgesetz eine, wie sie es<br />
nennen, schulpolitische Wende herbeiführen.<br />
Ziel des Gesetzes ist mehr<br />
Leistung <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit an<br />
den Schulen in NRW.<br />
Das Schulgesetz, das die schwarzgelbe<br />
Landesregierung im August vergangenen<br />
Jahres verabschiedet hat,<br />
hält an der Mehrgliedrigkeit des Schulsystems<br />
fest, auch in Zukunft wird es<br />
Gymnasium, Real- <strong>und</strong> Hauptschule<br />
geben. Was dort gelehrt werden soll,<br />
wird aber zum ersten Mal gesetzlich<br />
festgeschrieben. Die Schulen sollen<br />
nun ein klares Profil bekommen. Zum<br />
Kern des Gesetzes gehört außerdem<br />
die Reform der Oberstufe an den<br />
Gymnasien. Wichtigster Punkt: Das<br />
Abitur nach bereits zwölf anstatt bisher<br />
13 Jahren. Eine externe Qualitätsanalyse<br />
soll zu vergleichbaren Leistungsstandards<br />
an den unterschiedlichen<br />
Schulen führen.<br />
Vor allem an den Gr<strong>und</strong>schulen<br />
bahnen sich einschneidende Reformen<br />
an: Bis 2008 will Schwarz-Gelb die<br />
Schulbezirke abschaffen. Damit können<br />
Eltern ihre Kinder auf jede Schule<br />
schicken, unabhängig vom Viertel, in<br />
dem sie wohnen. Bislang standen nur<br />
vier, fünf Gr<strong>und</strong>schulen in der Nachbarschaft<br />
zur Wahl. Damit will die<br />
Landesregierung den Wettbewerb zwischen<br />
den Schulen verschärfen.<br />
Schließlich soll das Gutachten, das am<br />
Ende der Gr<strong>und</strong>schule den weiteren<br />
Weg der Schüler empfiehlt, verbindlicher<br />
werden <strong>und</strong> die Laufbahn des<br />
Kindes schon früh festgelegt werden.<br />
Über viele Neuerungen lässt sich<br />
streiten. Etwa über den Plan, die<br />
Schulbezirke abzuschaffen. "Kinder<br />
sollten in ihrem gewohnten Umfeld<br />
zur Schule gehen", kritisierte die sozialdemokratische<br />
Landtagsabgeordnete<br />
Ute Schäfer auf einer Podiumsdiskussion<br />
in der Matthias-Claudius-Schule<br />
im Geistviertel. "Das Vorhaben ist<br />
pädagogischer Unsinn." Die Gewerkschaft<br />
Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />
stößt ins selbe Horn. Experten fürchten<br />
außerdem, sogenannte Problemschulen<br />
könnten mehr werden. Der Städte<strong>und</strong><br />
Gemeindeb<strong>und</strong> in Nordrhein-<br />
Westfalen warnt vor einer Ghettoisierung.<br />
"Gerade Schüler aus sozial<br />
besser situierten Familien werden<br />
weiter entfernte Schulen besuchen,<br />
14
Anzeigen<br />
um vermeintliche Bildungsnachteile<br />
abzuwenden." Kinder aus ärmerem<br />
Elternhaus gehen bevorzugt in<br />
Schulen, die nah am Wohnort liegen,<br />
weil den Eltern die Qualität des Schulumfelds<br />
weniger wichtig ist, vermutet<br />
der Städteb<strong>und</strong>. Auch auf die Integration<br />
ausländischer Kinder wirke sich<br />
das negativ aus.<br />
Selbst die Münsteraner FDP geht<br />
inzwischen auf Distanz, Fraktionschefin<br />
Carola Möllemann-Appelhoff,<br />
selbst Lehrerin, hofft auf einen Kompromiss:<br />
Ob die Bezirke abgeschafft<br />
werden oder nicht, darüber soll nicht<br />
auf Landesebene entschieden werden<br />
sondern vor Ort in den Gemeinden.<br />
Durch Wettbewerb zu mehr<br />
Qualität an den Schulen <strong>und</strong> zu besseren<br />
Leistungen? Diese schwarz-gelbe<br />
Strategie ähnelt dem liberalen Marktmodell<br />
von schulischer Qualitätssteigerung,<br />
wie es schon seit einigen Jahren<br />
andere europäische Länder, zum<br />
Beispiel Großbritannien, praktizieren.<br />
Auf der Insel dürfen die Eltern die beste<br />
Schule für ihre Kinder aussuchen,<br />
egal wo sie liegt. Resultat: Ein Andrang<br />
auf vermeintlich gute Schulen, die<br />
über die entsprechenden Mittel verfügen,<br />
denn die Zahl der Schüler entscheidet<br />
darüber, wie viel der Staat<br />
bezahlt. Problemschulen, auf die niemand<br />
will, bekommen wenig Geld -<br />
<strong>und</strong> bleiben schlecht. Für Nordrhein-<br />
Westfalen befürchten viele, dass die<br />
Aufhebung der Bezirke nicht vor den<br />
andere Schulen Halt macht. Auch<br />
Gymnasien, Real- <strong>und</strong> Hauptschulen<br />
könnten die Eltern demnächst frei<br />
wählen, glauben Bildungsexperten.<br />
Einige Schulen können ihre Qualität<br />
dadurch sicher steigern. Allerdings auf<br />
Kosten der sozialen Gerechtigkeit <strong>und</strong><br />
gleicher Bildungschancen für alle. #<br />
Tausend Fragen - eine Adresse<br />
Infos <strong>und</strong> Service im publikom - Stadtnetz für Münster<br />
www.muenster.de<br />
Portal für Münster <strong>und</strong> das Münsterland<br />
www.muenster.de/stadt<br />
Service <strong>und</strong> Infos der Stadtverwaltung<br />
www.muenster.de/soziales-netz<br />
Sozialforum, Online-Freiwilligenbörse<br />
www.termine.muenster.org<br />
Münsters Veranstaltungskalender<br />
www.wilsberg.muenster.de<br />
Das „Wilsberg“-Spiel des Presseamtes<br />
www.buene.org/stadtgespraech<br />
Diskussion: Münsters Bürger reden mit<br />
www.awm.muenster.de<br />
Abfall <strong>und</strong> Recyling, Entsorgungskalender<br />
www.muenster.de/stadt/formulare<br />
Vordrucke online - das spart Zeit <strong>und</strong> Wege<br />
Presse <strong>und</strong> Informationsamt<br />
15
Auslandssemester | Text <strong>und</strong> Foto: Malte Koppe<br />
Als Deutscher<br />
in Polen<br />
Über den Dächern von Lublin - Sommer 2005<br />
"Was um Himmelswillen willst du<br />
denn in Polen?", "Pass' bloß auf<br />
deine Taschen <strong>und</strong> dein Handy auf;<br />
man weiß ja nie!", "Als Deutscher ist<br />
man da doch immer gleich ein<br />
Nazi." Keinem Land in Europa<br />
begegnen die Deutschen mit solchen<br />
Vorurteilen wie Polen. Malte Koppe,<br />
bereits für einige Kurzbesuche bei<br />
unserem östlichen Nachbarn gewesen,<br />
studiert gegenwärtig in Lublin,<br />
der polnischen Partnerstadt<br />
Münsters. Und ihm ist noch überhaupt<br />
nichts geklaut worden.<br />
An mein erstes Mal in Polen im<br />
September 2004 kann ich mich noch<br />
gut erinnern. Zugfahrt von Berlin nach<br />
Wroclaw, dem ehemaligen Breslau.<br />
Direkt hinter der Grenze verringert der<br />
deutsche Intercity seine Geschwindigkeit<br />
auf unter h<strong>und</strong>ert St<strong>und</strong>enkilometern.<br />
Schuld sind die polnischen<br />
Gleise. Für die kurze Strecke in Polen<br />
braucht unsere deutsche Jugendgruppe<br />
fast so lange wie von Münster<br />
bis an die Grenze. Schließlich Ankunft<br />
im Bahnhof Wroclaw. Laut, schmutzig,<br />
hektisch. Der Geruch von altem Bratenfett<br />
liegt in der Luft, ein bunter<br />
Schilderwald voll Werbung. Und dann<br />
diese Sprache. Vier Konsonanten hintereinander!<br />
Haben die Polen eigentlich<br />
keine Vokale?<br />
Das Land macht es einem anfangs<br />
nicht leicht, geliebt zu werden. Im<br />
Sommer ist es zwar wärmer als man<br />
vermuten würde, dafür ist es im Winter<br />
eiskalt mit Temperaturen bis zu 20<br />
Grad minus. Bus, Bahn <strong>und</strong> die Strassen<br />
sind nach fast fünfzig Jahren real<br />
existierendem Sozialismus altersschwach<br />
<strong>und</strong> marode. Der Zug fährt<br />
auch schon mal mit offener Tür. Trotzdem:<br />
"Polska da sie lubic - Polen kann<br />
man mögen!" Ich interessierte mich<br />
wegen meines Studiums erst nur für<br />
die Geschichte, doch nachdem ich eine<br />
Woche mit einer Jugendgruppe dort<br />
war, wurde daraus eine Leidenschaft.<br />
Viele Reisen ins Nachbarland folgten.<br />
Ich machte einen Sprachkurs <strong>und</strong> nun<br />
bin ich für ein Semester Student an der<br />
Universität in Lublin.<br />
"Dlaczego Polska - Warum Polen?"<br />
Das bin ich zu Hause in Deutschland<br />
<strong>und</strong> auch in Polen oft gefragt<br />
worden. Vor allem der Mentalität wegen:<br />
Ich bin in Polen immer herzlich<br />
empfangen worden <strong>und</strong> als Ausländer,<br />
der ein wenig die Sprache spricht ist<br />
man eine wahre Attraktion. Die Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
der Polen ist von Reisenden<br />
seit dem Mittelalter oft beschrieben<br />
worden. Der Historiker <strong>und</strong> Geistliche<br />
Marcin Kromer bemerkte schon<br />
vor über 500 Jahren: "Die Polen haben<br />
eine offene <strong>und</strong> aufrichtige Gemütsart,<br />
sie lassen sich eher selbst täuschen,<br />
als dass sie jemanden in die Irre führen.<br />
Sie sind geneigt, Fre<strong>und</strong>lichkeit,<br />
Anständigkeit, Wohlwollen <strong>und</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
in solchem Maße zu<br />
erweisen, dass Unbekannte <strong>und</strong> Reisende<br />
aus fremden Ländern sich nicht<br />
nur gerne bei ihnen aufhalten, sondern<br />
sie auch einladen <strong>und</strong> ihnen mit<br />
jeder Hilfe dienen."<br />
Das stimmt auch heute noch: Im<br />
Zugabteil teilen die Mitreisenden gerne<br />
ihren Proviant. Kennt man auch<br />
nur einen Einheimischen wird man<br />
weiterempfohlen, vorgestellt <strong>und</strong> nach<br />
Hause eingeladen <strong>und</strong> hat bald ein<br />
riesiges Netzwerk von Kontakten.<br />
Braucht man Hilfe, so muss man sich<br />
nur trauen zu fragen. Polen helfen<br />
gerne. Warum also stehen sie in<br />
Deutschland so schlecht da? Polen ist<br />
bei uns ein Synonym für grau. Aber<br />
das ist höchstens von der Straße aus<br />
betrachtet so. Wer einmal in einer der<br />
liebevoll eingerichteten Kneipen war,<br />
weiß: Gemütlicher ist es auch in<br />
Münsters Kuhviertel nicht. Auch das<br />
Vorurteil der "polnischen Wirtschaft"<br />
erledigt sich schnell. Mangel gibt es in<br />
Polen höchstens noch auf dem Dorf im<br />
Winter, wenn der Schnee meterhoch<br />
liegt. Aber sonst bekommt man alles,<br />
was man auch in Deutschland kaufen<br />
kann. Vor den Toren der Städte stehen<br />
riesige Supermärkte, aber es gibt auch<br />
viele winzige Tante-Emma-Läden.<br />
Auch dass in Polen viel gesoffen<br />
wird, stimmt nur bedingt. Auf den<br />
Straßen gilt 0,0 Promille <strong>und</strong> die Polizei<br />
überwacht das Verbot streng <strong>und</strong><br />
scharf. Aktuellen Statistiken zufolge<br />
ändert sich im Moment die Präferenz<br />
beim Alkohol - statt hartem Wodka<br />
trinken die Polen neuerdings mehr<br />
Bier. Fahren Sie einfach mal hin. Nach<br />
Frankreich ist das Land unser wichtigster<br />
Nachbar. Nur h<strong>und</strong>ert Kilometer<br />
hinter Berlin werden Sie fre<strong>und</strong>lich<br />
empfangen. Jede Wette. #<br />
16
Wissenschaft | Text: Andreas Horn | Karikatur: Aike Arndt<br />
Wurm im Ohr<br />
Manchmal, da kann er verflixt hartnäckig<br />
sein, lässt einen gar nicht<br />
mehr los. Egal ob beim Joggen, Einkaufen<br />
oder vor sich hin Dösen, in<br />
Cafés oder abends im Bett. Er lauert<br />
überall. Der Ohrwurm. Einem musikalischen<br />
Zeitgenossen, der sich mir<br />
nichts, dir nichts einfach so im Kopf<br />
festsetzt. Dann ist sie da, die Melodie,<br />
der Songfetzen <strong>und</strong> wird zum<br />
treuen Begleiter durch den Tag.<br />
Andreas Horn versucht ihm auf die<br />
Schliche zu kommen.<br />
Der Ohrwurm lauert überall dort<br />
wo Musik läuft - oder lief, denn so<br />
ganz sicher sind sich die schlauen<br />
Köpfe der Wissenschaft da noch nicht.<br />
Hier in Münster ist das Gebiet noch<br />
absolutes Neuland. "Das Phänomen<br />
des musikalischen Ohrwurms ist bislang<br />
wissenschaftlich nicht geklärt", so<br />
Stefan Evers, Professor an der Klinik<br />
<strong>und</strong> Poliklinik für Neurologie.<br />
Niemand da also, der einem neugierigen<br />
Reporter auf die Sprünge helfen<br />
kann? Der wissen will, wo sich der<br />
Wurm im Hirn einnistet, wieso er entsteht,<br />
warum er manchmal nicht verschwinden<br />
will <strong>und</strong> wieso er auch<br />
schon direkt nach dem Aufstehen<br />
lustig vor sich hin trällert?<br />
Erst einige h<strong>und</strong>ert Kilometer<br />
weiter im Süden der Republik, da sitzt<br />
einer, der sich mit dem Ohrwurm beschäftigt<br />
hat. "Der Ohrwurm überfällt<br />
einen in Situationen geistiger Entspannung",<br />
erklärt der Kasseler Musikwissenschaftler<br />
Jan Hemming. Und<br />
nicht selten handelt es sich hierbei um<br />
kurze Sequenzen von Liedern, die seit<br />
längerem im Gehirn abgespeichert<br />
sind, weil man sie mag oder häufig<br />
gehört habe. Ausgelöst durch mitunter<br />
unbewusste Reize, würden diese<br />
Sequenzen fortan durch den Kopf<br />
schwirren - etwa, weil man das Lied<br />
morgens im Radio gehört hat.<br />
Natürlich - das Radio. Es hat eine<br />
gewisse Mitschuld an allem. Die Top<br />
Ten der Charts, die Lieblingshits der<br />
Hörer, meist alle potentielle Ohrwurmkandidaten.<br />
Einfach aufgebaut: flotter<br />
Rhythmus mit einprägsamer Melodie,<br />
dazu noch x-mal gespielt am Tag. Verschont<br />
bleibt man da selten. Doch<br />
wenn unsereins nur hin <strong>und</strong> wieder<br />
konzentriert zuhört, sind die Macher<br />
des Programms den ganzen Tag der<br />
Musik ausgesetzt. Die Gefahr des chronischen<br />
Ohrwurms steigt! Oder etwa<br />
nicht? Britta Helm, Musikchefin beim<br />
Hochschulradio "Q": "Nein, das ist<br />
nicht so schlimm, nur wenn ich mich<br />
vom Radio wecken lasse, so kurz nach<br />
dem Aufstehen, dann hab ich manchmal<br />
einen Ohrwurm." Auch die übrigen<br />
Macher des Uniradios scheinen<br />
relativ ohrwurmfrei zu sein: "Wir haben<br />
hier eigentlich nicht so viele Ohrwürmer,<br />
da wir auch nicht immer die<br />
gleichen Songs spielen", erzählt Helm.<br />
Außerdem würden jeden Tag neue<br />
Lieder auf die Redaktion zukommen,<br />
da käme man mit einem Ohrwurm gar<br />
nicht mehr hinterher.<br />
Es muss also eine gewisse Penetranz in<br />
der Beschallung da sein, einmal hören<br />
reicht nicht aus. Bei der Antenne<br />
Münster kann niemand diese These<br />
bestätigen, es findet sich keiner, der<br />
sich zu diesem Thema äußern will.<br />
Egal, macht auch nichts.<br />
Doch was ist eigentlich, wenn der<br />
Wurm sich nicht verjagen lässt. Melodiefetzen<br />
<strong>und</strong> Textzeilen sich im Kopf<br />
verankern <strong>und</strong> man überhaupt nicht<br />
weiß, wie das Lied heißt. In den nächsten<br />
Plattenladen <strong>und</strong> dem nächstbesten<br />
Verkäufer einen singen, vorsummen<br />
oder den Text aufsagen? "Das habe<br />
ich persönlich noch nicht erlebt",<br />
schmunzelt Christian Wegold, Azubi in<br />
der CD-Abeilung bei SATURN. Vielleicht<br />
traut sich ja auch keiner. Dann bleibt<br />
vielleicht nur das Internet. Dort gibt es<br />
seit kurzem was Neues. Auf der Seite<br />
www.songtapper.de kann man den<br />
Rhythmus per Leertaste klopfen <strong>und</strong><br />
hoffen, dass die noch überschaubare<br />
Datenbank Lied, Interpret <strong>und</strong> Text<br />
ausspuckt. Der Ohrwurm wäre enttarnt.<br />
Doch das Programm steckt noch<br />
in den Kinderschuhen <strong>und</strong> setzt ein<br />
wenig auf klopfwütige Musikfreaks.<br />
Denn neben der Funktion einen Ohrwurm<br />
zu enttarnen, gibt's auch noch<br />
die Möglichkeit bekannte Rhythmen<br />
einzugeben. Schnell noch betiteln <strong>und</strong><br />
schon ist die Datenbank ein wenig<br />
umfangreicher geworden. Wenn also<br />
der Kollege demnächst seine Leertaste<br />
klacken lässt, bloß nicht stören. Er befindet<br />
sich quasi im Kampf gegen den<br />
Ohrwurm... #<br />
17
Ohne Glotze | Text: Susanne Wonnay | Foto: Martin Barfuß<br />
Mein Alltag<br />
ohne ihn<br />
Am Anfang ist er der ideale Typ:<br />
Immer da, immer verfügbar. Braucht<br />
man Trost steht er parat, ist man<br />
einsam, leistet er Gesellschaft. Alles<br />
kann man mit ihm machen - lachen,<br />
weinen, wütend sein.<br />
Aber auf Dauer? Da will er immer<br />
mehr Aufmerksamkeit, fordert:<br />
kümmere dich um mich. Susanne<br />
Wonnay hat neulich kurzen Prozess<br />
gemacht <strong>und</strong> die Nervensäge kurzerhand<br />
vor die Tür gesetzt. Hier ihr<br />
Tagebuch einer Trennung.<br />
Ich habe es geschafft! Ich habe<br />
ihn rausgeschmissen. Endlich. Ich hatte<br />
es mir schon so oft vorgenommen,<br />
mich aber nie getraut. Was wenn ich<br />
mich alleine fühle? Er hat mir ja auch<br />
gut getan. Habe ich mir zumindest<br />
eingebildet. Aber jetzt reicht´s. Er lenkt<br />
mich einfach zu oft vom Wesentlichen<br />
ab <strong>und</strong> er raubt mir Energie. Ja ich<br />
weiß, es gehören immer zwei dazu,<br />
aber ich war schon ziemlich fremd bestimmt.<br />
Na ja, nun ist er weg. Mein<br />
Fernseher. Ich habe die Kiste einfach<br />
weggegeben. An einem Freitag vor<br />
zwei Wochen war es. So gegen 18 Uhr.<br />
Der erste Abend ohne "Ihn": Was<br />
jetzt, denke ich. Ich mache es mir<br />
erstmal gemütlich <strong>und</strong> nehme mir ein<br />
Buch, das seit langem darauf wartet,<br />
von mir gelesen zu werden. Schon<br />
nach ein paar Minuten macht sich<br />
diese riesige Stille in meinem Zimmer<br />
breit. Es ist komisch, einfach nur auf<br />
der Couch zu sitzen <strong>und</strong> nichts zu hören.<br />
Fühlt sich fremd an. Aber irgendwie<br />
auch beruhigend. Ich lese weiter.<br />
Erster Morgen, Samstag: Ich<br />
wache auf <strong>und</strong> schaue auf den leeren<br />
Platz auf meinem Schrank, wo gestern<br />
noch das Ding mit dem Bildschirm<br />
stand. Ich lächle. Mein Magen möchte<br />
Frühstück. Ich esse. Und da ist sie wieder:<br />
Die Stille. Nur ich, mein Toast <strong>und</strong><br />
mein Kauen. Ich weiß gar nicht wie<br />
lange das her ist, dass ich mich nur<br />
auf mein Frühstück konzentriert habe.<br />
Fühlt sich gut an, das kann ich mir<br />
öfter vorstellen. Ich bin viel entspannter,<br />
habe ich das Gefühl - schon jetzt<br />
nach nur einem Abend <strong>und</strong> einer<br />
Nacht ohne die Flimmerkiste.<br />
Ich fange an, meinen Tag zu planen.<br />
Erstmal gehe ich zum Sport. Mal<br />
wieder was für die Ges<strong>und</strong>heit tun.<br />
Danach in die Stadt bummeln. Kaffee<br />
trinken, spazieren gehen auf der Promenade<br />
<strong>und</strong> noch was einkaufen fürs<br />
Wochenende. Das Buch, das ich angefangen<br />
habe, ist echt spannend. Ich<br />
lese. <strong>Draußen</strong> bricht bereits der Abend<br />
an. Als ich auf die Uhr schaue, kann<br />
ich es kaum fassen - 19 Uhr! Ich habe<br />
den Tag über schon ziemlich oft ans<br />
Fernsehen gedacht. Ist ja auch kein<br />
W<strong>und</strong>er, es ist noch keine zwei Tage<br />
her, da habe ich das Ding drei bis vier<br />
mal am Tag an- <strong>und</strong> ausgemacht. Und<br />
oft habe ich dann nicht nur eine Sendung<br />
geguckt, sondern meistens drei,<br />
vier St<strong>und</strong>en mit Zappen verbracht.<br />
Nur an einem Tag! Rechnet man das<br />
auf die Woche hoch, macht das zwischen<br />
20 <strong>und</strong> 30 St<strong>und</strong>en! Das muss<br />
man sich mal überlegen; das ist mehr<br />
als ein ganzer Tag. Ich habe mal gelesen:<br />
zehn Jahre seines Lebens verbringt<br />
der Mensch mit Fernsehen. Mir<br />
war das gar nicht bewusst.<br />
Die Tage vergehen, mittlerweile<br />
sind es zwei Wochen. Ich hatte noch<br />
nie so viel Zeit. Ich tue viel mehr für<br />
die Uni, ich lerne, treffe mich mit<br />
Fre<strong>und</strong>en, nehme alles viel bewusster<br />
wahr. Ich mache Sport, gehe viel mehr<br />
meinen alten Hobbys nach: Rad fahren,<br />
Fotografieren, Lesen. Ich habe<br />
sogar neue Steckenpferde: meine Umgebung<br />
zu Fuß erk<strong>und</strong>en, Sprachen<br />
lernen, Zeichnen. Es macht Spaß. Was<br />
in der Welt passiert, erfahre ich aus<br />
der Zeitung <strong>und</strong> übers Internet, es gibt<br />
viele interessante Seiten im Netz mit<br />
viel Hintergr<strong>und</strong>wissen. Radio ist auch<br />
ein tolle Alternative.<br />
Die Reaktionen der anderen sind<br />
unterschiedlich. Einige finden es komisch,<br />
dass ich keinen Fernseher mehr<br />
habe: Wie kann ich mich nur entscheiden,<br />
ohne Fernseher zu leben? Das ist<br />
dann immer der Moment, in dem ich<br />
denke: Das Ding wird überbewertet.<br />
Wie oft schaltet man das Gerät einfach<br />
nur an, weil man es gewohnt ist zu<br />
gucken. "Um abzuschalten", höre ich<br />
dann oft. Aber richtig entspannen<br />
kann ich mich nicht bei sinnlosen<br />
Gerichtsshows. Wann kommen denn<br />
wirklich gute Filme <strong>und</strong> spannende<br />
Beiträge? Das meiste ist doch immer<br />
dasselbe. Ich habe auch die Lust verloren<br />
an der tausendsten Folge der niemals<br />
enden wollenden Serien wie Verbotene<br />
<strong>Liebe</strong>, Marienhof, GZSZ, Verliebt<br />
in Berlin, Gilmore Girls, Hinter Gittern,<br />
Unter Uns, Lindenstraße <strong>und</strong> wie sie<br />
nicht alle heißen. Ich möchte auch<br />
nicht mehr wissen wie irgendeine<br />
Familie ihre Wohnung renoviert, ihren<br />
Garten gestaltet, aus dem alten Haus<br />
auszieht, mit ihren Kindern nicht fertig<br />
wird oder ein neues Leben auf<br />
Mallorca anfängt. Ist doch viel schöner<br />
mal wieder gute Musik in den CD-<br />
Player zu legen, nicht wahr?<br />
Ja <strong>und</strong> dann gibt es noch den anderen<br />
Teil meiner Umwelt. Die finden<br />
die Sache toll, überlegen vielleicht<br />
sogar mitzumachen. Das freut mich<br />
dann. Im Moment kann ich mir nicht<br />
vorstellen, wieder mit Ihm zu leben.<br />
Und wenn ich ihn eines Tages doch<br />
vermisse, suche ich mir eben einen<br />
Neuen. Gibt ja so viele. Aber jetzt kann<br />
ich nur sagen: Toll, so ohne! #<br />
18
Pilgerreise | Text: Magnus Enxing | Foto: www.schritt-weise.net<br />
Täglich Grenzen<br />
überschreiten<br />
Von Münster nach Jerusalem. Zu<br />
Fuß. Die beiden Brüder Magnus <strong>und</strong><br />
Ruben Enxing sind seit einem Monat<br />
auf Pilgerreise in den Nahen Osten.<br />
Vor dem Start haben sie uns versprochen<br />
in der ~ über ihre<br />
Erlebnisse unterwegs zu berichten.<br />
Die beiden haben ihr Versprechen<br />
gehalten. Magnus Enxing schreibt<br />
wie es den zwei Weltenbummlern<br />
für den Frieden auf ihren ersten<br />
Etappen in Deutschland <strong>und</strong><br />
Tschechien ergangen ist.<br />
Unterwegs. Seit mehr als vier<br />
Wochen. Deutschland haben wir hinter<br />
uns gelassen, bald sind wir auch durch<br />
Tschechien. Mit Siebenmeilenstiefeln<br />
geht es Richtung Österreich, bald darauf<br />
werden wir Bratislava erreichen.<br />
Über Ostern haben wir es etwas ruhiger<br />
angehen lassen - das Tagespensum<br />
liegt um 30 Kilometer. Das sind<br />
etwas sechs St<strong>und</strong>en reine Wanderzeit.<br />
Recht entspannt, unser Rekord sind 50<br />
Kilometer. Der wird so schnell nicht zu<br />
knacken sein. Grenzen spielen sowieso<br />
eine besondere Rolle bei unserem<br />
Unternehmen. Die erste haben wir<br />
bereits im Vorfeld überw<strong>und</strong>en als wir<br />
uns zu der Reise in den Nahen Osten<br />
entschlossen haben. Sechs Monate den<br />
Schritt raus aus der sicheren Umgebung<br />
wagen, die gewohnten Verhältnisse<br />
verlassen, ins Unbekannte<br />
gehen.<br />
schritt-weise e.V.<br />
Magnus Enxing<br />
Meppener Str. 11b<br />
48155 Münster<br />
Tel.: 0251-6189177<br />
Mobil: 0163-6794787<br />
www.schritt-weise.net<br />
Doch jetzt sind wir unterwegs. Aufgeben<br />
gilt nicht mehr! Es gibt kein Zurück.<br />
Wir stoßen an neue Grenzen, sie<br />
gehören nun buchstäblich zum Alltag.<br />
Das macht es aber nicht leichter sie zu<br />
überwinden. Plötzlich sieht man Beschränkungen<br />
bei sich selbst, die vorher<br />
gar nicht da waren: Schafft ich den<br />
heutigen Tag, macht mein Körper das<br />
mit? Was macht das Knie <strong>und</strong> was das<br />
lädierte Fußgelenk? Halte ich trotz der<br />
beachtlichen Schwellung die angepeilte<br />
Distanz durch? Zu den körperlichen<br />
Faktoren kommt der innere Schweineh<strong>und</strong>,<br />
der jeden Tag überw<strong>und</strong>en<br />
werden will. Wo zwickt es heute? Wieder<br />
die Ferse wie gestern? Nein, heute<br />
ist es eine Blase am dicken Onkel. Die<br />
Muskeln an der Wade tun auch weh.<br />
Hinzu kommt: Immer zusammen<br />
sein mit der gleichen Person ist auch<br />
nicht ohne. Auf der Reise verändern<br />
wir uns <strong>und</strong> den Schwierigkeiten, die<br />
dadurch auftreten, können wir auf<br />
Dauer nicht einfach ausweichen. Für<br />
eine erfolgreiche Reise ist nahezu<br />
blindes Verständnis nötig. Die enge<br />
Grenze der eigenen Person muss hinten<br />
anstehen, soll das Ganze zum Ziel<br />
führen. Unterwegs wollen wir so viele<br />
Menschen wie möglich kennen lernen,<br />
traute Zweisamkeit ist da unangebracht.<br />
In Deutschland hatten wir ein<br />
paar Übernachtungen vorher geplant,<br />
aber im Großen <strong>und</strong> Ganzen sind wir<br />
spontan unterwegs <strong>und</strong> entscheiden<br />
von Tag zu Tag. Wir haben wir an Klosterpforten<br />
<strong>und</strong> Pfarrhäusern angeklopft<br />
<strong>und</strong> oft hatten wir nicht nur<br />
einen Platz für unsere Isomatten, ein<br />
Waschbecken <strong>und</strong> eine Toilette - die<br />
Hilfe ging weit über das, was wir<br />
erwartet hatten, hinaus. Ein Pfarrer im<br />
Ruhestand ließ uns in seinem Wohnzimmer<br />
schlafen. In einem Nest in<br />
Friedensläufer: Die Brüder Ruben <strong>und</strong><br />
Magnus Enxing<br />
Sachsen schenkte uns die Bedienung<br />
einer Kneipe einfach so eine ganze<br />
Tüte Äpfel <strong>und</strong> in Elsleben bot uns eine<br />
Frau von sich aus an bei ihrer Familie<br />
zu übernachten. Sie hatte uns schwer<br />
bepackt auf der Straße gesehen. Wir<br />
haben festgestellt: Die Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
ist in Deutschland besser als ihr<br />
Ruf.<br />
Probleme gibt es jeden Tag, nur<br />
ihr Gewicht verschiebt sich. Von Bewältigung<br />
keine Rede, das jeweils<br />
akute Problem drängt in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Im Moment macht der Körper<br />
die größten Schwierigkeiten. Vielleicht<br />
wird es damit in ein paar Wochen besser.<br />
Dann werden wahrscheinlich andere<br />
Probleme kommen: Materialverschleiß,<br />
das Wetter <strong>und</strong> vor allem die<br />
Sprache. Davon haben wir schon in<br />
Tschechien einen kleinen Vorgeschmack<br />
bekommen. "Nero sumiem!",<br />
"Ich verstehe nicht" war häufig die<br />
einzige Antwort, wenn wir irgendwo<br />
abseits der Touristenhochburgen nach<br />
dem Weg fragten. Ostermontag sind<br />
wir in Österreich, da wird es wohl wieder<br />
besser, aber dann in der Slowakei?<br />
Wir sind gespannt <strong>und</strong> bald schon<br />
wieder zwei Grenzen weiter. #<br />
19
Wildpferdefang | Text <strong>und</strong> Foto: Reinhold Kübber<br />
Wilde Hottehühs<br />
Widpferdefang: Rasantes Spektakel<br />
Fragt man die Dülmener, ob sie<br />
schon mal beim Wildpferdefang im<br />
Merfelder Bruch gewesen sind,<br />
schütteln die meisten den Kopf. Die<br />
Besucher einer der größten Attraktionen<br />
im Münsterland kommen von<br />
weiter her, aus Süddeutschland, den<br />
Niederlanden, ja sogar aus Spanien<br />
reisen die Pferdenarren an, um bei<br />
dem Spektakel zuzuschauen. Am<br />
letzten Samstag im Mai ist es wieder<br />
so weit. Dann fangen Bauernburschen<br />
mit bloßen Händen die einjährigen<br />
Hengste aus der Herde.<br />
Reinhard Kübber gehört zu der Minderheit<br />
der Dülmener, die schon mal<br />
da gewesen sind.<br />
Bebende Erde, donnernder Hufschlag,<br />
Staub wirbelt auf. "Oh" <strong>und</strong><br />
"Ah" rufen die Zuschauer, als die<br />
mausgrauen, falben Wildpferde um<br />
die Ecke stürmen. Zäune links <strong>und</strong><br />
rechts zwingen sie in die Arena. 200,<br />
300, 400 Tiere. Die Tribünen sind bis<br />
auf den letzten Platz gefüllt, weit über<br />
10.000 Zuschauer haben sich auf den<br />
Weg ins Merfelder Bruch gemacht. Der<br />
traditionelle Wildpferdefang des Herzogs<br />
von Croy kann beginnen. Wie jeden<br />
letzten Samstag im Mai. "Wenn<br />
die Herde an den Wildbahnbesuchern<br />
vorbei in die Arena galoppiert - das ist<br />
der Höhepunkt des Tages. Dann fangen<br />
25 junge Burschen aus Merfeld<br />
<strong>und</strong> Reken die einjährigen Hengste<br />
heraus", erzählt Rudolf Knoke, der das<br />
Spektakel seit 28 Jahren organisiert.<br />
Der Fang hat einen biologischen<br />
Hintergr<strong>und</strong>: die jungen Hengste müssen<br />
raus aus der Herde, damit es keine<br />
Inzucht gibt. "Diesmal rechnen wir<br />
damit, dass ungefähr 30 Tiere gefangen<br />
werden. Vier von ihnen werden<br />
verlost, der Rest versteigert", berichtet<br />
Knoke. Der Preis? "400 bis 450 Euro<br />
sollte so ein Tierchen schon kosten."<br />
Die Dülmener Wildpferde sind unkomplizierte<br />
Zeitgenossen, sagt Knoke. Sie<br />
haben eine gute Kinderstube, sind intelligent<br />
<strong>und</strong> mit einem feinen Instinkt<br />
ausgestattet. "Bei guter Behandlung<br />
werden sie sehr zutraulich", verspricht<br />
Knoke. "Es ist für den Käufer reizvoll,<br />
ein unverfälschtes Pferd in seinem<br />
Sinne heranzubilden. Das Stockmaß<br />
beträgt 1,36 Meter. Wenn es vier ist,<br />
kann man das Pferd anspannen oder<br />
reiten."<br />
Seit Urzeiten leben die Wildpferde<br />
r<strong>und</strong> zwölf Kilometer westlich von<br />
Dülmen im Merfelder Bruch. Sie sind<br />
heute das einzige Wildgestüt in Europa.<br />
Die Tiere sind sich selbst überlassen<br />
<strong>und</strong> müssen mit dem auskommen,<br />
was die Natur ihnen an Nahrung bietet.<br />
Auch im Winter. Die zuweilen<br />
schweren Bedingungen machen die<br />
Pferde hart <strong>und</strong> anspruchslos <strong>und</strong> halten<br />
sie ges<strong>und</strong>. Vor 150 Jahren schufen<br />
die Herzöge von Croy ein mittlerweile<br />
knapp vier Quadratkilometer großes<br />
Reservat für die Tiere <strong>und</strong> retteten sie.<br />
"Die Hälfte des Areals besteht aus<br />
Wald, die andere Hälfte aus Weiden",<br />
sagt Rudolf Knoke. 1987 verewigte die<br />
Deutsche B<strong>und</strong>espost die Dülmener<br />
Wildpferde sogar auf einer Sondermarke.<br />
Bis die Wildpferde von den Burschen<br />
aus dem Münsterland mit bloßen Händen<br />
gejagt werden, ist eine Menge Arbeit<br />
zu erledigen. Knoke: "Eine Handvoll<br />
Mitarbeiter sind damit drei Monate<br />
beschäftigt." Die Eintrittskarten für<br />
das imposante Schauspiel sind heiß<br />
begehrt, wer einen Platz auf den Tribünen<br />
ergattern will, muss sich sputen.<br />
"Die diesjährige Veranstaltung ist<br />
so gut wie ausverkauft", bedauert Rudolf<br />
Knoke. "Die Tribünenplätze bieten<br />
wir per Internet an. Im November waren<br />
die schon weg." Ein paar Restkarten<br />
sind noch zu haben. Aber auch für<br />
diejenigen, die keine Eintrittskarte<br />
haben, lohnt sich der Besuch Ende Mai<br />
im Merfelder Bruch: Für 2,50 Euro können<br />
Erwachsene (Kinder zahlen die<br />
Hälfte) die Wildpferde am Vormittag<br />
auf einer Koppel stehen sehen <strong>und</strong> ab<br />
13 Uhr vom Eingang aus das Vorprogramm<br />
in der Arena verfolgen. Reiter<br />
zeigen dann ein spektakuläres Programm:<br />
"Rasant <strong>und</strong> schön", wie Knoke<br />
findet. Gegen 15 Uhr galoppieren<br />
dann die Wildpferde ins Stadion, dicht<br />
an den Wildbahnbesuchern vorbei.<br />
Und wer Zeit hat, kann sie dann noch<br />
mal bestaunen, wenn sie nach dem<br />
Fang wieder in die Freiheit entlassen<br />
werden. Dann allerdings ohne die<br />
jungen Hengste. #<br />
Am 27. Mai ist die Wildpferdebahn ab 8.30 Uhr geöffnet, die Kassen an der<br />
Arena sind ab neun Uhr besetzt. Für Kaffee, Imbiss <strong>und</strong> Limonade ist<br />
gesorgt. Außerdem gibt es Souvenirs, Literatur <strong>und</strong> Infos über die<br />
Wildpferde an verschiedenen Ständen. Wer mit dem H<strong>und</strong> kommt, kann<br />
ihn während der Veranstaltung von Fachpersonal betreuen lassen.<br />
Anfahrt ab Münster:<br />
Autobahn A43 Münster-Recklinghausen, Ausfahrt Dülmen/Coesfeld, links 2,5 km<br />
Richtung Coesfeld, an der Ampel links ab <strong>und</strong> über Merfeld weiter Richtung<br />
Borken. Zufahrt 5 km hinter Merfeld links am Wald entlang.<br />
Weitere Infos gibt es im Internet unter www.wildpferde.de<br />
20
Kultur | Text: Michael Heß | Foto: Martin Barfuß<br />
Kriegerposen<br />
am Mauritztor<br />
Patriotismus: Kein guter Gr<strong>und</strong> zu m Sterben<br />
Die meisten Münsteraner werden es<br />
vermutlich gar nicht mehr beachten<br />
- das von Bernhard Frydag geschaffene<br />
Kriegerdenkmal am Mauritztor,<br />
im Volksm<strong>und</strong> zutreffend "Schinkenstele"<br />
genannt. Seit 97 Jahren<br />
kündet es dröhnend von Heroismus<br />
<strong>und</strong> der Potenz des Stärkeren.<br />
Michael Heß macht sich zum Tag der<br />
Befreiung am 8. Mai Gedanken über<br />
Künstler <strong>und</strong> Zeitgeist.<br />
Frydags kalksteinerne Arbeit steht<br />
in einer langen Reihe ähnlicher Werke,<br />
beginnend mit der Befreiungshalle im<br />
bayerischen Kehlheim <strong>und</strong> monumental<br />
endend im Leipziger Völkerschlachtsdenkmal.<br />
Patriotismus galt<br />
als Wert <strong>und</strong> der Krieg als heroische<br />
Opferstätte für das junge Leben. An<br />
Kriegen war kein Mangel: die "Befreiungskriege"<br />
von 1812 bis 1814, die drei<br />
"Einigungskriege" gegen Dänemark,<br />
Österreich <strong>und</strong> Frankreich. Schon warf<br />
der Erste Weltkrieg seine Schatten voraus.<br />
Der Zeitgeist machte um seine<br />
1909 eingeweihte Arbeit jedenfalls<br />
keinen Bogen; bis zum Schlachtfeld<br />
von Langemarck, auf dem die deutsche<br />
Jugend sinnlos verblutete, sollte<br />
es nur mehr fünf Jahre dauern.<br />
Frydags Ästhetik ist zeitlos. Seine<br />
nackten Krieger nehmen die des Nazikünstlers<br />
Thorak vorweg. Sie sind auch<br />
Vorläufer der Schwarzenegger-Verkörperung<br />
von Conan <strong>und</strong> Terminator.<br />
Diese Ästhetik "prägt zuvorderst der<br />
Habitus kraftstrotzender Erstarrung",<br />
so der Kunsthistoriker Martin Bach, der<br />
hier zugleich eine "Konsequenz der<br />
Monumentalität" sowie "kraftstrotzende<br />
Erstarrung" feststellt. Doch bei<br />
aller äußeren Potenz ist sie auch zutiefst<br />
inhuman. Das mochte bis nach<br />
dem letzten Weltkrieg noch mehr gegolten<br />
haben, als die wehrhaft teutschen<br />
Adler entfernt wurden, die den<br />
von den Kriegerfiguren getragenen<br />
Kranz zierten. Die erhalten gebliebenen<br />
sechs figürlichen Reliefs blieben<br />
auch ohne Adler Zeugnis genug.<br />
Wer den Zeitgeist heiratet, ist bald<br />
Witwer. Für den Künstler Frydag gilt<br />
das ohne Abstriche. Heute ist er vergessen;<br />
selbst Reclams Künstlerlexikon<br />
erwähnt ihn nicht mehr. Es ist schwer,<br />
überhaupt noch Spuren zu finden. Der<br />
1878 in Münster Geborene studierte in<br />
Berlin Kunst, arbeitete später wieder<br />
in seiner Heimatstadt <strong>und</strong> sah sich<br />
selbst in künstlerischer Nähe zu Hugo<br />
Lederer, einem heute vergessenen<br />
Bildhauer der Kaiserzeit. Die Stele am<br />
Mauritztor ist das letzte Zeugnis von<br />
Frydags künstlerischem Schaffen. Ob es<br />
zu Frydags Zeiten der "welsche Erzfeind"<br />
war oder heute Al Quaida, die<br />
Mullahs, Saddam <strong>und</strong> Co. sind - unverändert<br />
werden die Feindbilder in<br />
die Köpfe manipuliert, ohne nach den<br />
Ursachen zu fragen. Oder gewaltlose<br />
Lösungen aufzuzeigen. Denn im Kern<br />
nämlich geht es um Weltherrschaftsphantasien<br />
<strong>und</strong> um das Öl des Nahen<br />
Ostens <strong>und</strong> so was ist ohne Gewalt<br />
eben nicht zu haben. Deutsche Soldaten<br />
sind längst wieder mit dabei. Sei<br />
es am Hindukusch, wo "unsere Jungs"<br />
die Rekordernten an Opium sichern<br />
helfen, die, zu Drogen veredelt, auch<br />
in Münster konsumiert werden. Bald<br />
werden sie wohl auch im tropischen<br />
Kongo Garnisonen errichten. Globalisierung<br />
per Knobelbecher unter der<br />
löchrigen Flagge der Menschenrechte.<br />
Damals wie heute reiben sich die<br />
Strippenzieher im demokratisch verfassten<br />
Heimatland in Erwartung fetter<br />
Renditen die Hände.<br />
Bernhard Frydag wurde selbst ein<br />
Opfer der von ihm verherrlichten Ideologie.<br />
1916 fiel er mit 38 Jahren "im<br />
Felde" für ein Kaiserreich, das seinen<br />
Tod nur zwei Jahre überdauerte. Seinem<br />
Oberbefehlshaber bekam der<br />
Krieg nach eigener Aussage hingegen<br />
"wie eine Badekur". Bis heute ist der<br />
größte Platz der Stadt nach ihm benannt.<br />
Und die Toten der B<strong>und</strong>eswehr<br />
am Hindukusch <strong>und</strong> am Horn von Afrika<br />
<strong>und</strong> bald im Kongo werden in aller<br />
Stille gezählt. Noch. #<br />
21
Schlepper | Text: Sigi Nasner<br />
Gefährliche Seilschaft<br />
Die meisten unserer Verkäufer haben<br />
viele Talente. Sigi Nasner kann gut<br />
schreiben. Doch bevor er Artikel <strong>und</strong><br />
Kurzgeschichten zu Papier brachte,<br />
arbeitete er als Seemann. Und als<br />
Fassadenbauer am Niederrhein. Kein<br />
leichter Job! Auf was für skrupellose<br />
Leute er sich jedoch eingelassen<br />
hatte, merkte er erst, als er eine<br />
Autopanne hatte <strong>und</strong> ihn der Firmenchef<br />
abschleppte. Sigi erzählt,<br />
was damals passiert ist.<br />
"Halt dich an der Fassade fest!",<br />
rief ich Jupp zu - aber es war bereits<br />
zu spät. Der Arbeitskorb in dem wir<br />
standen, driftete von einer Windböe<br />
getrieben, einige Meter von der Hochhauswand<br />
weg. Der Schreck fuhr mir<br />
in die Glieder! Nach unten waren es<br />
gut 60 nach oben zum rettenden Dach<br />
etwa 20 Meter. Wir hingen als Spielball<br />
des Windes an zwei relativ dünnen<br />
Drahtseilen. Als die Böe endlich abflaute,<br />
klammerten wir uns an den<br />
Fassadenleisten fest <strong>und</strong> ich betätigte<br />
den Knopf um aufwärts zu fahren.<br />
Doch nichts geschah! Durch den starken<br />
Wind musste oben am Kran die<br />
Sicherung herausgesprungen sein. Und<br />
niemand war da, um sie wieder einzuschalten.<br />
"Hallo, Hilfe", riefen wir<br />
immer wieder aus Leibeskräften. Nach<br />
einer Nerven aufreibenden Viertelst<strong>und</strong>e<br />
tauchte endlich oben ein Kollege<br />
auf, der den Kran wieder in Gang<br />
setzte. Auf dem sicheren Dach angekommen<br />
war klar: Dort würden wir<br />
heute nicht mehr runter fahren. An<br />
diesem Tag war ich dann doch froh, als<br />
Jupp, ich <strong>und</strong> zwei weitere Kollegen<br />
abends in mein Auto einstiegen um<br />
heim zu fahren. Doch nach etwa 30<br />
Kilometern - gut ein Viertel der<br />
Wegstecke - kündigte sich erneut<br />
Ärger an. Der Motor begann zu stottern,<br />
wir schafften es gerade noch bis<br />
zu einem Rastplatz, wo die Maschine<br />
dann völlig den Geist aufgab. Alle<br />
Startversuche bewirkten nur, dass kurz<br />
darauf die Batterie leer war. Schließlich<br />
rief Jupp den Chef an. Als dieser<br />
mit seinem schweren Schlitten eintraf,<br />
wurde es bereits dunkel. Er wollte uns<br />
schnellstens nach Hause bringen,<br />
schließlich sollten Leute <strong>und</strong> Auto am<br />
nächsten Morgen wieder fit für die<br />
Arbeit sein. Weil das Rücklicht keinen<br />
Strom mehr hatte, legte ich eine<br />
Taschenlampe auf die Hutablage.<br />
Davor das Warndreieck. Jupp saß neben<br />
mir, die beiden anderen stiegen<br />
beim Chef ein.<br />
Dann ging es los! Schon nach kurzer<br />
Zeit wurde das Tempo immer<br />
schneller. Schließlich fuhren wir auf<br />
der Überholspur weiter. Mir wurde<br />
mulmig. "Leuchte doch mal mit dem<br />
Feuerzeug auf das Tacho", sagte ich zu<br />
Jupp. Ich konnte kaum glauben was<br />
ich sah. Die Tachonadel hatte die 150-<br />
Kilometer-Marke deutlich überschritten.<br />
Meine Hände krampften sich um<br />
das Lenkrad, mein rechter Fuß klebte<br />
wie elektrisiert am Bremspedal. Ich<br />
war in höchster Alarmbereitschaft.<br />
Aber alles ging gut - bis wir mit hoher<br />
Geschwindigkeit auf der Überholspur<br />
in ein großes Autobahnkreuz hinein<br />
fuhren. Vor uns scherte plötzlich ein<br />
LKW aus. Das zwang uns zu einem<br />
scharfen Bremsmanöver. Dann ein<br />
Ruck - das Seil war gerissen. Das Auto<br />
des Chefs zog davon, wir blieben ohne<br />
Motorkraft zurück. Hinter uns der<br />
drängelnde Verkehr, neben uns donnerten<br />
die Lastwagen. Ich wartete bis<br />
der nächste Brummi rechts an uns<br />
vorbeigezogen war. Schnell zwängte<br />
ich mich, trotz lautstarkem Hupen<br />
eines von hinten heran brausenden<br />
LKW durch die enge Lücke auf die<br />
Standspur. Eine rotweiß-gestreifte<br />
Warnbarke raste auf uns zu: Dort endete<br />
die Standspur <strong>und</strong> die Autobahn<br />
führte über eine Brücke. Hinter der<br />
Barke fiel eine sehr tiefe <strong>und</strong> steile<br />
Böschung zu einem Bahngelände ab.<br />
Mit blockierten Rädern kamen wir -<br />
über feinen Splitt rutschend - unmittelbar<br />
vor der Barke zum Stehen. Meine<br />
Hände zitterten. Ich brachte keinen<br />
Ton heraus.<br />
Unser Chef, der eine Schleife gefahren<br />
war, traf bald wieder bei uns<br />
ein. Das Seil, das sogar noch brauchbar<br />
war, wurde erneut befestigt <strong>und</strong><br />
wir setzten die Fahrt fort. Diesmal<br />
fuhren wir jedoch mit gemäßigtem<br />
Tempo bis zur nächsten Abfahrt. Dort<br />
verließen wir sicherheitshalber die<br />
Autobahn, kamen aber nicht mehr<br />
sehr weit, denn kurz darauf stoppte<br />
uns die Polizei. Die Beamten ließen<br />
uns wegen der fehlenden Beleuchtung<br />
an meinem Auto nicht mehr weiter<br />
fahren. Niemand bemerkte meine Erleichterung:<br />
Gleich am nächsten Tag<br />
habe ich gekündigt. #<br />
Anzeigen<br />
Radlos ?<br />
Neue <strong>und</strong><br />
gebrauchte Fahrräder<br />
Montag bis Freitag<br />
10 –13 Uhr<br />
14 –18 Uhr<br />
22<br />
Frauenfahrradladen<br />
Dortm<strong>und</strong>erstr. 11, Tel 66 57 61
~-Jahresbericht | Text: Andy Wolf | Foto: Martin Barfuß<br />
Gut gewirtschaftet<br />
2005 war für unser Straßenmagazin<br />
ein erfolgreiches Jahr. Wieder einmal<br />
sind wir ohne öffentliche Gelder<br />
über die R<strong>und</strong>en gekommen. Dabei<br />
haben unsere Sponsoren wieder<br />
kräftig mitgeholfen <strong>und</strong> natürlich<br />
unsere treuen Anzeigenk<strong>und</strong>en.<br />
Aber am meisten haben wir die erfolgreiche<br />
Bilanz Ihnen, liebe <strong><strong>Leser</strong>innen</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Leser</strong>n, zu verdanken. Sie<br />
haben unser Magazin so oft gekauft<br />
wie noch nie. Hier der Jahresbericht<br />
unseres ehrenamtlichen Geschäftsführers<br />
Andy Wolf.<br />
Die Hauptaufgabe der ~ist<br />
wohnungslosen Männern <strong>und</strong> Frauen<br />
zu ermöglichen zu dem wenigen Geld,<br />
das sie vom Staat bekommen ein kleines<br />
Zubrot zu verdienen. Aber auch<br />
alle anderen, die sozial benachteiligt<br />
sind, dürfen unser Straßenmagazin<br />
verkaufen. Die meisten der Verkäufer<br />
passen nicht mehr in die sogenannte<br />
normale Arbeitswelt. Weil sie viel zu<br />
lange draußen sind oder weil sie psychische<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Probleme<br />
haben. Trotzdem sind sie hoch motiviert<br />
etwas zu leisten. Der Verkauf der<br />
~ ist nämlich harte Arbeit <strong>und</strong><br />
erfordert viel Disziplin. Morgens aus<br />
dem Bett zu kommen - ohne Münsters<br />
Straßenmagazin würden das viele<br />
nicht schaffen. Der Alltag erhält wieder<br />
eine Struktur <strong>und</strong> die Verkäufer kommen<br />
in Kontakt mit Menschen. Ein viel<br />
größerer Gewinn als das dabei verdiente<br />
Geld.<br />
Nach wie vor ist die Personalsituation<br />
schwierig. Chefredakteur<br />
Gerrit Hoekman ist der einzige hauptamtliche<br />
Mitarbeiter, das heißt, er<br />
wird als einziger voll von ~ bezahlt.<br />
Seit anderthalb Jahren bildet er<br />
mit Layouter Heinz Dalmühle ein<br />
Team, das Monat für Monat eine gute<br />
Zeitung macht. Heinz hatte erst eine<br />
vom Arbeitsamt geförderte Stelle, seit<br />
letzten Sommer hat er einen sogenannten<br />
Ein-Euro-Job, der aber im<br />
Mai ausläuft. Daneben schreiben<br />
gegen ein kleines Honorar r<strong>und</strong> ein<br />
Dutzend freier Mitarbeiter für ~.<br />
Regelmäßig unterstützen Praktikanten<br />
die Redaktion.<br />
Der Vertrieb der ~ läuft über<br />
unser Büro in der Overbergstraße.<br />
Sabrina Kipp, die durch einen Ein-Euro-Job<br />
zur ~ gekommen ist, betreut<br />
mit viel Herzblut die Verkäuferinnen<br />
<strong>und</strong> Verkäufer. Durch sie ist der<br />
Kontakt zwischen Verkäufern <strong>und</strong> der<br />
Zeitung wieder enger geworden, die<br />
~-Familie wieder näher zusammen<br />
gerückt. Außerdem konnte sie auf<br />
der Straße eine ganze Reihe neuer<br />
Verkäufer werben. Seit Ende 2005 hat<br />
Sabrina einen Umschulungsplatz zur<br />
Bürokauffrau bei ~, der ihr eine<br />
berufliche Perspektive gibt. Ohne die<br />
Kooperation mit unserer langjährigen<br />
Druckerei Borgsmüller in Hiltrup <strong>und</strong><br />
der Arbeitsgemeinschaft Münster wäre<br />
das nicht möglich gewesen.<br />
Sabrinas größter Erfolg war wohl<br />
die Gründung der Fußballberber<br />
"~ Münster 05", die in kurzer<br />
Zeit zu einem Aushängeschild unseres<br />
Vereins geworden sind <strong>und</strong> den Namen<br />
unseres Straßenmagazins b<strong>und</strong>esweit<br />
<strong>und</strong> sogar in Europa bekannt<br />
machen. Bei ihren Auftritten in Kiel<br />
<strong>und</strong> beim Baltic-Cup in Polen haben<br />
die Spieler Erfahrungen gemacht, die<br />
sie ein Leben lang nicht vergessen<br />
werden. Ohne den Tatendrang von<br />
Sabrina Kipp würde es die "Fußballberber<br />
~ Münster 05" nicht<br />
geben. Im Moment bereitet sich das<br />
Team auf die Deutschen Meisterschaften<br />
vor. Zweimal die Woche sind die<br />
obdachlosen Spieler mit Hingabe beim<br />
Training im Südpark. Fußball ist für sie<br />
inzwischen ein gutes Stück Lebensinhalt.<br />
Aber auch ~ gewinnt durch<br />
die Kicker, unser Ansehen steigt. Das<br />
Kostenfaktor ~-Büro<br />
merken wir durch die vielen Sponsoren:<br />
Münsteraner Firmen haben<br />
Fußballschuhe, Fußbälle <strong>und</strong> Trikots<br />
gespendet.<br />
Alles in allem war 2005 das beste<br />
Jahr seit langem. Im Vergleich zum<br />
vorletzten Jahr konnten wir insgesamt<br />
5.000 Zeitungen mehr verkaufen -<br />
noch mal eine kleine Steigerung der<br />
Auflage <strong>und</strong> das auf für ~-<br />
Verhältnisse sehr hohem Niveau. Leider<br />
sind gleichzeitig die Einnahmen<br />
durch Anzeigen zurückgegangen,<br />
wenn auch geringfügig. Offenbar haben<br />
viele Münsteraner Unternehmen<br />
noch nicht erkannt, dass es gut fürs<br />
Image ist, in unserem Straßenmagazin<br />
zu werben. Umso mehr danken wir<br />
unseren treuen K<strong>und</strong>en. Seit zwei<br />
Jahren versuchen wir durch den Verkauf<br />
gespendeter Bücher eine weitere<br />
Einnahmenquelle zu erschließen. Im<br />
ersten Jahr mit Erfolg, doch 2005 blieb<br />
der Gewinn deutlich hinter unseren<br />
Erwartungen zurück. Bleiben die<br />
Spenden. Gut 15.000 Euro haben auch<br />
2005 unser Überleben gesichert.<br />
Wie bereits angedeutet, ist die<br />
Personalsituation weiterhin unbefriedigend.<br />
Durch den Verkauf der ~<br />
erwirtschaften wir nur einen Teil der<br />
Personalkosten, den Rest finanzieren<br />
wir über Spenden. Es erstaunt uns<br />
immer wieder, wie mit nur einer festen<br />
Stelle, einer Umschülerin, drei Ein-<br />
Euro-Jobbern, den vielen Ehrenamtlichen<br />
<strong>und</strong> Praktikanten eine der besten<br />
deutschen Straßenzeitungen gemacht<br />
wird. Natürlich wünschen wir<br />
uns eine langfristig gesicherte Finanzierung<br />
<strong>und</strong> mehr als eine feste Stelle<br />
- realistisch betrachtet müssen wir<br />
aber wohl weiter mit der unsicheren<br />
Situation leben. Aber das kennen wir<br />
ja nicht anders. #<br />
23
Altersdemenz | Text: Andreas Horn | Foto: Wolfgang Beyer<br />
Wenn Opa<br />
tüddelig wird<br />
Hilfe: Friederike-Fliedner-Haus<br />
Die Milch in den Küchenschrank<br />
stellen, statt in den Kühlschrank,<br />
den Weg zum Supermarkt nicht<br />
mehr finden oder die Kaffeemaschine<br />
nicht mehr bedienen können<br />
- den Alltag normal bewältigen<br />
wird unmöglich, wenn das<br />
Gedächtnis nachlässt <strong>und</strong> einfachste<br />
Dinge werden zu einer großen<br />
Hürde. Andreas Horn über eine<br />
Krankheit, die in Zukunft immer<br />
mehr Probleme mit sich bringt.<br />
R<strong>und</strong> eine Million Menschen sind<br />
in Deutschland an Demenz erkrankt.<br />
Tendenz steigend. Denn mit der immer<br />
höher werdenden Lebenserwartung,<br />
steigt auch die Zahl der Betroffenen.<br />
Die bekannteste, weil mit einem Anteil<br />
von 50 bis 60 Prozent auch häufigste<br />
Form der Demenz ist Alzheimer. Sie ist<br />
eine Form, bei deren Verlauf es zu<br />
einer Zerstörung der Nervenzellen<br />
kommt - unaufhaltsam <strong>und</strong> unheilbar.<br />
Der Beginn der Krankheit ist oftmals<br />
schleichend, weder Ärzte noch<br />
Angehörige oder die Betroffenen merken<br />
davon in den meisten Fällen<br />
etwas. Die Lern- <strong>und</strong> Reaktionsfähigkeit<br />
nimmt ab, Stimmungsschwankungen<br />
<strong>und</strong> kleinere Gedächtnislücken<br />
treten auf. "Opa ist ein bisschen tüddelig<br />
geworden", heißt es dann oft,<br />
wie Beate Nieding von der Alzheimer-<br />
Gesellschaft Münster erzählt. Viele<br />
würden die Krankheit nicht als<br />
Alzheimer, sondern als Altersverwirrtheit<br />
betrachten. Seit fünf Jahren leitet<br />
Nieding die Geschäftsstelle der Alzheimer-Gesellschaft<br />
im Friederike-Fliedner-Haus.<br />
Sie berät Angehörige <strong>und</strong><br />
organisiert Betreuungsnachmittage für<br />
Alzheimer-Kranke. Vor allem nach der<br />
Diagnose der Krankheit sei Hilfe wichtig.<br />
Denn damit ist gleichzeitig klar: es<br />
wird nicht besser - nur schlimmer.<br />
Eine Erfahrung, die leider auch<br />
Gabi Kiße machen musste. Vor 14 Jahren<br />
erkrankte ihre Schwiegermutter an<br />
Alzheimer. Auch hier begann es mit<br />
Kleinigkeiten: Sie verlegte den Schlüssel<br />
<strong>und</strong> versteckte Gegenstände. "Es<br />
kam auch vor, dass sie Gäste einlud,<br />
am Tag selbst aber nicht zu Hause<br />
war." Kiße versorgte die Töchter, führte<br />
den eigenen Bauernhof <strong>und</strong> betreute<br />
nun auch noch die Schwiegermutter.<br />
"Das war am Anfang kein Problem",<br />
erinnert sich Kiße. Doch mit<br />
der Zeit wurde die Aufgabe immer aufreibender.<br />
Irgendwann wurde die Belastung<br />
zu groß <strong>und</strong> sie erlitt einen<br />
Nervenzusammenbruch. Ende 1998<br />
entschloss sie sich, die Schwiegermutter<br />
im Friederike-Fliedner-Haus betreuen<br />
zu lassen. Ganztägig, r<strong>und</strong> um<br />
die Uhr.<br />
"Diesen Schritt hätten wir schon<br />
viel eher gehen müssen", sagt Kiße,<br />
"aber ich glaube, ich musste erst meine<br />
Grenze erfahren."Das geht vielen<br />
Angehörigen so. Sie fürchten sich vor<br />
der Reaktion der Familie, Fre<strong>und</strong>e,<br />
Nachbarn, wenn sie den Demenz-<br />
Kranken in ein Heim geben. Oft haben<br />
sie auch Angst vor den Kosten. Das<br />
größte Problem sind aber die eigenen<br />
Schuldgefühle", weiß Nieding. Den Lebenspartner<br />
oder den Elternteil wegzugeben<br />
sei nicht einfach.<br />
Auch weil die Medien gerne das<br />
"Schreckgespenst Heim" bemühen.<br />
Aber es gibt Checklisten, mit denen<br />
Angehörige die Qualität des Heims<br />
prüfen können. Der Staat gibt außerdem<br />
Standards vor, an die sich die<br />
Einrichtungen halten müssen. R<strong>und</strong><br />
5.000 Alzheimer-Kranke gibt es in<br />
Münster. Im Ges<strong>und</strong>heitshaus der<br />
Stadt laufen alle Fäden die Pflege<br />
betreffend zusammen. Wer hilft, die<br />
Wohnung umzugestalten? Wie manage<br />
ich den Umzug ins Heim? Wer Informationen<br />
braucht, ist hier richtig. Und<br />
Angebote, die pflegende Familienmitglieder<br />
entlasten gibt es genug.<br />
Noch. Die Gesellschaft altert, das Risiko<br />
krank zu werden steigt. Gleichzeitig<br />
werden Pflegeplätze Mangelware <strong>und</strong><br />
den Heimen fehlt es an Nachwuchs<br />
beim Pflegepersonal.<br />
Gabi Kiße ging zum Gesprächskreis<br />
der Alzheimer Gesellschaft. Dort<br />
erhielt sie Antworten auf ihre vielen<br />
Fragen. "So wusste ich immer, was als<br />
nächstes kommt <strong>und</strong> war gut vorbereitet."<br />
Die Ungewissheit wich. Heute<br />
weiß sie: Die Krankheit zu vertuschen<br />
<strong>und</strong> dicköpfige Alleingänge sind der<br />
falsche Weg. Doch viele Angehörige<br />
wollen die Krankheit nicht wahrhaben.<br />
Kiße: "Die verstehen das einfach<br />
nicht. Wollen immer noch ihr altes<br />
Leben wieder haben, aber das gibt`s<br />
nicht mehr." #<br />
Weitere Informationen:<br />
Alzheimer Gesellschaft Münster<br />
Tannenbergstraße 1<br />
48147 Münster<br />
Tel: 0251 / 780397<br />
www.alzheimer-muenster.de<br />
24
Meine Fresse Club | Text <strong>und</strong> Fotos: Claudia Picker<br />
Künstler,<br />
Tiere,<br />
Dilletanten<br />
Gemeinsame Hymne<br />
Organisator Knallmann<br />
Oh Himmel hilf! Und er half, denn<br />
die gleichnamige Band aus Münster<br />
unterstützte am 31. März den 156.<br />
"Meine Fresse Club", kurz MFC. Seit<br />
einem Jahr organisiert die<br />
Münsteraner Künstlerin Kascha B.<br />
eine bizarre Show aus Musik, Kunst<br />
<strong>und</strong> Theater. Der Meine Fresse Club<br />
ist irgendwie anders: Laut, frech,<br />
lustig <strong>und</strong> ein kleines bisschen<br />
schräg. Hier spaltet die Kunst das<br />
Publikum <strong>und</strong> das ist gut so. Claudia<br />
Picker war da.<br />
Wat mutt, dat mutt. Ebenso wie das<br />
Schmankerl am Ende in Gestalt des<br />
singenden Mariandls <strong>und</strong> natürlich die<br />
gemeinsame Hymne des "Meine Fresse<br />
Clubs", bei der die ein paar Besucher<br />
schon verhalten mitsummen konnte.<br />
Das Kölner Publikum liegt in seinen<br />
enthusiastischen Ausschreitungen angeblich<br />
zwar noch vor den Münsterländern,<br />
das muss aber nicht so bleiben.<br />
Der Westfale taut langsam auf.<br />
Und wo es der gute Wille nicht tut, da<br />
hilft ein Glas Wein oder auch zwei.<br />
Schlacht im Aatal<br />
Jeden zweiten Monat gastieren<br />
eigenwillige Künstler im biederen<br />
Münsterland <strong>und</strong> wollen dem Zuschauer<br />
die Augen öffnen. In Köln<br />
schon lange kein Geheimtipp mehr,<br />
lässt sich auch der Münsterländer<br />
langsam auf absurde, komische <strong>und</strong><br />
kreative Performance ein. "Die beknackte<br />
Jupp-Show", "Walking für Anfänger",<br />
"Der Zementmischer", "Die<br />
Gebrüder 20. Jahrh<strong>und</strong>ert", "Miss<br />
Peggy" oder auch die "Kartentricks mit<br />
Parkinson" - der Meine Fresse Club<br />
bietet für jeden etwas. Warum <strong>und</strong><br />
wie ist Münster so katholisch <strong>und</strong> bieder<br />
geworden? Die "Schlacht im Aatal<br />
1661" weiß die Antwort. Informativ?<br />
Nö, aber etwas für die Lachmuskeln.<br />
"Künstler, Tiere, Dilettanten -<br />
man weiß nicht wer wer ist!". Karl-<br />
Heinz Knallmann, zuständig für den<br />
Ablauf, die Ordnung <strong>und</strong> die Demokratie<br />
im Saal, war bei mancher Darstellung<br />
scheinbar ratlos; dem Publikum<br />
gefiel es aber <strong>und</strong> die Korken<br />
der demokratischen Kunstliebhaber<br />
flogen zahlreich auf die Bühne.<br />
Wer mehr von den Künstlern<br />
sehen <strong>und</strong> hören möchte oder vielleicht<br />
gerade erst neugierig geworden<br />
ist, der kann am 26. Mai bei "Die<br />
schräge Bühne" im Tuf-Weinhandel,<br />
Nieberding Str. 12, um 20.30 Uhr vorbeischauen.<br />
Mieze des Monats<br />
Der 1 1/2 jährige Oskar sucht ein<br />
neues Zuhause - am liebsten mit<br />
seiner Katzenfre<strong>und</strong>in Momo, einer<br />
w<strong>und</strong>erschönen Karthäusermix-<br />
Katze (leider kein Foto). Die beiden<br />
kastrierten <strong>und</strong> geimpften Miezen<br />
sind fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> liebenswert.<br />
Am liebsten hätten sie ein schönes<br />
Zuhause mit Balkon. Wer möchte<br />
den beiden ein schönes Heim<br />
geben?<br />
Da gastiert der Club das nächste Mal in<br />
Münster <strong>und</strong> präsentiert wieder eine<br />
Show, die genau dem Niveau des Publikums<br />
entspricht oder - nach eigenen<br />
Angaben - etwas darunter liegt.<br />
Humor ist eben, wenn man trotzdem<br />
lacht. #<br />
Weitere Infos im Internet: www.meinefresseclub.de<br />
Katzenhilfe Münster e.V.<br />
Tel. 8469 757<br />
25
Pressemitteilungen |<br />
Trödelmarkt<br />
im Begegnungszentrum Meerwiese<br />
Reise in die<br />
Sächsische Schweiz<br />
Am Sonntag, den 14. Mai 2006 veranstaltet der Verein<br />
Münsteraner Tageseltern e.V. in der Zeit von 10 bis 16 Uhr<br />
einen Trödelmarkt im Begegnungszentrum, An der Meerwiese<br />
25. Schnäppchenjäger <strong>und</strong> Trödelliebhaber sind herzlich<br />
zum Stöbern eingeladen.<br />
Für das leibliche Wohl wird mit Kartoffelsalat, Würstchen,<br />
Kaffee, Kaltgetränken, belegten Brötchen <strong>und</strong> selbstgebackenem<br />
Kuchen gesorgt. #<br />
Das Umweltforum Münster e.V., ein Zusammenschluss von<br />
16 Umweltverbänden, veranstaltet vom 8. bis 14. Oktober<br />
unter der Leitung des Dipl. Geografen Michael Bührke eine<br />
Wanderung durch das Elbsandsteingebirge, den Nationalpark<br />
Sächsische Schweiz <strong>und</strong> die angrenzende Region.<br />
Die An- <strong>und</strong> Abreise mit der Bahn ab Münster ist im Preis<br />
inbegriffen, die Unterbringung erfolgt in Bad Schandau.<br />
Die Reise ist auch für ungeübte "Gelegenheitswanderer"<br />
geeignet. #<br />
Weitere Informationen <strong>und</strong> Tischreservierung<br />
unter der Telefonnummer (0251) 2896446.<br />
Infos <strong>und</strong> Anmeldung:<br />
Telefon:<br />
(0251) 136023<br />
E-Mail:<br />
sachsen2006@web.de<br />
Kontakt:<br />
Dipl. Geograf<br />
Michael Bührke<br />
Bowenkamp 30<br />
48165 Münster<br />
Telefon: (02501) 44 14 66<br />
Anzeige<br />
26
Adressen | Hilfsangebote in Münster<br />
Soziale Einrichtungen in MS:<br />
ARBEIT<br />
BERATUNGSSTELLEN<br />
cuba-Arbeitslosenzentrum<br />
Achtermannstr.10-12, Tel. 54892<br />
Agentur für Arbeit Münster<br />
Wolbecker Str. 45, Tel. 6 98 - 0<br />
Nevinghoff 20, Tel. 698 - 0<br />
JAZ - Achse<br />
(Jugendausbildungszentrum)<br />
Kinderhauserstr. 112, Tel. 60944-0<br />
Friedensstraße 39, Tel. 89902-0/-21<br />
JIB<br />
Tips & Hilfe bei Ausbildungsplatz- &<br />
Stellensuche, Bewerbung; Internetcafé,<br />
Workshops für alle zwischen 14<br />
<strong>und</strong> 27 Jahren: Jugend-online,<br />
Alli van Dornick, Susanne Freßdorf<br />
Hafenstraße 34, Mo-Fr 14.00 - 18.00<br />
Uhr, Tel. 492 - 5858<br />
SELBSTHILFE<br />
Rümpelfix<br />
Bremer Str. 42, Tel. 60 94 60<br />
Seelenlicht Münster e.V.<br />
Selbsthilfe für psychisch Belastete<br />
Tel. 0160/ 838 23 25<br />
KAI e.V (Kinderhauser<br />
Arbeitsloseninitiative)<br />
Josef-Beckmann-Str.5,<br />
Frauenhaus<br />
Beratungsstelle MS<br />
Tel. 1420810 (10-18 Uhr)<br />
Tel. 02506 - 67 55( Wolbeck)<br />
Tel. 02504 - 5155 (Telgte)<br />
MASY<br />
(Sleep-In & Offener Treff für<br />
Mädchen)<br />
Hermannstr. 73 Tel. 53 11 45<br />
Outlaw Mädchen-Krisenhaus<br />
Tel. 46886<br />
Notruf: 5 50 19 (r<strong>und</strong> um die Uhr!)<br />
Beratungsstelle „Frauen<br />
helfen Frauen e.V.“<br />
Hansaring 32b, Tel. 67666<br />
WOHNEN<br />
WOHNUNGSSUCHE<br />
Selbsthilfeprojekt Hach<br />
Ewaldistr. 16, Tel. 6 51 68<br />
Amt für Wohnungswesen<br />
Iduna-Hochaus, Servatiiplatz 9,<br />
Tel. 4 92 - 6402<br />
Caritasverband für die<br />
Stadt Münster e.V.<br />
Sozialdienst Wohnungsnotfälle<br />
Timmerscheidstr. 4, Tel. 72433<br />
OHNE WOHNUNG<br />
Christophorus-Haus<br />
Soester Str.11, Tel. 6063 35 0<br />
Diakonisches Werk MS<br />
Evang. Beratungsdienste GmbH<br />
Mittagstisch, Beratung, Meldeadresse<br />
& mehr<br />
Hörsterstr. 29, Tel. 49015-0<br />
Von-Vincke-Str. 8, Tel. 4 90 15 - 0<br />
STRAFFÄLLIGKEIT /<br />
NACH´M KNAST<br />
Amt für soziale Dienste<br />
Ludgeriplatz 4, Tel. 4 92 - 0<br />
Fachstelle für Täter-Opfer-Ausgleich<br />
<strong>und</strong> Konfliktregelung<br />
Wasserstr. 9, Tel. 55 123<br />
Chance e.V.<br />
Bohlweg 68a, Tel. 62088-20<br />
Möbel-Trödel,<br />
Bohlweg 68a, Tel. 62088-0<br />
Möbelrampe,<br />
Dieckstr. 71-75, Tel. 230 11 55<br />
JUGEND / FAMILIE<br />
Caritasverband für die Stadt<br />
Münster e.V.<br />
Beratungsstelle f. Eltern, Kinder u.<br />
Jugendliche<br />
Josefstr.2, Tel. 53009- 338<br />
Pro Familia<br />
Beratungsstelle für Familienplanung,<br />
Projekt Alleinerziehende cuba<br />
Achtermannstr. 10-12, Tel. 5 88 56<br />
Zoff - Jungenkrisenhaus<br />
Hilfe, Beratung u. Übernachtung für<br />
Jungen in Not (Notruf r<strong>und</strong> u. d. Uhr)<br />
Hafenstr. 21, Tel. 522148<br />
Münsteraner Tageseltern<br />
Coerdestiege 83, Tel. 86 80 66, Fax<br />
86 89 67 (Mo-Fr 9.00 - 12.00 Uhr)<br />
Zartbitter Münster e.V.<br />
Beratungsstelle gegen sexualisierte<br />
Gewalt für Jugendliche ab 14 Jahren,<br />
Frauen <strong>und</strong> Männer<br />
Berliner Platz 8, 48143 Münster,<br />
Tel. 0251-41 40 555<br />
Sprechzeiten: Mo, Do,Fr 10-12, Di 16-18<br />
(Beratung nach tel. Vereinbarung)<br />
www.zartbitter-muenster.de<br />
Deutscher Kinderschutzb<strong>und</strong><br />
Wolbecker Str. 27-29, Tel. 471 80<br />
Mo-Fr 10-12, Mi/Do 16-18, <strong>und</strong> nach<br />
Vereinbarung<br />
Beratungsstelle Südviertel<br />
für Kinder; Jugendliche <strong>und</strong><br />
Erwachsene<br />
Friedrich-Ebert-Str. 114, Tel. 77466,<br />
Fax: 797960<br />
email: beratung@muenster.de<br />
Ärztliche<br />
Kinderschutzambulanz<br />
Melcherstr. 55, Tel.: 418540<br />
Termine nach Vereinbarung<br />
Tel. 26 36 89<br />
FRAUEN<br />
Notruf für vergewaltigte<br />
<strong>und</strong> sexuell belästigte<br />
Frauen <strong>und</strong> Mädchen<br />
Mo.-Fr. 10-12 h, Mo. 18-20, Do.16-18<br />
Tel. 34 44 3<br />
Gertrudenhaus, Haus für<br />
wohnungslose Frauen<br />
Katharinenstr. 10-12, Tel. 8 99 36-0<br />
Frauentreff<br />
Katharinenstr. 10, Tel. 8 99 36-50<br />
Beratung für werdende u.<br />
junge Mütter der Stadt MS<br />
Tel. 492-5681<br />
Frauen & Beruf im Frauen-<br />
Forum e.V.<br />
Warendorfer Str. 3, Tel. 5 56 69<br />
Frauen- <strong>und</strong> Kinderschutzhaus<br />
des Sozialdienstes<br />
katholischer Frauen<br />
Josef Str.2 Tel. 37 44 88<br />
Sozialdienst kath. Frauen<br />
Josefstr. 2 Tel. 53 009418<br />
Beratung & Therapie für<br />
Frauen<br />
Neubrückenstr. 73, Tel. 5 86 26<br />
Christophorus-Treff, Dienstags von<br />
14.30 - 16.30 Uhr, insbesondere für<br />
Wohnungslose<br />
Aufsuchende Sozialarbeit für<br />
Frauen, Frauentreff<br />
Katharinenstr. 10, Tel. 899 36 50<br />
Fachstelle Wohnsicherungsmaßnahmen<br />
Stadt Münster<br />
Herr Berkemeier u. Herr Severin<br />
Tel.: 492 - 5031/2<br />
~ e.V.<br />
Beratung & Verkäuferausweise<br />
Overbergstr. 2 Tel. 53 89 128/-130<br />
Bahnhofsmission (Gleis 12)<br />
Tel. 4 58 02<br />
Haus der<br />
Wohnungslosenhilfe<br />
Übernachtungsmöglichkeit, Beratung,<br />
Essen, Waschen, Tagessatzauszahlung,<br />
aufsuchende Pflege, Kleiderkammer<br />
Bahnhofstraße 62, Tel. 48 45 20<br />
Offene Tür<br />
Diakonisches Werk<br />
Fliednerstr. 15, Tel. 89 09-0<br />
Treffpunkt Loerstrasse<br />
an der Clemenskirche<br />
Frühstück, Mittag, Dusche, Notfall-<br />
Kleiderkammer<br />
Loerstr. 7, Tel. 26 55 568<br />
Sexualberatung <strong>und</strong> -pädagogik,<br />
Bohlweg 19, Tel. 4 58 58<br />
Jugendsprechst<strong>und</strong>e<br />
Tel. 51361<br />
KiKriHi<br />
Kinderkrisenhilfe im Kinderheim St.<br />
Mauritz, Tag <strong>und</strong> Nacht<br />
Tel. 13 30 44 4<br />
SKM Katholischer Verein für<br />
soziale Dienste Münster<br />
Kinderhauser Str. 63, 48147 Münster,<br />
Tel. 62 03 30<br />
Streetwork<br />
Hafenstr. 43, Tel. 492 - 58 60<br />
Büro: Di 9-12 Do 15-18<br />
(<strong>und</strong> nach Vereinbarung)<br />
Streetwork-Mobil am Bahnhof<br />
(Fahrradparkhaus)<br />
Mo 15.00 - 17.00 Uhr<br />
Trialog<br />
Beratung bei Familienkrise, Trennung,<br />
Scheidung,<br />
Von-Vincke-Str. 6, Tel. 51 14 14<br />
Verband alleinerziehender<br />
Mütter <strong>und</strong> Väter<br />
Bremer Str.42/56, Tel. 27 71 33<br />
Amt für Kinder, Jugendliche<br />
<strong>und</strong> Familie<br />
Hafenstr. 30, Tel. 4 92 - 51 01<br />
SUCHT<br />
Westf. Klinik für Psychiatrie<br />
& Psychotherapie MS<br />
Friedrich-Wilhelm-Weber-Str. 30<br />
Tel. 591-02<br />
Suchtambulanz: 591-48 77<br />
„Therapie <strong>und</strong> Hilfe sofort“<br />
im Ges<strong>und</strong>heitsamt Münster<br />
Stühmerweg 8, Tel. 492-5369<br />
INDRO e.V.<br />
Bremer Platz 18-20, Tel. 6 01 23<br />
Caritasverband für die Stadt<br />
Münster e.V.<br />
Psychosoziale Beratungsstelle für<br />
Suchtkranke <strong>und</strong> Suchtgefährdete<br />
Josefstr. 2, Tel. 53009- 371<br />
Außenstellen:<br />
Gievenbeck: Tel. 0251-871040<br />
Kinderhaus: Tel. 0251-263350<br />
Hiltrup: Tel. 02501-27640<br />
Drogenberatung Stadt MS<br />
Schorlemer Str. 8, Tel. 492-5173<br />
Trockendock<br />
Alkoholfreie Begegnungsstätte<br />
Grevener Str. 154, Tel. 29 88 83<br />
Anonyme Alkoholiker<br />
Tel. 1 92 95 #<br />
27
Südamerikanische Spezialitäten | Flagge: www.cia.gov | Foto: Martin Zeise<br />
Exotisches aus<br />
Ecuador<br />
Teil zwei unserer Fußball-WM-<br />
Rezeptserie: Ecuador, das kleinste<br />
der Anden-Länder im Nordwesten<br />
Südamerikas, verdankt seinen<br />
Namen der durch das Land verlaufenden<br />
Äquator-Linie.<br />
Bis 1533 war das Land Teil des Inka-<br />
Reiches. So erklärt sich der Ursprung<br />
des zweiten Rezepts. Heute besteht<br />
Ecuador aus den sehr unterschiedlichen<br />
Regionen Costa (Pazifik-<br />
Küste), Sierra (Hochgebirgskette der<br />
Anden) <strong>und</strong> Oriente (Amazonasgebiet).<br />
Außerdem gehören die<br />
etwa 1.000 Kilometer westlich gelegenen<br />
Galapagos-Inseln zu Ecuador.<br />
JAPINGASCHOS<br />
(Gebratene Knödel aus Ecuador)<br />
Zutaten: (für 4 Personen)<br />
1 kg Kartoffeln<br />
1 große Zwiebel<br />
50 g Schafskäse oder Feta<br />
5 Bratwürste<br />
1 Avocado<br />
1 Kopfsalat<br />
1 EL Öl<br />
Zubereitung:<br />
Zuerst schälen Sie die Kartoffeln<br />
<strong>und</strong> kochen sie zwanzig Minuten bis<br />
sie weich sind.<br />
Schälen Sie die Zwiebeln, schneiden<br />
sie klein <strong>und</strong> braten sie in der<br />
Pfanne an. Danach schneiden Sie den<br />
Schafskäse ganz klein <strong>und</strong> vermengen<br />
ihn mit den Zwiebeln.<br />
Pressen Sie die Kartoffeln zu<br />
Püree. Formen Sie aus den gepressten<br />
Kartoffeln r<strong>und</strong>e Knödel <strong>und</strong> geben in<br />
die Mitte das Schafskäse-Zwiebel-<br />
Gemisch.<br />
Schließlich die Knödel in einer<br />
Pfanne mit etwas Öl anbraten <strong>und</strong> mit<br />
Avocado <strong>und</strong> Kopfsalat anrichten.<br />
Dazu die Bratwürste reichen. #<br />
AGUADO DE PARTO<br />
(Festtagssuppe aus Inka-Zeiten)<br />
Zutaten: ( für 4 Personen )<br />
3/4 Tasse Weißer Reis<br />
1-1 1/2 kg Entenfilet<br />
2 1/2 Ltr. Kaltes Wasser<br />
1 Rote Zwiebel, gehackt<br />
4 Knoblauchzehen , gehackt<br />
1 Grüne Paprika, gehackt<br />
1/4 Teel. Orégano<br />
1/4 Teel. Kümmel<br />
1/8 Teel. Pfeffer<br />
1 Teel. Salz<br />
Zubereitung:<br />
Lassen Sie den Reis eine halbe<br />
St<strong>und</strong>e in einem halben Liter kaltem<br />
Wasser stehen, inzwischen schneiden<br />
Sie das Fleisch in kleine Stücke.<br />
Fügen Sie den 2 1/2 Litern Wasser<br />
das Fleisch <strong>und</strong> die weiteren Zutaten<br />
hinzu. Erwärmen Sie das ganze, bis es<br />
kocht <strong>und</strong> fügen Sie dann den Reis mit<br />
dem Wasser hinzu. Das ganze auf kleiner<br />
Stufe köcheln lassen. Rühren Sie<br />
die Suppe ab <strong>und</strong> zu um, damit nichts<br />
anbrennt.<br />
Lassen Sie die Suppe 2 1/2 bis 3<br />
St<strong>und</strong>en oder bis das Fleisch zart ist<br />
köcheln. Falls das ganze zu trocken<br />
wird (während des Kochens), fügen Sie<br />
noch Wasser hinzu. Am Ende schmekken<br />
Sie die Suppe noch einmal mit den<br />
Gewürzen ab. #<br />
PATATAS CON GUACAMOLE<br />
(Kochbananen mit Avocadodip)<br />
Zutaten:<br />
120 ml Olivenöl<br />
250 g Tomaten<br />
150 g Frühlingszwiebeln<br />
5 g rote Chilischoten<br />
3 EL Zitronensaft<br />
1 B<strong>und</strong> Koriandergrün<br />
2 reife Avocados (ca. 450g)<br />
3 grüne Kochbananen<br />
Zubereitung:<br />
Tomaten häuten, vierteln, entkernen<br />
<strong>und</strong> fein würfeln. 2 Esslöffel<br />
zum Dekorieren beiseite stellen.<br />
Frühlingszwiebeln putzen, weiße <strong>und</strong><br />
hellgrüne Teile fein würfeln.<br />
Chilischoten entkernen <strong>und</strong> sehr fein<br />
würfeln. Koriander, bis auf einige<br />
Blättchen für Dekoration, fein hacken.<br />
Avocados schälen, den Kern herausnehmen,<br />
das Fruchtfleisch mit<br />
einer Gabel zerdrücken. Avocado mit<br />
Tomaten, Frühlingszwiebeln, Chili,<br />
Koriander, Zitronensaft <strong>und</strong> Olivenöl<br />
mischen, dabei mit Pfeffer <strong>und</strong> Salz<br />
würzen.<br />
Die Bananen in 2 cm dicke<br />
Scheiben schneiden. Bananenscheiben<br />
im restlichen Öl bei mittlerer<br />
Hitze 10 Minuten von beiden Seiten<br />
goldgelb braten.<br />
Danach aus der Pfanne nehmen<br />
<strong>und</strong> mit dem Boden eines Glasbechers<br />
in flache Scheiben pressen. Salzen <strong>und</strong><br />
pfeffern, bei starker Hitze 5 Minuten<br />
von beiden Seiten knusprig braten.<br />
28<br />
Ecuadors Präsidentenpalast in der<br />
Hauptstadt Quito<br />
Die heißen Bananenscheiben um<br />
die Guacamole anrichten, mit restlichen<br />
Tomatenwürfeln <strong>und</strong><br />
Koriandergrün dekorieren. #
Büchertipp | Texte: 1: Sigi Nasner, 2: Michael Heß<br />
Schmökerecke<br />
Der Protagonist der Geschichte, Piscine<br />
Patel, wächst als Sohn eines Zoobesitzers<br />
im politisch instabilen Indien<br />
der 70er Jahre auf. Als Kind wird er<br />
wegen seines Vornamens von seinem<br />
Bruder Ravi <strong>und</strong> den Mitschülern oft<br />
gehänselt. Schließlich befreit er sich<br />
durch eine List für immer von diesen<br />
Sticheleien <strong>und</strong> erkennt gleichzeitig,<br />
dass er mit viel Verstand <strong>und</strong> Einfallsreichtum<br />
gesegnet ist.<br />
ihm diesen Glauben näher brachten,<br />
an den Rand der Verzweiflung. Als die<br />
politische Lage Indiens immer unsicherer<br />
wird, entschließen sich seine<br />
Eltern mit den Zootieren <strong>und</strong> der gesamten<br />
Familie nach Kanada auszuwandern.<br />
Doch auf dem alten japanischen<br />
Frachter, auf dem sie die lange<br />
Seereise machen, kommt es im Laufe<br />
dieser Fahrt zur Katastrophe - das<br />
Schiff sinkt.<br />
Martel, Yann: Schiffbruch mit<br />
Tiger. Roman.<br />
Fischer Verlag, 2005. 382 S.,<br />
IBSN 3-596-15665-3<br />
Euro 9,90<br />
Piscine hat sehr engen Kontakt zu<br />
den Tieren des Zoos. Er bekommt darüber<br />
hinaus viele gut gemeinte <strong>und</strong><br />
naturwissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Ratschläge<br />
vom Vater <strong>und</strong> von seinem<br />
Biologielehrer Mr. Kumar - beide ausgeprägte<br />
Atheisten. Er erhält dadurch<br />
einen ausführlichen Einblick in die<br />
Verhaltensweisen wilder Tiere ohne zu<br />
ahnen, wie überlebenswichtig ihm<br />
dieses Wissen in Zukunft noch sein<br />
wird. Im Gegensatz zu diesem sachlichen<br />
Wissen steht seine ständige<br />
Suche nach Gott. Und indem er es fertig<br />
bringt sich als Christ, als Moslem<br />
sowie auch als Hindu zu fühlen, verblüfft<br />
er damit nicht nur seine Eltern,<br />
sondern bringt auch jene Priester, die<br />
Der nun folgende Überlebenskampf<br />
zwingt den gerade sechzehnjährigen<br />
Piscine alles bis dahin Erlernte<br />
erneut zu überdenken <strong>und</strong> Vorurteile<br />
aufzugeben. Er erkennt zu welch<br />
tiefen Glauben <strong>und</strong> welch außergewöhnlichen<br />
Veränderungen der<br />
Mensch um des Überlebens willen<br />
fähig ist. Ein bemerkenswertes Buch<br />
über tierisches Verhalten <strong>und</strong> Natur,<br />
Religion <strong>und</strong> Glaubensfreiheit, sowie<br />
die menschliche Psyche. Sehr ernsthafte<br />
<strong>und</strong> zeitgemäße Thematik aus<br />
dem einfachen Blickwinkel eines<br />
Kindes <strong>und</strong> Jugendlichen gesehen -<br />
jedoch keineswegs kindisch. Mit viel<br />
Humor geschrieben <strong>und</strong> von fesselnder<br />
Spannung getrieben. #<br />
Sigi Nasner<br />
Neudeck, Rupert: Ich will<br />
nicht mehr schweigen<br />
Melzer Verlag Neu-Isenburg,<br />
304 Seiten,<br />
ISBN 3-937389-73-3<br />
Euro 14,90<br />
Rupert Neudeck will nicht mehr<br />
schweigen. Über Recht <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />
in Palästina - so der Untertitel<br />
seines kontrovers aufgenommenen<br />
Buches. Als Ergebnis seiner Reisen<br />
durch dieses gesch<strong>und</strong>ene Land. Im<br />
fiktiven Dialog mit dem jüdischen<br />
Religionsphilosophen Martin Buber<br />
(1878 - 1965) zeichnet Neudeck in kurzen<br />
Episoden das trostlose Bild des<br />
palästinensischen Alltages. Verursacht<br />
durch die israelische Politik. Damit<br />
bricht er ein ungeschriebenes Gesetz<br />
<strong>und</strong> zahlt einen hohen Preis dafür.<br />
Dass etliche namhafte Verlage den<br />
Druck des Manuskriptes ablehnten,<br />
dass sich endlich der jüdische Verleger<br />
Abraham Melzer fand <strong>und</strong> nun seinerseits<br />
als "Antisemit" denunziert wird.<br />
Neudeck macht sich nicht gemein.<br />
Nicht mit palästinensischen Attentätern<br />
<strong>und</strong> nicht mit israelischen Falken.<br />
Er stellt sich ohne Wenn <strong>und</strong> Aber<br />
zu den jüdischen <strong>und</strong> arabischen Friedensaktivisten<br />
wie Daniel Barenboim,<br />
Avram Burg <strong>und</strong> Uri Avnery. Er verweigert<br />
sich bewusst dem Denken des<br />
Entweder-Oder sowie einer Parteinahme<br />
von vornherein für Israel. Denn<br />
wer sehen will, der sieht die Außenpolitik<br />
Israels, die sich nicht um Völkerrecht<br />
<strong>und</strong> UNO-Beschlüsse schert.<br />
Der sieht das Morden tausender Kinder<br />
<strong>und</strong> Frauen seit den 30er Jahren im<br />
Interesse der israelischen Staatsräson.<br />
Der sieht die terroristische Biografie<br />
eines Ariel Scharon. Der erkennt, wie<br />
die Shoa von manchen israelischen<br />
Politikern als Feigenblatt zur Rechtfertigung<br />
von Demütigung <strong>und</strong> Gewalt<br />
den Arabern gegenüber missbraucht<br />
wird. Wer jede Kritik an Israel als Antisemitismus<br />
denunziert, der ist unfähig<br />
zum Dialog <strong>und</strong> ein Teil des Problems<br />
im Nahen Osten. Rupert Neudeck ermutigt<br />
den <strong>Leser</strong> zum widerständigen<br />
Nachdenken über Israelis <strong>und</strong> Palästinenser<br />
<strong>und</strong> er legt ein überfälliges<br />
Buch gegen bürgerliche Feigheit <strong>und</strong><br />
für bürgerliche Zivilcourage vor. #<br />
Michael Heß<br />
29
Büchertipp | Texte: Barbara Blasum<br />
Schmökerecke II<br />
Jachertz, Iris: Balkonblumen.<br />
Schritt für Schritt<br />
zur Idylle auf Balkon <strong>und</strong><br />
Terrasse.<br />
Reihe: GU Pflanzenpraxis.<br />
München: Gräfe <strong>und</strong><br />
Unzer, 2006. 128 S.,<br />
ca. 280 Farbfotos.<br />
ISBN 3-7742-8840-2,<br />
Euro 12,90<br />
Ratgeber<br />
Endlich ist es soweit! Der Lenz ist da,<br />
<strong>und</strong> vielen juckt es in den Fingern, aus<br />
Veranda, Loggia, Terrasse oder Wintergarten<br />
ein blühendes Paradies zu<br />
machen. Richtig loslegen sollte man<br />
allerdings erst nach den Eisheiligen<br />
um den 15. Mai, aber es macht großen<br />
Spaß, sich an Hand dieses neuen Balkonblumenratgebers<br />
schon vorher inspirieren<br />
zu lassen.<br />
Möglichkeiten gibt es viele, doch<br />
ein ganz wichtiger Aspekt ist die Lage.<br />
An einem eher schattigen Plätzchen<br />
gedeihen andere Pflanzen als an einem<br />
sonnigen Standort. Falls noch<br />
Wind dazu kommt, schränkt das die<br />
Auswahl ebenfalls ein. Die vielfältigen<br />
Ideen <strong>und</strong> zahlreichen praktischen<br />
Tipps umspannen den gesamten Bereich<br />
des Gärtnerns vom Planen über<br />
das Anlegen bis hin zur Pflege. Auch<br />
wer keinen "grünen Daumen" hat,<br />
kann hier aus dem Vollen schöpfen.<br />
Hätten Sie gedacht, dass es möglich<br />
ist, selbst auf kleinstem Raum einen<br />
Mini-Wassergarten anzulegen? Ein<br />
Farb- <strong>und</strong> Blühkalender sowie Tipps<br />
zum Balkongärtnern r<strong>und</strong> ums Jahr<br />
lässt keine Wünsche offen, zudem<br />
werden im Porträtteil in über 120 Kurzdarstellungen<br />
die schönsten Balkonblumen<br />
der jeweiligen Saison vorgestellt.<br />
Auch mit kleinen Mengen von<br />
selbstgezogenem Obst, Gemüse <strong>und</strong><br />
Kräutern können Sie den Küchenplan<br />
bereichern.<br />
Wer es schön haben will, muss<br />
schon etwas dafür tun, aber wenn Sie<br />
frühmorgens die glitzernden Tautropfen<br />
auf den Blüten anschauen,<br />
mittags <strong>und</strong> abends den Blütenduft<br />
einatmen, dann verwandeln sich Ihre<br />
Pflanzenarrangements in eine idyllische<br />
Wohlfühloase, die Sie für alle<br />
Mühen entschädigt. #<br />
Barbara Blasum<br />
Bodensteiner, Susanne:<br />
Alles mit Sauce. ...ohne<br />
fehlt was, Reihe: GU<br />
Küchen-Ratgeber.<br />
München: Gräfe <strong>und</strong><br />
Unzer, 2006. 64 S., Ill.<br />
(farb.),<br />
ISBN 3-8338-0074-7,<br />
Euro 7,50<br />
Sie sind das Tüpfelchen auf dem "i",<br />
<strong>und</strong> an ihrer Raffinesse konnte man<br />
früher eine gute Hausfrau erkennen -<br />
die Sauce. Frauen definieren sich heute<br />
anders, aber mit einem Griff zu diesem<br />
neuen Ratgeber machen sie beziehungsweise<br />
männliche Hobbyköche<br />
ein Sößchen zur schönsten Nebensache<br />
der Welt! Jedes Fleisch, jeder<br />
Fisch, Gemüse oder Süßspeisen in<br />
Form von Eis, Parfaits oder Törtchen<br />
gehen gern eine Liason mit ihnen ein.<br />
Manche Saucen sind schnell<br />
zubereitet, andere brauchen etwas<br />
länger. Die zehn aufgeführten<br />
Erfolgstipps garantieren ein gutes<br />
Gelingen. Ein guter Fond ist schon die<br />
halbe Miete - kombiniert mit frischen<br />
Zutaten vergeht rasch die Lust auf<br />
künstliche Aromen <strong>und</strong> Geschmacksverstärker.<br />
Saucen müssen auch nicht<br />
zwangsläufig dick machen. Es gibt<br />
schlanke Varianten, <strong>und</strong> sogar Vegetarier<br />
können <strong>und</strong> dürfen aus dem<br />
Vollen schöpfen.<br />
Probieren Sie doch mal Spargel<br />
mit Mascarpone-Rucola-Sauce, den<br />
Kinderliebling Brokkoli mit Fontina-<br />
(käse)sauce, Rotbarsch mit Ratatouille-Coulis<br />
oder Beerentarteletts mit<br />
Sabayon. Saucen-Partnerschaften<br />
werden in der Küche geschlossen! Bei<br />
den Rezepten ist sicher für Jeden etwas<br />
dabei!<br />
Die Autorin weiß, wovon sie<br />
spricht: sie war Redakteurin der großen<br />
deutschen Zeitschrift für Essen<br />
<strong>und</strong> Trinken. Das Buch eignet sich<br />
auch w<strong>und</strong>erbar als Gastgeschenk.<br />
Und zum Schluss noch ein kleiner Tipp:<br />
Nicht mit leerem Magen lesen! #<br />
Barbara Blasum<br />
30
Bürgerinitiativen „Keine Nordtangente“ | Foto: Archiv<br />
Nicht nur Luftballons<br />
steigen in den Himmel<br />
Unter diesem Motto eröffnen die<br />
Münsteraner Bürgerinitiativen gegen<br />
den geplanten Bau der Nordtangente<br />
ihre diesjährige Informationsaktion<br />
am 1. Mai <strong>und</strong> sependieren den<br />
Gewinnern eines Luftballon-Wettbewerbs<br />
einen R<strong>und</strong>flug über Münster<br />
Schon traditionell halten die Mitglieder<br />
der Initiativen für die zahlreichen<br />
Maiausflügler, die an diesem Tag<br />
zu Fuß oder per Rad unterwegs sind,<br />
umfangreiche Informationen zum geplanten<br />
Großprojekt "Nordtangente"<br />
bereit. Die vielen Erholungssuchenden<br />
sollen immer wieder daran erinnert<br />
werden, dass das geplante millionenschwere<br />
Straßenprojekt den gewachsenen<br />
Grüngürtel mit Aaniederungen<br />
<strong>und</strong> Kinderbachtal zwischen der<br />
Innenstadt <strong>und</strong> den Stadtteilen Coerde<br />
<strong>und</strong> Kinderhaus zerstören würde <strong>und</strong><br />
damit ebenso die beliebte Gasselstiege<br />
mit ihren wertvollen Naherholungsgebieten<br />
durchtrennt. Um diesen gravierenden<br />
<strong>und</strong> laut Meinung der Initiativen<br />
auch nicht notwendigen Einschnitt<br />
in die Natur zu verdeutlichen,<br />
wird die Interessengemeinschaft der<br />
Landwirte den Verlauf der geplanten<br />
Trasse mit Flatterband <strong>und</strong> Luftballons<br />
eindrucksvoll darstellen.<br />
Aber die Ballons sollen auch möglichst<br />
zahlreich fliegen. Versehen mit<br />
vielen guten Wünschen zum Erhalt der<br />
einmaligen, stadtnahen münsterländischen<br />
Kultur- <strong>und</strong> Parklandschaft<br />
können Spaziergänger <strong>und</strong> Radfahrer<br />
die Ballons auf die Reise schicken:<br />
- damit Münster auch in Zukunft zur<br />
lebenswertesten Stadt der Welt<br />
gekürt werden kann<br />
- damit die historische Kulturlandschaft<br />
den Bürgern als Naturschutz<strong>und</strong><br />
Naherholungsgebiet erhalten<br />
bleibt<br />
- damit wichtige Kaltluftentstehungsgebiete<br />
<strong>und</strong> Frischluftschneisen<br />
mit ihrer zentralen<br />
Bedeutung für ein ges<strong>und</strong>es<br />
Stadtklima nicht zerstört werden.<br />
Den Absender <strong>und</strong> den Finder des<br />
Ballons, der den weitesten Weg zurükkgelegt<br />
hat, erwartet ein R<strong>und</strong>flug<br />
über Münster - der lebenswertesten<br />
Stadt der Welt.<br />
Die Bürgerinitiativen "Keine<br />
Nordtangente" laden am 1. Mai ganz<br />
herzlich zur Info- <strong>und</strong> Luftballonaktion<br />
ab 10.00 Uhr ein. Treffpunkt ist die<br />
Gasselstiege in Höhe der Weggabelung<br />
Rektoratsweg bzw. des Standortes der<br />
Skulptur "Tunnelblick", die seit einigen<br />
Jahren ebenfalls den Blick für den<br />
verantwortungsbewussten, achtsamen<br />
Umgang mit der Natur schärfen soll. #<br />
Anzeige<br />
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31
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