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Liebe Leserinnen und Leser, - Draußen

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Wissenschaft | Text: Andreas Horn | Karikatur: Aike Arndt<br />

Wurm im Ohr<br />

Manchmal, da kann er verflixt hartnäckig<br />

sein, lässt einen gar nicht<br />

mehr los. Egal ob beim Joggen, Einkaufen<br />

oder vor sich hin Dösen, in<br />

Cafés oder abends im Bett. Er lauert<br />

überall. Der Ohrwurm. Einem musikalischen<br />

Zeitgenossen, der sich mir<br />

nichts, dir nichts einfach so im Kopf<br />

festsetzt. Dann ist sie da, die Melodie,<br />

der Songfetzen <strong>und</strong> wird zum<br />

treuen Begleiter durch den Tag.<br />

Andreas Horn versucht ihm auf die<br />

Schliche zu kommen.<br />

Der Ohrwurm lauert überall dort<br />

wo Musik läuft - oder lief, denn so<br />

ganz sicher sind sich die schlauen<br />

Köpfe der Wissenschaft da noch nicht.<br />

Hier in Münster ist das Gebiet noch<br />

absolutes Neuland. "Das Phänomen<br />

des musikalischen Ohrwurms ist bislang<br />

wissenschaftlich nicht geklärt", so<br />

Stefan Evers, Professor an der Klinik<br />

<strong>und</strong> Poliklinik für Neurologie.<br />

Niemand da also, der einem neugierigen<br />

Reporter auf die Sprünge helfen<br />

kann? Der wissen will, wo sich der<br />

Wurm im Hirn einnistet, wieso er entsteht,<br />

warum er manchmal nicht verschwinden<br />

will <strong>und</strong> wieso er auch<br />

schon direkt nach dem Aufstehen<br />

lustig vor sich hin trällert?<br />

Erst einige h<strong>und</strong>ert Kilometer<br />

weiter im Süden der Republik, da sitzt<br />

einer, der sich mit dem Ohrwurm beschäftigt<br />

hat. "Der Ohrwurm überfällt<br />

einen in Situationen geistiger Entspannung",<br />

erklärt der Kasseler Musikwissenschaftler<br />

Jan Hemming. Und<br />

nicht selten handelt es sich hierbei um<br />

kurze Sequenzen von Liedern, die seit<br />

längerem im Gehirn abgespeichert<br />

sind, weil man sie mag oder häufig<br />

gehört habe. Ausgelöst durch mitunter<br />

unbewusste Reize, würden diese<br />

Sequenzen fortan durch den Kopf<br />

schwirren - etwa, weil man das Lied<br />

morgens im Radio gehört hat.<br />

Natürlich - das Radio. Es hat eine<br />

gewisse Mitschuld an allem. Die Top<br />

Ten der Charts, die Lieblingshits der<br />

Hörer, meist alle potentielle Ohrwurmkandidaten.<br />

Einfach aufgebaut: flotter<br />

Rhythmus mit einprägsamer Melodie,<br />

dazu noch x-mal gespielt am Tag. Verschont<br />

bleibt man da selten. Doch<br />

wenn unsereins nur hin <strong>und</strong> wieder<br />

konzentriert zuhört, sind die Macher<br />

des Programms den ganzen Tag der<br />

Musik ausgesetzt. Die Gefahr des chronischen<br />

Ohrwurms steigt! Oder etwa<br />

nicht? Britta Helm, Musikchefin beim<br />

Hochschulradio "Q": "Nein, das ist<br />

nicht so schlimm, nur wenn ich mich<br />

vom Radio wecken lasse, so kurz nach<br />

dem Aufstehen, dann hab ich manchmal<br />

einen Ohrwurm." Auch die übrigen<br />

Macher des Uniradios scheinen<br />

relativ ohrwurmfrei zu sein: "Wir haben<br />

hier eigentlich nicht so viele Ohrwürmer,<br />

da wir auch nicht immer die<br />

gleichen Songs spielen", erzählt Helm.<br />

Außerdem würden jeden Tag neue<br />

Lieder auf die Redaktion zukommen,<br />

da käme man mit einem Ohrwurm gar<br />

nicht mehr hinterher.<br />

Es muss also eine gewisse Penetranz in<br />

der Beschallung da sein, einmal hören<br />

reicht nicht aus. Bei der Antenne<br />

Münster kann niemand diese These<br />

bestätigen, es findet sich keiner, der<br />

sich zu diesem Thema äußern will.<br />

Egal, macht auch nichts.<br />

Doch was ist eigentlich, wenn der<br />

Wurm sich nicht verjagen lässt. Melodiefetzen<br />

<strong>und</strong> Textzeilen sich im Kopf<br />

verankern <strong>und</strong> man überhaupt nicht<br />

weiß, wie das Lied heißt. In den nächsten<br />

Plattenladen <strong>und</strong> dem nächstbesten<br />

Verkäufer einen singen, vorsummen<br />

oder den Text aufsagen? "Das habe<br />

ich persönlich noch nicht erlebt",<br />

schmunzelt Christian Wegold, Azubi in<br />

der CD-Abeilung bei SATURN. Vielleicht<br />

traut sich ja auch keiner. Dann bleibt<br />

vielleicht nur das Internet. Dort gibt es<br />

seit kurzem was Neues. Auf der Seite<br />

www.songtapper.de kann man den<br />

Rhythmus per Leertaste klopfen <strong>und</strong><br />

hoffen, dass die noch überschaubare<br />

Datenbank Lied, Interpret <strong>und</strong> Text<br />

ausspuckt. Der Ohrwurm wäre enttarnt.<br />

Doch das Programm steckt noch<br />

in den Kinderschuhen <strong>und</strong> setzt ein<br />

wenig auf klopfwütige Musikfreaks.<br />

Denn neben der Funktion einen Ohrwurm<br />

zu enttarnen, gibt's auch noch<br />

die Möglichkeit bekannte Rhythmen<br />

einzugeben. Schnell noch betiteln <strong>und</strong><br />

schon ist die Datenbank ein wenig<br />

umfangreicher geworden. Wenn also<br />

der Kollege demnächst seine Leertaste<br />

klacken lässt, bloß nicht stören. Er befindet<br />

sich quasi im Kampf gegen den<br />

Ohrwurm... #<br />

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