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Aufbruch 1.0 - Stadtgespräche Rostock

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0.27 __ //// TITELTHEMA<br />

18 Jahre frauenpolitische Arbeit in <strong>Rostock</strong><br />

Ein Blick zurück und nach vorn<br />

MARION RICHTER, KATRIN BÖHM, MARIA PULKENAT<br />

Beginenhaus am Rosengarten im Februar 1992: Es ist Mittagszeit.<br />

An einem langen Holztisch im frisch gestrichenen Flur der früheren<br />

Kita sitzen 12 Frauen und 10 Kinder zum täglichen gemeinsamen<br />

Mittagessen. Heute hat Lilo aus dem Frauencafé für alle gekocht. Es<br />

gibt Pellkartoffeln und Kräuterquark. Die Gespräche am Tisch drehen<br />

sich um die geplanten Aktionen zum 8. März am Kröpeliner Tor.<br />

Gemeinsam mit allen Fraueninitiativen <strong>Rostock</strong>s wollen die Beginen<br />

auf das Thema Gewalt in der Familie und auf die zunehmende Ausgrenzung<br />

von Frauen aus dem Arbeitsleben aufmerksam machen. Die<br />

Projektleiterin wirbt dafür, dass auch alle ABM-Mitarbeiterinnen des<br />

Hauses an den Ständen auf dem Boulevard präsent sind, obwohl der<br />

Internationale Frauentag in diesem Jahr ein Sonntag ist.<br />

Heiligengeisthof im März 2008: Vier Frauenvereine haben hier ihr<br />

Wirkungsfeld unter einem Dach. Der Aufsteller vor der Tür verweist<br />

auf die aktuelle Ausstellung im Haus unter dem Titel: „1000 Peace-<br />

Women Across the Globe“. Wieder ist es um die Mittagszeit. Aus<br />

dem Café des Frauenkulturvereins „Die Beginen“ kommen eine Polin<br />

und eine Brasilianerin gemeinsam mit ihren Kindern vom internationalen<br />

Frauenfrühstück. Im Büro des Frauenbildungsnetzes Mecklenburg-Vorpommern<br />

wird mit Hochdruck am Verwendungsnachweis<br />

2007 gearbeitet. Zwischen zwei Telefonaten beißt die Geschäftsführerin<br />

kurz in ihr Pausenbrot. Im Seminarraum findet heute ein Workshop<br />

des Künstlerinnenprojektes „Die Kunst von Kunst zu leben“<br />

statt. Fünf Mitarbeiterinnen des Landesfrauenrates haben gerade<br />

Mittagspause und sind auf dem Weg zur Stadtbäckerei um die Ecke.<br />

Einige Büros der 3. Etage sind leer, da die Frauen der Interventionsstelle<br />

gegen häusliche Gewalt an diesem Tag vor Bediensteten der<br />

Landespolizei in Güstrow referieren.<br />

16 Jahre liegen zwischen diesen beiden Momentaufnahmen. Drei<br />

Frauen, die sich im Winter 1989/90 in den Gründungstagen des Unabhängigen<br />

Frauenverbandes <strong>Rostock</strong> kennen gelernt haben und bis<br />

heute frauenpolitisch aktiv sind, ziehen Bilanz. Was hat sich verändert?<br />

Sind die Visionen von damals wahr geworden? Von welchen<br />

Träumen haben wir uns inzwischen verabschiedet oder verabschieden<br />

müssen? Wie, in welchen Strukturen und mit wem können wir Frauen<br />

unsere Vorstellungen und Ideen (weiter)leben?<br />

Den Zusammenbruch der DDR erlebten wir als Chance und als Befreiung.<br />

Wir glaubten damals, dass uns nun die ganze Welt offen<br />

stünde und wollten sie nach unseren Vorstellungen mitgestalten. Wir<br />

waren bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wichtige frauenpolitische<br />

Themen, mit denen wir uns in den Anfangsjahren nach der<br />

„Wende“ auseinandersetzten, waren unter anderem:<br />

- Sicherung von Frauenerwerbsarbeit<br />

- Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie<br />

- Auseinandersetzung mit der Gewalt an Frauen und Kindern<br />

- Gleichstellung von Frauen und Männern<br />

- Anerkennung unterschiedlicher Lebensentwürfe<br />

- Beibehaltung des selbstbestimmten Rechts auf Schwangerschaftsabbruch<br />

- Entscheidungspositionen von Frauen in der Politik<br />

- Raum für frauenspezifische Kultur und Bildung<br />

So haben wir uns gemeinsam mit zahlreichen Frauen, beginnend am<br />

„Runden Tisch“, engagiert für die Einsetzung von Gleichstellungsbeauftragten,<br />

die Wahl von Frauen in die <strong>Rostock</strong>er Bürgerschaft und<br />

den Landtag, die Einrichtung eines Frauenhauses in <strong>Rostock</strong>, die<br />

Schaffung eines Frauenkultur- und Bildungszentrums, die Beibehaltung<br />

der Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbruch und die Verbesserung<br />

der Wohnsituation von alleinerziehenden Frauen.<br />

Was hat sich daraus entwickelt? Gleichstellungsbeauftragte sind inzwischen<br />

eine Selbstverständlichkeit geworden. Nicht wenige der<br />

Frauen haben über die frauenpolitische Arbeit der vergangenen Jahre<br />

Schlüsselkompetenzen erworben, die ihre berufliche Karriere maßgeblich<br />

beförderten. Es gibt heute in <strong>Rostock</strong> eine landesweit einzigartige<br />

und sehr lebendige Landschaft an Frauenvereinen, die an vielfältigen<br />

lokalen, überregionalen und sogar internationalen Projekten<br />

arbeiten und dort zahlreichen Frauen (seit einiger Zeit auch Männern!)<br />

Arbeitsplätze bieten. Diese Projekte spiegeln weiterhin viele<br />

der genannten Themen der „Wendezeit“ wieder. Die Akteurinnen haben<br />

inzwischen stabile Netzwerke geknüpft, die zu gemeinsamen Aktivitäten<br />

und gegenseitiger Unterstützung beitragen. Auf dieser solidarischen<br />

Grundlage können sich immer wieder neue Ideen entwikkeln.<br />

Eine große Anerkennung für uns war es, als die Initiatorinnen

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