August/September 2001 - Der Fels
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Anbetung – als Quelle der Freude<br />
Von Anton Ziegenaus<br />
Die Anbetung<br />
<strong>Der</strong> um die Wende zum 20. Jahrhundert<br />
wohl führendste evangelische<br />
Theologe Adolf von Harnack<br />
hat einen Vortrag über das Thema<br />
gehalten: Was wir von der römischen<br />
Kirche lernen und nicht lernen<br />
sollen 1 .<br />
Das erste, was die Protestanten<br />
von der katholischen Kirche lernen<br />
sollten, ist nach Harnack die Anbetung.<br />
Sie sei im Protestantismus abhanden<br />
gekommen. Ein Doktrinarismus<br />
habe die Anbetung abgelöst,<br />
d.h. das Lehrhafte und Kritisch-Analytische<br />
habe die persönliche<br />
Frömmigkeit und die Anbetung<br />
überwuchert. Ohne Anbetung<br />
werde aber das Christentum leer<br />
und schal, verliere das Leben und<br />
das, was es noch hat. Besteht die<br />
Gefahr, Anbetung und Leben zu<br />
verlieren und sich überkritisch mit<br />
Lehrfragen und dem Organisatorischen<br />
zu beschäftigen, heute nicht<br />
auch bei uns Katholiken?<br />
Als Harnack aber konkret werden<br />
sollte, wie er sich die Anbetung<br />
denke, erklärte er, keine Ratschläge<br />
geben zu können und verwies<br />
auf die Gemeindezusammenkünfte<br />
der Alten Kirche und<br />
die Nächstenliebe. Ist das Anbetung?<br />
Die himmlische Liturgie<br />
In der Lesung hörten wir eben Kapitel<br />
5 aus der Offenbarung des Johannes.<br />
Wir hörten von einem<br />
Thron und dem, der darauf saß,<br />
von einer versiegelten Buchrolle,<br />
deren Siegel niemand öffnen<br />
konnte, und von einem Lamm, das<br />
inmitten der Ältesten stand, „wie<br />
geschlachtet“. Die Buchrolle enthält<br />
alle endzeitlichen Ereignisse,<br />
die Nöte und Plagen und Leiden,<br />
aber ebenso die neue Schöpfung<br />
und das leidfreie lichte Leben bei<br />
Gott und dem Lamm. <strong>Der</strong> Seher<br />
weinte zunächst, weil niemand das<br />
versiegelte Buch öffnen kann, d.h.<br />
weil die Menschheitsfrage nach<br />
dem Warum des Leids und der<br />
Ausblick auf eine lichtvolle Zukunft<br />
verschlossen bleiben, doch<br />
wird er aufgefordert, nicht zu weinen,<br />
denn „der Löwe aus dem<br />
Stamm Juda“ habe schon gesiegt<br />
und wird das Buch öffnen.<br />
Deshalb nehmen die vier Lebewesen<br />
und die vierundzwanzig Ältesten<br />
ihre Harfen und goldene<br />
Schalen voll Räucherwerk und singen<br />
ein „neues Lied“ dem Lamm,<br />
das geschlachtet worden ist, aber<br />
jetzt nicht tot ist, sondern „wie geschlachtet“<br />
inmitten der Ältesten<br />
steht. Sie singen: „Würdig bist du,<br />
das Buch zu nehmen und seine<br />
Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet<br />
worden und hast sie (=<br />
die Heiligen) mit deinem Blut für<br />
Gott erkauft aus jedem Stamm und<br />
jeder Sprache ... und sie für unseren<br />
Gott zu einem Königreich und<br />
zu Priestern gemacht.“<br />
Diese himmlische Liturgie wird<br />
noch verstärkt durch eine gewaltige<br />
Zahl von Engeln - „zehntausend<br />
mal zehntausend und tausend mal<br />
tausend“, womit die Gottgleichheit<br />
des Lammes umschrieben wird:<br />
vgl. Dan 7,10. - Die Engel rufen:<br />
„Würdig ist das Lamm, das geschlachtet<br />
wurde, die Macht zu<br />
empfangen und Reichtum und<br />
Weisheit und Stärke und Ehre, Verherrlichung<br />
und Lobpreis.“ Aber<br />
dieser unermessliche Kreis von<br />
Engeln wird durch einen dritten<br />
Chor erweitert: „Jedes Geschöpf<br />
D<br />
ieser Beitrag war die<br />
Predigt beim Anfangsgottesdienst<br />
des Kongresses<br />
„Freude am Glauben“ am 8.<br />
Juni <strong>2001</strong> in Fulda. <strong>Der</strong> Verfasser<br />
Prof. Dr. Dr. Anton<br />
Ziegenaus, Jahrgang 1936,<br />
wurde nach dem Studium der<br />
Theologie, Philosophie und<br />
Psychologie an der Universität<br />
München 1963 zum Priester<br />
geweiht. Nach seiner Habilitation<br />
wurde Ziegenaus<br />
1977 Ordinarius für Dogmatik<br />
an der Universität Augsburg.<br />
<strong>Der</strong> Autor ist Herausgeber<br />
der Mariologischen Studien<br />
und Mitherausgeber der<br />
Zeitschrift „Forum katholische<br />
Theologie“.<br />
im Himmel und auf der Erde und<br />
auf dem (bedrohenden) Meer“<br />
stimmt ein: „Dem, der auf dem<br />
Thron sitzt, und dem Lamm sei der<br />
Lobpreis und die Ehre und die Verherrlichung<br />
und die Macht in alle<br />
Ewigkeit.“ Die vier Wesen sprechen<br />
darauf ihr „Amen“ - Ja, so ist<br />
es. Und „die Ältesten fielen nieder<br />
und beteten an.“ Diese Anbetung<br />
gilt dem, der auf dem Thron sitzt,<br />
und dem Lamm, das geschlachtet<br />
wurde und dem der Dank von allen<br />
Geschöpfen gebührt.<br />
DER FELS 8-9/<strong>2001</strong> 229