August/September 2001 - Der Fels
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Von der Freude, katholisch zu sein<br />
Teil I<br />
Von Christa Meves<br />
„Wohin gehen wir? Immer<br />
nach Hause“, hat<br />
Novalis gesagt. Ich bin<br />
vor vierzehn Jahren zu<br />
Hause angekommen,<br />
und das Glück darüber<br />
wacht jeden Morgen<br />
neu mit mir auf. Es ist<br />
allem Glückserleben,<br />
das ich in meinem Leben<br />
reichlich erfahren<br />
durfte, über. Es ist ein<br />
Gehaltensein und bedeutet<br />
für mich eine nicht mehr<br />
verwundbare Geborgenheit. Das<br />
ist Anlass zu großer Dankbarkeit<br />
für mich.<br />
Zu meiner Firmung im Juli 1987<br />
schenkte mir meine Heimatgemeinde<br />
einen Ableger des<br />
1000jährigen Rosenstocks vom<br />
Domhof unseres Bischofsitzes zu<br />
Hildesheim, und mit diesem Geschenk<br />
in all seiner Symbolträchtigkeit<br />
brandete briefkorbfüllend<br />
öffentliche und vielfältig persönlich<br />
artikulierte Freude, aber oft<br />
auch Bedenken darüber bei mir an,<br />
ob meine so späte Einwurzelung in<br />
die katholische Kirche wohl überhaupt<br />
noch möglich sei.<br />
Die geglückte Einwurzelung in<br />
die katholische Kirche<br />
Es war ein heißer Hochsommertag,<br />
als wir die kostbare Pflanze sorgsam<br />
in unseren Garten trugen - und<br />
selbst mein gärtnerisch versierter<br />
Ehemann hielt dies Umpflanzen<br />
mitten im Sommer für ein bedenkliches<br />
Unternehmen mit ungewisser<br />
Prognose. Und da musste in der<br />
Tat täglich gekämpft werden: gegen<br />
Dürre und Hitze und gegen die<br />
Konkurrenz mit einer eifersüchtigen<br />
Clematis. Im ersten Winter war<br />
Umhüllung gegen Frost und<br />
<strong>Der</strong> hier abgedruckte Artikel ist<br />
das mit großem Beifall bedachte<br />
Referat von Christa Meves auf<br />
dem Kongress „Freude am Glauben“<br />
vom 8. Juni <strong>2001</strong> in Fulda.<br />
Die Verfasserin ist Psychotherapeutin,<br />
über die Grenzen Deutschlands<br />
hinaus bekannte Buchautorin<br />
und Mitherausgeberin des „Rheinischen<br />
Merkur“.<br />
Schnee nötig, und im darauffolgenden<br />
Frühling musste Ungeziefer<br />
abgewehrt werden. Düngung<br />
wurde wichtig. Doch dann begann<br />
sich der Rosenstock prachtvoll zu<br />
entfalten, er erblühte zum zweiten<br />
Firmgeburtstag zu hellrosa Blütenpracht<br />
und überschüttet uns seitdem<br />
Jahr für Jahr mit einer Fülle<br />
rotglänzender Hagebutten-Früchte.<br />
Die Rose - wir haben sie<br />
„Sancta Ecclesia“ getauft - hat allen<br />
Unkenrufen zum Trotz in unserem<br />
Garten Wurzeln geschlagen,<br />
genauso wie die hl. Kirche in dem<br />
Garten meiner Seele und meines<br />
Geistes.<br />
Wie kommt es zu so viel blütenreicher<br />
Freude am Katholisch-Sein?<br />
Den meisten Menschen, denen meine<br />
Konversion bekannt wurde, ist<br />
das befremdlich. <strong>Der</strong> Zeitgeist hat<br />
für Katholisch-Sein Ausdrücke wie<br />
„veraltet“, „erstarrt“, „erzkonservativ“,<br />
„fundamentalistisch“, „formalistisch“,<br />
„prunksüchtig“, „autoritär“<br />
und „krankmachend“ parat - in<br />
den elektronischen Medien ohnehin<br />
in oft diffamierendem Ton - aber<br />
manchmal sogar mitgeheult von Insidern<br />
in selbstbezichtigender Nabelschau.<br />
Wie kann eine Psychologin, eine<br />
Publizistin, die doch auf öffentliches<br />
Ansehen geradezu angewiesen<br />
ist, sich durch einen<br />
solchen Schritt derart<br />
ins eigene Fleisch<br />
schneiden und sich zu<br />
einer so wenig angesehenen<br />
Institution, wie<br />
die katholische Kirche<br />
zur Zeit nun einmal<br />
wieder in Deutschland<br />
dargestellt wird, öffentlich<br />
bekennen? Das war<br />
nicht nur ein Tenor in<br />
dem schier endlosen<br />
Briefstrom, das war auch die Konsequenz<br />
für manche Reaktionen:<br />
So eine Verrücktheit kann nur mit<br />
Ausgrenzung bestraft werden.<br />
Dies vorher bedacht und dennoch<br />
getan, genoss ich es, in Parallele<br />
zur Geschichte vom verlorenen<br />
Sohn glücklich beim Vater in<br />
der neu gewonnenen Heimat sein<br />
zu dürfen. Und das lässt sich sogar<br />
rational begründen und soll im folgenden<br />
versucht werden.<br />
Zunächst: Wo viel Dunkelheit<br />
war, wird das Licht besonders<br />
dankbar empfangen, wo viel Kälte<br />
zusammenzog, ist Wärme genussreich.<br />
Wo unruhige Sorge bedrängte,<br />
wird Entlastung besonders<br />
intensiv als Erleichterung erlebt.<br />
Vom Ende der 60er Jahre an<br />
stand ich zunehmend in einer solchen<br />
Bedrängnis: Ich hatte durch<br />
meine praktische Arbeit als Kinder-<br />
und Jugendlichen-Psychotherapeutin<br />
und durch meine Zusammenarbeit<br />
mit Verhaltensforschern<br />
nämlich eine Entdeckung gemacht:<br />
Seelische Gesundheit im<br />
Erwachsenenalter ist (u.a.) in einem<br />
hohen Maße davon abhängig,<br />
ob den Kindern in hinreichender<br />
und gekonnter Weise ihre lebensnotwendigen<br />
Grundbedürfnisse erfüllt<br />
werden. Sie sind an (unzureichend<br />
bekannte) Urgesetze gebun-<br />
232 DER FELS 8-9/<strong>2001</strong>