Die Stufe 137
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Aktives Vereinsleben<br />
Aktives Vereinsleben<br />
Schweizer Vorland<br />
Frisch ausgeruht und bei mildem Wetter rollen wir am<br />
nächsten Morgen weiter. <strong>Die</strong> frischen Wecken vom Kiosk<br />
sind eine Bereicherung für das Frühstück. Langsam kündigt<br />
sich an, wie einfache Dinge als Luxusgüter geschätzt<br />
Luzern - Tor zum Vierwaldstätter See<br />
werden. Beim Mittags-Vesper am Sempacher See wird<br />
der Tag vollends sonnig. Am frühen Nachmittag ist<br />
Luzern erreicht. Wir radeln am Ufer des Vierwaldstätter<br />
Sees entlang. „Kastanienbaum“ kann nur hier eine Siedlung<br />
heißen. In Horw ist der nächste Zeltplatz erreicht,<br />
mit freiem Eintritt ins Strandbad. Hier hat man einen<br />
guten Blick auf die Berge und so hoch schauen sie noch<br />
gar nicht aus. Das Bad tut gut und am Abend erheitert<br />
uns ein Amateurzirkus auf dem Zeltplatz. Weniger wegen<br />
den Kunststücken, eher wegen den Pannen.<br />
Nasswetter<br />
Aller guten Dinge sind … sicherlich nicht drei. Der<br />
Weg führt weiter am See entlang, doch das Nass kommt<br />
von oben. In Niederdorf setzen wir mit der Fähre über,<br />
dunkle Wolken hängen<br />
über dem<br />
See. Auf der<br />
Fahrt nach Brunnen<br />
wird es<br />
zudem noch<br />
kalt. Dort legen<br />
wir eine schnelle<br />
Vesperpause<br />
ein. Richtung<br />
Nordosten liegt Ibach, keine vier<br />
Kilometer weit weg. <strong>Die</strong> Wiege<br />
der Schweizer Taschenmesser. Unser Weg führt am Urner<br />
See entlang, auf dessen anderer Seite das Rütli zu sehen<br />
ist, das Schiller im „Wilhelm Tell“ zum Geburtsort der<br />
Eidgenossenschaft gekürt hat. Wir radeln mal auf, mal<br />
gut bepackt und putzmunter<br />
neben der Straße her. Der Verkehr ist zwar nicht immer<br />
schön, aber es gibt Radwege und Radstreifen. Immer wieder<br />
folgen diese der alten Straße, hoch über dem See.<br />
Zur Mittagszeit schon sind wir in Altdorf. Es ist Montag<br />
und die Vorräte werden in der örtlichen Migros aufgefüllt.<br />
Auf dem Weg zum Zeltplatz fahren wir am Tell-<br />
Denkmal vorbei.<br />
Das wird zur<br />
Kenntnis genommen,<br />
aber nass<br />
und kalt haben<br />
wir andere Prioritäten.<br />
Am Zeltplatz<br />
wird erst<br />
einmal der Trockner<br />
in Beschlag<br />
Inmitten von Regenschauern über den Urner See<br />
genommen, das<br />
Zelt muss am Rande eines kleinen Sees aufgestellt werden<br />
– der Rasen ist durchweicht und als „Pfütze“ geht die<br />
Wasseransammlung wirklich nicht mehr durch. Warmes,<br />
gut gewürztes Essen tut Kopf und Bauch gut. Am Nachmittag<br />
verziehen sich die Wolken und die Sonne lacht<br />
herab. Milch vom Bauernhof, ein paar Kilometer weiter,<br />
wo wir auf der Herfahrt vorbeikamen, darf es noch sein.<br />
Morgen steht uns die Königsetappe bevor, denn am Ende<br />
vom Tag wollen wir 1.000 Höhenmeter weiter oben in<br />
Andermatt sein.<br />
Nichts als der Berg<br />
Der Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein und klarem<br />
Himmel. Gewitterwolken kommen aus Richtung des<br />
Zeltplatzbesitzers, dem es nicht passt, dass wir die immer<br />
noch regennasse Auwiese von unserem Zelt verlassen<br />
haben und auf der Bank vor der Hütte Platz genommen<br />
haben. Missmutig packen wir unsere Sachen und verlagern<br />
das Frühstück auf das freie Feld zwischen Schaltdorf<br />
und Erstfeld.<br />
<strong>Die</strong> ersten Kilometer haben gar nichts von einer Bergetappe<br />
an sich. Flott und eben führt der Weg das Tal der<br />
Reuss entlang. Bis – ja, bis Amsteg. Zügig radeln wir um<br />
eine Kurve herum, sehen uns vor einem Buckel, strampeln<br />
zackig hoch und stehen auf der alten Passtraße. Und<br />
hier auf einmal geht es los, hier ist „der Berg“, der<br />
Anstieg nach oben.<br />
Zweifel beschleichen mich ob der Wegführung. Mal<br />
geht es rauf, dann wieder kommen langgezogene Abfahrten,<br />
die sich elegant ausrollen lassen, doch wenn das Ziel<br />
noch etliche Höhenmeter weiter oben liegt, freut so<br />
etwas wenig. Doch auch wenn es täuscht, es geht beständig<br />
auf. Gegenüber dem ersten Tag ist das Gepäck längst<br />
verteilt und überraschend gut geht die Fahrt vonstatten.<br />
<strong>Die</strong> zwei Teilis bilden<br />
eine Ausreißergruppe,<br />
Ellen und ich die Verfolger.<br />
Hier ist es egal,<br />
jeder kennt den Weg<br />
und immer mal wieder<br />
trifft man sich an einer<br />
Trinkpause.<br />
Entlang der Straße<br />
liegen die Orte, die<br />
man aus dem Verkehrsfunk<br />
kennt:<br />
Amsteg, Gurtnellen,<br />
Wassen, Göschenen.<br />
Vor Göschenen weht<br />
mir ein herrlicher Duft<br />
ins Gesicht, der wie<br />
mein Kräutertee zu<br />
Hause riecht. Der<br />
nennt sich „Alpenkräuter“<br />
und daran ist<br />
nichts gelogen. Ich<br />
Langsam kommt man auch an’s Ziel:<br />
der mühsame Aufstieg durch die Schöllenen<br />
genieße noch einige Atemzüge, dann ist auch das vorbei,<br />
denn vor Göschenen zieht sich die Straße lang und ohne<br />
Abwechslung und macht auf ein paar Kilometer keinen<br />
Spaß. Im Ort selbst werden noch ein paar Riegel eingeworfen<br />
und die Flasche befüllt. Der Höhepunkt kommt<br />
gleich danach: die Schöllenen, die uns noch 400 Höhenmeter<br />
von Andermatt trennt.<br />
Im Hinterkopf regt sich der ein oder andere Zweifel.<br />
Zudem steht die Sonne hoch am Himmel und zwischen<br />
Stern und Fels wird es heiß und trocken werden. Eine<br />
Trost spendende Sicherheit sehe ich ein paar Meter weiter:<br />
die Zahnradbahn nach Andermatt hinauf. Wenn es je<br />
nicht mehr geht, kann ich immer noch auf Plan B<br />
zurückgreifen.<br />
Vor der Abfahrt werden auf der Karte die Kurven bis<br />
oben gezählt. Das Ergebnis schwankt je nach Zählweise.<br />
Nach der Abfahrt zähle ich die ersten mit, dann ist es mir<br />
egal. Schier endlos schlängelt sich die Straße eng am<br />
Berghang nach oben. Hinter Göschenen hat sich auch die<br />
Spreu vom Weizen getrennt: <strong>Die</strong> meisten Autofahrer nehmen<br />
den Bahnverlad oder das Tunnel, einige Genussfahrer<br />
und vor allem Horden von Motorradfahrern haben<br />
sich für den gleichen Weg entschieden wie wir. Nur fehlt<br />
der Velostreifen, was aber kein Problem ist. Autos, Laster<br />
und Motorräder kommen schubweise, zwischen zwei<br />
Wellen reicht die Zeit gut von Haltebucht zu Haltebucht.<br />
Nach der ein oder anderen Kehre ist auch<br />
Zeit zum Photographieren.<br />
Immer wieder führt die Straße durch dunkle<br />
Galerien, die im Sommer vor Steinschlag, im Winter<br />
vor Lawinen schützen sollen. Nach der schier<br />
unendlichsten Kurve flammt das Sonnenlicht am<br />
Galerieausgang ungemein freundlich auf, auf einmal<br />
herrscht Trubel und Betriebsamkeit. Rechts rattert<br />
die Zahnradbahn vorbei, links quillt die Gaststätte<br />
Teufelsbrücke über, direkt vor mir gähnt das<br />
„Urner Loch“, das erste Straßentunnel der Alpen.<br />
Erleichtert schnaufe ich durch, geistig brülle ich<br />
„oben“. Nach einer Trink- und Fußschüttelpause<br />
steige ich wieder auf und jage förmlich die letzten<br />
Kilometer nach Andermatt hinein. Alles flach. Am<br />
Ortseingang warten auch schon die anderen drei,<br />
die den Aufstieg wesentlich souveräner geschafft<br />
haben. Eine gute Viertelstunde haben sie gewartet.<br />
Ich bin wieder erleichtert – so schlecht war ich gar<br />
nicht.<br />
Der Zeltplatz liegt direkt unter der Seilbahn zum<br />
Gemsstock. <strong>Die</strong> Wartehalle, in der sich winters die Skifahrer<br />
kalte Füße und steife Knie holen dient nun als<br />
Dusche, WC und<br />
Waschsaal. Auf<br />
der grünen Wiese<br />
lassen sich die<br />
Heringe wunderbar<br />
in den Boden<br />
drücken, regelmäßig<br />
aufgestellte<br />
Holzbänke<br />
Zeltrüsten in Andermatt<br />
laden zur Pause<br />
ein. Morgen ist<br />
der erste August, Schweizer Nationalfeiertag. Den wollen<br />
wir hier verbringen, einen Tag ausruhen.<br />
Am frühen Abend verwerfen wir den Plan. Der Wetterbericht<br />
bringt für übermorgen Regen, was keine schöne<br />
Aussicht für die Passüberschreitung ist. Außerdem sinkt<br />
die Temperatur ins Bodenlose, zumindest fühlt es sich so<br />
an. Wir entscheiden, gleich am nächsten Tag weiter zu<br />
fahren. Meine Füße rebellieren zwar, aber wir entscheiden<br />
demokratisch, zumal wir in der Schweiz sind. Eine<br />
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