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dem Einwand entgegenzuhalten, wonach<br />

Gentechnik ein wichtiges Werkzeug<br />

im Kampf gegen den Hunger in<br />

der Welt sei?<br />

Drittens: Diskussion und Entscheidungen<br />

über solche gewichtigen, für<br />

menschliche Existenz substanziellen<br />

Fragen dürfen nicht auf die Zirkel<br />

der Wirtschaftsmächtigen und Politiker,<br />

der Militärs schon gar nicht, aber<br />

auch nicht allein der Wissenschaftler<br />

beschränkt bleiben.<br />

Natürlich ist die Wissenschaft für<br />

die Herbeiführung solcher Entscheidungen<br />

unentbehrlich, weil sie die Gefahrenpunkte<br />

oder -zonen am kundigsten<br />

markieren kann. Ihre ethische Verantwortung<br />

ist größer <strong>als</strong> je. Zu bedenken<br />

ist aber auch, dass der Wissenschaft<br />

die Grenzenlosigkeit menschlichen<br />

Erkenntnisdrangs eingeboren ist.<br />

<strong>Die</strong> wissenschaftliche Neugier ist eine<br />

der größten Verlockungen für Grenzüberschreitungen.<br />

Sie wird immer wissen<br />

wollen: Was ist »dahinter«, jenseits<br />

des heute dem Menschen Zugänglichen.<br />

Es sind eben keine wissenschaftlichen<br />

Fragen, die hier zur<br />

Erörterung stehen, es sind die vielleicht<br />

politischsten Fragen überhaupt.<br />

Sie können nur im politischen Raum,<br />

durch umfassenden demokratischen<br />

Diskurs beantwortet werden. Gefährlich<br />

hierfür sind die konservativ-liberalen<br />

Bagatellisierungen der Gefahren<br />

ebenso wie die in linken, sozialistischen<br />

Richtungen verbreiteten technik-nihilistischen<br />

Sichten. Zeitverzüge<br />

im demokratischen Diskurs werden zunehmend<br />

gefährlich.<br />

Viertens: Für Verbote menschheitsgefährdender<br />

Grenzüberschreitungen<br />

sind offenbar »Ein-für-allemal-Entscheidungen«<br />

notwendig. Wie es keinem<br />

noch so demokratisch gewählten Parlament<br />

überlassen werden kann, die<br />

Einführung einer Diktatur zu beschließen,<br />

so dürfte die Frage, ob Massenvernichtungswaffen<br />

eingesetzt, ob die<br />

Schöpfung eines »neuen Menschen«<br />

gestattet werden dürften oder nicht,<br />

kein Gegenstand von Entscheidungen<br />

irgend jemandes sein. Aber eben hierüber<br />

bedarf es eines »Anfang-Beschlusses«,<br />

eines »Ein-für-allemal-Beschlusses«,<br />

eines Aktes, vergleichbar mit der<br />

erstmaligen Verkündung der allgemeinen<br />

Menschenrechte. <strong>Die</strong> im Zeitalter<br />

der Aufklärung geborene Idee könnte<br />

hier hilfreich sein, dass es so etwas gäbe<br />

wie ein allen menschlichen Verfassungen<br />

vorausgestelltes Gesetz, transzendentales<br />

apriori, das keiner Begründung,<br />

keiner Legitimation be dürfe, weil<br />

ihre Gründe jenseits menschlicher Erfahrung<br />

liegen. Aus welchen Kulturen,<br />

Denktraditionen, Religionen, Weltsichten<br />

sich solche Entschlüsse auch herleiten<br />

mögen – sie werden nur stark genug<br />

sein, wenn sie sich aus allen Quellen<br />

speisen, die es gut mit dem Menschen<br />

meinen – sie müssen eindeutig und<br />

unkorrigierbar sein. Bestimmte Grenzen<br />

dürfen nicht überschritten werden.<br />

Der »erste Part der Schöpfung« muss<br />

für menschliches Handeln ebenso tabu<br />

sein wie der Gattungsgenozid.<br />

Naturerkenntnis für menschliche Zwecke<br />

praktisch nutzbar machen © Thomas Herbell<br />

licher Programme (sehr oft staatlich<br />

gelenkter und finanzierter Rüstungsprogramme),<br />

zumindest in den frühen<br />

Stadien ihrer technologischen und Produktionsreife.<br />

Es ist der Tatsache Rechnung zu tragen,<br />

dass es sich bei den beiden Ressourcen,<br />

die in diesem neuen Jahrhundert<br />

die entscheidenden sein werden<br />

– die Natur wegen ihrer neuartigen Begrenzungen<br />

<strong>als</strong> Quelle und »Senken«<br />

von Stoffen für menschliche Aktivität<br />

und die Information, das Wissen vor<br />

allem, wegen ihrer neuartigen Bedeutung<br />

für die Bereicherung menschlichen<br />

Lebens – Menschheitsgüter sind. Wie<br />

sie im Konkreten auch bewirtschaftet<br />

5. Innovationskultur verlangt nicht nur<br />

einzelwirtschaftliche, sondern zugleich<br />

auch gesamtwirtschaftliche Rationalität,<br />

sie ist durch das Wirken der Marktkräfte<br />

allein nicht erreichbar.<br />

Unzureichende soziale Sicherungen,<br />

Privatisierung der Daseinsvorsor ge, soziale<br />

Bildungsprivilegien, die Ausrichtung<br />

der universitären Forschung und<br />

Lehre vornehmlich auf die betriebswirtschaftlichen<br />

Belange machen den Nährboden<br />

unfruchtbar, auf welchem Innovationskultur<br />

gedeihen kann. <strong>Die</strong> meisten<br />

großen Innovationen des 20. Jahrhunderts<br />

waren das Ergebnis staatwerden,<br />

wie die Schöpfer von neuem<br />

Wissen auch belohnt werden mögen:<br />

Natur, Wissenschaft, Information überhaupt<br />

sind ihrem Wesen nach Gemeingüter.<br />

Eskalierende Privatisierungshysterie<br />

kann nicht der Weg sein, wie die<br />

Menschen sich diese Güter zum größten<br />

Nutzen aller aneignen können. Manches<br />

dürfte von vornherein nicht privatisiert,<br />

das heißt auch nicht patentiert<br />

werden, Geninformationen jeder Art<br />

vor allem.<br />

6. Politik und Staat, Kultur und Kreativität,<br />

unternehmerisches Engagement<br />

und persönlicher Einsatz entscheiden<br />

über Innovationsfähigkeit in der Gesellschaft.<br />

<strong>Die</strong> heute in der Bundesrepublik<br />

politisch ergriffenen, beabsichtigten<br />

Maßnahmen, Überlegungen sind unter<br />

allen diesen Gesichtspunkten unzureichend.<br />

■ Es sind verstärkte Anstrengungen<br />

um gesamtwirtschaftliche, staatliche<br />

Konzepte der Technologiepolitik nötig,<br />

vor allem sind größere Anstrengungen<br />

um ihre Umsetzung erforderlich.<br />

Sie müssen natürlich im internationalen<br />

Kontext stehen, zugleich der<br />

Wissenschaft, den Unternehmen Orientierungshilfen<br />

geben. Verteilung<br />

staatlicher Forschungsmittel darf nicht<br />

durch Prestigevorhaben und Lobbyistenmacht<br />

reguliert werden.<br />

Staatliche Forschungs- und Entwicklungspolitik<br />

hat besondere Sorge zu tragen<br />

für Entwicklungspolitik, für die Förderung<br />

»angepasster Technologien«,<br />

welche den Entwicklungsländern wirtschaftliches<br />

Aufholen ermöglicht.<br />

■ Forschungs- und Technologiepolitik<br />

müssen davon ausgehen, dass vor allem<br />

die Vorlaufforschung direkter staatlicher<br />

Förderung bedarf.<br />

■ Der Glaube, durch »Konzentration<br />

der Kräfte« auf Elite-Einrichtungen und<br />

Begabtenauslese, Verwandlung der<br />

Hochschulen in Versorgern des aktuellen<br />

Arbeitsmarktes die notwendigen<br />

Fortschritte zu erreichen, ist für die Gesellschaft<br />

gefährlicher Irrglaube. Moderne<br />

Innovationskultur kann nur auf<br />

einem Boden gedeihen, der durch keine<br />

sozialen Bildungsschranken, keine<br />

Benachteiligung der Frauen und Mädchen<br />

eingeengt ist, der Bildung und<br />

Kultur über die Horizonte des aktuell<br />

betriebswirtschaftlich Vorteilhaften erweitert.<br />

Innovationskultur gedeiht am besten<br />

in einem sozialpsychischen Klima,<br />

in welchem Gemeinsinn und persönlicher<br />

Ehrgeiz, Gemeinwohl und persönliches<br />

Interesse sich letztlich verbinden<br />

lassen. Wachsende soziale Ungleichheit,<br />

soziale Rücksichtslosigkeit,<br />

450 DISPUT Juni 2005

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