S C H U L E - Die Linkspartei - Die Linke
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ZUKUNFTSWERKSTATT<br />
S C H U L E<br />
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Alle fördern – keinen zurücklassen!<br />
Für eine sozial gerechte, demokratische<br />
Bildungsreform jetzt!<br />
Materialien der 9. Bildungspolitischen<br />
Konferenz der PDS vom 3. bis 5. Juni<br />
2005 in Weimar<br />
Teil III: Foren 4 - 6<br />
Eingereichte Thesen und Beiträge<br />
__________________________________________________________________<br />
Ausgabe 3/2005 – 15. Jahrgang<br />
AG Bildungspolitik der <strong>Linkspartei</strong>.PDS
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: AG Bildungspolitik beim Parteivorstand<br />
der <strong>Linkspartei</strong>.PDS<br />
Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin<br />
V.i.s.d.P.: Dr. Annette Mühlberg, Tel.: 030 / 24009305,<br />
Fax: 030 / 24009624<br />
E-Mail: annette.muehlberg@linkspartei.de<br />
Redaktion: Dr. Gerhard Sielski, Dr. Annette Mühlberg<br />
Bestellungen: Dr. Annette Mühlberg, AG Bildungspolitik, PF 100,<br />
10122 Berlin, E-Mail: annette.muehlberg@linkspartei.de<br />
Redaktionsschluss: Dezember 2005<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
Programm der Konferenz Seite 5<br />
Forum 4: Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen in Zeiten<br />
lebensbegleitenden Lernens<br />
Einführungsbeitrag von Günter Wilms Seite 11<br />
Beitrag von Ullrich Bauer und Uwe H. Bittlingmayer Seite 14<br />
Keine Bildungsreform ohne Gesellschaftsreform. Der<br />
sozialwissenschaftliche Blick auf Pädagogik „in Zeiten<br />
lebensbegleitenden Lernens“<br />
Forum 5: Was geht bei den europäischen Nachbarn vor sich?<br />
Internationale Herausforderungen, Erfahrungen mit Reformen,<br />
Privatisierung und Standards<br />
Einführungsbeitrag von Horst Bethge Seite 24<br />
Kurzbericht aus Großbritannien: Mary Compton Seite 29<br />
Kurzbericht über die “Dänische Einheitsschule”: Flemming Meyer Seite 29<br />
Forum 6: Finanzierung und Ökonomisierung von Bildung<br />
Mehr Geld in Humankapital investieren? Privatisieren?<br />
Bildungsmarkt schaffen (GATS, EU-<strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie)?<br />
Beitrag von Roman Jaich Seite 31<br />
Beitrag von Herbert Schui Seite 44<br />
Zur Stärkung von Marktelementen im Bildungsbereich<br />
In eigener Sache Seite 50<br />
Bestellschein Seite 52<br />
3
Alle fördern - keinen zurücklassen!<br />
Für eine sozial gerechte, demokratische Bildungsreform jetzt!<br />
9. Bildungspolitische Konferenz der PDS<br />
am 03./04./05. Juni 2005 in Weimar<br />
Veranstalter: Parteivorstand der PDS, Arbeitsgemeinschaft Bildungspolitik beim Parteivorstand<br />
der PDS, PDS Landesverband Thüringen, PDS–Fraktion im Thüringer Landtag<br />
<strong>Die</strong> täglichen Erfahrungen von SchülerInnen, Eltern, StudentInnen, PädagogInnen<br />
und Azubis und empirische Vergleiche wie PISA, IGLU, TIMSS und LAU verweisen<br />
darauf, dass unser gesamtes Bildungswesen in einer tiefen Krise steckt. <strong>Die</strong> Notwendigkeit<br />
einer Bildungsreform wird heute nicht mehr in Frage gestellt. Umstritten<br />
ist, in welche Richtung die Reform gehen soll. Bildungspolitik ist zu einem zentralen<br />
Feld politischer Auseinandersetzung geworden.<br />
Bisher eingeleitete Maßnahmen der Regierenden in Bund und Ländern haben keine<br />
grundlegenden Veränderungen bewirkt. Das Bildungssystem Deutschlands ist<br />
Spiegelbild einer immer größer werdenden sozialen Spaltung der Gesellschaft. In<br />
keinem anderen Land gibt es einen so offensichtlichen Zusammenhang zwischen<br />
sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus<br />
sozial benachteiligten Familien und Familien mit Migrationshintergrund gehören<br />
von vornherein zu den „Verlierern“. <strong>Die</strong> soziale Ausgrenzung hat sich in den letzten<br />
Jahren noch verstärkt und wird weiter zunehmen.<br />
Nach demselben Muster wie beim Umbau des Sozial- und Gesundheitssystems<br />
organisieren neoliberale Kreise aller Schattierungen den Umbau des Bildungssystems<br />
weg von der breiten Daseinsvorsorge des erkämpften Sozialstaats hin zu<br />
Eigenverantwortung, Eigenfinanzierung und Eigenvorsorge.<br />
Gleichzeitig werden die Stimmen lauter, die Reformschritte in Richtung einer sozial<br />
gerechten und demokratischen Bildungsreform fordern und gehen wollen. Den Zusammenhang<br />
zwischen sozialer Herkunft, Lebenslagen und Bildungserfolg aufzubrechen,<br />
ist Ziel der Bildungspolitik der PDS.<br />
Unbezweifelt ist: Deutschland und die Länder der Europäischen Union befinden<br />
sich in einem gravierenden Umbruch der Arbeitswelt wie der Sozial- und Bildungssysteme.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklungsbedingungen für jeden Einzelnen, für die Kinder und<br />
Jugendlichen und auch die Rolle und Aufgaben der PädagogInnen ändern sich.<br />
Wie muss eine auf Egalität und Emanzipation angelegte Bildungsreform unter diesen<br />
Bedingungen aussehen? Was kann man dafür aus dem Ausland lernen? Welche<br />
Schritte zur Demokratisierung der Schulkultur müssen jetzt gegangen werden?<br />
Was passiert in der Berufsbildung und bei der Weiterbildung? Wo können <strong>Linke</strong> in<br />
dieser Situation ansetzen?<br />
Über diese und weitere Fragen wollen wir auf der Konferenz diskutieren. <strong>Die</strong> AG<br />
Bildungspolitik der PDS hat im Vorfeld der Bildungspolitischen Konferenz einen<br />
Entwurf für Bildungspolitische Leitlinien der PDS erarbeitet. Sie sollen im Herbst<br />
auf der 2. Tagung des 9. Parteitags der PDS verabschiedet werden. Anliegen der<br />
Konferenz ist eine Diskussion dieser Leitlinien und ein breiter Erfahrungsaustausch<br />
5
über die bildungspolitische Situation und die Grundrichtung notwendiger Veränderungen.<br />
Dazu laden wir herzlich ein.<br />
Veranstaltungsort: Weimarhalle<br />
congress centrum neue weimarhalle, UNESCO-Patz 1, 99423 Weimar, Tel.<br />
03643/745-143<br />
e-mail: info@weimarhalle.de, www.weimarhalle.de<br />
Programm<br />
Anreisetag, Freitag 03.06.05:<br />
ab 14.00 Uhr Anmeldung am Veranstaltungsort<br />
16.00 – 18.00 Uhr Besuch der Gedenkstätte Buchenwald<br />
nach 19.00 Uhr Gelegenheit zum Beisammensein<br />
Erster Tag, Sonnabend 04.06.05:<br />
10.30 - 12.30 Uhr Begrüßung und Einführungsreferate<br />
Eröffnung: Gerrit Große, MdL Brandenburg, Sprecherin<br />
der AG Bildungspolitik der PDS<br />
Begrüßung: <strong>Die</strong>ter Hausold, Landesvorsitzender<br />
Thüringen<br />
Einführungsreferate:<br />
Dirk Möller, Vorsitzender des Kulturausschusses<br />
des Weimarer Stadtrates<br />
Wissensgesellschaft ohne Bildung? Prof. Dr. Lothar Bisky<br />
Vorsitzender der PDS<br />
Bildung und Demokratie im 21. Jahrhundert Bodo Ramelow, Vorsitzender der PDS-<br />
- Wege aus der Sackgasse Fraktion im Landtag Thüringen<br />
<strong>Die</strong> Sozialisten und die Bildung Prof. Dr. <strong>Die</strong>trich Mühlberg<br />
Kulturhistoriker, Berlin<br />
6
Anfragen zu den Referaten<br />
12.30 – 13.30 Uhr Mittagspause<br />
13.30 – 18.00 Uhr Diskussion in parallelen Foren<br />
ca. 15.30 – 16.00 Uhr Kaffeepause<br />
Forum 1: Kultur - Macht - Bildung<br />
Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Dr. Birgit Klaubert, Dr. Annette Mühlberg, Siglinde<br />
Schaub, Dr. Wolfgang Zacharias<br />
Forum 2: Demokratie und Bildung<br />
Teil I: Demokratisierung des Bildungsprozesses und Herrschaftskritik -<br />
Gramscis Theorie der Mündigkeit<br />
Prof. Dr. Armin Bernhard, Andreas Merkens<br />
Teil II: Das Bildungswesen – Lernwerkstatt für Demokratisierung und Mitbestimmung?<br />
Dr. Roland Bach, Antje Brose, Bela Burkhardt, Susann Springer, Prof. Dr.<br />
Hans Treichel, Dr. Horst Adam<br />
Forum 3: Entwicklungs- und Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen<br />
heute<br />
Dr. Detlef Häuser, Prof. Dr. Horst Weiß, Walter Wilken<br />
Forum 4: Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen in Zeiten lebensbegleitenden<br />
Lernens<br />
Prof. Dr. Ullrich Bauer, Uwe H. Bittlingmayer, Nele Haas, Prof. Dr. Günter<br />
Wilms<br />
Forum 5: Was geht bei den europäischen Nachbarn vor sich? Internationale Herausforderungen,<br />
Erfahrungen mit Reformen, Privatisierung und Standards<br />
Horst Bethge, Mary Compton, Flemming Meyer<br />
Forum 6: Finanzierung und Ökonomisierung von Bildung – Mehr Geld in Humankapital<br />
investieren? Privatisieren ? Bildungsmarkt schaffen<br />
(GATS, EU-<strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinie)?<br />
Dr. Roman Jaich, Uli Ludwig, Helmuth Markov, Prof. Dr. Herbert Schui<br />
nach 19.00 Uhr Gelegenheit zum Beisammensein<br />
7
Zweiter Tag, Sonntag 05.06.05:<br />
9.00 – 10.15 Uhr Vorstellung der bildungspolitischen Leitlinien der PDS,<br />
Beitrag GEW<br />
Einführungsbeitrag: Für eine grundlegende, sozial gerechte, demokratische<br />
Bildungsreform jetzt! Bildungspolitische Leitlinien der PDS<br />
Prof. Dr. Günter Wilms, Sprecher der AG Bildungspolitik beim<br />
Parteivorstand der PDS<br />
Beitrag der GEW: Zur bildungspolitischen Strategie der GEW<br />
Ulrich Thöne, Vorsitzender der GEW<br />
10.15. – 10.30 Uhr Pause<br />
10.30 – 13.00 Uhr Parallele Arbeitsgruppen<br />
AG 1: Bildung für alle von Anfang an<br />
Margrit Barth, Dr. Detlef Häuser, Norbert Hocke, Dr. Marianne <strong>Linke</strong><br />
AG 2: Auf dem Weg zum längeren gemeinsamen Lernen – für eine Schulstrukturdebatte<br />
und eine Schulentwicklung von unten<br />
Gerrit Große, Rosemarie Hein, Walter Lederer, Prof. Dr. Anne Ratzki<br />
AG 3: Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung statt Abbau, Privatisierung<br />
und Reduzierung auf Beschäftigungsfähigkeit<br />
Kay Beiderwieden, Ursula Herdt, Andreas Klepp, Herrmann Ziegenbein<br />
AG 4: Berufsbildung unter Veränderungsdruck<br />
Dr. Michael Ehrke, Christian Görke, Ulla Holterhus, Bärbel Holzheuer-<br />
Rothensteiner, Dr. Kirsten Lehmkuhl, Dr. Stephanie Odenwald, Sandro Witt<br />
AG 5: Alternative Studienfinanzierung – wie weiter nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil<br />
zu Studiengebühren<br />
Susanne Hennig, Nele Hirsch, Benjamin Hoff, Peer Jürgens, Dr. Andreas<br />
Keller, Jan Korte<br />
AG 6: Ganztagsschule im sozialen und kulturellen Umfeld<br />
Julia Bonk, Peter Joseph, Bernd Martens, Vincent Steinl<br />
13.00 – 14.00 Uhr Mittagspause<br />
14.00 - 15.30 Uhr Abschluss im Plenum<br />
Bildungsreform jetzt, was tun?<br />
Podiumsrunde mit Jan Korte, Dr. Marianne <strong>Linke</strong>, Prof. Dr.<br />
Uta Meier-Gräwe, Ulrich Thöne und weiteren Gästen der<br />
Konferenz<br />
Moderation: Horst Bethge und Gerrit Große<br />
Abschlussworte: Gerrit Große (Sprecherin der AG Bildungspolitik)<br />
8
Mitwirkende<br />
Dr. Horst Adam, Berlin, AG Bildungspolitik der PDS, PädagogInnen für den Frieden<br />
Dr. Roland Bach, Sprecher der AG Rechtsextremismus/Antifaschismus beim Parteivorstand<br />
der PDS<br />
Margrit Barth, MdA Berlin, Jugendpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion<br />
Prof. Dr. Ullrich Bauer, Juniorprofessur Universität Bielefeld<br />
Kay Beiderwieden, Soziologe, AG Bildungspolitik PDS Hamburg<br />
Prof. Dr. Armin Bernhard, Universität Duisburg-Essen<br />
Horst Bethge, Hamburg, Sprecher der AG Bildungspolitik der PDS<br />
Prof. Dr. Lothar Bisky, Vorsitzender der PDS<br />
Uwe H. Bittlingmayer, Universität Bielefeld<br />
Julia Bonk, MdL Sachsen, Schulpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion<br />
Antje Brose, Studentin Rostock, Mitglied des Vorstandes der PDS<br />
Bela Burkhardt, Schüler, Sprecher der PDS Hamburg-Harburg<br />
Mary Compton, London, Präsidentin der National Union of Teachers<br />
Dr. Michael Ehrke, IG Metall Bundesvorstand<br />
Gerrit Große, MdL Brandenburg, Sprecherin der AG Bildungspolitik der PDS<br />
Christian Görke, MdL Brandenburg, Sprecher für Berufliche Bildung der PDS-Fraktion<br />
Nele Haas, Studentin, Potsdam<br />
Dr. Detlef Häuser, Woltersdorf, Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Landkreis<br />
Märkisch Oderland<br />
Rosemarie Hein, MdL Sachsen-Anhalt, Bildungspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion<br />
Susanne Hennig, MdL Thüringen, Sprecherin für Ausbildungs- und Studierendenfragen<br />
Ursula Herdt, Berlin, ehem. Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der GEW<br />
Nele Hirsch, Vorstandsmitglied des Studentischen Dachverbands fzs, freier Zusammenschluss<br />
von Studentinnenschaften<br />
Norbert Hocke, Berlin, Mitglied des Geschäftsführenden Hauptvorstandes der GEW<br />
Benjamin Hoff, MdA Berlin, Wissenschaftspolitischer Sprecher der PDS-Fraktion<br />
Ulla Holterhus, Referat berufliche Bildung und Weiterbildung GEW Niedersachsen<br />
Bärbel Holzheuer-Rothensteiner, MdA Berlin, Sprecherin für Berufliche Bildung der PDS-<br />
Fraktion<br />
Dr. Roman Jaich, Berlin, wiss. Mitarbeiter, Gutachter der Max-Traeger-Stiftung „Bildungsfinanzierung<br />
in Deutschland“<br />
Peter Joseph, wiss. Mitarbeiter der PDS-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt<br />
Peer Jürgens, MdL Brandenburg, studierendenpolitischer Sprecher der Fraktion der PDS<br />
Dr. Andreas Keller, Mitglied im Bundesvorstand des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler (BdWi)<br />
Dr. Birgit Klaubert, MdL Thüringen, Kulturpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion<br />
Andras Klepp, Betriebsratsvorsitzender VHS Braunschweig, Mitglied der GEW-<br />
Bundesfachgruppe Erwachsenenbildung, Sprecher der AG Bildungspolitik der PDS<br />
Jan Korte, Student Hannover, Mitglied des Vorstandes der PDS<br />
Walter Lederer, Mitarbeiter der PDS-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern<br />
Dr. Kirsten Lehmkuhl, Privatdozentin, Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Universität<br />
Hamburg<br />
Dr. Marianne <strong>Linke</strong>, Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern<br />
Uli Ludwig, Halstenbek, Personalrat, AG Bildungspolitik PDS Hamburg<br />
Helmuth Markov, PDS; MdEP, GUE/NGL-Fraktion<br />
Bernd Martens, Landesvorsitzender Ganztagsschulverband Hamburg<br />
Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Haushalts- und Familienwissenschaftlerin, Universität Gießen<br />
Andreas Merkens, Universität Hamburg<br />
9
Flemming Meyer, Lehrer, 2. Vors. d. Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), Fraktionsvors.<br />
Kreistag Schleswig/Flensburg<br />
Dr. Annette Mühlberg, Referentin für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien beim PV<br />
der PDS, Koordinatorin der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz der PDS<br />
Prof. Dr. <strong>Die</strong>trich Mühlberg, Kulturhistoriker Berlin<br />
Dr. Stephanie Odenwald, Hamburg, Mitglied des Geschäftsführenden Hauptvorstandes<br />
der GEW<br />
Bodo Ramelow, Vorsitzender der PDS-Fraktion im Landtag Thüringen<br />
Prof. Dr. Anne Ratzki, Universität Paderborn<br />
Siglinde Schaub, MdA Berlin, schulpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion<br />
Susann Springer, Studentin Weimar, Redaktion SPIESSER<br />
Vincent Steinl, BAK Schüler gestalten Schule<br />
Prof. Dr. Herbert Schui, Buchholz/Nordheide, Hamburger Universität für Wirtschaft und<br />
Politik<br />
Ulrich Thöne, Vorsitzender der GEW<br />
Prof. Dr. Hans Treichel, Potsdam, PädagogInnen für den Frieden, Stiftung Gewaltfreies<br />
Leben Sitz Königsfeld/Schwarzwald<br />
Prof. Dr. Horst Weiß, Strausberg, AG Bildungspolitik der PDS<br />
Walter Wilken, Hamburg, ehemaliger Generalsekretär des Kinderschutzbundes<br />
Prof. Dr. Günter Wilms, Eichwalde, Sprecher der AG Bildungspolitik der PDS<br />
Sandro Witt, DGB Mittelthüringen, Jugendbildungsreferent<br />
Dr. Wolfgang Zacharias, Stellv. Vors. der Bundesvereinigung für kulturelle Jugendbildung<br />
Herrmann Ziegenbein, Hamburg, stellv. Betriebsratsvorsitzender, Mitglied des Bezirksvorstands<br />
von ver.di<br />
Rahmenprogramm:<br />
<strong>Die</strong> Konferenz wird ergänzt durch ein Rahmenprogramm mit mehreren Veranstaltungen in<br />
Weimar – siehe flyer Schiller für Alle!<br />
10
Forum 4: Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen<br />
in Zeiten lebensbegleitenden Lernens<br />
Einführungsbeitrag<br />
Prof. Dr. Günter Wilms, Sprecher der AG Bildungspolitik der PDS<br />
I.<br />
Das Thema unseres Forums wirft eine Vielzahl von Problemen auf, z.B.:<br />
- Brauchen wir ein sog. Lehrerleitbild? Wenn ja, was soll es inhaltlich aussagen,<br />
wie soll es entstehen?<br />
- Gesellschaftliche Stellung der Pädagogen, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit.<br />
- Lehrerschaft als Berufsstand - innere Differenziertheit: Pädagogen an unterschiedlichen<br />
Schularten, Lehrer und Erzieher u. a.<br />
- Aktuelle Anforderungen, zusätzliche Belastungen durch Forderungen der Administration<br />
- Ausbildung der Lehrer: Rolle und Platz der pädagogischen Ausbildung, von<br />
praktischen Ausbildungsabschnitten innerhalb des Studiums, Bologna-Prozess<br />
und sicher noch andere mehr.<br />
II.<br />
Eine zentrale Frage unseres Themas ist m. E. die nach der Rolle des Lehrers im<br />
pädagogischen Prozess. Dazu ein paar Anregungen, Überlegungen:<br />
Es ist in der Pädagogik wohl unbestritten, dass der Lehrer für Inhalt und Gestaltung<br />
des pädagogischen Prozesses im Unterricht die volle Verantwortung trägt.<br />
Allerdings haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Entwicklungen vollzogen,<br />
die eine Differenzierung dieser Aussage erfordern.<br />
Wissensaneignung und Persönlichkeitsentwicklung sind Prozesse, die zunehmend<br />
außerhalb von Schule und Unterricht vor sich gehen. Dem muss der Lehrer Rechnung<br />
tragen, indem er einerseits diese Prozesse in seinem Unterricht berücksichtigt<br />
und andererseits den Schülern hilft und ihnen Anregungen vermittelt, diese<br />
Möglichkeiten des Bildungserwerbs und der Persönlichkeitsentwicklung außerhalb<br />
der Schule sinnvoll zu nutzen. Daraus folgen dann auch Konsequenzen im Hinblick<br />
auf die Einbeziehung der Schüler in die Auswahl des Inhalts und die Gestaltung<br />
des Unterrichts.<br />
Zu den zu beachtenden Veränderungen gehören auch neue Auffassungen zum<br />
Prozess des Lernens. Ausgehend von Erkenntnissen der Psychologie gilt heute als<br />
Selbstverständlichkeit, dass das Lernen ein aktiver Prozess ist, dass das Lernen<br />
als Tätigkeit verstanden wird. Es gilt die These: das Kind, der Jugendliche entwikkelt<br />
sich im pädagogischen Prozess! - Und nicht: das Kind, der Jugendliche wird im<br />
11
pädagogischen Prozess entwickelt. Daraus folgt, dass die Auffassung von der führenden<br />
Rolle des Lehrers im pädagogischen Prozess nicht im Sinne eines sog.<br />
Einwirkungsmodells interpretiert werden darf, sondern davon auszugehen ist, dass<br />
für die Schüler nur das erzieherisch und bildend wirksam ist, was sie sich selber<br />
erarbeitet haben, womit sie sich selber auseinandergesetzt haben. Das hat Konsequenzen<br />
für die Funktion und die Art des Tuns des Lehrers im pädagogischen Prozess.<br />
Wir grenzen uns also ab von einem autoritären Führungsstil, lehnen aber<br />
auch Selbstlauf („laissez faire“) ab.<br />
Progressive Dichter und Denker der Vergangenheit, darunter vor allem viele Philosophen<br />
und Pädagogen, gingen in ihren Auffassungen zur Erziehung der Jugend<br />
ganz selbstverständlich von der Überzeugung aus, dass jedes Kind entwicklungs-<br />
und bildungsfähig sei. In Anbetracht des zunehmenden Engagements liberalkonservativer<br />
Kräfte für Elitebildung und der verstärkten Propagierung wissenschaftlich<br />
überholter Begabungsauffassungen durch sie ist es m. E. angebracht, an<br />
diese Tradition zu erinnern. Es ist Aufgabe des Lehrers, sich um jedes Kind und<br />
seine Entwicklung zu mühen, jedes Kind zu fördern. Dabei gilt, dass das Kind in<br />
jeder Lebensphase ein Ganzes, eine Individualität mit Kenntnissen, Fähigkeiten,<br />
Erfahrungen und moralischen Einsichten ist - geschuldet jeweils seinem Alter und<br />
den konkreten Lebens- und Entwicklungsbedingungen. Es ist also nicht zulässig,<br />
das Kind einseitig vom Standpunkt des Erwachsenen aus als noch nicht vollkommen<br />
anzusehen. Optimistische pädagogische Grundhaltung ist gewissermaßen<br />
Pflicht!<br />
Wenn wir von der Verantwortung des Lehrers im pädagogischen Prozess ausgehen,<br />
dann wirft das zugleich auch die Frage nach Vorgaben für die Arbeit des Lehrers<br />
auf: Lehrpläne Lehrprogramme, Richtlinien, Anweisungen etc. <strong>Die</strong> hohe Qualifikation<br />
des Lehrers und das Vertrauen, das die Gesellschaft in sein Wirken für die<br />
Jugend setzt, stehen im Widerspruch zu kleinlicher Bevormundung seiner pädagogischen<br />
Arbeit durch eine Vielzahl einengender Vorschriften. Nichts gegen Rahmenrichtlinien<br />
und pädagogische begründete Empfehlungen, auch nichts gegen<br />
notwendige Vorgaben, was Schule und Unterricht schließlich erreichen sollen! Aber<br />
alles gegen Verbürokratisierung der pädagogischen Arbeit, gegen ständige<br />
neue Pflichten, die von der eigentlichen Arbeit mit den Schülern abhalten! Vertrauen<br />
und Verantwortung sind die entscheidenden Stichworte!<br />
III.<br />
Auch in einer Situation, in der den Pädagogen ständig neue Aufgaben „übergeholfen“<br />
werden - „ohne Lohnausgleich“ - , sie in der Öffentlichkeit ständig für Missstände<br />
in der Schule und im Verhalten von jungen Menschen verantwortlich gemacht<br />
werden, für die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Ursache<br />
sind, und sie auch nicht selten diskriminiert werden, ist es nicht überflüssig, an das<br />
Berufsethos der Pädagogen zu erinnern. Das sagen wir nicht nur den Pädagogen,<br />
sondern in gleicher Weise und mit Nachdruck auch den Verantwortlichen in<br />
Staat und Gesellschaft. An das Berufsethos der Pädagogen zu appellieren, kann<br />
12
nur denen zugestanden zu werden, deren Haltung und Handlung gegenüber den<br />
Pädagogen zugleich durch Achtung und Anerkennung gekennzeichnet ist!!<br />
Für unsere heutige Arbeit im Forum mögen die drei folgenden Zitate genügen:<br />
1. Hans Riesner, Dezernent für Schule und Kultur, Chemnitz<br />
( „Sächsische Volkszeitung“, <strong>Die</strong>nstag, 05. Februar 1946 )<br />
„Erzieher sein soll ja schließlich nicht nur heißen, einen Beruf ergreifen, sondern<br />
eine Berufung für die Zukunft des deutschen Volkes übernehmen.“<br />
„Denn Erzieher sein, heißt um der Zukunft des Volkes willen mehr Verantwortungsbewußtsein<br />
zu tragen und damit mehr Verantwortungspflicht zu übernehmen<br />
als alle anderen.“<br />
2. A. <strong>Die</strong>sterweg, „Schriften und Reden“, Bd. 2, Volk und Wissen Verlag 1950,<br />
S. 207 f.<br />
„Das Lehrerbewußtsein besteht in dem Bewußtsein der Teilnahme an den Ereignissen<br />
der Zeit und den in ihr tätigen Kräften.“<br />
„Das Lehrerbewußtsein des Lehrers, nämlich des deutschen, besteht auch darin,<br />
dass er sich als deutscher Lehrer, als Glied seiner Nation, als Erzieher deutscher<br />
Jugend fühlt und weiß."<br />
„Das Lehrerbewußtsein besteht in der hohen Meinung, die der Lehrer von dem<br />
Wert und der Bedeutung seines Berufes hegt.“<br />
„Das Lehrerbewußtsein besteht in der rechten Gesinnung den Schülern und den<br />
Eltern gegenüber.“<br />
„Das Lehrerbewußtsein besteht in dem Bewußtsein der Teilnahme an der Fortentwicklung<br />
des Wissens und in der wachsenden Fertigkeit des Könnens.“<br />
„Das Lehrerbewußtsein besteht in der inneren Gewißheit, dass man als Lehrer etwas<br />
ist und gilt.“<br />
3. K.F.W. Wander, Volk und Wissen Volkseigener Verlag 1954, Seite 127<br />
„Zunächst ist erforderlich, dass jeder Lehrer selbst für die Gegenwart, für seine Zeit<br />
sich interessiert, dass er lebendig an allem teilnimmt, nicht allein, was seine Kasse,<br />
sondern an allem, was das Wohl und Wehe seines Volkes betrifft. <strong>Die</strong> Athener erklärten<br />
jeden Bürger, der sich nicht um die öffentlichen Angelegenheiten kümmerte,<br />
für ein faules Glied der Staatsgemeinde. Soll ein solches der Lehrer sein? Kann<br />
er, wenn er es ist, lebendige Staatsbürger bilden? Der Lehrer ist aber nur dann ein<br />
guter Bürger, wenn er für das Leben bildet; dann muss er es aber kennen.“<br />
13
Beitrag für das Forum 4: Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen<br />
in Zeiten lebensbegleitenden Lernens<br />
Keine Bildungsreform ohne Gesellschaftsreform. Der sozialwissenschaftliche<br />
Blick auf Pädagogik „in Zeiten lebensbegleitenden<br />
Lernens“<br />
Ullrich Bauer & Uwe H. Bittlingmayer<br />
1. Einleitung<br />
2. Wissensgesellschaft als Wille und Vorstellung<br />
3. Thesen zu einem reformierten Lehrerleitbild<br />
4. Zu den Bildungspolitischen Leitlinien der PDS<br />
1. Einleitung<br />
Der bildungspolitische Aktionismus der Post-PISA-Arä bleibt unüberschaubar. Gut<br />
beraten ist, wer im Wildwuchs aus Selbstprofilierungen, parteipolitischen Strategien<br />
und wohlfeilem ökonomischen Lobbyismus den Überblick behalten kann. Das<br />
Durcheinanderpurzeln von Ideen, Ideengebern und tatsächlichen Machern der aktuellen<br />
Bildungspolitik besitzt indes eine klare Struktur der Wertigkeit – man könnte<br />
auch sagen, sie besitzt eine eindeutige Rangfolge der Relevanz und Irrelevanz von<br />
Vorschlägen: Wenn so der Bundespräsident a. D., Johannes Rau, sein im vergangenen<br />
Jahr erschienendes „Plädoyer für eine neue Bildungsreform“ mit dem Titel<br />
„Wider den Nützlichkeitszwang“ überschreibt, kann sich diese wohlmeinende und<br />
gewiss kritisch angelegte „Einmischung“ kaum Gehör verschaffen. Wer heute nur<br />
appelliert, ein humanistischer Bildungsauftrag dürfe seine Bedeutung doch bitte<br />
nicht verlieren, ist längst zum Statisten degradiert. Er befindet sich im nichtsichtbaren<br />
Raum strategischer Auseinandersetzungen oder besser im Stile angewandter<br />
politischer Rhetorik: Er ist gut für ein Vorwort oder für eine Präambel, nicht<br />
aber für den harten Kern politischer Richtungsvorgaben.<br />
<strong>Die</strong> eigentlichen Akteure einer neuerlichen Bildungsreform befinden sich auch nicht<br />
– wie man nach PISA annehmen könnte – im Feld der Wissenschaft. <strong>Die</strong> in diesem<br />
Frühjahr veröffentlichte gemeinsame Position einer ganzen Gruppe kritischer Bildungsforscher<br />
im so genannten „Bochumer Memorandum“ hat keinen wirklichen<br />
Kontrapunkt setzen können. Vielmehr beweist auch der wissenschaftliche Diskurs,<br />
dass er sich einzuordnen weiß. <strong>Die</strong> von Eckart Klieme koordinierte Expertenkommission<br />
des DIPF (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung)<br />
führt das in ihrer Expertise zur „Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ vor.<br />
Nicht das Zentralmotiv der langjährigen Debatte über Bildungsstandards, nämlich<br />
die Verringerung von sozialer Ungleichheit, taucht hier auf. Dreh- und Angelpunkt<br />
der Klieme-Expertise ist das Ziel der Elitenförderung. <strong>Die</strong> „Qualitätsdebatte“ im<br />
deutschen Bildungswesen hat damit – wie wir längst alle wissen – seinen eigentlichen<br />
Bezugspunkt gefunden: Bewertung zielt auf Verwertung. Ein Bildungsideal<br />
14
abseits dieser Maßgabe gilt als antiquiert. – Ökonomischen Effizienzkriterien genügt<br />
es jedenfalls nicht.<br />
Es ist darum keine Überraschung, dass auch der praktische pädagogische Blick in<br />
der aktuellen Debatte keine Berücksichtigung findet. Das Wissen von Pädagogen<br />
über das, was Pädagogen leisten können, leisten wollen und sollen findet somit<br />
keine Anwendung. Keine Überraschung ist es, weil der pädagogische Blick (ebenso<br />
wie der wissenschaftliche) eine gewisse Naivität beinhaltet oder sagen wir besser:<br />
in seinem Radius beschränkt bleibt. Wer glaubt, eine Bildungsreform würde<br />
heute vom Prozess des Lehrens und Lernens aus gestaltet werden, liegt damit<br />
eindeutig falsch. <strong>Die</strong> Vorschläge für Bildungsreformen bemessen sich tatsächlich<br />
an dem, was von Bildung gesellschaftlich erwartet wird. Vielleicht ist das auch der<br />
Grund, warum Nicht-Pädagogen Bildungsreformer werden, warum die Bertelsmann-Stiftung<br />
und Hans-Olaf Henkel mehr Gehör finden als Lehrerinnen und Lehrer<br />
aus der Praxis.<br />
Wir wollen im Folgenden drei Schlaglichter auf die jetzige bildungspolitische Diskussion<br />
in Deutschland werfen: Dabei wollen wir uns zunächst (2.) mit der aktuell<br />
dominantesten Zeitdiagnose – der der Wissensgesellschaft – auseinandersetzen,<br />
weil sie – wie auch im gestrigen Vortrag von Lothar Bisky deutlich geworden – die<br />
Rahmenbedingungen, Hintergrundannahmen und Leitlinien der Bildungsdiskussion<br />
mitbestimmt. Wir wollen erst im Anschluss (3.) Thesen zu einem reformierten Lehrerleitbild<br />
formulieren, mit dem wir abschließend (4.) die Diskussion darüber eröffnen<br />
wollen, ob die bildungspolitischen Leitlinien der PDS tatsächlich eine Alternative<br />
zum aktuellen Bildungsdiskurs darstellen können, wenn der Maßstab einer starken<br />
egalitären und emanzipativen Bildungsnorm angelegt wird.<br />
2. Wissensgesellschaft als Wille und Vorstellung<br />
Günther Anders eröffnet sein Werk „<strong>Die</strong> Antiquiertheit des Menschen“ mit der folgenden<br />
Passage: „<strong>Die</strong> zum Tode Verurteilten dürfen frei darüber entscheiden, ob<br />
sie als letzte Mahlzeit die Bohnen süß oder sauer serviert haben möchten. Weil<br />
über sie entschieden ist!“ Genau so scheint es uns ergehen: Wir können frei darüber<br />
entscheiden, bei welchem Internetprovider wir uns bedienen oder welche<br />
Fortbildung wir besuchen um unser Humankapital aufrecht zu erhalten: Dass wir in<br />
einer Wissensgesellschaft leben, die hierfür die Notwendigkeiten produziert, um<br />
die niemand mehr herumkommt, wenn er ein funktionsfähiges Mitglied unserer<br />
Gesellschaft sein möchte, scheint ebenso längst entschieden. Das Label der Wissensgesellschaft<br />
liefert eine so erfolgreiche Schablone der Beschreibung von industriellen<br />
Gegenwartsgesellschaften, dass niemand sich im Augenblick ernsthaft<br />
traut, diese Hintergrundfolie einmal genauer zu überprüfen und Fakten von Fiktionen,<br />
Realität von Ideologie und Mythos zu trennen.<br />
In der Regel wird die Zeitdiagnose der Wissensgesellschaft an den Beginn bildungspolitischer<br />
oder sozialpolitischer Betrachtungen gestellt, um dann aus dieser<br />
Konsequenzen wahlweise für ganze Nationalstaaten oder auch für alle einzelnen<br />
Menschen abzuleiten. <strong>Die</strong> übliche Rhetorik nimmt dann beispielhaft diesen Verlauf:<br />
15
Der Wandel zur Wissensgesellschaft bezeichnet einen Epochenbruch, so etwa<br />
Krista Sager, der vergleichbar ist mit der Wende von der Agrar- zur Industriegesellschaft.<br />
Weil wir in einer Wissensgesellschaft leben, leben wir Reinhard Mohn<br />
von Bertelsmann zufolge sogar in Zeiten beschleunigten Wandels. In der Epoche<br />
der Globalisierung, die etwa nach Jürgen Rüttgers die bloße Konsequenz des<br />
Wandels zu Wissensgesellschaften ist, meint beschleunigter Wandel auch beschleunigte<br />
Konkurrenz – ein Lieblingsthema von Guido Westwelle –, weil das<br />
Wissen heutzutage immer schneller veraltet. Weil Wissen in Wissensgesellschaften<br />
immer schneller veraltet, müssen Nationalstaaten ein konsequentes Innovationsmanagement<br />
praktizieren, wie Edelgard Buhlmahn in unzähligen Presseerklärungen<br />
anmahnt, um im internationalen Kampf um innovative Produkt- und Prozessentwicklung<br />
mithalten zu können. Weil Wissen immer schneller veraltet, müssen<br />
gleichzeitig die in Deutschland lebenden Menschen ein konsequentes Kompetenzmanagement<br />
praktizieren und ihre Biografie auf eine Kompetenzbiografie umstellen,<br />
damit sie, wie etwa Wolfgang Clement hervorhebt, in Zeiten eines durch<br />
den Wandel zur Wissensgesellschaft beschleunigten und intensivierten Konkurrenzkampfes<br />
erfolgreich bestehen können. Das ist auch der Hintergrund für die<br />
Unabwendbarkeit von pädagogischen Konzepten wie Lebenslanges oder Lebensbegleitendes<br />
Lernen, die gewissermaßen als individuelles Gegengewicht und<br />
Bremse gegen den unkontrollierbaren gesellschaftlichen Wandel fungieren. Das<br />
Stichwort individuelles Gegengewicht liefert schließlich in Verbindung mit der Idee<br />
einer Kompetenzbiografie ein letztes zentrales Merkmal von Wissensgesellschaften:<br />
Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Menschen, die in ihnen leben, individualisiert<br />
sind. Durch die allgemeine gesellschaftliche Beschleunigung, durch die<br />
Verkürzung der Halbwertzeit des Wissens sowie nicht zuletzt durch die dem anwachsenden<br />
Wissen geschuldete Enttraditionalisierung werden die Menschen immer<br />
stärker freigesetzt aus traditionalen und familialen Bindungen und begegnen<br />
sich mittlerweile als einzelne Akteure auf nunmehr dynamisierten Arbeits- und Bildungsmärkten.<br />
Auch der Verlauf der biografischen Flugbahn fällt in Wissensgesellschaften<br />
stärker als jemals zuvor in die Verantwortlichkeit der Einzelnen.<br />
<strong>Die</strong>se Perspektive und diese kausalen Ableitungen sind wesentlich weniger überspitzt<br />
dargestellt als sie Ihnen in der kurzen Zusammenstellung erscheinen mögen,<br />
sondern bilden den Tenor des Großteils der vom Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung herausgegebenen oder in Auftrag gegebenen Studien (Bittlingmayer<br />
2005: Kap. 2) oder etwa ein Großteil des Subtextes von Talkshows wie Sabine<br />
Christiansen (van Rossum 2004).<br />
Wir möchten aus Zeit- und Platzgründen hier nur ganz thesenartig einige problematische,<br />
aber selbst in kritischen Diskursen nicht einmal mehr thematisierte Hintergrundannahmen<br />
darstellen, die mit der Zeitdiagnose der Wissensgesellschaft<br />
einhergehen und die für den gesamten Bildungsdiskurs wichtige Konsequenzen<br />
beinhalten. Wir haben mehr oder weniger willkürlich vier Punkte herausgegriffen.<br />
16
Erster Mythos: Moderne Gesellschaften sind so dynamisch, dass sie politisch<br />
nicht mehr gehaltvoll steuerbar sind, sondern marktregulierte, ökonomischeffiziente<br />
Formen der Steuerung – Stichwort etwa Deregulierung – die einzig noch<br />
denkbaren Steuerungsformen überhaupt sind.<br />
Gegenthese 1: <strong>Die</strong> aus den meisten Varianten der These der Wissensgesellschaft<br />
unmittelbar folgende Vorstellung eines alternativlosen liberalen Nachtwächterstaates<br />
ist eine blanke Ideologie; unabhängig von den aktuellen politischen Linien<br />
bestimmen Zollabkommen und multilaterale Handelsvereinbarungen direkter das<br />
Wirtschaftsgeschehen als ein völlig eigenmächtig hin- und herhüpfender Aktienindex.<br />
Genau deshalb ist GATS ja so zentral.<br />
Zweiter Mythos: Wissensgesellschaften sind in erheblich stärkerem Maße individualisiert<br />
als „klassische Industriegesellschaften“, deshalb sind die Menschen stärker<br />
als vorher eigenverantwortlich für ihren Lebenslauf.<br />
Gegenthese 2: Deutschland ist eine Klassengesellschaft, die sich nach Milieus<br />
horizontal und nach Klassen vertikal differenziert. <strong>Die</strong> Milieuherkunft ist der biografisch<br />
bedeutsamste Faktor der individuellen Laufbahn. <strong>Die</strong> Einführung flexibler<br />
Strukturen verstärkt den Faktor der Milieuherkunft (Sennett 1998).<br />
Dritter Mythos: In Wissensgesellschaften ist lebenslanges bzw. lebensbegleitendes<br />
Lernen für alle in ihnen lebenden Menschen zur unhintergehbaren Voraussetzungen<br />
zur Aufrechterhaltung oder Stärkung ihres Humankapitals und zur Bewältigung<br />
der neuen gesellschaftlichen Anforderungen.<br />
Gegenthese 3: <strong>Die</strong>ser Satz ist zu undifferenziert, um haltbar zu sein. Erstens existiert<br />
in der Weiterbildung ein gut dokumentierter „Mätthaus-Effekt“; zweitens ist<br />
der Begriff lebensbegleitenden Lernens unter der Hand nur bezogen auf den (ersten)<br />
Arbeitsmarkt und setzt immanent die überholte Vollbeschäftigungs- und Arbeitsideologie<br />
fort und drittens existieren rund ein Drittel so genannter Weiterbildungsabstinenter<br />
(Bolder/Hendrich 2000), deren Anzahl konstant bleibt, weil sie so<br />
schulbildungsfern sind, dass sie höchstens durch in der Regel sinnlose Disziplinierungsmaßnahmen<br />
zu erreichen sind.<br />
Vierter Mythos: In der heutigen Bundesrepublik Deutschland wird Wissen immer<br />
wichtiger, insbesondere methodisch-theoretisches und wissenschaftliches Wissen.<br />
Gegenthese 4: <strong>Die</strong>ser Satz bezeichnet eine Nullaussage. Der Wissensbegriff ist<br />
so allgemein, dass zum Beispiel unklar ist, für wen wichtiger, wofür wichtiger oder<br />
welche konkreten Wissensformen werden überhaupt wichtiger: Offensichtlich werden<br />
dem Humanismus zurechenbare Wissensformen im Unterschied zu Kriegstaktiken<br />
weniger wichtig, selbst wenn sie methodisch kontrollierter sind.<br />
17
3. Thesen zu einem reformierten Lehrerleitbild<br />
<strong>Die</strong> ausführliche Verständigung darüber, mit welcher suggestiven Kraft Gegenwartsbeschreibugen<br />
wie das Label Wissensgesellschaft die Debatte über eine aktuelle<br />
Bildungsreform bestimmen, folgt einer bewusst gewählten Methodik: Über<br />
die Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen kann nur entschieden<br />
werden, wenn zuvor das Ziel von Bildung fest gelegt wurde. Keine Pädagogik kann<br />
ohne diese Form einer gesellschaftlichen Zielvorstellung existieren./1/ Um so problematischer<br />
ist heute, dass sich pädagogische Leitlinien in den klaren Begrenzungen<br />
eines Diskurses bewegen, der über Lehreranforderungen ebenso wie über<br />
schulische Lernziele bereits entschieden hat. Ein wettbewerbsorientiertes gesellschaftliches<br />
Leitbild wie das der Wissensgesellschaft ist untrennbar mit der politischen<br />
Forderung verbunden, Wissens-Eliten zu fördern und dabei Ungleichheiten<br />
in Kauf zu nehmen, die durch den schulischen Ausleseprozess entstehen oder<br />
besser: ungebrochen reproduziert werden.<br />
Für ein reformiertes Pädagogik-Leitbild ist damit eine gesellschaftliche Leitvorstellung<br />
über das Ziel schulischer Bildung nicht nur Beiwerk, sondern notwendige Voraussetzung<br />
(und diese Leitvorstellung ist an dem Ideal einer freien und gleichen<br />
Gesellschaft ausgerichtet, die ihren Reichtum gerecht verteilt, Benachteiligung und<br />
Diskriminierung abschafft). Wir selbst haben einen unserer Beiträge zu den „Leitlinien<br />
der Bildungsreform“ (Bauer/Bittlingmayer 2005) mit dem Diktum „egalitär und<br />
emanzipativ“ überschrieben [dieser Beitrag liegt hier aus und ist darüber hinaus<br />
über die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung frei verfügbar]. Mit<br />
diesem Diktum ist sehr wohl eine Vorentscheidung darüber getroffen, was Pädagogik<br />
leisten soll und kann, worauf sich die zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />
richten sollen sowie schließlich darüber, was fern der Maxime egalitärer und emanzipativer<br />
Bildung liegt. Dass eine solche Maxime quer liegt zum augenblicklichen<br />
Modell selektiver, auf Auslese und Elitenförderung ausgerichteter Bildungseinrichtungen,<br />
die ungleiche Bildungszugänge und ungleiche Herkunftsvoraussetzungen<br />
nicht kompensieren, sondern – eine grobe Verletzung demokratischer Gerechtigkeitsnormen<br />
– noch verstärken, ist evident.<br />
Für die innerpädagogische Auseinandersetzung darüber, welche „Rolle, Ausbildung<br />
und Aufgaben“ Pädagogen in einem reformierten Bildungssystem zukommen,<br />
ist zusammenfassend ein erster Meilenstein gesetzt: Jede, mit Bourdieu/Chamboredon<br />
gesprochen, „pädagogische Aktion“ muss sich damit an dem<br />
Anspruch messen lassen, inwieweit sie:<br />
a) in den Reproduktionsmechanismus ungleicher Bildungschancen zu intervenieren<br />
im Stande ist (egalitäre Norm) und<br />
b) ein Bildungsverständnis vermittelt, das auf mehr als lediglich ökonomisch verwertbares<br />
Wissen zielt und damit an das Ideal vernunftgeleiteter Bildung – das<br />
Ideal der Selbst- und Fremdaufklärung – wieder anzuschließen vermag (emanzipative<br />
Norm). Mit Bildung ist damit um so mehr die Vermittlung einer individuellen<br />
Reflexionskapazität verbunden, die dazu dient, existierende Macht- und<br />
Herrschaftsstrukturen einer Gesellschaft offen zu legen. Emanzipatorische Bil-<br />
18
dung muss in diesem Sinne das Potenzial einer freien und gleichen Gesellschaft<br />
entfalten können.<br />
Pädagogik dieser Gestalt hat bereits ihre Grundlagen und Vorläufer, sie besitzt<br />
ihrer theoretischen Väter. Es ist zwar nicht möglich, hier im Schnellverfahren all die<br />
Traditionen auch nur aufzuzählen, die mit dem Voranschreiten einer Ökonomisierung<br />
von Bildung – einer Art neoliberalen Kulturrevolution – aus dem pädagogischen<br />
Kanon gedrängt wurden. Zumindest aber soll hier benannt werden, dass mit<br />
Hartmut von Hentigs „Berufseid für Pädagogen“, den Beiträgen Wolfgang Edelsteins,<br />
dem langjährigen Direktor der Odenwaldschule und Leiter des Max-Planck-<br />
Instituts für Bildungsforschung, sowie Theodor W. Adornos Forderung nach einer<br />
„Erziehung zur Mündigkeit“ eine spezifisch deutsche Tradition alternativer Bildungsentwürfe<br />
immer schon vorlag. Rationale oder „reflexive Pädagogik“ (Böttcher<br />
2005) hat also immer noch ihre Referenzpunkte. Es gilt heute mehr denn je, sie in<br />
den Raum öffentlicher Diskursivität oder anders: in den Raum öffentlicher Kontroversen<br />
zurück zu bringen.<br />
Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen explizit zu thematisieren, bedarf<br />
unbedingter Voraussetzungen. Für ein reformiertes Lehrerleitbild muss voraus<br />
gesetzt werden, dass angemessene schulstrukturelle und – im gleichen Maße –<br />
angemessene gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierzu<br />
gehört, dass der weiteren Polarisierung materieller und sozialer Existenzbedingungen<br />
in der Gesellschaft entgegengewirkt wird. <strong>Die</strong> Schaffung sozial gerechter Bildungschancen<br />
ist auf die Herstellung sozial gerechter Lebens- und Ausgangsbedingungen<br />
angewiesen. Eine Politik, die durch Verschärfung der Einkommensungleichheit<br />
Prozesse der sozialen Marginalisierung und räumlichen Segregation befördert,<br />
ist hier kontraproduktiv. Eine schulbezogene Pädagogik kann folglich nicht<br />
die Probleme lösen, die schon im außerschulischen Umfeld entstanden sind und<br />
immer weiter entstehen. Das Aufwachsen unter prekarisierten bzw. depravierten<br />
Bedingungen führt zu Bildungsverhinderungsfaktoren, bei denen die Schulpädagogik<br />
immer nur noch eine Symptombehandlung, jedoch keine Ursachenbehebung<br />
vornehmen kann [Bild des Rettenden am Fluss, der immer nur Ertrinkende<br />
aus dem Wasser zieht, aber nie dort hin gelangt, wo die Leute ins Wasser geworfen<br />
werden]./2/<br />
Das Gleiche gilt für schulstrukturelle Rahmenbedingungen. <strong>Die</strong> Beibehaltung einer<br />
starren Schulformdifferenzierung, eines drei-, vier-, nimmt man Sonderschulzweige<br />
mit hinein, fünf- oder sechsgliedrigen Schulsystems, ist – wie internationale Vergleichsstudien<br />
unisono belegen – pädagogischer Irrsinn. Sie sind, was hier nicht<br />
ausführlich begründet werden muss, Bedingung der Aufrechterhaltung von Bildungsungleichheit<br />
und nicht ihr Gegenmittel (Gleiches gilt wiederum für das Festhalten<br />
an einem Noten- und Zensuren-orientierten Bewertungssystem und die internationale<br />
„Sonderrolle“ Deutschlands, wenn es darum geht, das Sonderschulwesen<br />
mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten). <strong>Die</strong> Debatte über Schulautonomie<br />
und Ganztagsunterricht erfüllt auf der Ebene offizieller Bildungspolitik indes nicht<br />
die Funktion, die Aufbrechung einer ebenso beispiellosen wie anachronistischen<br />
deutschen Schulformhierarchie endlich einzuleiten. Sie ist vielmehr Ausdruck eines<br />
deutschen Bildungskonservatismus, der sich – auch gegen OECD-Empfehlungen,<br />
19
die sicher nicht im Verdacht stehen, „sozialromantisch“ motiviert zu sein – durchaus<br />
zu behaupten weiß.<br />
Reformpädagogik im Allgemeinen, ein reformiertes Lehrerleitbild im Besonderen,<br />
ist also auf Rückendeckung angewiesen. Sind die Bedingungen hierfür erfüllt, kann<br />
Pädagogik mit progressivem Anspruch wirksam werden. Bemessen an einer egalitären<br />
und emanzipativen Bildungsnorm unterscheiden wir:<br />
1. die Ebene der konkreten Aufgaben von Lehrkräften,<br />
2. damit verbunden die Ebene Unterrichtsrichtlinien und Lehrpläne sowie<br />
3. die Ebene der Aus-, Fort- und Weiterbildung für das Lehramt.<br />
(1) <strong>Die</strong> Befähigung der Lehrkräfte, Folgen und Mechanismen sozialer Benachteiligung<br />
verstehen, hinterfragen und verändern zu können, muss einen festen Platz<br />
im pädagogischen Aufgabenfeld erhalten. <strong>Die</strong>se Form der Sozio-Analyse und Intervention<br />
muss neben dem Fachunterricht gleichberechtigte Aufgabe pädagogischen<br />
Handelns werden. Lehrkräfte müssen die Fähigkeit erwerben und praktizieren,<br />
ihr Verhalten nicht an der Norm des Normalschülers auszurichten. Sie müssen<br />
Potenziale gerade derjenigen Schüler anregen und aufnehmen, die von der bestehenden<br />
Verhaltens- und Leistungsnorm, von der wir wissen, dass sie Mittel- und<br />
Oberschichtskinder privilegiert, abweichen (Mechthild Gomolla und Frank-Olaf<br />
Radtke (2002) haben ja gezeigt, dass gerade solche unbewusst reproduzierten<br />
Normvorstellungen zur Diskriminierung bildungsferner Gruppen führen; Hartmut<br />
von Hentigs „Sokratischer Eid“ lebt geradezu von dieser Verantwortung der Lehrkräfte<br />
für das Nicht-Normierte).<br />
(2) Pädagogisches Handeln, das soziale Benachteiligungen zu kompensieren versucht<br />
und zugleich als aufklärende Intervention verstanden werden soll, bedarf<br />
einer parallelen Reform der Unterrichtsrichtlinien und Lehrpläne. Kern einer inhaltlichen<br />
Lehrplanreform muss sein, Unterrichtsinhalte an die Lebenswirklichkeit von<br />
sozial benachteiligten Gruppen so weit wie möglich anzupassen. Im Gegensatz zu<br />
einer immer noch dominanten schulischen Mittelschichtsorientierung müsste hier<br />
für eine Art Unterschichtscodierung in den Richtlinien und Lehrplänen eingetreten<br />
werden. Für die Einbeziehung lebensweltlicher Bezüge benachteiligter Milieus<br />
existiert bisher keine Vorlage (und das, obwohl Lehrerbildungszentren um „Best-<br />
Practice-Modelle“ seit geraumer Zeit scharf konkurrieren – aber eben offenbar<br />
nicht mit dem Ziel, Benachteiligungsstrukturen zu verändern).<br />
Dabei ist die kritisch-konstruktive Didaktik, die seit 1950er Jahren von Wolfgang<br />
Klafki entwickelt wurde, eng an der Thematik integrativer Förderung benachteiligter<br />
Gruppen orientiert. Klafkis Didaktik führt in der momentanen Debatte vollkommen<br />
zu Unrecht ein Schattendasein (nur damit zu erklären, dass sie bemessen an der<br />
Norm der Early-Excellence-Standards wohl nicht en vogue sein kann, was jedoch<br />
wie wir wissen kaum wirkliches „Qualitätsmerkmal“ sein darf). Klafki hat mit der<br />
Konzeption der „epochaltypischen Schlüsselprobleme“ ein Allgemeinbildungskonzept<br />
entwickelt, in dem die Auseinandersetzung mit der subjektiven und<br />
objektiven Realität – den epochalen Problemen – Motor der Lernentwicklung ist<br />
(und hier ist die entwicklungspsychologische Fundierung in Anlehnung an Jean<br />
20
Piaget deutlich erkennbar). Wenn wie in Klafkis didaktischem Vorschlagskatalog<br />
für die Primarstufe eines der Schlüsselprobleme „soziale Ungleichheit“ beinhaltet,<br />
ist damit die Auseinandersetzung mit und Aufklärung über Benachteiligungsstrukturen<br />
untrennbar verbunden: auf der Lehrer- und auf der Schülerseite.<br />
(3) <strong>Die</strong> Veränderung pädagogischen Handelns muss schließlich mit einer konsequenten<br />
Reform der Lehreraus-, Fort- und Weiterbildung verbunden sein. Nach<br />
Modulen, die auf die Arbeit mit Benachteiligtengruppen (und hier ist die Elternarbeit<br />
eingeschlossen) sowie auf die Beförderung emanzipativer Potenziale in der Schule<br />
zielen, sucht man in den Aus- und Fortbildungscurricula bisher vergeblich. <strong>Die</strong>ses<br />
Defizit der Lehrerbildung ist seit langem bekannt. Einer Veränderung entgegen<br />
steht nicht zuletzt auch der Widerstand unter Lehrern und Lehrervertretungen<br />
selbst (nur zur Verdeutlichung: obwohl „sparsamer“ organisiert, ist die Lehrer-<br />
Lobby einer Ärzte-Lobby in ihrem Einflussverhalten professionstheoretisch durchaus<br />
vergleichbar). Umso mehr bedarf das Lehramt der Aufklärung über sich selbst.<br />
So muss schon zur Grundausstattung im Studium gehören, schulische Selektionsmechanismen<br />
verstehbar zu machen, an denen die Studierenden später als<br />
Lehrkräfte selbst beteiligt sind. Das eigene pädagogische Handeln in seinen „sozialen“<br />
Konsequenzen reflektieren zu können, muss primärer Gegenstand der Lehrer-Auswahl<br />
und – hier einmal bewusst terminologisch angelehnt – der ständigen<br />
Evaluation und Qualitätssicherung im Lehr-Amt sein. Supervision mit dieser inhaltlichen<br />
Stoßrichtung darf nicht nur Wahlangebot – wenn sie das überhaupt schon<br />
wäre – in der Fort- und Weiterbildung sein. Sie muss Verpflichtung und Selbstverpflichtung<br />
sein.<br />
Selbst diese wenigen praxisbezogenen Vorschläge setzen voraus, dass das Diktum<br />
egalitär und emanzipativ als Grundlegung von Bildungspolitik und von Politik<br />
überhaupt fungiert. Im letzten Abschnitt sollen nunmehr die bildungspolitischen<br />
Leitlinien der PDS daraufhin kurz überprüft werden.<br />
4. Zu den bildungspolitischen Leitlinien der PDS: Schwächen und Dilemmata<br />
<strong>Die</strong> PDS will mit ihren bildungspolitischen Leitlinien eine Alternative zu neokonservativen<br />
und neoliberalen Vorstellungen (11)/3/ des augenblicklichen Umbaus der<br />
Bildungsinstitutionen bieten. Sie will sich damit nicht den parteiübergreifenden neoliberalen<br />
Ideen anschließen, die vorrangig auf Begabtenförderung, zunehmende<br />
Privatisierung der Bildungsfinanzierung im Kontext von public-privat-partnership<br />
und Excellenzzentren setzen, sondern spricht sich für die Durchsetzung gleicher<br />
Bildungsmöglichkeiten für alle (2) aus. In einigen Formulierungen wird explizit darauf<br />
hingewiesen, dass Bildungspolitik und Sozialpolitik zwei Seiten einer Medaille<br />
sind, bildungspolitische Vorstellungen also immer über die eigenen Kontextbedingungen<br />
hinausweisen (1). Formuliert wird sogar der Anspruch, die bildungspolitischen<br />
Leitlinien vor dem Hintergrund eines strategischen Dreiecks zu begreifen,<br />
der auf eine sozialistische Politik und auf Alternativen zum Kapitalismus abzielt (1).<br />
Schließlich verortet sich die PDS – wie eingangs Johannes Rau – in der Tradition<br />
eines humanistischen Bildungsideals. Bildung soll nicht auf Verwertbarkeit ausgerichtet<br />
sein (5f.), bezieht sich auf den ganzen Menschen, korrespondiert mit einem<br />
21
weiten Kulturverständnis (6f.) und ist immer mehr als Wissen (5). Das Leitmotiv<br />
dieser Überlegungen wird zusammengefasst in den Worten: „Alle fördern – keinen<br />
beschämen“ (9). Mit diesen zum Teil mutigen Formulierungen und Hinweisen wird<br />
in der Tat eine Gegenposition zum aktuellen politischen Bildungsdiskurs bezogen,<br />
deren Radikalität nicht zu unterschätzen ist.<br />
<strong>Die</strong>se Position steht aber auf tönernen Füßen. In demselben Dokument, in dem<br />
sich diese emanzipativen Formulierungen finden lassen, finden sich auch die folgenden:<br />
wir sind in einer Periode neuer Herausforderungen eingetreten mit neuen<br />
ökonomischen Erfordernissen (3), wir befinden uns im Zeitalter der Wissensgesellschaft<br />
und der Globalisierung (3f.). <strong>Die</strong> Bedingungen, die dieses Zeitalter mit sich<br />
bringt, erfordern „vielseitig gebildete Individuen und verändern gleichzeitig die entscheidenden<br />
Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Klassen und Schichten und<br />
damit auch die eines jeden Einzelnen.“ (4) Unsere „sich dynamisch entwickelnde<br />
Welt“ braucht ein ganzes Leben lang lernende Menschen (6). Zentral ist dabei die<br />
Kompetenz zum selbstständigen Wissenserwerb (7). Jeder Heranwachsende<br />
muss sich letztendlich in dieser marktwirtschaftlich geprägten, kapital- und profitdominierten<br />
Gesellschaft auf das bestmögliche selbst ‚verwerten’, ‚vermarkten’<br />
können und darauf vorbereitet sein.“ (7) Und dabei ist dann das Leitmotiv, „dass<br />
jeder junge Mensch möglichst hohe Leistungen erreicht“ (10). Denn obwohl das<br />
„Bildungswesen […] nicht primär und schon gar nicht allein nach marktwirtschaftlichen<br />
Kriterien gemessen und beurteilt werden [darf]“, sind Bildungsausgaben „Investitionen<br />
in die Zukunft“, sind „investive Ausgaben“ (12).<br />
Es geht uns mit dieser Gegenüberstellung nicht darum, aufzuzeigen, dass die bildungspolitischen<br />
Leitlinien der PDS unklare Formulierungen und unterschiedlich<br />
radikale Positionen vereinigen. Das ist im Rahmen der Erstellung von politischen<br />
Texten, an denen in der Regel mehrere Personen beteiligt sind, eine Selbstverständlichkeit.<br />
Wir möchten auf etwas anderes hinweisen. Zwischen diesen beiden<br />
bildungspolitischen Ausgangspunkten der Emanzipation und der wissensgesellschaftlichen<br />
Beschleunigung aller sozialen Verhältnisse besteht kein Spannungsverhältnis,<br />
sondern ein Widerspruch. Wenn die PDS ihren Anspruch ernst meint,<br />
eine bildungspolitische Alternative zur aktuellen neokonservativen und neoliberalen<br />
Praxis konstruieren zu wollen, dann führt der Weg nicht über die Übernahme neoliberaler<br />
und neokonservativer Hintergrundannahmen, wie sie etwa der Zeitdiagnose<br />
Wissensgesellschaft zu Grunde liegen. Wenn diese Realitätsbeschreibungen<br />
übernommen werden, so wie es in den bildungspolitischen Leitlinien durchgängig<br />
passiert, ist keine alternative Bildungspolitik – als Signum für eine ganz andere<br />
Politik – möglich. <strong>Die</strong> PDS bleibt im Gegenteil nur Bestandteil des gegenwärtigen<br />
Bildungsdiskurses, liefert eine Variante, aber gerade keine Alternative. Es ist absehbar,<br />
dass den emanzipativen Gehalten, die sich in ihren bildungspolitischen<br />
Leitlinien auch finden lassen, das Schicksal der gut gemeinten Appelle von Johannes<br />
Rau, Bundespräsident außer <strong>Die</strong>nst, ereilen wird. Sie müssen aus Gründen<br />
des Übergangs in die Wissensgesellschaft politisch nicht kontrollierbaren Sachzwängen<br />
geopfert werden – so traurig das auch ist. Zweifellos hat die PDS damit<br />
einmal mehr den Realitätstest, der ihr vom herrschenden Diskurs empfohlen wird,<br />
bestanden: Ob ihr und einer emanzipativen Perspektive damit geholfen ist, stellen<br />
wir zur Diskussion.<br />
22
Fußnoten<br />
/1/ Darum ist eine jede Pädagogik, die immer nur auf gesellschaftliche Anforderungen<br />
reagiert und nicht von Beginn an die Entwicklung von Zielvorstellungen über<br />
den Ertrag von Bildung mitzubestimmen versucht, in ihrem Handlungsradius eingeschränkt.<br />
Sie wäre eine Form – hier durchaus im schlechten Sinne – naiver<br />
Pädagogik.<br />
/2/ In Abwandlung eines Bildes, das in der Public-Health-Debatte häufig gebraucht,<br />
um die Differenz von Krankheitsbehandlung und Krankheitsverhinderung aufzuzeigen,<br />
kann hier für die Verhinderungsbedingungen einer schulischen Pädagogik<br />
exemplarisch behauptet werden: Ein Lehrer steht am Ufer eines schnell fließenden<br />
Flusses und hört die verzweifelten Schreie einer ertrinkenden Frau. Er<br />
springt ins Wasser, holt die Frau heraus und beginnt die künstliche Beatmung.<br />
Aber als sie gerade anfängt zu atmen, hört er einen weiteren Hilfeschrei. Der<br />
Lehrer springt abermals ins Wasser und holt einen weiteren Ertrinkenden, trägt<br />
ihn ans Ufer und beginnt mit der künstlichen Beatmung. Und als der gerade zu<br />
atmen anfängt, hört er einen weiteren Hilferuf ... Das geht immer weiter und weiter<br />
in endlosen Wiederholungen. Der Lehrer ist so sehr damit beschäftigt, ertrinkende<br />
Menschen herauszuholen und wiederzubeleben, dass er nicht einmal Zeit<br />
hat nachzusehen, wer denn die Leute stromaufwärts alle in den Fluss hineinstößt.<br />
/3/ <strong>Die</strong> Zahlen in den Klammern beziehen sich auf das Dokument: Bildungspolitische<br />
Leitlinien der PDS vom 29.4.2005.<br />
Literatur<br />
Ullrich Bauer/Uwe H. Bittlingmayer (2005) Egalitär und emanzipativ. Leitlinien der<br />
Bildungsreform, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das<br />
Parlament, H. 12, S. 14-20<br />
Bittlingmayer, Uwe H. (2005) Wissensgesellschaft als Wille und Vorstellung. Konstanz:<br />
UVK (erscheint Juli 2005)<br />
Axel Bolder/Wolfgang Hendrich (2000) Fremde Bildungswelten. Alternative Strategien<br />
lebenslangen Lernens. Opladen: Leske + Budrich.<br />
Wolfgang Böttcher (2005) Soziale Auslese und Bildungsreform, in: Aus Politik und<br />
Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, H. 12, S. 7-13<br />
Mechtild Gomolla/Frank-Olaf Radtke (2002) Institutionelle Diskriminierung. <strong>Die</strong><br />
Herstellung ethnischer Differenz in der Schule, Opladen: Leske + Budrich<br />
PDS (2005) Bildungspolische Leitlinien der PDS. Entwurf für die Diskussion auf der<br />
9. Bildungspolitischen Konferenz am 4. und 5. Juni in Weimar.<br />
Internet-Dokument (Zugriff am 1.6.05):<br />
http://sozialisten.de/politik/bildungspolitik/bildungspolitische_konferenz_weimar/ent<br />
wurf_bildungspolitischeleitlinien.pdf<br />
Richard Sennett (1998) Der flexible Mensch. <strong>Die</strong> Kultur des neuen Kapitalismus.<br />
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.<br />
Walter van Rossum (2004) Meine Sonntage mit ‚Sabine Christiansen’. Wie das<br />
Palaver uns regiert. Köln: Kiepenheuer & Witsch.<br />
23
Forum 5: Was geht bei den europäischen Nachbarn vor sich?<br />
Internationale Herausforderungen, Erfahrungen mit Reformen,<br />
Privatisierungen und Standards<br />
Einführungsbeitrag<br />
Horst Bethge, Sprecher der AG Bildungspolitik der PDS<br />
24<br />
1. Wir haben das Forum angesetzt, weil wir den Blick über den Zaun tun wollen,<br />
denn im normalen Berufsalltag nehmen wir zu wenig wahr, was anderswo<br />
geschieht. Kultur und Bildung sind zwar nationalstaatlich (zentral<br />
oder föderal) organisiert, aber in den letzten 20 Jahren gibt es sich verstärkende<br />
internationale Trends in allen entwickelten kapitalistischen Staaten.<br />
<strong>Die</strong> werden von mächtigen, international bestens organisierten Interessengruppen<br />
und großen „global players“ gezielt und bewusst gepuscht. <strong>Die</strong> internationalistische,<br />
nichtintegrationistische <strong>Linke</strong> dagegen hat erst angefangen,<br />
sich zu vernetzen: Im Rahmen der Sozialforen (so kooperieren im Europäischen<br />
Sozialforum rund 30 Gruppen im Bildungsbereich), im lockeren<br />
„Network against Merchandisizing of Education“, im entstehenden Netzwerk<br />
der Europäischen <strong>Linke</strong>n, im Europäischen Parlament um die GUE/NGL-<br />
Fraktion, in der Bildungsinternationalen (BI).<br />
Meine Ausgangsthese ist, dass es eine Reihe von Problemen gibt, die in allen<br />
entwickelten kapitalistischen Staaten für die <strong>Linke</strong> entstanden sind (Wir<br />
haben begonnen, linke Dokumente aus Europa zu veröffentlichen, Heft 1<br />
und 2 der Reihe „Schule in Europa zwischen PISA und Sparprogrammen“<br />
liegen bereits vor, sie zeigen es).<br />
2. Seit 20 Jahren wirken m. E. folgende Faktoren auf die Bildungspolitik mit<br />
immer stärkerem Gewicht, der demokratische Fortschritte hemmt und die<br />
Akteure auch individuell beeinflusst:<br />
- Seit der französischen Revolution, die nicht nur den Wirtschaftsbürger,<br />
den bourgeois, sondern auch den Staatsbürger, den citoyen, im Auge<br />
hatte, wurde das Bildungswesen überwiegend als öffentliches, staatliches<br />
System aufgebaut, als eine ganz wesentliche Säule des Sozialstaates,<br />
um Gleichheit (Egalité)zu gewährleisten.<br />
- Nun sind neoliberale Kräfte darangegangen, das Bildungswesen nach<br />
neoliberalen, ordnungs-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Prinzipien<br />
langfristig umzubauen: Zu einem System unmittelbar Markgesetzen<br />
folgenden Wissensagenturen als Profit fördernde Unternehmen, die<br />
andere Prioritäten setzen als das öffentliche bürgerliche Bildungswesen.<br />
<strong>Die</strong>s basiert auf freien Zugang für alle auf allen Stufen,<br />
Bildungsmöglichkeiten für alle, (weitestgehend) kostenlosen<br />
Bildungserwerb, Bildung wird als grundlegendes Menschenrecht<br />
definiert. Der Anspruch besteht bis heute (UNESCO: last frontier against<br />
neoliberalism), man spricht von einem gesellschaftlichen kulturell-
sozialen Bildungsauftrag.<br />
3. Dagegen der ökonomisch-technologischen Prinzipien folgende Anspruch<br />
der Interessen der Unternehmen, die neben der öffentlichen Schule ein<br />
mehr oder minder ausgebautes Privatschulwesen etablieren, im Bildungssystem<br />
öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP oder „public private partnership“,<br />
PPP) forcieren, staatlich finanzierte Bildungsgutscheine (vouchers)<br />
ausgeben (wollen), erhöhte private Mittel für Bildungsausgaben akquirieren<br />
und Bildungssparen und –sponsoring propagieren. Bildung ist nicht mehr<br />
ein öffentliches Gut, sondern ein privates Anliegen, eine private Anlage, eine<br />
<strong>Die</strong>nstleistung. Gesprochen wird von der Eigenverantwortung für die eigene<br />
Bildungsbiografie (parallel dazu vgl. Agenda 2010: Private Gesundheits-<br />
und Altersvorsorge).<br />
4. Ziel ist im neoliberalen Bildungskonzept auch nicht mehr die allseitige Entwicklung<br />
aller, die breite Allgemeinbildung für alle, um der individuellen und<br />
gesellschaftlichen Emanzipation aller willen, sondern die hohe Verwertbarkeit<br />
der Ware Arbeitskraft. Da, so die bayrisch-sächsische Zukunftskommission<br />
nur noch 20 % der heutigen Arbeitskräfte in Zukunft benötigt werden,<br />
das Produktionsniveau aufrechtzuerhalten (und 30 %, um zeitweilig gewisse<br />
suppelementäre <strong>Die</strong>nstleistungen zu verrichten), sind 50 % überflüssig. Also<br />
genug für diese Medien- und Konsumerziehung und „volkstümliche Bildung“vorzusehen.<br />
Das Ziel, allen Jugendlichen Berufsperspektiven zu eröffnen<br />
sei nicht mehr zeitgemäß. Dafür hätte das Bildungswesen „Entrepreneurship“<br />
– Unternehmertum, „Employability“-Beschäftigungsfähigkeit und<br />
„Adaptability“-Anpassungsfähigkeit, als Ziel zu verankern. (So die modernen<br />
Theoretiker A. Giddens, B. Hombach, aber auch T. Blair und G. Schröder).<br />
In dieser Logik erscheint Bildung als Investition ins Humankapital, das Bildungswesen<br />
müsste sich zu einem Bildungsmarkt mit Konkurrenz und Profitlogik<br />
entwickeln. Dabei wird auf den wachsenden „Bildungsmarkt“ verwiesen,<br />
der zudem antizyklisch sei (in Krisen wachsen die staatlichen wie die<br />
privaten Bildungsausgaben!) Marktbeziehungen ersetzen öffentliche Daseinsfürsorge,<br />
wobei die Varianten streiten, ob alle Individuen per se marktförmig<br />
und –fähig sind (Radikal-Neoliberale) oder erst marktfähig gemacht<br />
werden müssen (neoliberale Sozialdemokraten), notfalls mit „zweiter Chance“<br />
(Clement).<br />
5. Insofern ist der Trend zur Kommerzialisierung auszumachen, der mehr und<br />
mehr Einfluss auf die Bildungsinhalte zu nehmen beginnt. Kennzeichen dafür<br />
sind:<br />
- ÖPP/PPP nimmt zu (so hat die SPD-Fraktion am 10. Mai 2005 aufgelistet,<br />
wie ÖPP zu fördern sei)<br />
- Privatisierung der Bildungskosten, von der Kita über Schulbücher bis<br />
zum Studium oder der Weiterbildung<br />
- Ausgliederung (Outsourcing) von immer mehr Bereichen des Bildungssystems<br />
(von der Hausmeisterei bis zu Qualitäts- und Testagenturen).<br />
25
26<br />
Etablierung eines Niedriglohnsektors im Bildungsbereich (1-Euro-Jobs in<br />
Schulen), Weiterbildung<br />
- Privatisierung von ganzen Bildungsbereichen (Privat-Uni, Privatisierung<br />
der Berufsschulen in Hamburg.<br />
6. <strong>Die</strong> Funktion der öffentlichen Schule wandelt sich (siehe Pkt 4): Von der<br />
breiten Volksbildung zur sozialen Befriedung („to cool out the kids“), um wenigstens<br />
die Kohäsion der Gesellschaft nicht zu gefährden („Sozialpädagogik<br />
für den Rest“, v. Hentig). Dabei bedienen sich die Strategen positiver reformpädagogischer<br />
Begriffe und Elemente: freie Wahl, Schulautonomie,<br />
Selbstverantwortung, „excellende on education and choice“. Gleichwohl wird<br />
die Elitebildung forciert, das Bildungsprivileg gefestigt, die Selektion verschärft,<br />
vor allem an den Grundschulen.<br />
7. Forciert werden diese Trends von neoliberalen Think Tanks, mächtigen global<br />
players und ihren Lobby- Alliancen, die international mit am Verhandlungstisch<br />
sitzen, wo es um Liberalisierung des <strong>Die</strong>nstleistungshandels geht<br />
(denn Bildung wird als <strong>Die</strong>nstleistungsware definiert): Cato Institut, Mt. Pelerin<br />
Society, Carnegie- und Bertelsmann-Stiftung, McKinsey, Educational Testing<br />
(ETS, führt die PISA-Vergleiche im Auftrage der OECD durch!), Meryll-<br />
Lynch, Morgan, Sylvan-Learning-System (SLS), OECD, WTO, European<br />
Round Table of Industrialists (ERT), Weltbank, IWF. Mittlerweile haben sie<br />
weltweit ein Kooperationsnnetz bis herunter zu einzelnen Bildungseinrichtungen<br />
aufgebaut (Schulen ans netz, CHE (Centrum für Hochschulentwicklung),<br />
Bertelsmann- Schulen in NRW.<br />
8. Aber auch die EU-Kommission forciert diese Trends. Mit dem sogenannten<br />
Lissabon-Prozess 2000 wurde als Ziel gesteckt, bis 2010 die EU zum „dynamischsten<br />
Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen und zwar mit einer neuen<br />
Methodik, „new governance“ genannt. Durch „offene Koordinierung nach<br />
normsetzenden Vergleichen“ zu bestimmten, zentralen Indikatoren soll freiwillige<br />
Anpassung nach Vorbildern („best practice“) erfolgen. Beschlüsse zur<br />
Entwicklung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes (Bologna-<br />
Prozeß) über vereinheitlichte Abschlüsse wie Bachelor, Master oder im gesamten<br />
Bildungs- und Ausbildungswesen (zu entwickelnde Skill-Cards ersetzen<br />
Qualifikations- und Schulabschlüsse) steuern im Einzelnen. EU-<br />
Richtlinien über die Anerkennung von Abschlüssen oder die Öffnung des<br />
Bildungswesens für private Anbieter (sogenannte <strong>Die</strong>nstleistungsrichtlinien<br />
a la Bolkestein mit der Marktöffnung für Anbieter aus anderen Ländern<br />
(Herkunftslandsprinzip)) definieren Bildung als Ware. Dort wird das staatliche<br />
Bildungswesen dereguliert. Es entsteht nicht ein gemeinsamer Sozialraum<br />
in der EU sondern ein Binnenmarkt, der das Bildungswesen einschließt.<br />
9. Global finden sich dieselben Entwicklungen wieder bei den Verhandlungen<br />
über ein Allgemeines <strong>Die</strong>nstleistungs-Abkommen (GATS) im Rahmen der<br />
WTO. Das schon 1995 abgeschlossene GATS enthält nur bis 2005 eine Garantie<br />
für ein staatliches Bildungssystem bei gleichzeitiger Verpflichtung zur
weiteren Liberalisierung. Auch wenn die WTO und GATS-Verhandlungen<br />
ins Stocken geraten sind, steht die Öffnung der europäischen und deutschen<br />
staatlichen Bildungssysteme für Anbieter aus Australien und den<br />
USA zur Debatte – immerhin verhandeln die großen internationalen Bildungskonzerne<br />
wie ETS, Meryll-Lynch, Morgan, Bertelsmann, Sylvan-<br />
Learning-System direkt mit anderen Staaten, denn sie sitzen mit am Verhandlungstisch.<br />
<strong>Die</strong> Bundesregierung sitzt dort nicht, wohl aber die EU-<br />
Handelskommissare.<br />
10. Beachtenswert sind auch die Privatisierungsstrategien, mit denen diese<br />
Konzerne vorgehen. Auf entsprechenden Diskussionsrunden der Sozialforen<br />
ist sichtbar geworden, dass sie sich im Prinzip in allen Ländern gleichen:<br />
Zuerst wird das staatliche Bildungswesen personell und finanziell ausgemagert,<br />
dann in kleine, selbständig operierende Einheiten (Autonomie) zerlegt.<br />
Sie können dann über PPP/ÖPP den Zugang für Private öffnen, Teilbereiche<br />
werden ausgesourct. Das ganze Bildungssystem wird auf Kosten- und<br />
Leistungskennziffern umgestellt und Kosten werden privatisiert (Ökonomisierung).<br />
<strong>Die</strong> sozialen Folgen sind an Hand der Entwicklung in anderen<br />
Ländern absehbar: Das öffentliche Gut Bildung steht nicht mehr allen zur<br />
Verfügung, sondern nur denen, die es sich auf dem Bildungsmarkt kaufen<br />
können. Der Staat ist nur für die soziale Befriedung der Ausgesonderten,<br />
Ausgegrenzten zuständig („to cool out the kids“).<br />
11. Als Triebkraft ist auszumachen, dass die Überakkumulation des Kapitals<br />
neue Verwertungsmöglichkeiten sucht. Dabei kommt der bisher weitgehend<br />
dem Verwertungsinteresse des Kapitals verschlossene Bildungsbereich,<br />
dessen Volumen auf 27 – 30 Billionen Dollar jährlich geschätzt wird und der<br />
noch wächst, gerade recht. <strong>Die</strong> Inwertsetzung dieses Bereiches – ebenso<br />
wie bei Gesundheit, Kultur, Wasser u. a. m., korrespondiert mit der Veränderung<br />
der Wertschöpfungskette, in der der durch Computerisierung unterstützte<br />
Faktor Arbeit ein höheres Gewicht erlangt. Schon jetzt geht die O-<br />
ECD daran, entsprechend der von ihr vertretenen Humankapitaltheorie den<br />
individuellen Bildungsertrag zu beziffern (vgl. diesen Indikator bei den neueren<br />
PISA- Vergleichsstudien).<br />
12. Doch auf dem Wege des Umbaus des Bildungssystems entsprechend der<br />
neoliberalen Ordnungspolitik türmen sich drei Hindernisse auf: 1. <strong>Die</strong> in Gesetzen<br />
und dem Massenbewusstsein verankerte Idee der Chancengleichheit,<br />
2. die unzureichende Entwicklung von Kosten- und Leistungskennziffern<br />
im Bildungsbereich (welche echte ökonomische Kennziffer kann „soziale<br />
Reife“ oder „historisches Bewusstsein“ oder „Kreativität“, zu der in Bildungseinrichtungen<br />
ja auch gebildet und erzogen werden soll, haben?), 3.<br />
der Schub an Demokratisierung, der immer mehr Bürger direkt über ihre eigenen<br />
Belange mitbestimmen lassen will (Kommunalisierung, Dezentralisierung,<br />
Demokratisierung des Bildungssystems),der der computergestützen<br />
und zentralisierten Steuerung durch Kennziffern entgegensteht. Deshalb<br />
wird zur Zeit kräftig an dem Leitbild der gleichen Chancen im Zugang und in<br />
der Teilhabe für alle gekratzt. Nicht mehr allen die gleiche Chance, sondern<br />
27
jedem seine Chance, das ist die neue Devise. Und der permanenten Massentestung<br />
nach bestimmten Kennziffern widersetzen sich immer mehr Bürger,<br />
weil sie ein „Learning for the test“ nicht wollen. Wohlgemerkt: <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong><br />
will ja auch nicht, dass es so bleibt wie es ist. Immerhin entstand unser Bildungssystem<br />
aus dem obrigkeitsstaatlichen allgemeinen preußischen Landrecht<br />
und hat das Bildungsprivileg zementiert (niedere, mittlere und höhere<br />
Bildung) – wogegen die <strong>Linke</strong> immer Sturm gelaufen ist. Sie hat deshalb allen<br />
Anlass, auch international ihre linken Bildungsalternativen zu entwickeln<br />
und zur Geltung zu bringen.<br />
Literaturhinweise:<br />
Lohmann „<strong>Die</strong> verkaufte Bildung“, 2002<br />
P. Hauschild „Privatisierung, Wahn und Wirklichkeit“, 2004<br />
Schulheft (Österreich) „Wa(h)re Bildung – Zurichtung für den Profit, 2002<br />
Fritz/Scherrer „GATS – zu wessen <strong>Die</strong>nsten?“, 2002<br />
Huffschmid (Hrsg.) „<strong>Die</strong> Privatisierung der Welt“, 2004<br />
O. Negt „Kindheit und Schule in einer Welt der Umbrüche“, 1997<br />
GEW Lüneburg „Abschied vom Gleichschritt der Belehrung“, 2000<br />
Das Argument 246, 2002 „Bildung, Krise, Hegemonie“<br />
Widerspruch 45, „Wissen, Bildung, Informationstechnologie“, 2003<br />
M. Felder „Transformation von Staatlichkeit“, 2001<br />
O. Radtke/M. Weiß „Schulautonomie, Wohlfahrtsstaat, Chancengleichheit“, 2000<br />
H.G. Hofmann „Freie humanistische Allgemeinbildung für alle contra verkaufte Bildung“,<br />
2004<br />
OECD Bildung auf einen Blick, 2005<br />
OECD PISA 2000 (drei Bände)<br />
OECD Lernen fürs Leben<br />
OECD PISA 2003<br />
PDS Schule in Europa zwischen PISA und Sparprogrammen, Heft 1 + 2 (2005)<br />
28
Was geht bei den europäischen Nachbarn vor sich?<br />
Kurzbericht aus Großbritannien: Mary Compton (Präsidentin der National Union<br />
of Teachers, NUT)<br />
<strong>Die</strong> Privatisierung im Bildungswesen begann unter der neoliberalen Vorkämpferin<br />
Margret Thatcher: Private finance initiative. Firmen bauten Schulen, verleasten sie<br />
an die Kommunen. In Großbritannien (GB) gibt es 9 % Schüler an Privatschulen.<br />
Heute können Private ganze Schulen kaufen und unterhalten. Alle Schulen werden<br />
in GB-weiten Schulrankings – Listen nach Testergebnissen geordnet, denn jedes<br />
Jahr werden die Schüler nach nationalen einheitlichen Tests getestet. Schulen, die<br />
schlecht dastehen, fallen aus jeder staatlichen oder kommunalen Förderung heraus.<br />
<strong>Die</strong>se können dann von Privatleuten gekauft werden, die damit machen können,<br />
was sie wollen: Klassenfrequenzen erhöhen (dafür gibt es keine staatlichen<br />
Leitlinien), alle Lehrer entlassen und nur Junge einstellen, Lehrpläne verändern.<br />
<strong>Die</strong> Tests entwirft das National Testing SATS (Standard Atteignment Target) - Institut,<br />
das 1990 von Thatcher eingeführt wurde. Der von NUT damals initiierte Testboykott<br />
brach zusammen, weil Eltern Tests wollten und viele Lehrer sich Schule<br />
ohne Tests nicht vorstellen konnten. 1991 wurde SATS für alle 14Jährigen verbindlich,<br />
1995 auf die 7- und 11- Jährigen ausgedehnt. In Schottland aber wurden sie<br />
nie eingeführt und in Wales jetzt wegen der schlechten Erfahrungen wieder abgeschafft.<br />
<strong>Die</strong> Folgen des SATS: <strong>Die</strong> Eltern üben Druck auf die Kinder aus, gut abzuschneiden.<br />
Ein Drittel aller Siebenjährigen leidet deshalb schon unter Stress- Symptomen.<br />
10% der Siebenjährigen haben akute Schlafstörungen, mit 11 leiden 33%<br />
unter Stress. Nach zwei Jahren sinken die Testergebnisse, weil nur noch Teaching<br />
for the Test erfolgt. Getestet wird nur das Messbare: nur z. B. Sprechen, nicht Hören<br />
und Verstehen, sonst: Mathe, Naturwissenschaften. SATS erstickt jede Kreativität<br />
im Klassenzimmer. <strong>Die</strong> Schulen mit guten Testergebnissen wählen zunehmend<br />
ihre Schüler aus, denn an den Testergebnissen hängt die Finanzierung<br />
durch die Kommunen. Neu ist, dass ein Millionär jetzt Privatschulen errichtet und<br />
Schulen aufkauft (er gibt jährlich 2 Mill. Pfund dafür aus, die Regierung 24 Mill.<br />
Pfund). Seine Schulen fahren nach einem eigenen privaten evangelikalen Lehrplan.<br />
Gegen diesen Fundamentalismus haben sich jüngst in Dorcester Eltern massiv<br />
gewehrt.<br />
Kurzbericht über die „Dänische Einheitsschule“<br />
Flemming Meyer (Südschleswigscher Wählerverband, Schleswig)<br />
1937 begann ihre Einführung, 1975 war sie für alle Klassen (1. – 9. Klasse) abgeschlossen:<br />
Alle Kinder werden in einer Klasse unterrichtet. Ab 1993 ist selbst in<br />
den Schulen die Teilung nach Leistungsniveaus nicht mehr erlaubt. <strong>Die</strong> Klassen-<br />
Höchstfrequenz ist auf 22 Schüler pro Klasse festgelegt – erst jetzt wurde sie von<br />
der bürgerlichen Regierung auf 25 SchülerInnen angehoben. Lehrpläne sind kommunal<br />
unterschiedlich. Das Schulgesetz nennt die dänische Einheitsschule eine<br />
„tragende Kulturinstitution“ und ordnet sie den Kommunen zu. <strong>Die</strong> nach Kl. 9 einsetzenden<br />
Gymnasien sind gesamtstaatlich. <strong>Die</strong> LehrerInnen sind gesetzlich für<br />
den Bildungsweg der SchülerInnen auch für drei Jahre nach ihrer Schulentlassung<br />
29
verantwortlich. Wer weiter als 5 km vom Schulstandort wohnt, kann den Schulbus<br />
kostenlos benutzen. Allerdings wurden gerade die Schulwegekostenzuschüsse der<br />
Regierung an die Kommunen gestrichen. 10 % der Schülerinnen besuchen Privatschulen.<br />
In DK besteht keine Schulpflicht, nur Unterrichtspflicht. Pädagogisches<br />
Prinzip ist, alle zu fördern. <strong>Die</strong> Schulausschüsse in den Kommunen, in denen die<br />
Lehrervertreter volles Stimmrecht haben, bestimmen nicht nur die Budgets, auch<br />
Einstellungen und Unterrichtsschwerpunkte. Schulpsychologen, Schulärzte, Berufsberater<br />
sind fest in die Kollegien integriert und gehören selbstverständlich zum<br />
Lehrkörper.<br />
(protokolliert von H. Bethge)<br />
30
Beitrag für das Forum 6: Finanzierung und Ökonomisierung von<br />
Bildung – Mehr Geld in Humankapital investieren?<br />
Dr. Roman Jaich, wiss. Mitarbeiter, Gutachter der Max-Traeger-Stiftung „Bildungsfinanzierung<br />
in Deutschland“<br />
1. Ausgangsüberlegungen<br />
Wenn man über Alternativen der Bildungsfinanzierung nachdenkt, muss zunächst<br />
offengelegt werden, welche bildungspolitischen Ziele erreicht werden sollen, andernfalls<br />
können Finanzierungsvorschläge nicht ernsthaft diskutiert werden. Denn<br />
es gibt nicht per se die richtige Bildungsfinanzierung, wie es jedoch manchmal –<br />
insbesondere aus dem neoliberalen Lager – suggeriert wird. Wenn daher im Folgenden<br />
Finanzierungsdefizite des Bildungssystems benannt werden, so erfolgt<br />
dies vor dem Hintergrund folgender Zielvorstellung:<br />
Ein Bildungs(finanzierungs)system soll so ausgestaltet sein, dass sie allen Mitgliedern<br />
der Gesellschaft eine Bildungsteilnahme gemäß ihren individuellen Begabungen<br />
ermöglicht, unabhängig vom verfügbaren Vermögen/Einkommen oder gesellschaftlicher<br />
Herkunft./1/<br />
Bei der Diskussion über Formen der Bildungsfinanzierung sind verschiedene Fragen<br />
zunächst getrennt voneinander zu beantworten:<br />
1. Wie sollten die Finanzierungsanteile der Akteure Bildungsteilnehmer bzw. ihrer<br />
Familien, öffentliche Hand, Unternehmen und eventueller Dritter ausgestaltet<br />
sein. Trotz des manchmal genannten Arguments der Kostenabwälzung, ist dies<br />
die entscheidende Frage der Bildungsfinanzierung./2/<br />
2. Unstrittig ist, dass die öffentliche Hand für mindestens einen Teil der Bildungsausgaben<br />
aufkommen muss. Umstritten ist aber, auf welcher Ebene die öffentliche<br />
Finanzierung erfolgen soll: Bund. Länder oder Gemeinden sowie eventuell<br />
die Sozialversicherungssysteme.<br />
3. Strittig ist auch die Form, in der die öffentliche Hand an Bildungsinvestitionen<br />
beteiligt sein sollte: Schlagworte sind hier Angebotsfinanzierung oder Nachfragerfinanzierung.<br />
2. <strong>Die</strong> Bildungsfinanzierung in den einzelnen Bildungsbereichen:<br />
2.1. Kindertagesstätten und allgemeinbildende Schulen<br />
Das die Vermittlung von Bildung nicht erst in der Schule beginnt, sondern bereits in<br />
den Kindertagesstätten ist eine Erkenntnis, die in den meisten europäischen Ländern<br />
selbstverständlich ist, sich in Deutschland aber erst allmählich durchzusetzen<br />
beginnt, obwohl in § 22 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes der Bildungsauftrag<br />
für Kindertageseinrichtungen festgeschrieben ist. Allein die Zuordnung des Bereichs<br />
Kindertagesstätten in der Politik macht deutlich, wie weit Deutschland hier-<br />
31
von noch entfernt ist. Auf Bundesebene gehören Kindertagesstätten in den Zuständigkeitsbereich<br />
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend und auf Landesebene sind es ebenfalls meist die Landesministerien für<br />
Familie oder Soziales, die zuständig sind. Eine Ausnahme stellt z.B. das Saarland<br />
dar, dort ist das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft zuständig.<br />
<strong>Die</strong> derzeitige Betreuungssituation ist durch große regionale Differenzen gekennzeichnet.<br />
Für die neuen Bundesländer kann noch eine relativ günstige Situation<br />
diagnostiziert werden: von jeweils 100 Kindern der jeweiligen Altersgruppe besuchen<br />
12 eine Krippe, 85 einen Kindergarten und 16 einen Hort. Zudem ist hier<br />
auch die Ganztagsbetreuung noch relativ stark ausgeprägt. In den alten Bundesländern<br />
besuchen dagegen von jeweils 100 Kindern der jeweiligen Altersgruppe<br />
nur 4 eine Krippe, 77 einen Kindergarten und 3 einen Hort. <strong>Die</strong> Ganztagsbetreuung<br />
stellt in den alten Bundesländern zudem eher die Ausnahme dar, 40 % in der Krippe,<br />
17 % im Kindergarten und 5 % im Hort (vgl. Veil 2003: 22)./3/<br />
<strong>Die</strong> Finanzierung der Kindertageseinrichtungen erfolgt auf der Grundlage der Ländergesetze.<br />
Im Jahre 2000 betrug die gesamten Aufwendungen für Kindertagesstätten<br />
(Kindergärten, Vorklassen, Schulkindergärten, aber ohne Horte) 11,3 Mrd.<br />
€. <strong>Die</strong> öffentliche Hand war hieran mit 7,2 Mrd. € beteiligt, der größte Teil hiervon<br />
wurde von den Kommunen aufgebracht, es folgten die Länder, der Bund war im<br />
Wesentlichen mit Sonderförderprogrammen beteiligt. Private, hierbei handelt es<br />
sich vor allem um Elternbeiträge, waren mit ca. 4,2 Mrd. € an der Finanzierung beteiligt<br />
(Bund-Länder-Kommission 2003: 5). Der private Finanzierungsanteil<br />
schwankt von Bundesland zu Bundesland und liegt im Durchschnitt zwischen 20 %<br />
und 30 % der Betriebskosten, in fast allen Bundesländern ist eine sozialverträgliche<br />
Staffelung vorgesehen. Des Weiteren sind die freien Träger der Einrichtungen<br />
an der Finanzierung beteiligt, ihr Finanzierungsanteil schwankt ebenfalls von Bundesland<br />
zu Bundesland zwischen 10 % und 30 %. In einigen Bundesländern geht<br />
der Finanzierungsanteil kleiner Einrichtungen gegen Null.<br />
Der Besuch eines Kindergartens, das haben verschiedene Untersuchungen gezeigt,<br />
lässt sich in seinen positiven Wirkungen bis in die 4. Klasse hinein nachweisen<br />
(vgl. Nagel/Jaich 2004: 36 f). Wenn also als gesellschaftliches Ziel angestrebt<br />
wird, den Zugang zu Bildung allen zu öffnen und Chancengleichheit herzustellen,<br />
muss man Ganztagskindergärten für alle absichern und diese Ganztagskindergärten<br />
zu Bildungsstätten machen, was zum Teil eine qualitative Verbesserung der<br />
Einrichtung notwendig machen würde. Zudem stellt sich die Frage der Finanzierung.<br />
Elternbeiträge, auch wenn sie sozial gestaffelt sind, tragen immer zu einer<br />
sozialen Selektion bei (vgl. Jaich 2004a: 125f.).<br />
Der konsequente Ausbau der Kindertageseinrichtungen und der Verzicht auf Elternbeiträge<br />
ist für die öffentliche Hand nicht zum Nulltarif zu haben, aber langfristig<br />
dürfte sich dies als Investition in die Zukunft Deutschlands auszahlen. Verschiedene<br />
Untersuchungen zeigen, dass die Gesellschaft insgesamt – und nicht<br />
nur die Eltern – von einem unfassenden Angebot an Kindertageseinrichtungen profitieren<br />
(vgl. Jaich 2004a: 117ff).<br />
Im Bereich der allgemeinbildenden Schule kreist die Diskussion vor allem um zwei<br />
Themenfelder: dem gegliederten Schulsystem sowie der Ganztagsschule. Seit<br />
dem „Pisa-Schock“ wird die entscheidende Selektion nach der vierten Klasse zu<br />
verortet, also dort, wo in der Regel die Dreigliedrigkeit des deutschen Bildungssystems<br />
offensichtlich wird. Es handelt sich hierbei vor allem um eine Frage nach der<br />
32
Struktur der Allgemeinbildung, der von verschiedenen Autoren aber auch eine bedeutende<br />
finanzielle Dimension zugeschrieben wird. So besteht die Auffassung,<br />
das der Übergang zu einem eingliedrigem Schulsystem nicht nur die langfristigen<br />
gesellschaftlichen Erträge erhöht sondern auch kurzfristig zu Entlastungen der öffentlichen<br />
Haushalte führt:<br />
• Das gegliederte Schulsystem produziert das Wiederholen von Schulklassen.<br />
Geschätzt wird, dass bis zu 25 Prozent aller Schülerinnen und Schüler bis zum<br />
Abschluss der Sekundarstufe I eine Klasse wiederholen (vgl. Ehmann/Walter<br />
2004: 76). Bei Ausgaben von ca. 4.800 € pro Schüler und Schuljahr mache<br />
dies jährliche Kosten von zwei bis drei Milliarden € aus. <strong>Die</strong>se Schätzung ist jedoch<br />
problematisch, da diese Kosten nur dann vermieden werden könnten,<br />
wenn durch weniger Wiederholer auch die Anzahl der Schulklassen reduziert<br />
würde. Denn wenn in einer Klasse nicht mehr z.B. 25 Schüler sind, sondern –<br />
da weniger Sitzenbleiber – z.B. nur noch 22, dann führt dies nicht automatisch<br />
zu einer Kostenreduktion, sondern im Gegenteil, rein statistisch steigen die<br />
Ausgaben je Schüler.<br />
• Bedeutsamer ist aber ein anderes Finanzierungsargument: ein gegliedertes<br />
Schulsystem bietet immer die Möglichkeit, einzelne Schüler an unteres Schultypen<br />
auszusortieren. Und am Ende dieses Prozesses steht die Sonderschule<br />
für sogenannte Lernbehinderte, dem mit Abstand teuerstem Schultyp. Mit im<br />
Bundesdurchschnitt ca. 11.000 € im Jahre 2001 waren die Kosten je Schüler in<br />
Sonderschulen ungefähr doppelt so hoch wie z.B. bei den Gymnasien mit<br />
5.300 €. Bei ca. 350.000 Kindern und Jugendlichen, die eine Sonderschule besuchen,<br />
ergäbe sich ein Sparpotential in Höhe von fast 1, 8 Mrd. €.<br />
• Zudem ergeben sich langfristige Kosten des gegliederten Schulsystems dadurch,<br />
dass die Abgänger der Schultypen Haupt- und Sonderschule auf dem<br />
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance haben, mit der Folge<br />
des massiven Ausbaus von Berufsvorbereitungsjahr usw. die erhebliche öffentliche<br />
Mittel binden.<br />
Das zweite Themenfeld weist argumentativ in die gleiche Richtung. Auch wenn es<br />
noch an fundierten Untersuchungen zu den gesellschaftlichen Effekten einer flächendeckenden<br />
Ganztagsschule fehlt, weisen verschiedene Argumente einen gesellschaftlich<br />
positiven Nutzen aus (vgl. Sell 2004: 179ff). Hingewiesen sei nur darauf,<br />
dass die in Deutschland traditionell bestehende Halbtagsschule tendenziell zu<br />
einer Privatisierung von Bildung führt, indem Bildungsaufgaben in die Familie rückverlagert<br />
werden (vgl. Sell 2004: 186)./4/ Indem der Schulerfolg somit auch von<br />
den finanziellen bzw. zeitlichen Ressourcen der Eltern abhängig ist, kann von<br />
Chancengleichheit nicht mehr gesprochen werden. Der Bund hat hierauf reagiert<br />
und stellt in einem Sonderprogramm 4 Mrd. € für den Ausbau der Ganztagsbetreuung<br />
zur Verfügung.<br />
Es gibt im Schulbereich aber noch eine weitere schichtenspezifisch wirkende<br />
Schwelle auf die in der derzeitigen Diskussion allenfalls am Rande eingegangen<br />
wird. Gemeint ist das Schüler-BaföG. Für die Entscheidung der Eltern, ihren Kindern<br />
Abitur und Studium zu ermöglichen, sind auch die Opportunitätskosten rele-<br />
33
vant, d.h. die Erträge, die mit den verschiedenen Alternativen verbunden sind.<br />
Konkret sind die Opportunitätskosten des Schulbesuchs in der Sekundarstufe II die<br />
entgangenen Erträge aus einer Berufsausbildung, den Ausbildungsvergütungen.<br />
Insbesondere bei Familien mit geringen Haushaltseinkommen, dürften Ausbildungsvergütungen<br />
ein Grund für die Entscheidung gegen das Abitur ihrer Kinder<br />
sein, denn mit diesen können die Kinder einen Beitrag zum Familieneinkommen<br />
leisten. Gesellschaftlich wünschenswert ist jedoch eine Entscheidung über den<br />
Bildungsweg in Abhängigkeit von den Fähigkeiten und nicht von den damit verbundenen<br />
Kosten und Erträgen. Das Schüler-Bafög wurde zwischen 1971 und<br />
1983 an die Schüler und Schülerinnen vollzeitlicher, zur Hochschulreife führender<br />
Schulen gezahlt (vgl. Ehmann/Walter 2004: 77f). Dabei handelte es sich um ein<br />
reinen Zuschuss, ohne Darlehensanteil, der nach sozialen Gesichtspunkten vergeben<br />
wurde. <strong>Die</strong> Finanzierung erfolgte wie beim Studierenden-BaföG durch den<br />
Bund. Nicht zuletzt diese Förderung hatte zur Folge, dass sich zwischen 1970 und<br />
1982 der Anteil der Arbeiterkinder unter den Studienanfängern nahezu verdoppelte<br />
(Ehmann/Walter 2004: 78). Seit 1983 werden Schüler grundsätzlich nur bei ausbildungsbedingt<br />
notwendiger auswärtiger Unterbringung gefördert. Daher sollte eine<br />
Ausbildungsförderung ab der Sekundarstufe II wieder eingeführt werden. Denn das<br />
Schüler-BaföG ermöglicht es Kindern einkommensschwacher Eltern, zwischen der<br />
Annahme einer gutdotierten Ausbildungsstelle einerseits und dem weiteren Schulbesuch<br />
und dem anschließendem Studium zu wählen.<br />
2.2. <strong>Die</strong> (duale) Berufsausbildung.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung der Ausbildungsplätze in den letzten Jahren wirft erneut die Frage<br />
nach der Zukunfts- und Entwicklungsfähigkeit der Dualen Berufsausbildung auf.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist auch in 2003 wieder<br />
gesunken, damit das vierte Jahr in Folge. Einen leichten Anstieg hat es jedoch in<br />
2004 gegeben. Wurden in den 80er Jahren noch jährlich über 700.000 neue Ausbildungsverträge<br />
in den alten Bundesländern abgeschlossen, so waren es im Jahre<br />
2003 in ganz Deutschland nur noch ca. 560.000.<br />
Eine wesentliche Ursache liegt in der abnehmenden Bereitschaft der Unternehmen,<br />
Ausbildungsplätze bereitzustellen und zu finanzieren. <strong>Die</strong>se Tendenz kann<br />
auch nicht durch die Zunahme öffentlich finanzierter Ausbildungsplätze aufgefangen<br />
werden. <strong>Die</strong>s spricht für eine Abkehr von der betrieblichen Individualfinanzierung<br />
und der Hinwendung zu einer kollektiven Finanzierung: einer Fondsfinanzierung<br />
(vgl. zum Folgenden Nagel/Jaich 2004: 165ff).<br />
Sinnvoll erscheint es, dass der Staat eine gesetzliche Verpflichtung für die Tarifparteien<br />
schafft, Fonds für die Berufsausbildung einzurichten. Können sich die Tarifparteien<br />
nicht einigen, sollte eine gesetzliche Auffanglösung greifen. Durch diese<br />
Regelungen werden die Tarifparteien angeregt, eine auf die spezifischen Bedürfnisse<br />
der Branche zugeschnittene Ausgestaltung, die gesetzlichen Mindestanforderungen<br />
entspricht, auszuhandeln. <strong>Die</strong> gesetzliche Auffanglösung sollte auch für<br />
nicht tarifgebundene Unternehmen greifen. <strong>Die</strong> Verwaltung der Fonds sollte paritätisch<br />
durch die Tarifparteien erfolgen, hierzu können z.B. Tarifagenturen ähnlich<br />
der Weiterbildungsagentur in Baden-Württemberg eingerichtet werden.<br />
Aufgrund der Heterogenität der Branchen, die zu unterschiedlichen Ausbildungskosten<br />
führt, ermöglichen Branchenfonds für die Branchen effiziente Lösungen. Es<br />
34
werden jeweils an den spezifischen Bedürfnissen der Branche und – wenn tarifvertraglich<br />
regionenspezifische Lösungen ausgehandelt werden - der Region angepasste<br />
Regelungen verwirklicht. Allerdings führt die Ausgestaltung der Fonds als<br />
Partialfonds auch zu Problemen. Relevant sind vor allem zwei Problembereiche:<br />
• Werden die Fonds auf regionaler Branchenebene angesiedelt, ist es notwendig,<br />
einen Strukturausgleich vorzusehen, um auch in strukturschwachen Regionen<br />
eine angemessene Anzahl von Ausbildungsplätzen sicherzustellen.<br />
• <strong>Die</strong> Branchenorientierung kann problematisch sein, wenn in einzelnen Betrieben<br />
branchenatypische Ausbildungsberufe nachgefragt werden. Überschneidungen<br />
und Zuständigkeitsprobleme können die Folge sein. Notwendig ist dann eine<br />
zusätzliche Koordinationsstelle auf regionaler Ebene zwischen den Branchen.<br />
Sinnvoll erscheint es daher „Dachfonds“ einzurichten. Ihnen würde die Aufgabe<br />
zukommen, Umverteilungen zwischen den Branchenfonds vorzunehmen. Sie würden<br />
allerdings die Organisationskosten eines solchen Modells erhöhen.<br />
Ein bundesweit einheitlicher Prozentsatz von der Bemessungsgrundlage erscheint<br />
aufgrund unterschiedlicher Ausbildungskosten in den Branchen nicht sinnvoll, eher<br />
eine Mindestprozentzahl. Ob als Bemessungsgrundlage der Umsatz, die Beschäftigtenzahl<br />
oder die Lohnsumme eines Betriebes gewählt wird, muss noch geprüft<br />
werden.<br />
Fonds sollten nicht nur zur Finanzierung eines zusätzlichen Lehrstellenangebots<br />
wie bei den diskutierten Modellen zur Ausbildungsplatzumlage, herangezogen<br />
werden, da dies zu einem unnötig hohem Verwaltungsaufwand führen würde.<br />
Vielmehr ist zu empfehlen, mit Ausbildungsfonds die Finanzierung der beruflichen<br />
Bildung generell zu regeln. <strong>Die</strong> Fonds sollen zur Finanzierung der Ausbildungsvergütung,<br />
der überbetrieblichen Bildungseinrichtungen und der Modernisierungshilfen<br />
für Ausbildungsbetriebe dienen. Betriebliche Lehrwerkstätten könnten aus<br />
Fonds finanziert werden, wenn diese im Rahmen einer Verbundfinanzierung von<br />
mehreren Betrieben genutzt werden.<br />
Daneben ist aber auch eine institutionelle Reform der Berufsausbildung notwendig.<br />
Zu schaffen sind Übergangsmöglichkeiten zu anderen Bildungspfaden, insbesondere<br />
zur Hochschulausbildung. Denn die duale Berufsausbildung steht auch aus<br />
dieser Richtung unter Druck. So gab es beachtliche Verschiebungen zwischen den<br />
Teilnehmern der dualen Berufsausbildung und der Hochschulausbildung: Legt man<br />
die Zahl der neu abgeschlossen Ausbildungsverträge bzw. der Studienanfänger<br />
zugrunde, so ist die folgende Entwicklung festzustellen: Im Jahr 1980 wurden in<br />
Westdeutschland 650.000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen und es gab<br />
190.000 Studienanfänger. Im Jahr 1990 wurden nur noch 545.600 neue Ausbildungsverträge<br />
abgeschlossen, die Anzahl der Studienanfänger stieg jedoch auf<br />
277.900. <strong>Die</strong>ser Trend setzt sich bis heute fort. Im Jahr 2000 wurden in ganz<br />
Deutschland 621.700 Ausbildungsverträge abgeschlossen, während 315.000 Personen<br />
ein Studium neu aufnahmen. Bis 2003 ist der Zahl der jährlich abgeschlossenen<br />
Ausbildungsverträge kontinuierlich auf 570.000 zurückgegangen, die der<br />
Studienanfänger jedoch auf 373.000 gestiegen. Das Verhältnis hat sich demnach<br />
von 1 : 3,5 auf 1 : 1,5 verschoben. <strong>Die</strong> Einführung gestufter Studiengänge dürfte<br />
das Problem noch einmal verschärfen. Zu schaffen ist daher einerseits ein flexibles<br />
35
Übergangssystem, dass auch in der Berufsaubildung und im Erwerbsleben erworbenes<br />
Wissens anerkennt, um so Qualifizierungswege zu verkürzen. Zum anderen<br />
müssen finanzielle Ressourcen für diese Lernphasen bereitgestellt werden. Das<br />
Erwachsenenbafög, das von der Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen<br />
Lernens vorgeschlagen wurde, weißt in die richtige Richtung (Expertenkommission<br />
Finanzierung Lebenslangen Lernens 2004: 231ff.). Allerdings muss man sich fragen,<br />
ob es vom Volumen her angemessen ausgestaltet ist. <strong>Die</strong> vorgesehenen Leistungen<br />
orientieren sich am bestehenden AFBG, bei diesem zeigt es sich, dass es<br />
ganz überwiegend von Jüngeren in Anspruch genommen wird, und könnte dahingehend<br />
interpretiert werden, dass deren Leistungen für ältere Lerner mit Familie<br />
nicht ausreichen.<br />
2.3. Hochschulfinanzierung<br />
Auf den gesellschaftlichen Nutzen von Bildungsinvestitionen wurde bereits mehrfach<br />
hingewiesen. Verschiedene Formen von Marktversagen führen dazu, dass<br />
individuell finanzierte Hochschulausbildung zu einer ineffizienten Nachfrage führen,<br />
es studieren zu wenig.<br />
Das gesellschaftliche Problem von Studiengebühren besteht weniger in einer möglichen<br />
sozialen Selektion besteht, zumindest dann nicht, wenn entsprechende Regelungen<br />
vorgesehen sind, sondern in der Verteuerung von Bildung. Nicht mehr<br />
studieren würden die, für die es sich dann gerade nicht mehr „lohnen“ würde. <strong>Die</strong>s<br />
sind nicht die Studierenden aus einkommensschwachen Haushalten, die bei korrekter<br />
Ausgestaltung nicht betroffen wären, sondern die Studierenden aus mittleren<br />
Haushalten, die gerade nicht mehr gefördert würden, hierunter sind vor allem die<br />
Frauen wohl am stärksten betroffen.<br />
Aber der Bereich Hochschulfinanzierung erschöpft sich nicht mit der Diskussion<br />
über Studiengebühren. Verschiedene Autoren weisen mittlerweile darauf hin, dass<br />
viel entscheidender für die soziale Selektion eine unzureichende Finanzierung des<br />
Lebensunterhalts ist. Damit sind wir beim Bafög, dass ja von manchen bereits als<br />
überholt angesehen wird. Ich vertrete demgegenüber die Auffassung, dass das<br />
bestehende Bafög nicht so schlecht ist wie sein Ruf, dass es aber weiterentwickelt<br />
werden sollte und könnte. Orientieren sollte man sich hier an den Modellen der<br />
Finanzierung des Lebensunterhalts von Studierenden in Skandinavien hier vor allem<br />
Dänemark und Schweden. Stichworte, sind: elternunabhängiges Bafög, Einbeziehung<br />
der Förderung von Erwachsenen, Verhältnis Zuschuss/Darlehen. <strong>Die</strong><br />
Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens hat hierzu einen interessanten<br />
Vorschlag gemacht, das Erwachsenenbildungsförderungsgesetz.<br />
2.4. Weiterbildung<br />
Weiterbildung ist in Deutschland nicht systematisch rechtlich geregelt und zu einem<br />
großen Teil marktförmig organisiert (vgl. Nagel/Jaich 2004: 237f). <strong>Die</strong> Folge<br />
ist, dass die Weiterbildungsteilnahme in Deutschland unzureichend ist. <strong>Die</strong>s belegen<br />
unterschiedliche Erhebungen: So weist das Berichtssystem Weiterbildung IX<br />
eine rückläufige und ungleiche Weiterbildungsteilnahme aus (Kuwan/Thebis:<br />
2005). Ebenfalls das IW ermittelt einen Rückgang der Beteiligung (Weiß 2003).<br />
Auch im internationalen Vergleich fällt die Weiterbildungsbeteiligung in Deutsch-<br />
36
land vergleichsweise gering aus (Grünewald/Moraal: 2002). Demgegenüber wird<br />
von verschiedener Seite ein erhöhter Weiterbildungsbedarf konstatiert (vgl. z.B.<br />
Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens: 2002), so dass im Hinblick<br />
auf Humankapitalinvestitionen in Deutschland von einer Unterinvestitionsthese<br />
ausgegangen werden kann. Zudem ist die Weiterbildungsteilnahme hochgradig<br />
selektiv (vgl. Kuwan/Thebis 2005):<br />
• Sie ist abhängig vom Schulabschluss: <strong>Die</strong> Teilnahmequote von Personen mit<br />
niedrigem Schulabschluss lag 2003 bei 28 % gegenüber einer Teilnahmequote<br />
von 59 % bei Personen mit Abitur.<br />
• Sie hängt von der beruflichen Qualifikation ab: <strong>Die</strong> Teilnahmequote von Personen<br />
ohne Berufsausbildung lag 2003 bei 23 % gegenüber einer Teilnahmequote<br />
von 62 % bei Personen mit Hochschulabschluss.<br />
• Sie hängt vom Erwerbsstatus und der beruflichen Stellung ab: 2003 betrug die<br />
Teilnahmequote bei den Erwerbstätigen 48 % bei den Nichterwerbstätigen nur<br />
26 %. Arbeiter nehmen mit einer Teilnahmequote von 31 % deutlich weniger<br />
als Angestellte (55 %) an Weiterbildung teil.<br />
• Schließlich nehmen Ältere, Migranten, Bildungsabbrecher und Frauen mit Kindern<br />
deutlich weniger an Weitebildung teil.<br />
Bei einer Betrachtung der beruflichen Erstausbildung und der Weiterbildung fällt<br />
auf, dass zum Teil ähnliche Probleme bestehen. Insbesondere ist ein Rückzug der<br />
Unternehmen aus der Finanzierung für beide Bereiche festzustellen. Allerdings<br />
sind die Ursachen für die unzureichende Finanzierungsbereitschaft der Unternehmen<br />
in der Berufsausbildung und in der Weiterbildung unterschiedlich. Für die Berufsausbildung<br />
greifen die bereits von der Edding-Kommission gegen eine individuelle<br />
Finanzierung der Berufsausbildung angeführten Argumente: <strong>Die</strong> Abhängigkeit<br />
von konjunkturellen Entwicklungen sowie Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten<br />
der ausbildenden Unternehmen, die zu einem „Ausbildungsdilemma“ führen kann.<br />
Für die Weiterbildung greift die Problematik des Abwerbens von Absolventen der<br />
Bildungsmaßnahme nur bedingt, zumal bei „teuren“ vom Unternehmen finanzierten<br />
Maßnahmen unter besonderen Voraussetzungen Rückzahlungsklauseln vereinbart<br />
werden können. Für die Unterfinanzierung in der betrieblichen Weiterbildung primär<br />
ein Kostendruck verantwortlich, der zu einem Primat kurzfristiger Gewinnorientierung<br />
führt. Eine Weiterbildungsinvestition „zahlt“ sich für die Unternehmen jedoch<br />
häufig erst langfristig aus, zumindest wenn diese über eine reine Anpassungsmaßnahme<br />
hinausgeht. Von daher kann es für Unternehmen durchaus rational<br />
sein, nicht in Weiterbildung zu investieren, auch wenn dies langfristig rentabel<br />
wäre, da dann im Vergleich zur Konkurrenz höhere Kosten anfallen würden. Auch<br />
diese Unternehmen stehen in einem Dilemma. Von daher erscheint für diesen Bereich<br />
ebenfalls ein Fondsmodell sinnvoll, das, um Verwaltungskosten zu reduzieren,<br />
mit einem Fondsmodell in der Berufsausbildung verknüpft werden sollte./5/<br />
Da ein solches Finanzierungsmodell nur für die betriebliche Weiterbildung greifen<br />
würde, sind zusätzliche Finanzierungsinstrumente für die anderen Weiterbildungsbereiche<br />
notwendig. Denn neben der betrieblichen Weiterbildung ist vor allem für<br />
37
die SGB III geförderte Weiterbildung eine problematische Entwicklung festzustellen:<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung der Aufwendungen der Bundesagentur für Arbeit für Weiterbildung<br />
(FbW) sind nach einem relativ stabilen Ausgabenniveau bis 2002 rückläufig. Betrugen<br />
diese 2001 noch ca. 6,98 Mrd. €, sanken sie im Jahre 2002 auf 6,7013 Mrd.<br />
€ um 4 %, im Jahre 2003 noch einmal um 25,4 % auf 5,0005 Mrd. € und 2004 um<br />
weitere 27,7 % auf 3,616 Mrd. €. Entsprechend sanken die Teilnehmerzahlen von<br />
339.918 Teilnehmern im Jahre 2002 auf 259.922 Teilenehmer in 2003 und<br />
184.436 Teilnehmer in 2004. Zugrunde liegt dieser Entwicklung die Vermutung<br />
über die Ineffektivität des arbeitsmarktpolitischen Instruments Weiterbildung. Neuere<br />
Studien zeigen jedoch, dass kurz- und langfristige Qualifizierungsprogramme<br />
zwar negative Anfangseffekte (Lock-in-Effekt) auf die Beschäftigungsraten von<br />
Teilnehmern haben, aber mittel- und langfristig durchaus positive Resultate aufweisen.<br />
Durch langfristige Weiterbildungsprogramme ist eine Verbesserung des<br />
Humankapitals möglich, was sich langfristig auch auf die Beschäftigungsrate der<br />
Teilnehmer gegenüber Nicht-Teilnehmern auswirkt (vgl. Konle-Seidl: 2005). <strong>Die</strong><br />
Strategie der Bundesagentur für Arbeit zielt jedoch auf vermittlungsnahe Qualifizierung<br />
mit dem Ziel, einer kurzfristig herzustellenden Beschäftigungsfähigkeit (Faulstich/Gnahs/Sauter<br />
2004: 16f.).<br />
Neben diesen Mittelkürzungen kommt hinzu, dass mit den neuen Fördergrundlagen<br />
für die Förderung der beruflichen Weiterbildung Creaming-Effekte schrittweise<br />
um sich greifen./6/ So fiel im Jahre 2003 – im Vergleich zum Jahre 2002 – der Anteil<br />
der Eintritte in FbW von als besonders förderwürdig eingestuften Personen<br />
deutlich, teilweise erheblich, geringer aus. Demgegenüber ist der Anteil der Teilnehmer<br />
an FbW, die über einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf<br />
verfügen, von 20,1 % im Jahre 2002 auf 25,9 % im Jahre 2003 angestiegen, und<br />
somit der Anteil der besonders förderbedürftigen Personen zurückgegangen. <strong>Die</strong><br />
Kompensation einer fehlenden beruflichen Qualifikation durch Maßnahmen der BA<br />
findet in geringerem Umfang statt, mit der Folge, dass Benachteiligten auf dem<br />
Arbeitsmarkt die Möglichkeit verwehrt wird, ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen.<br />
Ein Ersatz für den Rückgang der Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur<br />
für Arbeit ist nicht in Sicht. Zwar ist die Diskussion darüber, ob zumindest ein Teil<br />
der Weiterbildungsmaßnahmen als versicherungsfremde Leistungen anzusehen<br />
ist,– dies betrifft z.B. das Nachholen von Schulabschlüssen oder Sprachkurse für<br />
Ausländer – alt, und hat eine gewisse Berechtigung, aber unzweifelhaft besteht die<br />
Notwendigkeit einer auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit angelegten Qualifizierungsstrategie<br />
für Individuen mit hohen Arbeitsmarktrisiken. Eine solche muss<br />
nicht notwendig beitragsfinanziert sein, denkbar sind auch Finanzierungsmöglichkeiten<br />
aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Das von der Expertenkommission<br />
vorgeschlagene Erwachsenbildungs- bzw. Bildungsförderungsgesetz könnte eine<br />
solche Funktion übernehmen, müsste dann aber, da es dafür nicht konzipiert wurde,<br />
nochmals überdacht werden.<br />
Zudem ist auf die Finanzierungsdefizite der allgemeine, politischen und kulturellen<br />
Weiterbildung hinzuweisen. Für diese könnte neben einer Sockelfinanzierung<br />
durch die öffentliche Hand das Bildungssparmodell der Expertenkommission Finanzierung<br />
Lebenslangen Lernens interessant sein (vgl. Expertenkommission Finanzierung<br />
Lebenslangen Lernens 2004: 250 ff.). Allerdings wären dann die fol-<br />
38
genden Modifikationen notwenig: Das Konto sollte nicht schon bei Geburt eingerichtet<br />
und aufgefüllt werden können. Der Grund hierfür ist, dass bei einem Konto<br />
ab Geburt die Wahrscheinlichkeit von Studiengebühren erhöht wird, bzw. dass die<br />
Mittel für den Lebensunterhalt verwandt werden können. Zum anderen ist der Entnahmezwang<br />
problematisch, der ein Ansparen von größeren Beträgen für längere<br />
Bildungsmaßnahmen erschwert.<br />
3. Privatisierung von Bildung: Einige Argumente gegen eine stärkere<br />
marktwirtschaftliche Finanzierung von Bildung<br />
Es besteht eine Tendenz in mehreren Bildungsbereichen mit „neuen“ Finanzierungsinstrumenten<br />
einen Ressourcenmangel vermeintlich besser verwalten zu<br />
können. Gemeint ist damit die Umstellung auf eine sogenannte Nachfragesteuerung,<br />
von der erhofft wird, dass Wettbewerb und Markt zur Hervorbringung eines<br />
besseren und günstigeren Angebots beitragen können. <strong>Die</strong>s findet unter verschiedenen<br />
Etiketten in den einzelnen Bildungsbereichen statt: Im Bereich der Kindertagesstätten<br />
unter dem Stichwort Kindergartengutscheine, die vor knapp 2 Jahren in<br />
Hamburg eingeführt wurden, im Schulbereich die Einführung „Neuer Steuerungselemente“<br />
und „Globalhaushalte“, im Hochschulbereich „Studienkonten“ und in der<br />
Weiterbildung „Bildungsgutscheine“ die seit der Hartz-Reform in der SGB III geförderten<br />
Weiterbildung eingesetzt werden. Sie alle zielen letztlich auf eine stärkere<br />
Privatisierung von Bildung hinaus. Gegen eine stärkere Marktorientierung im Bildungsbereich<br />
sprechen jedoch die folgenden Argumente (vgl. Jaich 2004b):<br />
• Erstens erscheinen marktförmige Finanzierungsinstrumente nicht geeignet, da<br />
bei Bildung von verschiedenen Formen des Marktversagens ausgegangen<br />
werden kann (Vgl. hierzu Nagel/Jaich 2004: 247f). Bei Bildung handelt es sich<br />
um ein Gut, dessen Qualität von den Nachfragern nur schwer eingeschätzt<br />
werden kann. Bildung ist nicht nur ein Vertrauensgut, was die Unsicherheit zukünftiger<br />
Erträge und die Qualität der Maßnahmen anbetrifft. Wer die heute<br />
schon bekannten Erträge falsch einschätzt, kann eine nicht geeignete Weiterbildungsmaßnahme<br />
wählen oder nicht das gewünschte Weiterbildungsangebot<br />
entdecken. Es können aber auch Informationsasymmetrien vermutet werden,<br />
d.h. die Anbieter sind systematisch besser über die Qualität des Angebotes informiert<br />
als die Nachfrager. Informationsasymmetrien können zu einer Verschlechterung<br />
der Angebotsqualität führen. Zu Marktversagen kommt es auch,<br />
wenn man unterstellt, dass Nachfrager risikoavers sind; aus gesamtgesellschaftlicher<br />
Sicht wird dann zu wenig Bildung nachgefragt. <strong>Die</strong> Marktorganisation<br />
führt dazu, dass in den meisten Fällen einseitiges und kurzfristig benötigtes<br />
spezielles Wissen und nicht langfristige Schlüsselqualifikationen nachgefragt<br />
werden.<br />
• Zweites sei darauf verwiesen, dass bei der Forderung nach marktnahen Finanzierungsinstrumenten<br />
in der Regel unkritisch vorausgesetzt wird, dass Wettbewerb<br />
per se zu einem besseren Ergebnis führe als eine staatliche Verteilungspolitik.<br />
<strong>Die</strong>s ist jedoch aus theoretischer Sicht in ihrer Allgemeinheit so nicht<br />
haltbar. Wenn der Marktmechanismus immer effizienter als andere Koordinati-<br />
39
onsformen wie z.B. eine bürokratische Organisation wäre, dürfte es beispielsweise<br />
Unternehmen eigentlich nicht geben. Denn in ihren Außenbeziehungen<br />
agieren Unternehmen zwar auf Märkten, dass Innere von Unternehmen ist aber<br />
gerade durch die Abwesenheit von Märkten gekennzeichnet. <strong>Die</strong> Koordination<br />
von Aktivitäten findet innerhalb von Unternehmen nicht durch die Zusammenführung<br />
von Angebot und Nachfrage und die Herausbildung von Marktpreisen<br />
statt, sondern durch Anweisungen./7/ Der Nobelpreisträger Ronald Coase hat<br />
bei seinem Versuch, die Existenz von Unternehmen theoretisch herzuleiten,<br />
darauf hingewiesen, dass jede Form der Koordination von Angebot und Nachfrage<br />
mit Kosten verbunden ist (Coase 1937). Daher lässt erst die Abwägung<br />
der Kosten über unterschiedliche Koordinationsmechanismen Aussagen darüber<br />
zu, welcher Mechanismus im konkreten Fall effizienter ist.<br />
• Drittens setzt ein durch Wettbewerb an den Bedürfnissen der Nachfrager orientiertes<br />
Angebot voraus, dass dieses vom Volumen her größer als die Nachfrage<br />
sein muss, da andernfalls keine Wahlmöglichkeiten gegeben sind. Bestehen<br />
keine Wahlmöglichkeiten, haben Anbieter keinen monetären Anreiz, auf Kundenwünsche<br />
zu reagieren. Ein Angebot, das aber lediglich vorgehalten wird,<br />
damit Wahlmöglichkeiten bestehen, jedoch nie genutzt wird, bedeutet, dass<br />
aus volkswirtschaftlicher Sicht Ressourcen verschwendet werden./8/<br />
• Viertens ist bei der Bewertung von Finanzierungsinstrumenten auch zu berücksichtigen,<br />
dass durch Institutionen nicht nur eine bestimmte Anreizstruktur erzeugt<br />
wird, sondern dass allen Finanzierungsinstrumenten auch eine spezifische<br />
Anreizstruktur innewohnt.<br />
„Denn bei jeder Interaktion zwischen Menschen ist gleichzeitig auch der<br />
Organisationsmechanismus - Markt, Norm, Schenkung u.a.m. - definiert,<br />
mit dem Menschen ihre Handlungen koordinieren. <strong>Die</strong> mit diesem Organisationsmechanismus<br />
verbundenen Erwartungen werden auf die Interaktionen<br />
übertragen und bei jeder Interaktion mitgedacht oder mitgefühlt. Insofern<br />
bewerten Menschen nicht nur die Handlungskonsequenzen, sondern<br />
auch die Handlungsmotive.“ (Brandes/Weise 1999: 54)<br />
Der Übergang zu einem nachfrageorientierten Finanzierungsinstrument bedeutet<br />
daher immer auch, dass neben den, von neoliberalen Befürwortern erwünschten,<br />
Verhaltensänderungen wie mehr Wettbewerb auf der Anbieterseite,<br />
auch unerwünschte Verhaltensänderungen auftreten können. Mit der Einführung<br />
von marktmäßigen Finanzierungsinstrumenten ist daher verbunden, dass<br />
sich die betroffen Akteure in ein anderes Denkmodell begeben, die Marktkoordination<br />
gewissermaßen internalisieren./9/ In einem Marktmodell werden Verhaltensweisen,<br />
die auf Moral, Arbeitsethos, Sympathie oder Solidarität beruhen<br />
jedoch systematisch verdrängt, denn auf Märkten werden Wertäquivalente und<br />
nicht Wertvorstellungen getauscht./10/<br />
Problematisch sind solche veränderten Wertvorstellungen immer auf Märkten,<br />
auf denen so genannte Vertrauensgüter gehandelt werden, da eine externe<br />
Kontrolle bei diesen nur sehr schwer möglich ist./11/ Bildung weist die typischen<br />
Eigenschaften eines Vertrauensgutes auf, d.h. auch durch die Nutzung<br />
bzw. die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme bekommt der Nachfrager keine<br />
Klarheit über die Bildungsqualität, denn der Erfolg einer Bildungsmaßnahme<br />
40
ist nicht immer unmittelbar erkennbar und hängt von vielen Faktoren ab, unter<br />
anderem vom Engagement des Bildungsteilnehmers und seiner Umwelt.<br />
Schließlich ist fünftens zu berücksichtigen, dass durch marktnahe Finanzierungsinstrumente<br />
dem gesellschaftlichen Charakter von Bildung kaum Rechnung<br />
getragen wird. Stattdessen wird die individuelle Humankapitalbildung in<br />
den Fokus gerückt. Begründet wird dies mit dem individuellen Nutzen aus einer<br />
Bildungsteilnahme: Bildung ermögliche höhere Lebenseinkommen, erhöhe die<br />
Aufstiegswahrscheinlichkeit und verringere das Risiko von Arbeitslosigkeit.<br />
Vernachlässigt wird jedoch bei dieser Argumentation, dass solche Nutzenelemente<br />
nur dann auftreten können, wenn nur ein Teil der Beschäftigten sich<br />
qualifiziert. Wird jedoch eine deutliche Erhöhung der Bildungsbeteiligung angestrebt,<br />
so müssen diese Effekte gegen Null gehen. Wenn alle sich bilden, können<br />
hieraus keine Wettbewerbsvorteile für den Einzelnen auf dem Arbeitsmarkt<br />
resultieren. Als Beleg hierfür mag die Entwicklung im Hochschulbereich dienen.<br />
Vor der so genannten Bildungsexpansion in den 70er Jahren war ein erfolgreich<br />
absolviertes Studium in der Regel ein Garant für ein hohes Einkommen<br />
und Beschäftigungssicherheit. Je mehr Schulabgänger in die Hochschulen<br />
drängten, um so ungewisser wurden jedoch die späteren Erwerbsaussichten<br />
für die Absolventen./12/ Wenn also angestrebt wird, die Weiterbildungsbeteiligung<br />
insgesamt zu erhöhen, so kann dies nicht mit dem Hinweis erfolgen, dass<br />
diese sich auszahle.<br />
4. Fußnoten<br />
/1/ Mir den individuellen Begabungen ist wieder eine Größe eingeführt wird, die<br />
durchaus problematisch ist, da sie unterschiedlich ausgefüllt werden kann.<br />
/2/ Mit Kostenabwälzung ist gemeint, dass derjenige, der letztendlich für Bildung<br />
zahlt, nicht derjenige ist, der augenscheinlich als Zahler identifiziert wird. Das<br />
Argument läuft darauf hinaus, dass letztlich immer die Verbraucher und die<br />
Steuerzahler für die Bildungsausgaben aufkommen müssen. <strong>Die</strong> Unternehmen<br />
wälzen Bildungsausgaben über den Preis an die Verbraucher ab, der Staat auf<br />
die Steuerzahler. Vgl. hierzu z.B. Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen<br />
Lernens 2002: 112ff. Aus diesem an sich richtigen Argument kann jedoch<br />
nicht zwingend geschlossen werden, dass die Finanzierungsfrage somit<br />
egal ist, da sowieso immer die gleichen bezahlen müssen. Denn dann würde<br />
man verschiedene Formen des Marktversagens vernachlässigen und der gesellschaftlichen<br />
Bedeutung von Bildung nicht gerecht werden. Zu den verschiedenen<br />
Formen des Marktversagens, insbesondere im Bildungsbereich<br />
vgl. Nagel/Jaich 2004: 246ff<br />
/3/ <strong>Die</strong> Unterschiede in den alten und neuen Bundesländern sind historisch begründet.<br />
Während in der damaligen DDR schon früh ein umfangreiches Betreuungsangebot<br />
bereitgestellt wurde, fand ein Ausbau der Betreuungsangebote<br />
erst durch den im Jahr 1992 verankerten Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz.<br />
/4/ Faktisch verdeutlichen die Ausgaben für Nachhilfe den Umfang, indem die Privatisierung<br />
der Allgemeinbildung vorangeschritten ist, Schätzungen gehen von<br />
ca. 0,75 Mrd. € jährlich aus. Vgl. hierzu Nagel/Jaich 2004: 97.<br />
41
5/ <strong>Die</strong> Ressourcen für die Aus- und Weiterbildung sollten in diesen Fonds jedoch<br />
getrennt verwaltet werden.<br />
/6/ Creaming-Effekte beruhen allgemein auf Verhaltensweisen, bei denen nur die<br />
„guten“ Risiken bedient werden, um mit möglichst geringem Einsatz einen hohen<br />
Ertrag, Nutzen oder Erfolg zu realisieren. Auf die Bundesagentur für Arbeit<br />
übertragen bedeutet dies, eine Konzentration der Maßnahmen auf die Personengruppen,<br />
die schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können.<br />
Hierdurch können schnelle Erfolge aufgewiesen werden bzw. Kosten – durch<br />
Einsparungen beim Arbeitslosengeld – gesenkt werden. Vgl. Schuldt/Troost<br />
2004: 22.<br />
/7/ Es gibt zwar Versuche, innerhalb von Unternehmen Märkte zu simulieren z.B.<br />
durch Verrechnungspreise, Profitcenter usw., dadurch verschiebt sich aber lediglich<br />
das Problem von der Unternehmens- auf die Abteilungsebene<br />
/8/ Bei typischen lagerfähigen Produkten taucht dieses Problem jedoch nicht auf.<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen wie Bildung sind jedoch in der Regel nicht lagerfähig.<br />
/9/ <strong>Die</strong> Einführung von marktnahen Finanzierungsinstrumenten führt jedoch nicht<br />
zwangsläufig zu einer Marktorientierung der Akteure.<br />
/10/ Auch wenn alle Märkte eines Restes an Wertvorstellungen bedürfen, die sich<br />
meist in Sitten und Gebräuchen manifestieren.<br />
/11/ Vgl. zum Begriff Vertrauensgut Eger 1997, S. 145.<br />
/12/ <strong>Die</strong>s ändert natürlich nichts daran, dass Hochschulabsolventen in der Regel<br />
immer noch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben als Nichtakademiker.<br />
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Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/2003, 12-22<br />
Weiß, Reinhold 2003: Betriebliche Weiterbildung 2001 – Ergebnisse einer IW-<br />
Erhebung. IW-Trends 1/2003, Köln<br />
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Beitrag für das Forum 6: Finanzierung und Ökonomisierung von<br />
Bildung – Mehr Geld in Humankapital investieren?<br />
Zur Stärkung von Marktelementen im Bildungsbereich<br />
Prof. Dr. Herbert Schui, Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik<br />
Bildung und Wissen stehen in einem engen Verhältnis zum technischökonomischen<br />
Entwicklungsstand und zu den gesellschaftlichen Verhältnissen,<br />
unter denen produziert wird. Wenn Entwicklungsstand und Verhältnisse zueinander<br />
in Widerspruch geraten, dann muss dies auf das Wissen und seine Erscheinungsformen<br />
durchschlagen. Rückständige gesellschaftliche Verhältnisse prägen<br />
das Wissen, seine Herausbildung und Verbreitung. So sind die gegenwärtigen<br />
Versuche zu verstehen, Wissen und alles, was damit zusammenhängt, lediglich<br />
als eine Ansammlung von Teilmärkten, koordiniert durch den Wettbewerb, zu verstehen.<br />
Es wird deutlich, dass es Widersprüche gibt, die nicht gelöst, sondern<br />
weggeschminkt werden sollen.<br />
1. Der öffentliche Skandal ungenutzter wirtschaftlicher Möglichkeiten<br />
Um zu verdeutlichen, welche Frage gegenwärtig zu lösen ist, aber nicht mehr<br />
gestellt werden soll, da ihre Lösung mit den vorherrschenden Interessen nicht<br />
vereinbart werden kann, sei an Marx’ Beispiel der Handmühle erinnert. Deren<br />
Einsatz wurde durch ein kaiserliches Edikt verboten, weil sie die Handwerker arbeitslos<br />
machte.<br />
Eingehender lässt sich die aktuell gestellte Frage mit Keynes' Theorie zu Vollbeschäftigung<br />
und Wohlfahrt erfassen: Wenn die menschliche Arbeit durch technischen<br />
Fortschritt produktiver wird, der Lohn und die wohlfahrtsstaatlichen Leistungen<br />
aber nicht entsprechend wachsen, dann wird ein Mangel an effektiver<br />
Nachfrage und folglich Arbeitslosigkeit die Folge sein. Selbst bei sehr niedrigen<br />
Zinsen wird die unzureichende Konsumquote nicht durch eine entsprechend steigende<br />
Investitionsquote ausgeglichen. Wenn aber die rentablen Investitionsmöglichkeiten<br />
begrenzt sind, die steigende Arbeitsproduktivität jedoch bei gegebener<br />
Beschäftigung den potenziellen Output steigert, dann gibt es auf der Basis von<br />
Keynes' Überlegungen nur zwei Möglichkeiten, aus der wachsenden Ergiebigkeit<br />
der Arbeit mehr Wohlfahrt zu machen, nämlich die Nachfrage durch einen höheren<br />
Massenkonsum zu steigern oder die Outputsteigerung durch Arbeitszeitverkürzung<br />
bei vollem Lohnausgleich zu begrenzen. <strong>Die</strong>s beides aber lässt sich<br />
nicht mit Markt und Wettbewerb erreichen.<br />
<strong>Die</strong>se Einsicht ist praktisch und einfach, jedoch schwer zu verwirklichen: <strong>Die</strong> Lösung<br />
bedeutet höhere Kosten und niedrigere Rentabilität. Lässt sich dies bei internationaler<br />
Konkurrenz durchhalten. Kann ein kapitalistisches System überhaupt<br />
auf einer solchen Grundlage funktionieren? Oder müssen nicht wenigstens<br />
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Schlüsselbereiche nationalisiert werden, damit die niedrigere Rentabilität kein<br />
Hindernis für Produktion und Investition ist? Was ersetzt die Rentabilität als<br />
Steuerungsinstrument? Sobald das Problem der wohlfahrtsmehrenden Nutzung<br />
des technischen Fortschritts in dieser Weise angegangen wird, reiht sich Frage<br />
an Frage, die intellektuellen und politischen Herausforderungen werden immens.<br />
Wird man ihnen gerecht, ist soziale und intellektuelle Unruhe die Folge: an den<br />
Universitäten, in den Betrieben, Parteien, Parlamenten und Gewerkschaften.<br />
<strong>Die</strong> Verhältnisse bekommen die nötige Dynamik. Wie auch immer die Lösungsschritte<br />
aussehen: Es gibt kein Zurück zur Ausgangslage, alles zielt darauf ab,<br />
sich nicht mehr bewusst- und willenlos dem Markt anzuvertrauen, sondern nach<br />
der politischen, der rationalen, kollektiven, bewussten Lösung zu suchen, die<br />
aus technischem Fortschritt nicht Armut sondern Wohlfahrt macht.<br />
2. Moderne Bewusstseinsindustrie<br />
Unwissen ist Ohnmacht, aber auch Wissen ist solange nicht Macht, wie die Theorie,<br />
das Wissen – um ein wenig die Marxsche Emphase einfließen zulassen –<br />
nicht die Massen ergreift. Das ist die subjektive Seite der rationalen Aneignung<br />
der sozialen Umwelt. Wir können jedoch auch in unserer differenzierten Arbeitswelt<br />
zweierlei unterstellen: <strong>Die</strong> überwiegende Mehrzahl der Menschen bestreitet<br />
ihren Lebensunterhalt zum allergrößten Teil durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft,<br />
und folglich lässt sich für all diese ein Interesse an Vollbeschäftigung<br />
und an einer Absicherung gegen Risiken wie Erwerbslosigkeit, Krankheit, Armut<br />
im Alter unterstellen. Daran scheitert die Verteidigung und Fortentwicklung des<br />
Wohlfahrtsstaates, die Nutzung des technischen Fortschritts für allgemeine<br />
Wohlfahrt also nicht. Unklar ist vielmehr in den Köpfen, wie denn diese Aufgaben<br />
gemeistert werden sollen. Macht ein hoher Preis für Arbeit erwerbslos, ist<br />
die Absicherung gegen Risiken besser bei der Privatwirtschaft aufgehoben,<br />
lässt der Wohlfahrtsstaat die Menschen erlahmen? Es ist sicher richtig, dass<br />
diese Unklarheit durch die sehr unterschiedlichen Lebensverhältnisse gefördert<br />
wird – der gut bezahlten Spezialisten auf der einen und der Tagelöhner in prekären<br />
Arbeitsverhältnissen auf der anderen Seite. Aber diese Unklarheiten haben<br />
nicht dort ihren Ursprung. Sie entspringen vielmehr einer Bewusstseinsindustrie,<br />
die vermeintlich plausible, stets im Unmittelbaren verharrende, Abstraktion<br />
peinlichst vermeidende Ansichten über Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt<br />
und verbreitet. <strong>Die</strong>ser Manipulation liegt kein boshafter, im Einzelnen ausformulierter<br />
Plan zugrunde, obwohl natürlich die Herstellung von falschen und sophistischen<br />
Interpretationen von Regierungen, Parteien, von der Geschäftswelt in<br />
Auftrag gegeben und von Fachleuten, in Universitäten, Stiftungen und Werbeagenturen<br />
ausgearbeitet werden. Das System kommt zunehmend ohne einen<br />
Goebbels aus. Vielmehr funktioniert der ganze Bereich mehr und mehr wie ein<br />
privater Geschäftszweig, der auf Bedarf reagiert, diesen sicherlich auch manipuliert,<br />
dabei aber ganz im Sinne der professionellen Werbung auf die konditionierten<br />
Sehnsüchte seiner Kunden eingeht.<br />
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3. <strong>Die</strong> Lehre: Das Input-Output-Schema in Aktion<br />
Der Widerspruch zwischen der hohen Arbeitsproduktivität und der Lebenslage<br />
sehr vieler Menschen müsste, wenn er die Verhältnisse vorwärts bringen soll,<br />
Unruhe auslösen, kognitive Dissonanzen, Initiativen, Aktionen mit dem objektiven<br />
Ziel, die Produktionsverhältnisse weiterzuentwickeln, bis sie dem Produktivkraftstand<br />
angemessen sind, die vorhandenen Mittel also ihrem Zweck dienlich<br />
gemacht werden können. Das aber soll in diesem Regime nicht sein, das<br />
bei all seiner Dynamik an überkommenen gesellschaftlichen Vorstellungen und<br />
Verhältnissen festhalten will, von Modernisierung redet, aber nur den alten Wein<br />
in neue Schläuche füllt.<br />
Wie sind die Universitäten hier einzupassen, die Studierenden, von denen ja oft<br />
bedeutende Impulse ausgegangen, sind? Neue, auf dem Verordnungsweg geregelte<br />
Berufsverbote wären zu diesem Zweck ebenso anachronistisch wie Goebbels<br />
straffe Vereinigungen für Professoren und Studierende. Es muss ein automatisches<br />
Regelwerk her, Smiths unsichtbare Hand, die allen ihre vermeintliche<br />
Freiheit lässt und die individuellen Präferenzen der Studierenden und der Hochschullehrer<br />
koordiniert. Der Kern dieses Regelwerks ist die Steuerung durch Studiengebühren<br />
und Drittmittel. Wenn diese Studiengebühren nicht pauschal gezahlt<br />
werden, sondern wenn die Studierenden damit die von ihnen gewünschten<br />
Lehrveranstaltungen zusammenkaufen, lässt sich die Lehre in Analogie zum<br />
Markt entsprechend den Präferenzen der Nachfrager steuern. Studiengebühren<br />
dienen dann als Allokationsinstrument, damit das Unternehmen Universität<br />
marktgängige »Produkte« anbietet. Für ärmere Studierende wird es in diesem<br />
Kontext Bildungsgutscheine geben, die das klassische Stipendium ersetzen. Mit<br />
diesem Kunstgriff lassen sich Widerstände beseitigen, die damit begründet werden<br />
könnten, dass der Zugang zu einer akademischen Ausbildung kein Privileg<br />
der Reichen sein dürfe. Verknüpft wird dies mit einem anderen Argument, nämlich<br />
dass diese Ausbildung zu überdurchschnittlichen Einkommen führt und dass<br />
die Studierenden ihre Ausbildung durch Kredite finanzieren sollen, statt hiermit<br />
die öffentlichen Haushalte zu belasten. <strong>Die</strong>s wird ausstaffiert mit allerlei Gerechtigkeitsargumenten:<br />
Warum soll privilegierte Bildung aus Massensteuern, aus<br />
Lohn- und Verbrauchssteuern finanziert werden? Auch wenn die Frage richtig<br />
gestellt ist, ist sie zu verneinen. <strong>Die</strong> Lösung besteht nicht in Studiengebühren und<br />
Krediten, sondern in hohen Gewinnsteuern und einer starken Progression bei der<br />
Einkommenssteuer.<br />
Sind erst die Stipendien für Bedürftige durch Bildungsgutscheine ersetzt oder ist<br />
ihnen doch wenigstens ein öffentlich garantierter Zugang zu Ausbildungskrediten<br />
zu mäßigen Zinsen ermöglicht, hat also das neue Bildungswesen hierdurch seine<br />
soziale Legitimation, dann kann der Markt auch diese Facette der Gesellschaft<br />
erobern. <strong>Die</strong> Funktionsprinzipien sind leicht zu skizzieren: Es lässt sich ohne weiteres<br />
unterstellen, dass Studierende nach ihrem Examen eine angemessene Arbeit<br />
finden möchten. Hierzu ist es wichtig, eine marktgängige Ausbildung zu haben.<br />
Folglich müssen die Fertigkeiten erlernt werden, die die Unternehmen oder<br />
auch der Staat nachfragen.<br />
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Ausbildung und intellektuelle Anstrengung allgemein sind damit in ein Input-<br />
Output-Schema eingepasst: <strong>Die</strong> in bestimmter Weise qualifizierte Arbeit ist Input<br />
für Unternehmen und Staat, sie ist Output der Universitäten, soweit die Studierenden<br />
den genannten Input im Voraus richtig einschätzen und bei den Universitäten<br />
nachfragen. <strong>Die</strong> Freiheit der Studierenden besteht darin, aus Gründen ihrer<br />
künftigen Erwerbstätigkeit Input und Output zur Deckung zu bringen. Es ist nicht<br />
so, wie die gängige Floskel lautet, dass Humboldts Bildungsideal »in der Masse<br />
erstickt« würde. Es ist das Marktschema, das ihm keine Luft zu atmen lässt. Und<br />
auch den Rat der Weitsichtigen unter den klassischen Ordinarien wird es nicht<br />
mehr geben können, nämlich sich an der Universität umzusehen und nicht<br />
sogleich mit äußerster Zielstrebigkeit auf einen der neuen Master-Abschlüsse<br />
(günstiger cw-Wert und »entrümpelt«) hinzuarbeiten. Eines ist sicher: <strong>Die</strong> Erzeugung<br />
dieses verwertbaren, rentablen Wissens ist nicht das, was den Intellektuellen<br />
hervorbringt und erst recht nicht seine Verantwortlichkeit. <strong>Die</strong>ses System ist<br />
darauf ausgerichtet, Fachleute hervorzubringen, aber schwerlich einen Einstein,<br />
der in den 40er Jahren seine politische Überzeugung in einem Essay »Why Socialism?«<br />
klarmacht, nicht 18 Göttinger Physiker, die sich in den 50er Jahren öffentlich<br />
gegen die atomare Bewaffnung Westdeutschlands wenden, und vieles<br />
andere mehr an intellektueller Unruhe.<br />
Keynes schrieb vom »öffentlichen Skandal ungenutzter wirtschaftlicher Hilfsquellen«:<br />
Wird das neue marktgesteuerte Universitätssystem dazu beitragen können,<br />
dass es in der Zukunft hierfür einen Gedenktag gibt (nachdem dies überwunden<br />
ist), und dafür, dass vermeidbare Armut die Menschen erniedrigt hat, ihrer Würde<br />
beraubt, Kriminalität verursacht und drakonische Strafen ausgelöst hat? Wer wird<br />
im neuen Marktsystem den Studierenden, der Öffentlichkeit erläutern, warum die<br />
Erwerbslosigkeit, die prekären Arbeitsverhältnisse, das Phänomen der working<br />
poor auch dann nicht verschwindet, wenn sich alle auf das genaueste in das Input-Output-Schema<br />
eingepasst haben? Wer wird die Gründe für den Widerspruch<br />
zwischen hoher Arbeitsproduktivität und wachsender Armut erforschen? Werden<br />
sich die Studierenden künftig mit ernst zu nehmender Makroökonomie befassen,<br />
die deutlich macht, dass die Beseitigung der Erwerbslosigkeit außerhalb der<br />
Reichweite ihrer individuellen, marktkonformen Bemühungen liegt? Wird dies<br />
durch Drittmittel gelenkte Forschung gefördert?<br />
4. <strong>Die</strong> Forschung: Blinde Flecken<br />
Bei der öffentlichen Finanzierung der Forschung sind vor allem drei Fragen, zu<br />
lösen: Wie können die Unternehmen als Nutznießer von Forschung an den Kosten<br />
beteiligt werden, was soll Forschungsgegenstand sein und welche Personen<br />
oder Gruppen erbringen je Forschungsmark die besten Ergebnisse?<br />
Damit ist angesprochen, dass Forschungsmittel knapp sind und dass es Kriterien<br />
geben muss, nach denen sie verteilt werden. Nun sollte man den Hinweis auf<br />
Knappheit nicht unwidersprochen lassen. Denn warum eigentlich verzichtet der<br />
Staat auf Gewinnsteuern, die ja auch den Universitäten zugute kommen könn-<br />
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ten? Warum müssen diese nun von den Unternehmen Sponsoring und Drittmittel<br />
erbetteln?<br />
Wenn aber einmal die Mittel knapp gemacht sind, dann verpflichten sich die Universitäten<br />
in Leistungsvereinbarungen mit dem jeweiligen Wissenschaftsministerium<br />
mehr und mehr Drittmittel einzuwerben, mehr noch, es gibt zusätzliches öffentliches<br />
Geld, wenn der Quotient aus Drittmitteln zur Anzahl der Hochschullehrer<br />
recht hoch ausfällt. Zwar existiert die Freiheit von Forschung und Lehre im<br />
Sinne des Grundgesetzes weiter, aber das ganze Verfahren stellt doch sicher,<br />
dass wissenschaftliche Mitarbeiter da eingestellt werden und forschen, wo dies<br />
die Drittmittelgeber wünschen (viel Zeit geht allerdings bereits bei der Ausarbeitung<br />
neuer Anträge verloren). Besonders in den Sozialwissenschaften ist dies ein<br />
äußerst zweifelhaftes Verfahren. Denn wer gibt nun die Richtung vor? Eine sehr<br />
große Anzahl von Stiftungen, die gemäß ihren unterschiedlichen Satzungen, Beiräten,<br />
Kuratorien und jeweiligen Forschungsschwerpunkten vorab entscheiden,<br />
was Sache ist, und Unternehmungen, die durchweg an einer Zuarbeit in den Naturwissenschaften<br />
interessiert sind. Es wird behauptet, »Drittmittelfähigkeit« sei<br />
einfacher und zuverlässiger als die Beurteilung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen,<br />
denn schließlich hätten die jeweiligen Monographien und Aufsätze unterschiedliche<br />
Qualität. Aber haben die Fremdmittel, das ist doch die Frage, nicht<br />
auch unterschiedliche Qualität? Ist das Urteil, das mit einer Mark aus einer Roosevelt-Stiftung<br />
verbunden wäre, identisch mit dem Urteil einer Mark aus einer<br />
Reagan-Stiftung?<br />
Kann so organisierte sozialwissenschaftliche Forschung ernsthaft die brennenden<br />
Gegenwartsfragen angehen, oder sind nicht doch die falschen Fragen gestellt,<br />
sodass die Forschung schließlich allerlei Moden folgt, weil alle, auch die<br />
Stiftungen, zeitgemäß sein möchten, aber kaum jemand die Gelegenheit hat zu<br />
klären, warum einiges zeitgemäß und anderes nicht (mehr) zeitgemäß sein soll?<br />
Überhaupt scheint »zeitgemäß«, die traditionellen Falsifikationskriterien für wissenschaftliche<br />
Behauptungen zu ersetzen. Der triviale Hinweis muss erlaubt sein:<br />
<strong>Die</strong> Wahrheit sollte interessieren und die Bedeutung der gestellten Frage. Von<br />
vorne herein ist es schwierig, solide zu beurteilen, welches Projekt die größeren<br />
Chancen hat, die »Wahrheit« zum Vorschein zu bringen. Eine gediegene Forschungspolitik<br />
muss sich daher auf Vielfalt verlegen, unterschiedliche Herangehensweisen,<br />
Paradigmen, Positionen gleichermaßen fördern. Das aber kann<br />
nicht ein ungeordnetes Ensemble autonomer Stiftungen und Unternehmen im<br />
Verein mit öffentlich finanzierter Forschung leisten. Doch auch bei politisch vernünftig<br />
organisierter Forschung ist vor Illusionen zu warnen: Besonders in den<br />
Sozialwissenschaften ist es Sache des Bewusstseins, der vorherrschenden Einstellungen,<br />
ob die »Wahrheit« wahrgenommen wird – ganz abgesehen davon,<br />
dass der praktische Test gesellschaftswissenschaftlicher Aussagen, ihr empirischer<br />
Beweis schwierig ist. Aber trotz all dieser Schwierigkeiten: Forschung und<br />
Lehre an den Universitäten könnten ihren Beitrag leisten für eine vernunftgeleitete<br />
Erzeugung und Nutzung des potenziellen Reichtums der Gesellschaft. Gegenwärtig<br />
aber wird alles darangesetzt, dass die entscheidenden Fragen nicht gestellt<br />
werden. <strong>Die</strong> Wissenschaft soll sich bei der Analyse der Produktionsverhältnisse<br />
blind stellen. <strong>Die</strong> Gesellschaftswissenschaften sollen sich dem social engi-<br />
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neering widmen, den Gefälligkeitsattesten, dem Herausputzen alter Traditionen<br />
oder der postmodernen Verantwortungslosigkeit.<br />
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In eigener Sache<br />
<strong>Die</strong> AG Bildungspolitik beim Parteivorstand der <strong>Linkspartei</strong>.PDS gibt in loser Folge<br />
Aufsätze (broschürt) von Wissenschaftlern, Praktikern, Schul- und Bildungspolitikern<br />
heraus mit dem Ziel, die offene Diskussion um linke Schul- und Bildungsprogrammatik<br />
zu unterstützen und zu fördern.<br />
Bisher sind erschienen:<br />
Horst Adam<br />
Jugend und Konflikte - pädagogische Überlegungen zur gewaltlosen Konfliktbewältigung<br />
Horst Adam<br />
Gesellschaftlicher Bruch und Erziehungsverständnis<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
Max Horkheimer und die Bildung - Das autonome Subjekt als Schöpfer seiner selbst?<br />
(Zum 100. Geburtstag von M. Horkheimer)<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
Das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
Zukunftsfähige Entwicklung von Bildung und Wissenschaft<br />
Gerhard Sielski<br />
Deutsches Bildungswesen zwischen Reform, Restauration und Alternativversuchen<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
<strong>Die</strong> Ostdeutschen und der Weg zu mehr Demokratie<br />
<strong>Die</strong> Transformation in Ostdeutschland als Sonderfall der internationalen Transformation<br />
von historisch gewachsenen Gesellschaften<br />
Karl-Heinz Schimmelmann<br />
Schule und Arbeitswelt - zur Integration von Arbeit, Wirtschaft und Technik<br />
in die Allgemeinbildung<br />
Gerhard Sielski<br />
<strong>Die</strong> schulpolitische Landschaft im heutigen Deutschland und Ansätze<br />
einer linken Bildungspolitik<br />
Eberhard Mannschatz<br />
Gemeinschaftserziehung und Individualerziehung<br />
Wolfgang Altenburger / Ulrike Wend<br />
Erlebnispädagogik - Praxis gestern und heute<br />
Wolfgang Lobeda<br />
Politische Bildung - Historisches und Aktuelles<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
Hat die Zukunft eine Zukunft? Bildung für das kommende Jahrhundert<br />
Edgar Drefenstedt<br />
Deutsche Pädagogen in der Zeit des Kalten Krieges<br />
Aus der Geschichte des gesamtdeutschen Schwelmer Kreises<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
Globales Lernen - ein Beitrag zur Globalisierung des Lebens<br />
Alexander Bolz<br />
Gemeinschaftserziehung im Nationalsozialismus<br />
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Horst Kühn<br />
Chancengleichheit der Geschlechter und Koedukation<br />
Marianne Berge<br />
Das Bild von einer künftigen Gesamtschule für alle<br />
Eberhard Mannschatz<br />
Jugendhilfe und Heimerziehung in der DDR und über die Rolle im heutigen<br />
sozialpädagogischen Diskurs<br />
Eberhard Mannschatz<br />
A. S. Makarenko<br />
über den Zugang zu seinen pädagogischen Auffassungen<br />
Horst Kühn / Wolfgang Lobeda<br />
Blick auf die Jugend und die politische Bildung<br />
Peter Blankenburg<br />
150 Jahre Manifest der Kommunistischen Partei<br />
Reflexionen zur Bildungs- und Schulpolitik<br />
Bernhard Claußen<br />
„Autoritarismus“ und die „Mitte der Gesellschaft“<br />
Bernhard Claußen<br />
Bildung und Kultur als Politikum in der gesellschaftlichen<br />
Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus<br />
Bernhard Claußen<br />
Bildungspolitische Aspekte der Politischen Bildung in Deutschland<br />
AG Bildungspolitik<br />
„Forum Bildung“ und PISA-Diskussion – Ansatz einer Bildungsreform in Deutschland?<br />
AG Bildungspolitik<br />
Nationale Bildungsstandards ein Schritt zur Bildungsreform in Deutschland?<br />
Günter Wilms<br />
Das Bildungswesen der DDR – Ein Rückblick mit Anregungen für eine Bildungsreform in Deutschland<br />
Lothar Gläser<br />
Das deutsche Bildungswesen im Abseits. Möglichkeiten einer grundlegenden Bildungsreform im<br />
Prozess der Wiedervereinigung 1989/90 und deren Verhinderung – Eine Dokumentation<br />
Hans-Georg Hofmann<br />
Freie humanistische Allgemeinbildung für alle contra verkaufte Bildung. Das neoliberale Bildungskonzept<br />
und Alternativen zur Erneuerung der Bildung<br />
Wolfgang Lobeda, Gerhard Sielski u.a.<br />
Schule in Europa zwischen Pisa und Sparprogrammen – Streiflichter Teil I –<br />
Wolfgang Lobeda, Gerhard Sielski u.a.<br />
Schule in Europa zwischen Pisa und Sparprogrammen – Streiflichter Teil II –<br />
Zur Bildungsprogrammatik linker Kräfte in europäischen Ländern<br />
Preis je Broschüre 1,50 Euro<br />
Erhältlich bei: AG Bildungspolitik beim Parteivorstand der <strong>Linkspartei</strong>.PDS<br />
Kleine Alexanderstraße 28<br />
10178 Berlin<br />
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BESTELLSCHEIN<br />
Dr. Annette Mühlberg<br />
AG Bildungspolitik der <strong>Linkspartei</strong>.PDS<br />
Postfach 100<br />
10122 Berlin<br />
Name, Vorname ..................................................................<br />
Straße, Nr. ..................................................................<br />
PLZ, Ort ..................................................................<br />
Ich bestelle die Schriftenreihe „Zukunftswerkstatt Schule“ für ein Jahr.<br />
Erfolgt sechs Wochen vor Ablauf der Jahresfrist keine Abbestellung, verlängert<br />
sich die Lieferung jeweils um ein weiteres Jahr.<br />
O Ich lege der Bestellung eine Spende bei.<br />
O Ich überweise sie auf das angegebene Konto<br />
O Ich bitte um Zusendung einer Spendenbescheinigung.<br />
Ich informiere den Herausgeber, wenn ich diese Bestellung widerrufe.<br />
.......................................... ..............................................<br />
(Datum) (Unterschrift)<br />
x------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />
Erscheinungsweise: viermal im Jahr<br />
Spendenempfehlung: Jahresbezug: 5,00 Euro, Einzelheft 1,00 Euro<br />
Bankverbindung: Kto.-Nr. 4384840000<br />
BLZ 100 200 00<br />
Berliner Bank AG<br />
Kennwort: AG Bildungspolitik<br />
<strong>Die</strong> Schriftenreihe wird als Postvertriebssache zugestellt. Für Bestellungen bitten<br />
wir vorstehenden Bestellschein zu nutzen und an nachfolgende Adresse zu richten:<br />
AG Bildungspolitik<br />
beim Parteivorstand der <strong>Linkspartei</strong>.PDS<br />
PF 100 Telefon: 030 / 24009305<br />
10122 Berlin Telefax: 030 / 24009624<br />
Internet: www.sozialisten.de/ag_bildungspolitik<br />
Wünsche für Sammelbestellungen bzw. Bestellungen von Einzelnummern sind an<br />
die gleiche Adresse zu richten.<br />
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