S C H U L E - Die Linkspartei - Die Linke
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dung muss in diesem Sinne das Potenzial einer freien und gleichen Gesellschaft<br />
entfalten können.<br />
Pädagogik dieser Gestalt hat bereits ihre Grundlagen und Vorläufer, sie besitzt<br />
ihrer theoretischen Väter. Es ist zwar nicht möglich, hier im Schnellverfahren all die<br />
Traditionen auch nur aufzuzählen, die mit dem Voranschreiten einer Ökonomisierung<br />
von Bildung – einer Art neoliberalen Kulturrevolution – aus dem pädagogischen<br />
Kanon gedrängt wurden. Zumindest aber soll hier benannt werden, dass mit<br />
Hartmut von Hentigs „Berufseid für Pädagogen“, den Beiträgen Wolfgang Edelsteins,<br />
dem langjährigen Direktor der Odenwaldschule und Leiter des Max-Planck-<br />
Instituts für Bildungsforschung, sowie Theodor W. Adornos Forderung nach einer<br />
„Erziehung zur Mündigkeit“ eine spezifisch deutsche Tradition alternativer Bildungsentwürfe<br />
immer schon vorlag. Rationale oder „reflexive Pädagogik“ (Böttcher<br />
2005) hat also immer noch ihre Referenzpunkte. Es gilt heute mehr denn je, sie in<br />
den Raum öffentlicher Diskursivität oder anders: in den Raum öffentlicher Kontroversen<br />
zurück zu bringen.<br />
Rolle, Ausbildung und Aufgaben von Pädagogen explizit zu thematisieren, bedarf<br />
unbedingter Voraussetzungen. Für ein reformiertes Lehrerleitbild muss voraus<br />
gesetzt werden, dass angemessene schulstrukturelle und – im gleichen Maße –<br />
angemessene gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierzu<br />
gehört, dass der weiteren Polarisierung materieller und sozialer Existenzbedingungen<br />
in der Gesellschaft entgegengewirkt wird. <strong>Die</strong> Schaffung sozial gerechter Bildungschancen<br />
ist auf die Herstellung sozial gerechter Lebens- und Ausgangsbedingungen<br />
angewiesen. Eine Politik, die durch Verschärfung der Einkommensungleichheit<br />
Prozesse der sozialen Marginalisierung und räumlichen Segregation befördert,<br />
ist hier kontraproduktiv. Eine schulbezogene Pädagogik kann folglich nicht<br />
die Probleme lösen, die schon im außerschulischen Umfeld entstanden sind und<br />
immer weiter entstehen. Das Aufwachsen unter prekarisierten bzw. depravierten<br />
Bedingungen führt zu Bildungsverhinderungsfaktoren, bei denen die Schulpädagogik<br />
immer nur noch eine Symptombehandlung, jedoch keine Ursachenbehebung<br />
vornehmen kann [Bild des Rettenden am Fluss, der immer nur Ertrinkende<br />
aus dem Wasser zieht, aber nie dort hin gelangt, wo die Leute ins Wasser geworfen<br />
werden]./2/<br />
Das Gleiche gilt für schulstrukturelle Rahmenbedingungen. <strong>Die</strong> Beibehaltung einer<br />
starren Schulformdifferenzierung, eines drei-, vier-, nimmt man Sonderschulzweige<br />
mit hinein, fünf- oder sechsgliedrigen Schulsystems, ist – wie internationale Vergleichsstudien<br />
unisono belegen – pädagogischer Irrsinn. Sie sind, was hier nicht<br />
ausführlich begründet werden muss, Bedingung der Aufrechterhaltung von Bildungsungleichheit<br />
und nicht ihr Gegenmittel (Gleiches gilt wiederum für das Festhalten<br />
an einem Noten- und Zensuren-orientierten Bewertungssystem und die internationale<br />
„Sonderrolle“ Deutschlands, wenn es darum geht, das Sonderschulwesen<br />
mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten). <strong>Die</strong> Debatte über Schulautonomie<br />
und Ganztagsunterricht erfüllt auf der Ebene offizieller Bildungspolitik indes nicht<br />
die Funktion, die Aufbrechung einer ebenso beispiellosen wie anachronistischen<br />
deutschen Schulformhierarchie endlich einzuleiten. Sie ist vielmehr Ausdruck eines<br />
deutschen Bildungskonservatismus, der sich – auch gegen OECD-Empfehlungen,<br />
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