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Ludwig Thoma Komödie in drei Akten Personen: Fritz ... - act-n-arts

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Beermann: Denken Sie bloß nach! Mit der Moral ist es genau wie mit der Religion. Man muß immer den E<strong>in</strong>druck haben,<br />

daß es e<strong>in</strong>e gibt, und e<strong>in</strong>er muß vom andern glauben, daß er e<strong>in</strong>e hat. Me<strong>in</strong>en Sie denn, daß es noch e<strong>in</strong>e Religion<br />

geben würde, wenn die Kirche unsere Sünden öffentlich verhandeln würde? Aber sie vergibt sie im stillen, und so schlau<br />

sollte der Staat auch se<strong>in</strong>.<br />

Ströbel: Es kl<strong>in</strong>gt manches richtig von dem, was Sie sagen.<br />

Beermann: Es ist richtig. Sie können sich darauf verlassen.<br />

Ströbel: Theoretisch vielleicht. Aber das hilft uns nichts. Solange das Gesetz es vorschreibt, werden diese Sünden, auf<br />

das Tagebuch klopfend, öffentlich verhandelt.<br />

Beermann: Auch wenn man weiß, daß der Staat Schaden leidet?<br />

Ströbel zuckt die Achseln: Tja!<br />

Beermann: Nehmen wir an - ich weiß es ja nicht - aber nehmen wir an, nur e<strong>in</strong> angesehener Mensch hätte mal 'ne<br />

schwache Stunde gehabt und stünde <strong>in</strong> dem Buch...<br />

Ströbel energisch: Dann wird er vorgeladen, ohne Gnade und Barmherzigkeit.<br />

Beermann schreit: Aber das ist ja der helle Blöds<strong>in</strong>n!<br />

Ströbel verweisend. Es ist Pflichterfüllung. Lehrhaft: Sehen Sie, Herr Beermann, Sie s<strong>in</strong>d Laie. Bei Ihnen darf das Gefühl<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Wir Beamte dagegen stoßen mit unsern Empf<strong>in</strong>dungen an die eherne Mauer der Pflicht.<br />

Beermann hält sich die Ohren zu: Hören Sie auf!<br />

Ströbel: Darüber weg tragen uns ke<strong>in</strong>e Schw<strong>in</strong>gen.<br />

Beermann zornig: Wenn man schon Federvieh ist, soll man auch fliegen können. Ich will Ihnen was sagen. Wissen Sie,<br />

was wir seit <strong>drei</strong> Wochen tun? Die Zungen reden wir uns aus den Hälsen, um e<strong>in</strong>e regierungsfreundliche Wahl zu<br />

ermöglichen. Nichts wie Vaterland und Staat und Religion seit <strong>drei</strong> Wochen! Und das ist der Dank! Ins Teufels Namen,<br />

stellen Sie sich vor, es würde e<strong>in</strong>er kompromittiert, der <strong>in</strong> <strong>drei</strong>ßig Versammlungen staatsfe<strong>in</strong>dliche Ideen bekämpft hat!<br />

Ströbel zuckt die Achseln: Tja!<br />

Beermann: Liefert die Regierung ihren eigenen Gegnern den Mann aus?<br />

Ströbel: Wir würden ihn bedauern, aber wir müßten ihn vorladen.<br />

Beermann: Ohne Gnade und Barmherzigkeit - Am Telephon läutet es sehr heftig.<br />

Ströbel: Entschuldigen Sie e<strong>in</strong>en Augenblick! Ströbel geht zum Telephon und wendet Beermann den Rücken zu. Hier<br />

Amtszimmer - - jawohl, Herr Präsident, ich b<strong>in</strong> selbst am Telephon kle<strong>in</strong>e Pause... bei der Verhaftung?... bei der<br />

Verhaftung war der Kommissär anwesend und e<strong>in</strong> Schutzmann... kle<strong>in</strong>e Pause und e<strong>in</strong> Schutzmann... Pause gewiß, Herr<br />

Präsident, ich habe verstanden... ich soll den Kommissär Schmuttermaier kurze Unterbrechung... ich soll den Esel<br />

Schmuttermaier sofort hierher zitieren... Pause und soll selbst warten... jawohl, Herr Präsident.<br />

Während des Telephongespräches ist Beermann wieder an den Schreibtisch getreten. Er nimmt mit zitternder Hand das<br />

Tagebuch, legt es wieder h<strong>in</strong>, nimmt es wieder und schiebt es hastig mit energischem Ruck <strong>in</strong> die Brusttasche. Ströbel<br />

geht <strong>in</strong> deprimierter Stimmung vom Telephon weg. Beermann stellt sich so vor den Schreibtisch, daß ihn Ströbel nicht<br />

überblicken kann. Er ist verstört und hustet, um se<strong>in</strong>e Unruhe zu verbergen. Ströbel drückt auf e<strong>in</strong>e Glocke, die auf<br />

Reisachers Tisch steht.<br />

Beermann unter Hustenanfällen: Ich sehe e<strong>in</strong>, daß nichts mehr zu machen ist, und will Sie nicht länger stören.<br />

Ströbel hastig: Ne<strong>in</strong>, bitte, bleiben Sie! Im Augenblick kommt der Präsident, da können Sie mit ihm selbst sprechen.<br />

Beermann: Sie sagten doch, daß es nichts hilft...<br />

Reisacher kommt durch die Mitteltüre.<br />

Ströbel dr<strong>in</strong>glich: Reisacher, suchen Sie sofort den Kommissär Schmuttermaier! Wenn er nicht im Hause ist, schicken<br />

Sie nach ihm! Oder telephonieren Sie! Er muß sofort hierher kommen.<br />

Reisacher: Jawoll, Herr Assessor. Rasch ab durch die Mitteltüre.<br />

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