Nº 76 - Bundesverband Geothermie
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Service<br />
Großbauvorhaben können trotz wirksamer Baugenehmigung am Protest<br />
der Bürger scheitern. Die viel zitierte Behauptung, Deutschland sei mittlerweile<br />
eine »Dagegen-Republik«, wird der Frage nach Bürgerbeteiligung<br />
bei Infrastrukturprojekten jedoch nicht gerecht. Kommunikatives und<br />
juristisches Fingerspitzengefühl der Projektverantwortlichen sind mehr<br />
denn je gefragt. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Partizipation? Eine<br />
Analyse am Beispiel »Tiefengeothermie«.<br />
Bürgerbeteiligung konkret: Kommunikation<br />
und Recht bei Tiefengeothermie Projekten.<br />
TEXT: Prof. Dr. Thorsten Hofmann, Prof. Dr. Ralf Leinemann<br />
Komplexe und teure Bauprojekte berühren eine<br />
Vielzahl von Interessen, die zwangsläufig miteinander<br />
in Konflikt geraten. Daher ist die Skepsis<br />
der Bürger gegenüber großen Bauvorhaben<br />
kein wirklich neues Phänomen. Zuletzt fiel das<br />
Misstrauen innerhalb der Bevölkerung jedoch<br />
besonders hoch aus: Eine Allensbach-Studie ergab,<br />
dass die Mehrheit der Befragten schon bei<br />
dem Begriff »große Bauprojekte« spontan negativ<br />
reagiert. Der Grund hierfür liegt auch an der<br />
verbesserungswürdigen Steuerung der letzten<br />
Mammutprojekte. Ob bei Stuttgart 21 oder<br />
jüngst beim Bau des Berliner Großflughafens:<br />
Für die Öffentlichkeit wirken Planungen undurchsichtig,<br />
»top-down«-Entscheidungsprozesse veraltet<br />
und elitär und nicht zuletzt erregen explodierende<br />
Kostenkalkulationen die Gemüter der<br />
Steuerzahler.<br />
Erfahrungen aus der Praxis<br />
Sogar bei den positiv besetzten Erneuerbaren<br />
Energien reagieren Anwohner auf konkrete Projekte<br />
mit Skepsis. Neue Technologien beinhalten<br />
ein Sorgenpotential, da die Bürger bislang wenig<br />
Erfahrung mit diesen haben. Als es im Sommer<br />
2009 in Landau in der Nähe einer Tiefengeothermieanlage<br />
zu leichten seismischen Beben<br />
bis zu einer Stärke von 2,7 auf der Richterskala<br />
kommt, wird nicht nur die Erde erschüttert, sondern<br />
auch die gesellschaftliche Akzeptanz der<br />
<strong>Geothermie</strong>. Mehrere Bürgerinitiativen formieren<br />
sich, thematisieren den Konflikt mit breitem<br />
Medienecho und transportieren ihre Ängste in<br />
die Öffentlichkeit. Die Konsequenz: Ein breiter<br />
Fortschrittspessimismus vertreibt die Euphorie<br />
für die <strong>Geothermie</strong>. Um Vertrauen in die<br />
Projekte wieder herzustellen, bedurfte es einer<br />
systematischen Beteiligung aller Betroffenen in<br />
Form eines Mediationsverfahrens. Ziel war die<br />
Versachlichung des Konflikts, um weitere gerichtliche<br />
Auseinandersetzungen zu vermeiden.<br />
Ein Mediationsverfahren besteht grundsätzlich<br />
aus einer Vermittlungs- und einer Umsetzungsphase.<br />
In der Vermittlungsphase soll, unter<br />
Federführung eines neutralen Mediators,<br />
ein Konsens zwischen den verschiedenen Interessengruppen<br />
erzielt werden, der in einem<br />
Abschlusspapier dokumentiert wird. Im Fall<br />
Landau wurden konkrete Vorschläge für mehr<br />
Bürgerbeteiligung beim Bau weiterer Anlagen<br />
erarbeitet, ein Ombudsmann berufen und ein<br />
Schadens-Fonds eingerichtet. Die anschließende<br />
Umsetzungsphase wurde durch regelmäßige<br />
Sitzungen aller Beteiligten konstruktiv begleitet.<br />
Das Beispiel zeigt vor allem eines: Die Zuspitzung<br />
des Konflikts konnte mittels konkreter Beteiligungsverfahren<br />
gelöst werden. Je früher solche<br />
Instrumente genutzt werden, desto weniger<br />
Konfliktpotential entsteht. Mögliche Risikopotentiale<br />
und deren Auswirkung auf das Umfeld,<br />
wie beispielsweise seismische Erschütterungen,<br />
sollten im Vorfeld in die Planung und Kommunikation<br />
mit einfließen, um negative Überraschungen<br />
seitens der Anwohner zu vermeiden.<br />
Sicherheitsvorkehrungen, technische Verfahren<br />
und tatsächliche Auswirkungen müssen der<br />
Öffentlichkeit offen kommuniziert werden. Was<br />
in Landau gelang, funktioniert jedoch nicht immer:<br />
Sobald sich ein einzelner Betroffener nicht<br />
an dem Mediationsverfahren beteiligt, steht die<br />
außergerichtliche Gesamtlösung des Konflikts<br />
auf dem Spiel.<br />
Aus diesen Erfahrungen kann beim Bau anderer<br />
Kraftwerke gelernt werden: Ein ausgewiesener<br />
Ansprechpartner des Betreibers, der für<br />
den Dialog mit Bürgern und Politik, für Fragen,