Festschrift 20 Jahre (2003) - Grüner Kreis
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„Therapie<br />
statt<br />
Strafe“<br />
Das Prinzip „Therapie statt Strafe“<br />
gilt in Österreich als Grundsatz für den<br />
Umgang mit straffälligen Suchtkranken.<br />
Auch der Verein „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“ hat<br />
durch die Behandlung dieser PatientInnen<br />
seit Anbeginn dazu beigetragen, dass<br />
dieses Prinzip heute unumstritten ist.<br />
Eigentlich müsste das Prinzip „Therapie<br />
statt Haft“ heißen, da außer in Bagatellfällen<br />
auch nach positiver Absolvierung<br />
einer Therapie fast immer eine bedingte<br />
Haftstrafe anhängig bleibt. Die dadurch<br />
vorhandene Vorstrafe behindert natürlich<br />
auch den weiteren Lebensweg<br />
nach erfolgreicher Behandlung. Dennoch<br />
zeigt sich, dass die Chancen von<br />
JustizklientInnen, einen erfolgreichen<br />
Behandlungsweg zu beschreiten, zumindest<br />
gleich gut sind wie von jenen<br />
KlientInnen, die ohne „Justizzwang“ eine<br />
Therapie wählen. Dies liegt vor allem<br />
in zwei Prinzipien begründet, die der<br />
„Grüne <strong>Kreis</strong>“ verfolgt:<br />
– „Für uns sind alle PatientInnen<br />
aufgrund ihrer eigenen Entscheidung<br />
hier.“ Dieses Prinzip besagt, dass wir<br />
als Behandler keinen Einfluss auf die<br />
Vereinbarungen zwischen PatientIn<br />
und RichterIn nehmen. Jeder/jede<br />
Patient/in kann zu uns kommen und<br />
sich auch entscheiden, wieder zu<br />
gehen. Dies führt bei keinem/keiner<br />
Patienten/in, sei er/sie auch ein/eine<br />
Justizklient/in, zu Konsequenzen<br />
unsererseits.<br />
– „Jedes Motiv, sich einer Behandlung<br />
zu unterziehen, ist legitim.“ Dies<br />
besagt, dass jeder Grund, zu uns zu<br />
kommen, akzeptiert wird. Diese Motive<br />
zu hinterfragen und eine Motivation<br />
zur Behandlung zu ermöglichen,<br />
ist Aufgabe der Behandlung und nicht<br />
Vorbedingung zur Behandlung. Ob<br />
nun ein/eine Patient/in wegen der<br />
Eltern kommt, weil er/sie von Gericht<br />
geschickt wurde oder weil er/sie einfach<br />
selbst so nicht weitermachen will,<br />
macht für mich keinen Unterschied<br />
in der Wertung der Person des/der<br />
Patienten/in. Jedes Motiv wird akzeptiert<br />
und dient als Basis der Entwicklung<br />
einer therapeutischen Beziehung.<br />
Trotzdem wird aber der Druck, der<br />
durch eine drohende Haftstrafe auf dem/<br />
der Patienten/in lastet, nicht negiert. Das<br />
Eröffnen neuer Lebensperspektiven, die<br />
wieder Hoffnung ermöglichen, gleicht<br />
diese Last aber mehr als aus.<br />
Jedenfalls ist die Arbeit mit straffälligen<br />
Suchtkranken ein wertvoller Teil der<br />
Arbeit des Vereins „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“ und<br />
wird dies noch viele <strong>Jahre</strong> sein.<br />
Text: Dr. Robert Muhr, psychotherapeutischer<br />
Leiter<br />
Foto: Berith Schistek<br />
<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“ Seite 28