Festschrift 20 Jahre (2003) - Grüner Kreis
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Mein<br />
Leben<br />
danach<br />
Hier sitze ich jetzt vor meinem<br />
Computer und schreibe auf die Bitte<br />
eines Freundes und Weggefährten über<br />
mein Leben danach – mein Leben nach<br />
der Sucht. Und dass das alles überhaupt<br />
möglich ist, verdanke ich mehreren Faktoren:<br />
Zu allererst meinem unbedingten<br />
Willen, nicht vorzeitig abzutreten, zum<br />
anderen der Hilfe meiner Familie und<br />
dem „Grünen <strong>Kreis</strong>“. Einfach war’s nicht<br />
und es waren schon gar keine idyllischen<br />
Ferien auf dem Bauernhof, wie<br />
ich anfangs dachte. Es kam ganz anders<br />
und dennoch bin ich jetzt da, wo ich vor<br />
mehr als sieben <strong>Jahre</strong>n träumte zu sein.<br />
Eineinhalb <strong>Jahre</strong> Therapie – ich hatte<br />
keine Ahnung, worauf ich mich da<br />
einließ. Und das war gut so. Ein guter<br />
Teil dessen, was ich fünfzehn <strong>Jahre</strong> lang<br />
mit allerlei Drogen versucht hatte zu<br />
unterdrücken und irgendwie zu umschiffen,<br />
traf mich jetzt nach und nach.<br />
Ich erlebte mich als eine Zwiebel, deren<br />
Schalen klein und schichtweise entfernt<br />
wurden. Der Unterschied war aber, dass<br />
nicht nur Schmerz, Tränen und Wut zum<br />
Vorschein kamen, sondern auch sehr viel<br />
Lachen und Freude am Leben. Etwas, das<br />
ich schon sehr lange vermisst hatte. Ich<br />
verbinde somit mit dem „Grünen <strong>Kreis</strong>“<br />
eine Menge schöner, aber auch weniger<br />
schöner Erlebnisse und Emotionen.<br />
Schlussendlich bin ich jetzt clean und<br />
das zählt.<br />
Aber nun genug von der Vergangenheit.<br />
Ich will Ihnen ja etwas über meine<br />
Zeit danach berichten. Ich nahm den<br />
Weg des sozusagen langsamen Hinüberfließens<br />
in die schöne neue Welt. Hinaus<br />
in das richtige Leben, aber bitte nicht<br />
zu schnell! Nach eineinhalb <strong>Jahre</strong>n in<br />
der geschützten und abgeschirmten<br />
Umgebung des Marienhofs ist selbst ein<br />
Besuch in einem Supermarkt ein kleines<br />
Abenteuer. So suchte ich mir in der<br />
Endphase der Therapie Arbeit in einer<br />
Gärtnerei in Wr. Neustadt, was nicht<br />
ganz so schwer war, wie ich dachte, und<br />
fragte gleichzeitig am Marienhof um eine<br />
Wohnmöglichkeit an. So wohnte ich<br />
ein weiteres halbes Jahr in meinem alten<br />
Zimmer, ging aber gleichzeitig außerhalb<br />
arbeiten. Es erwies sich als eine gute<br />
Mischung. Ich konnte mich auf diesem<br />
Weg langsam von der alten Welt und<br />
ihren Gewohnheiten verabschieden und<br />
in die Neue hineinwachsen. Außerdem<br />
hatte das den Vorteil, auf eigenen Füßen<br />
zu stehen und ein wenig Geld zu sparen,<br />
das ich nach sechs Monaten in eine<br />
Wohnung investieren konnte. Ich tat<br />
dies gemeinsam mit einem Freund, mit<br />
dem ich am Hof Therapie machte und<br />
der schon vor mir im Verein zu arbeiten<br />
begonnen hatte. Es lief alles bestens, bis<br />
ich nach nicht allzu langer Zeit seine<br />
Rückfälligkeit entdeckte. Ich könnte<br />
darüber viel erzählen, aber, um es kurz<br />
zu machen, er starb bald darauf. Ich war<br />
in dieser Zeit nicht so gut drauf, hatte<br />
mit mir und ihm viel zu kämpfen. Ich<br />
be- und überstand diese harte Prüfung<br />
mit einer gehörigen Portion Wut auf<br />
ihn. Aber es war nicht die erste und auch<br />
nicht die letzte Prüfung, die mir auf dem<br />
Weg ins Leben ins Haus stand. Was einen<br />
nicht umbringt, macht einen nur härter<br />
– da ist etwas Wahres dran.<br />
Ich war jetzt soweit, mir einen neuen<br />
Job zu suchen, auch wegen Unstimmigkeiten<br />
in der alten Firma. Außerdem<br />
war es Winter und da wird nun einmal<br />
nicht gepflanzt, weil ... nun wir wissen<br />
ja warum. Eines meiner Hobbys waren<br />
immer schon Mineralien und so suchte<br />
und fand ich eine Stelle in einem Mineraliengroßhandel.<br />
Alles, was ich noch dafür<br />
zu machen hatte, war der LKW-Führerschein.<br />
Das tat ich und begann. Der<br />
Job war gut, der Chef nicht einfach und<br />
das Geld das erste Jahr nicht übermäßig,<br />
aber ausreichend, um gut zu leben. Auch<br />
nahm ich jetzt, wenn nur zaghaft, ein<br />
wenig Unterstützung von meiner Mutter<br />
in Form eines zinsenlosen Kredites an,<br />
um mir mein erstes funkelnagelneues<br />
Auto zu kaufen. Im zweiten Jahr konnte<br />
<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“ Seite 44